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Späteres Besamen – Studie zeigt Einflüsse auf Stoffwechsel, Leistung und Fruchtbarkeit
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Einleitung

Über eine Verlängerung von Laktationen bei sehr hochleistenden Kühen durch eine bewusste Verzögerung der freiwilligen Wartezeit ist gerade in jüngster Zeit mehrfach berichtet worden. Mit einem solchen Vorgehen werden die Häufigkeit von Abkalbungen und folglich das mit jeder Frühlaktation einhergehende potenziell größere Gesundheitsrisiko verringert. Dieses wiederum könnte zu besseren Fortpflanzungsleistungen führen.

Andererseits aber erhöhen verlängerte Laktationen auch die Gefahr einer stärkeren Zunahme der Körperkondition am Laktationsende. Dieses könnte einen negativen Effekt auf die Futteraufnahme und die Energiebilanz nach der nächsten Abkalbung haben, was letztlich eine erhöhte Gefahr für Stoffwechselstörungen nach dem Abkalben bedeuten könnte (Gillund et al., 2001; Roche und Berry, 2006).

Da jedoch nicht alle Kühe auf eine verlängerte freiwillige Wartezeit mit einer reduzierten Milchleistung oder einer stärkeren Verfettung am Ende der der Laktation reagieren, liegt der Schluss nahe, dass die Neigung, Energie eher für die Milch als für Körperreserven zu verwenden, tierindividuell sehr verschieden ausgeprägt ist (Lehmann et al., 2016; Niozas et al, 2019). Dieses erfordert eine frühzeitige Identifizierung von Kühen, die in der Lage sind, trotz einer verlängerten Laktation eine gute Persistenz aufzuweisen und sich daher für eine verlängerte freiwillige Wartezeit eignen.

Aktuelle niederländische Studie

Dieser Aufgabe widmete sich ein jüngst publizierter zwischen Dezember 2017 und Januar 2020 durchgeführter Versuch von Burgers et al. (2023) mit 154 HF-Kühen der 500er Versuchsherde des Forschungsbetriebes Dairy Campus (Leeuwarden, Niederlande). Nachfolgend wird über einige ausgewählte Ergebnisse daraus berichtet.

Die 41 Erst- und 113 Mehrkalbskühe wurden in der 6. Laktationswoche entsprechend der Laktationsnummer, dem Abkalbedatum, bei den Mehrkalbskühen der Milchleistung in der letzten Laktation oder bei den Jungkühen der erwarteten Milchleistung neben dem Zuchtwert für Persistenz vergleichend (nach dem Zufallsprinzip) auf drei Versuchsgruppen aufgeteilt:

Gruppe 1: Freiwillige Wartezeit 50 Tage

Gruppe 2: Freiwillige Wartezeit 125 Tage

Gruppe 3: Freiwillige Wartezeit 200 Tage.

Die Besamung erfolgte stets bei der ersten Brunst nach Ende dieser entsprechenden freiwilligen Wartezeit (fwWZ). Für die Brunsterkennung dienten ein elektronisches Erkennungssystem sowie visuelle Beobachtungen.

Der Versuchszeitraum erstreckte sich für alle Kühe von 2 Wochen vor der erwarteten nächsten Kalbung bis 6 Wochen nach der übernächsten Abkalbung (das wäre die 2. Kalbung in diesem Versuchszeitraum) oder bis zur Merzung.

Die Haltung (Laufstall, zweimalige Melkung/Tag) und Fütterung war für alle Tiere gleich. Gefüttert wurde eine Teilmischration aus Gras- und Maissilage, Sojaschrot und Weizen, auf 22 kg Milch ausgelegt. Darüber hinaus erfolgte die Kraftfutterzuteilung über Kraftfutterstationen, bis zum 21. Laktationstag auf 9 kg/Tag für junge Kühe bzw. 10 kg/Tag für Mehrkalbskühe gesteigert. Nach 100 Laktationstagen wurde diese entsprechend der Leistung tierindividuell verringert. Darüber hinaus erhielten alle Kühe im Melkstand noch 1 kg Kraftfutter pro Tag. Die Ration während der Trockenstehzeit bestand aus Gras-, Maissilage, Stroh und Kraftfutter. In den letzten 10 Tagen vor dem erwarteten Abkalbetermin erhielten die Kühe darüber hinaus täglich 1 kg Kraftfutter.

Mehrkalbskühe in dieser Studie reagierten auf eine extreme Verlängerung der freiwilligen Wartezeit von 200 Tage mit einer schlechteren Energiebilanz nach der folgenden Kalbung, ein Besamungsbeginn mit 125 Tagen hingegen führte zu keinen Nachteilen bezüglich Stoffwechselgesundheit und Leistung bei den älteren Kühen. Auf jeden Fall muss die freiwillige Wartezeit stets kuhindividuell diskutiert werden.

