Mykotoxine als Problem im Schweinefutter
Immer wieder führen Fusarientoxine im Schweinefutter zu Problemen, die aber häufig latent verlaufen und so vom Schweinehalter übersehen werden. Je nach Witterungsbedingungen während des Getreidewachstums kommt es zu unterschiedlichem Wachstum der Pilze und damit zu unterschiedlicher Anreicherung der als sekundäre Stoffwechselprodukte gebildeten Pilzgifte. Aber auch Ergotalkaloide bereiten in Jahren mit besonders guten Wachstumsbedingungen für den Pilz Claviceps purpurea Schwierigkeiten. Die sich entwickelnden Mutterkörner sind aber zumindest im nicht geschroteten Getreide recht gut zu erkennen.
In einer kleinen Folge von drei Artikeln wollen wir einzelne Aspekte der Mykotoxinproblematik mal ein wenig beleuchten.
Im ersten hier vorliegenden Artikel soll es um die Darstellung der wichtigsten Toxine und deren Wirkungen beim Schwein gehen (siehe auch Tabelle 1).
Eine Belastung des Tieres mit Zearalenon wirkt sich in erster Linie auf die Fruchtbarkeit aus. Grund dafür ist die Struktur des ZEA und seiner Metaboliten. Sie ähnelt sehr dem Östrogen und konkurrieren mit den körpereigenen Östrogenen um die Bindung an Östrogenrezeptoren unter anderem an den Eierstöcken, am Hypothalamus und an der Hirnanhangsdrüse. Es greift damit in den regulierten Hormonkreislauf des Östrogens ein und vermittelt Östrogenwirkungen, die sich als Hyperöstrogenismus bei Schweinen manifestieren können. Dabei zeigen die Schweine Vergrößerungen der inneren und äußeren Geschlechtsorgane und Zyklus- und Fruchtbarkeitsstörungen. Aber auch Auswirkungen auf die Würfe in Form von kleineren Würfen und vermehrten Aborten sind zu finden.
Besonders problematisch wird es, wenn Sauen in der Frühträchtigkeit, hier sind die Tage zwischen dem 7. und 10. Trächtigkeitstag besonders im Fokus, einer vermehrten ZEA-Disposition ausgesetzt sind. Die frühembrionalen Verluste sind dann besonders hoch und die Würfe entsprechend kleiner.
Wird über die gesamte Trächtigkeit Futter mit geringen oder mittelgradigen Konzentrationen von ZEA aufgenommen, äußert sich das in erster Linie in kleineren Würfen und größeren Schwankungen der Geburtsgewichte innerhalb eines Wurfes. In sehr schlimmen Fällen kann es zum Tod des gesamten Wurfes führen.
Hinweise bestehen in der Literatur auch auf einen Zusammenhang zwischen ZEA-Disposition und der Anzahl an Spreizern und Grätschern beim Ferkel.
Da Ferkel und Jungsauen besonders empfindlich gegen ZEA reagieren, sind hier auch Richtwerte von maximal 0,1 mg/kg Futter angesetzt. Bei Sauen und Mastschweine liegt dieser bei 0,25 mg/kg Futter. Dabei ist aber nicht auszuschließen, dass auch insbesondere die Aufnahme geringere Mengen über eine längere Zeit die oben genannten Probleme hervorrufen können.
Latente Fusarienintoxikationen lassen sich häufig schlecht diagnostizieren. Daher sind analytische Bestimmungen der Mykotoxine nötig. Über die sogenannten ELISA-Tests, die schnell und kostengünstig zu nutzen sind, kann aber nur die Frage nach der Anwesenheit von ZEA präzise beantwortet werden. Zur Bestimmung der tatsächlichen Mengen oder Konzentrationen sind HPLC-Methoden etabliert, die aber länger dauern und höhere Kosten verursachen. Allerdings lassen sich damit auch sehr präzise Ergebnisse bei geringen Mengen an ZEA erzielen.
Aber nicht nur im Getreide finden wir ZEA, sondern auch, wie Ergebnisse der letzten Jahre zeigen, in Zuckerrübenprodukten, also in erster Linie in Trockenschnitzeln.
