Welchen Futterwert weisen Luzerneprodukte für die Schweinefütterung auf?
1. Einleitung
In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Studien zur Nutzung von Grünleguminosen-Produkten in der Schweinefütterung durchgeführt (Sommer und Sundrum, 2015; Bellof et al., 2021). Die Studien weisen ein hohes Potential für die Eiweiß- bzw. Aminosäurenversorgung von Schweinen nach. Die Luzerne stellt sich als eiweißreiche Futterpflanze dar, die besonders in ihren Blättern und Pflanzenspitzen erhöhte Rohproteingehalte gegenüber der Ganzpflanze aufweisen (Bellof et al. 2021).
In einem Verdauungsversuch mit wachsenden Schweinen wurde die Verdaulichkeit der Rohnährstoffe der mittels einer speziellen Hochschnitttechnik geernteten Luzernespitzen (LS) ermittelt, um diese Futtermittel zukünftig bedarfsgerecht und ressourcenschonend in der Schweinefütterung einsetzen zu können. Dafür wurden heißluftgetrocknete Luzernespitzen (LSH), Luzernespitzensilage (LSS) und Luzerneganzpflanzensilage (LGPS) geprüft.
2. Vorgehensweise
Der Verdauungsversuch wurde im Zeitraum vom 16.10.2023 bis zum 07.12.2023 an der Versuchsstation Thalhausen der Technischen Universität München durchgeführt. Die Durchführung ist an die Vorgaben für Verdauungsversuche der GfE (2005) angelehnt.
Futterherstellung
Die Luzernespitzen wurden am 21.09.2022 im Knospenstadium mittels Hochschnitt geerntet (2. Hauptnutzungsjahr, 4. Schnitt). Ebenso wurde von demselben Schlag Luzerneganzpflanze geworben. Am Folgetag wurden die Luzernespitzen in der Futtertrocknung Lamerdingen eG zum Teil heißluftgetrocknet bzw. gehäckselt und in Silagefässer gefüllt. Die Luzerneganzpflanze wurde ebenfalls siliert. Nach Abschluss des Silierprozesses wurden die Silagen in 1-kg-Beutel portioniert und vakuumiert. Für den Differenzversuch wurde die Basaldiät so konzipiert, dass die Kontrollgruppe ausschließlich darüber bedarfsdeckend versorgt werden konnte, sowie die anderen Gruppen durch diese zusammen mit den Prüffuttermittel im Verhältnis 75:25 (bezogen auf die Trockenmasse) bedarfsdeckend versorgt wurden. Die Basaldiät wurde von dem Futterhersteller Meika Tierernährung GmbH (Großaitingen, Deutschland) bezogen und war pelletiert. Alle Futterkomponenten wurden ökologisch erzeugt. Die Zusammensetzung und Inhaltsstoffe der Futtermischung sind in Tabelle 1 dargestellt.
Ernte von Luzernespitzen mit der Maschine „Top cut collect“ (Fa. Zürn) (Foto: © J. Maxa, LfL Bayern)

Tabelle 1: Zusammensetzung (%) und analysierte Inhaltsstoffe (Angaben in g/kg TM) der Kraftfuttermischung (Basaldiät)

Für den Versuch wurden 20 männliche, kastrierte Mastschweine (Deutsche Landrasse) mit durchschnittlich 51,8 kg Lebendmasse zu zweit bzw. zu dritt in acht Buchten eingestallt. Je fünf Tiere bzw. zwei Buchten bildeten eine Fütterungsvariante (Kontrolle, LSH, LSS und LGPS). Die Buchten wiesen eine Größe von 6 m², Vollspaltenboden sowie eine Troglänge von 3 m auf. Die Tiere wurden entsprechend den aktuellen Impfanforderungen geimpft und nach der Einstallung entwurmt (Flubenol® 5% Pulver über 10 Tage). Nach einer langsamen Steigerung von neun Tagen der LSH auf 25 % der Trockensubstanz (TS)-Ration in der LSH-Gruppe, folgte eine Vorbereitungsfütterung von zehn Tagen, woran anschließend die Mastschweine der Kontroll- und LSH-Gruppe in Stoffwechselkäfige umgestallt wurden. Die Käfige waren individuell an die Größe der einzelnen Schweine angepasst. Die Käfigphase gliederte sich in eine 5-tägige Gewöhnungsphase und eine anschließende 5-tägige Kotsammelperiode. Der Versuch endete mit der Rückführung in die Mastabteile. Die Gewöhnung an silagehaltige Prüffuttermittel erfolgte über vier Wochen. Die Schweine der LSS- und LGPS-Gruppe wurden über vier Wochen an die Silagen gewöhnt, bevor die zehntägige Vorbereitungsfütterung stattfand. Anschließend wurden diese Schweine als zweiter Durchgang in die gereinigten und desinfizierten Stoffwechselkäfige umgestallt. Die Käfigphase gestaltete sich wie im ersten Durchgang.