Datenerfassung

Von allen Kühen wurden täglich Milchmenge, Futteraufnahme und Gewicht erfasst. Wöchentlich erfolgten die Analysen der Milchinhaltsstoffe für die Berechnung der fett- und eiweißkorrigierten Milch (FECM) und monatlich immer von der gleichen Person die Körperkonditionsbeurteilung anhand einer Skala von 1 bis 5.

Trockenstehende Kühe wurden einmal pro Woche ebenfalls gewogen.

Bei den wöchentlichen Blutproben der Jungkühe in den ersten 6 Wochen nach dem ersten Abkalben und der Mehrkalbskühe im Zeitraum 2 Wochen vor bis 6 Wochen nach dem Abkalben (Kalbung 2) wurden die Gehalte an NEFA, ßHB, Glukose, Insulin und IGF-1 analysiert.

IGF-1 (insulin-like growth factor 1) ist ein Hormon, welches v.a. in der Leber unter dem Einfluss des Wachstumshormons Somatotropin gebildet wird und das Wachstum sowie die Reifung von Zellen steuert. IGF-1 besitzt eine ähnliche metabolische Wirkung wie das Insulin. Auch werden die Glukose- und Aminosäurenaufnahme sowie die Proteinsynthese in der Muskelzelle gefördert (Froesch et al., 1985).

Darüber hinaus wurden die Kühe zwischen der 7. Laktationswoche nach der Kalbung 1 und der 2. Woche vor dem 2. Abkalben im 14tägigen Abstand für die Analyse der Plasmainsulin- und IGF-1-Konzentration beprobt.

Zur Vorhersage des tierindividuell optimalsten Besamungszeitpunktes wurden folgende 3 Merkmale verwendet:

- mittlere FECM in den letzten 6 Wochen vor dem Trockenstellen,

- mittlere Körperkonditionsnote in den letzten 12 Wochen vor dem Trockenstellen und

- FECM je Tag der Verlängerung des Kalbeintervalls.

Verfügbare individuelle Kuhmerkmale, die in den Vorhersagemodellen verwendet wurden, waren die Milchproduktion in der vorherigen Laktation bei den Mehrkalbskühen oder die erwartete Milchproduktion bei den Jungkühen, der Zuchtwert für Persistenz und die in Tabelle 1 dargestellten Kuheigenschaften für die dargestellten 3 Zeiträume.

Tabelle 1: Verfügbare Merkmale der Kühe in den verschiedenen Zeiträumen der Laktation für die Vorhersage eines tierindividuellen Besamungszeitpunktes

Ziele dieser Studie

Konkrete Ziele dieser Studie waren:

  • die Bewertung der Auswirkungen von 3 verschiedenen freiwilligen Wartezeiten (50, 125 und 200 Tage) auf den Gehalt an Insulin und IGF-1 sowie die Körperkondition von Jungkühen während der ersten 305 Tage nach dem ersten Kalben, gegen Ende der freiwilligen Wartezeit und während der Trächtigkeitsperiode (d.h. 280 Tage vor dem 2. Abkalben)
  • die Auswirkungen unterschiedlicher freiwilliger Wartezeiten (50, 125 und 200 Tage) und damit der Verlängerung der Zwischenkalbezeit auf den Stoffwechselstatus von älteren Kühen 2 Wochen vor bis 6 Wochen nach dem 2. Abkalben durch die Analyse der Körperkondition, der Trockenmasseaufnahme, der Energiebilanz sowie der Gehalte an NEFA, ßHB, Glukose, Insulin und IGF-1 im Blutplasma 
  • Nutzung von kuhindividuellen Merkmalen, die vor der erfolgreichen Besamung erfasst wurden, um die mittlere FECM während der letzten 6 Wochen vor dem Trockenstellen, die mittlere BCS-Note in den letzten 12 Wochen vor dem Trockenstellen und die FECM pro Tag der Verlängerung des Kalbeintervalls vorherzusagen

Ergebnisse

Von den 154 auswertbaren Kühen wurden 127 tragend und bekamen im Versuchszeitraum ein zweites Kalb. Die Dauer bis zur Trächtigkeit war, bedingt durch die Gruppenzugehörigkeit, verschieden (Tabelle 2).