Trichothecene (DON und T2-Toxin)
Die beiden Mykotoxine der Trichothecene Gruppe Deoxinivalenol (DON) und T2-Toxin wirken in die gleiche Richtung und sind häufig auch zusammen im Getreide zu finden. Wobei DON in Deutschland wohl das am häufigsten in Nahrungs- und Futtermitteln vorkommende Mykotoxin darstellt.
Der Haupteffekt der zellulären Wirkungsweise von DON besteht in der Hemmung der Proteinsynthese, was bis zum Zelltod führen kann.
Für die Schweinehaltung ist aber ein anderer Effekt wesentlich wichtiger. Bei sehr starker Belastung kann nämlich Futterverweigerung, Durchfall und Erbrechen ausgelöst werden. Daher hat DON auch den Namen Vomitoxin. Allerdings ist dies recht selten. Viel häufiger kommt es bei geringeren Belastungen zur Reduzierung der Futteraufnahme und damit einhergehend einem geringeren Wachstum und einer schlechteren Futterverwertung, was signifikante Verschlechterungen der Wirtschaftlichkeit mit sich bringt. Sollten solche Effekte im Bestand beobachtet werden ist immer an Mykotoxinbelastungen zu denken.
Deoxinivalenol (DON) und T2-Toxin wirken in die gleiche Richtung und sind häufig auch zusammen im Getreide zu finden.
Ein weiterer Effekt betrifft die immunsuppressive Wirkung, die anderen Infektionen Vorschub leistet. Gleichzeitig sind starke negative Wirkungen auf die Darmbarriere beobachtet worden.
Kommen sowohl ZEA wie auch DON im Futter vor kann das zu einer verstärkenden Wirkung beider Pilzgifte führen. Aber auch Wechselwirkungen mit anderen Pilzgiften sind beobachtet worden.
Im Mischfutter ist daher ein Richtwert von maximal 0,9 mg DON pro kg gesetzt worden. Aber auch hier gilt, geringere über längerer Zeit bestehende Belastungen können zu eminenten wirtschaftlichen Schäden führen.
Ergotalkaloide (Mutterkorn)
Die Schimmelpilze der Gattung Claviceps, insbesondere Claviceps purpurea, befallen Getreide und Gräser während des Aufwuchses. Anstelle des Getreidekorns wird ein verfestigtes Pilzmycel gebildet, das auch als Mutterkorn bezeichnet wird. Im Mutterkorn sind bis zu 80 verschiedene Toxine, die Ergotalkaloide, enthalten.
Eine Mutterkornbelastung beim Schwein äußert sich in unterschiedlichen Symptomen. Daher sollte bei einer reduzierten Futteraufnahme und einem damit einhergehenden Minderwachstum immer auch an die Ergotalkaloide gedacht werden. Durch die negative Beeinflussung der Prolaktinbildung von schon geringen Giftmengen kann es zu Milchmangel bis hin zum gänzlichen Versiegen der Milchproduktion der Sauen kommen.
Auch den Progesteronspiegel beeinflussen die Ergotalkaloide negativ. Dies kann zu verkürzten Tragezeiten, Aborten und kleineren Würfen mit geburtsschwachen Ferkeln führen.
Kommen vermehrt Schwanz- und Ohrnekrosen vor, kann dies auch an den Ergotalkaloiden liegen. Durch die hervorgerufenen Verengungen der Gefäße und damit einhergehenden Minderdurchblutungen können insbesondere die Schwanz- und Ohrspitzen absterben.
Innerhalb der EU ist aktuell der Höchstgehalt an Mutterkörnern gesetzlich geregelt. Im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 574/2011 der Kommission gilt ein Höchstgehalt von 1.000 mg / kg bzw. 0,1 % Mutterkörnern für ungemahlenes Getreide und Futtermittel, die ungemahlenes Getreide enthalten. Die Bestimmung des Mutterkornanteils erfolgt über eine optische Kontrolle und der anschließenden Bestimmung des Gewichtsanteils der aussortierten Mutterkörner.