Die Tiere wurden zweimal täglich im Abstand von acht Stunden restriktiv gefüttert (Energieniveau 2,5). In den Buchten hatten die Schweine immer Zugang zum Trog. In den Käfigen wurde der Trog nach Ende der Fütterung verschlossen. Futterreste wurden in der Regel ein zweites Mal zwischen den regulären Fütterungszeiten angeboten. Das Futter wurde auf 10 g (Bucht) bzw. 1 g (Käfig) genau eingewogen.
Die Kontrollgruppe erhielt ausschließlich eine bedarfsdeckende Menge an Basaldiät. Das Prüffuttermittel LSH wurde während der Buchtenhaltung als Cobs vorgelegt und in der Käfigphase mit der Basaldiät je Tier vermahlen. Die Silagen wurden separat von der Basaldiät vorgelegt. Etwaige Reste wurden tierindividuell erhoben. Während der Kotsammelperiode wurden die Futtermittel täglich beprobt und analysiert. Über die letzten fünf Tage der Käfigphase wurde der Kot der Tiere zweimal täglich vollständig gesammelt und gewogen (± 1 g). Eine Teilprobe diente zur TS-Bestimmung, der restliche Kot wurde eingefroren. Diese Proben wurden gefriergetrocknet und als Mischprobe aus den fünf Tagen vermahlen sowie nach den Vorgaben des VDLUFA-Methodenbuchs (2012) analysiert.
Die Schweine wurden, außer in der Käfigphase, wöchentlich gewogen und davon abgeleitet die Futtermenge angepasst. Die Tierkontrolle erfolgte mind. 1x täglich. Tiere in den Stoffwechselkäfigen wurden zusätzlich mittels Score-Sheet auf ihren Gesundheitsstatus überprüft.
Die Raumtemperatur von 19–22°C wurde durch eine abteilbezogene automatische Temperaturregulation sichergestellt. Die Luftzirkulation erfolgte über eine Unterflurlüftung mit passiver Nachströmung. Es bestand eine Hell-Dunkel-Lichtprogrammierung (12:12) sowie Tageslichteinfall durch ein Fenster.
Die Berechnung der Verdaulichkeitsquotienten der Basaldiät und der Prüffuttermittel erfolgte nach Vorgaben der GfE (2005). Die Auswertung der Daten erfolgte als einfaktorielle Varianzanalyse mithilfe des Statistikprogramms SAS 9.4. (SAS 2013).
3. Ergebnisse
In Tabelle 2 sind die Inhaltsstoffe der Luzerneprodukte dargestellt. Die Qualität der Silagen erwies sich bei einem TS-Gehalt von 34 % (LSS) bzw. 33 % (LGPS) als sehr gut. Durch die Beerntung des oberen Teils der Luzerne weisen LSH und LSS gegenüber LGPS einen etwas geringeren Gehalt an Rohasche und deutlich höhere Rohproteingehalte auf. Der Rohfasergehalt konnte durch den Hochschnitt von 203 g/kg Trockenmasse (TM) auf 139 g/kg TM in den Spitzen gesenkt werden.
Tabelle 2: Analysierte Inhaltsstoffe der Prüffuttermittel Luzernespitzen, heißluftgetrocknet (LSH), Luzernespitzensilage (LSS) und Luzerneganzpflanzensilage (LGPS), Angaben in g/kg TM

Die durchschnittliche Lebendmasse der Schweine betrug bei der Umstallung in die Stoffwechselkäfige 75,9 kg, wobei keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt wurden. Bei Ausstallung wiesen sie ein Gewicht von 83,9 kg auf. Jeweils ein Tier der Gruppen LSH und LSS schieden aufgrund von Verletzungen vorzeitig aus dem Versuch aus.
Die tägliche Futtermenge pro Tier in der Kontrollgruppe betrug in der Käfighaltung 2,32 kg. Wurden Prüffuttermittel gefüttert, erhielten die Tiere 1,88 kg (LSH), 1,94 kg (LSS) bzw. 1,93 kg (LGPS) Basaldiät. Der Anteil der Prüffuttermittel an der Gesamtration betrug 25 %, bezogen auf die TS. Das entspricht Frischmassen in Höhe von 0,60 kg LSH, 1,75 kg LSS bzw. 1,83 kg LGPS pro Tier und Tag. Die LSH wurden in den Buchten bis zur nächsten Fütterung aufgefressen. In der Käfigphase wurden sie jedoch in der Kürze der Futterfreigabe nicht gut angenommen, weshalb kurzfristig auf die Vermahlung mit der Basaldiät zurückgegriffen wurde. Vermahlen wurden die LSH ab dem dritten Tag nach Umstellung restlos aufgefressen.