Allerdings zeigen neueste wissenschaftliche Untersuchungen, dass die bisherige Methode nicht ausreichend ist, um Vergiftungen zu vermeiden. Studien zeigen, dass bei einem Mutterkornanteil von 0,1 % der Ergotalkaloidgehalt zwischen 10 µg / kg und über 20.000 µg / kg schwanken kann und dabei nicht nur signifikante Einbußen in der Futteraufnahme und Gewichtszunahme der Tiere, sondern zudem Läsionen in der Leber und des Darms der Ferkel dokumentiert werden konnten.
Die optische Kontrolle der Getreide auf Mutterkorn kann zwar schon einen Großteil der Giftmengen eliminieren, wenn danach eine mehrmalige Reinigung des Getreides erfolgt, aber gerade gemahlenes Getreide oder Mischfutter sind darauf ja nicht zu kontrollieren.
Deswegen wurden im Jahr 2020 erste Empfehlungen zu Orientierungswerten für Nutztiere veröffentlicht, die anstelle der Mutterkornanteile eine Analyse der Ergotalkaloidkonzentration fordern:
Mykotoxine und SINS
Mit der zunehmenden Forderung, gänzlich auf das Kupieren der Schwänze bei Schweinen zu verzichten, rücken auch nicht bissbegründete Verletzungen an den Schwanz- und Ohrspitzen in den Blickpunkt. Dies sind zumeist nekrotische Veränderungen, die bis zum Abfallen der betroffenen Bereiche führen können. Dies wird als Entzündungs- und Nekrosesyndrom beim Schwein (SINS) bezeichnet. Neben Ursachen wie Flüssigkeitsmangel, gestörter Thermoregulation bei Hitzestress, Darmerkrankungen oder hohem Protein-Faser-Verhältnis des Futters, sind auch Mykotoxine an diesem Geschehen maßgeblich beteiligt.
Auch Mykotoxine in geringer Menge können dem Entzündungs- und Nekrosesyndrom beim Schwein (SINS) Vorschub leisten.
Durch ihre Fähigkeit, Entzündungen selbst zu vermitteln, aber insbesondere durch ihren negativen Einfluss auf die Blut-Darm-Schranke, verstärken die Mykotoxine das Problem. Dadurch, dass unter Mykotoxineinfluss der Zusammenhalt der Darmepithelzellen (tight-junctions) gestört werden, können Abbauprodukte von zerstörten Darmbakterien (Lipopolysaccharide – LPS) vermehrt in den Blutkreislauf eindringen und durch Makrophagenaktivierung starke Entzündungsprozesse auslösen. Wenn dann gleichzeitig auch die Leber, in der die LPS abgebaut werden, stark belastet ist, greifen Regulationsprozesse nur noch schlecht.
Diese Entzündungsprozesse lassen sich schon beim Saugferkel beobachten, da viele Mykotoxine placenta- und milchgängig sind. Hier muss dann nicht nur das Ferkel behandelt, sondern besonderer Augenmerk auf die Haltungs- und Fütterungssituation der Sauen gelegt werden.
DER DIREKTE DRAHT
Dr. Manfred Weber
Klein Schwechten
Tel.: 039388/28423
E-Mail: manfred.h.weber(at)gmx.de
Fotos: Dr. Manfred Weber
Schwake-Anduschus, Christine; Lorenz, Nicole; Lahrssen-Wiederholt, Monika; Lauche, Anke; Dänicke, Sven (2020): German monitoring 2012–2014: ergot of Claviceps purpurea and ergot alkaloids (EA) in feedingstuffs and their toxicological relevance for animal feeding. In J Consum Prot Food Saf 15 (4), pp. 321–329. DOI: 10.1007/s00003-020-01298-7.
Unterberg, Anne (2021): Eine neue Ernte, eine neue Herausforderung; Feedmagazin Heft 3-4 aus 2021, Seite 21-24
Jeroch, Heinz; Drochner, Winfried; Rodehutscord, Markus; Simon, Annette; Simon, Ortwin; Zentek, Jürgen (2020): Ernährung landwirtschaftlicher Nutztiere , ISBN978-3-8252-8763-4
Reiner, Gerald (2019): Entzündungs- und Nekrosesyndrom beim Schwein (SINS); Deutsches Tierärzteblatt 3/2019, S. 338-346