Die Frischmassen des Kotes betrugen pro Tier und Tag: 654 g (Kontrolle), 1.513 g (LSH), 1.606 g (LSS) und 1.797 g (LGPS). Zwischen den Prüfvarianten gab es dabei keine signifikanten Unterschiede. Bei Betrachtung der Trockenmassegehalte gab es ebenso nur zwischen der Kontrolle und den Prüfvarianten, nicht jedoch zwischen den Prüfvarianten signifikante Unterschiede (34,4% (Kontrolle); 25,9 % (LSH); 22,9 % (LSS) und 23,0 % (LGPS); p < ,0001).
Die Verdaulichkeit der Basaldiät betrug für die Organische Substanz (VQ OS) 92%. Die Rohproteinverdaulichkeit (VQ XP) lag bei 87%, während die Rohfaserverdaulichkeit (VQ XF) bei 71% lag. Das Rohfett (VQ XL) wurde zu 83 % verdaut. Tabelle 3 zeigt die Rohnährstoffverdaulichkeiten der drei Prüffuttermittel. Der VQ OS der LGPS liegt mit 56,5 % deutlich niedriger als der für die Luzernespitzen. Ähnliches spiegelt die VQ XP wider mit 52,9 % (LGPS) zu 60,0 % (LSH), bzw. 68,8 % (LSS). Keine statistisch abgesicherten Unterschiede liegen für die Verdaulichkeitsquotienten für das Rohfett vor. Der Energiegehalt der LSH wurde mit der Formel für Einzelfuttermittel der GfE (2006) aus den Nährstoffgehalten und den Verdaulichkeitsquotienten berechnet und liegt bei 10,1 MJ MJ ME/kg TM. Für LSS liegt der Energiegehalt bei 10,8 MJ ME/kg TM. Die LGPS erreicht einen ME-Gehalt von 8,7 MJ/kg TM.
Tabelle 3: Verdaulichkeiten (VQ, %) der Rohnährstoffe der Prüffuttermittel (LS-Mittelwerte und Standardfehler (SE))

4. Diskussion
Die Rohnährstoffgehalte der Luzerneprodukte entsprechen weitgehend den erreichten Werten von Bellof et al. (2021). Die sehr hohen XP-Werte aus dem 1. Schnitt 2020 und 2021 konnten durch die Ernte 2022 nicht erreicht werden. Die GfE (2005) empfiehlt für Differenzversuche einen Anteil der Prüffuttermittel an der Gesamtfuttervorlage von wenigstens 25 % bezogen auf die Organische Substanz. Der Anteil lag für LSH bei 23 %, für LSS bei 22,8 % und für LGPS bei 22,6 % und konnte somit nicht ganz erreicht werden.
Die Silagen wurden von den Tieren gut angenommen. Es fielen Futterreste vor allem aufgrund des restriktiven Zugangs zum Futtertrog in den Käfigen an. Besonders bei der LSH-Gruppe fiel auf, dass die Tiere das Prüffuttermittel in vielen kleinen Portionen aufnehmen, was auf eine reduzierte Schmackhaftigkeit durch Bitterstoffe oder durch die konzentrierte Darreichung als Cobs zurückzuführen sein könnte. Die LSH wurden in den Buchten bis zur nächsten Fütterung gut angenommen.
Die VQ OS der LSS liegt über dem entsprechenden Wert der Luzerneblattsilage (63 %) von Messinger et al. (2021). Ein Vergleich der Luzerneganzpflanzensilagen zeigt trotz ähnlicher Nährstoffgehalte eine geringere VQ der in diesem Versuch verwendeten LGPS auf. Die Diskrepanz zwischen der Verdaulichkeit der OS von Luzernetrockenblatt und Luzerneblattsilage, die von Messinger et al. (2021) festgestellt wurde, kann nicht auf die heißluftgetrockneten Luzernespitzen und Luzernespitzensilage übertragen werden. Ein Einfluss durch die Konservierungsart lässt sich hier somit nicht ableiten. Die Ergebnisse der Verdaulichkeitsuntersuchung bestätigen, dass der Gehalt an Rohfaser maßgeblich zu einer Reduktion der OS-Verdaulichkeit führt (Rodehutscord 2008).
FAZIT
Die Luzernespitzen zeigten unabhängig von der Konservierungsart höhere Verdaulichkeiten für die Organische Substanz und das Rohprotein als die Luzerneganzpflanzensilage. Eine Verminderung der Verdaulichkeit durch höhere Saponingehalte in den Spitzen kann somit nicht bestätigt werden. Das eiweißreiche Produkt Luzernespitzen kann eine sinnvolle heimische Eiweißquelle für die Fütterung von Schweinen darstellen.
DER DIREKTE DRAHT:
Prof. Dr. Gerhard Bellof
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
E-Mail: gerhard.bellof@hswt.de
Hinweis: Die Studie wurde durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF) im Rahmen des Projketes “NovaLuz” gefördert.
Ein Literaturverzeichnis kann von den Autoren angefordert werden.