Tabelle 2: Anzahl an Tagen bis zur Trächtigkeit, mittlere Trächtigkeits- und Trockenstehdauer sowie Zwischenkalbezeit (ZKZ) (jeweils Mittelwerte + Standardabweichung)

Die Trächtigkeitsdauer und die Dauer der Trockenstehzeit waren zwischen den Kühen der 3 Gruppen nicht verschieden, aber die Verzögerungszeit. So wurden die Kühe in der Gruppe 1 im Mittel 57 Tage, die der Gruppe 2 48 Tage und die der Gruppe 3 24 Tage nach ihrer jeweils anvisierten fwWZ tragend.

Einfluss der fwWZ auf Leistung, Gewicht, Körperkondition und Stoffwechselparameter während der ersten Laktation im Versuchszeitraum

Es fiel auf, dass die Erstkalbskühe im Vergleich zu den Mehrkalbskühen deutlich weniger und nicht nachteilig auf eine Verzögerung des Besamungszeitpunktes und damit eine verlängerte freiwillige Wartezeit reagierten (Tabelle 3).

Tabelle 3: Leistungs-, Gewichts-, Körperkonditions- und Stoffwechseldaten der Tiere während verschiedener Laktationsabschnitte

Über den Laktationszeitraum von 305 Tagen wiesen die Mehrkalbskühe in der Gruppe 3 mit der längsten fwWZ die höchsten Insulin- und IGF-1-Gehalte sowie die geringste Milchleistung je Melktag auf. Acht Wochen um das Ende der freiwilligen Wartezeit herum wiesen diese Mehrkalbskühe in der Gruppe 3 im Vergleich zu den Mehrkalbskühen der beiden anderen Gruppen höhere Insulin- und IGF-1-Konzentrationen im Plasma sowie ein höheres durchschnittliches Gewicht und die geringste Milchleistung auf. Auch während der Trächtigkeitsperiode wurden für diese Kühe der Gruppe 3 die signifikant höchsten Insulin- und IGF-1-Konzentrationen im Blutplasma ermittelt, die höchste BCS-Note, die stärkste Gewichtszunahme und eine signifikant niedrigere Milchleistung im Vergleich zu den Mehrkalbskühen der anderen beiden Gruppen mit einer fwWZ von 50 bzw. 125 Tagen.

Bei Erstkalbskühen hingegen hatte die unterschiedliche fwWZ keinen gerichteten Einfluss auf Stoffwechselparameter, Gewichtsentwicklung und Leistung.

Einfluss der fwWZ auf den Stoffwechselstatus vor und nach der 2. Kalbung im Versuchszeitraum

Im Gegensatz zum Zeitraum kurz vor der 2. Kalbung im Versuchszeitraum waren die Unterschiede bei den Mehrkalbskühen der Gruppe 3 zu denen der beiden anderen Gruppen in den 6 Wochen nach dieser Kalbung deutlicher ausgeprägt (Tabelle 4).

Tabelle 4: Gewichts-, Körperkonditions- und Stoffwechseldaten sowie Energiebilanzen der Tiere während der letzten 2 Wochen vor der 2. Kalbung in dieser Studie und während der ersten 6 Wochen danach

So wiesen die älteren Kühe der Gruppe 3 in der Zeit nach der 2. Abkalbung die signifikant höchste BCS-Note und höhere NEFA-Gehalte auf. Beides erklärt deren stärker ausgeprägte negative Energiebilanz im Vergleich zu denen der beiden anderen Gruppen. Die Kühe der Gruppen 1 und 2 unterschieden sich hingegen kaum in den erfassten Merkmalen voneinander.

Hingegen hatte die unterschiedliche fwWZ bei den jungen Kühen, die diesen Versuch mit ihrer 1. Laktation begannen, keinen Einfluss auf deren ßHB-Konzentration im Blut in der unmittelbaren Zeit (die letzten 2 Wochen a.p.) vor der Kalbung 2 sowie das Gewicht, die Futteraufnahme, Energiebilanz und Stoffwechselparameter. Gleiches gilt auch für die erhobenen Merkmale in den ersten 6 Wochen nach deren 2. Kalbung. Hier war die Energiebilanz der Kühe der Gruppe 3 sogar besser, d.h. die negative Energiebilanz war weniger stark ausgeprägt.

Individuelle Merkmale der Kühe

Die Autoren dieser Studie prüften zuerst die Auswirkungen der verschiedenen fwWZ, der Parität (Jung- bzw. Mehrkalbskuh) und ihrer Interaktion auf die 3 Merkmale durchschnittliche FECM in den letzten 6 Wochen vor dem Trockenstellen, durchschnittliche BCS-Note in den letzten 12 Wochen vor dem Trockenstellen und FECM pro Melktag der gesamten Laktation sowie darüber hinaus zahlreiche weitere Merkmale.

Dabei zeigte sich, dass die Laktationsnummer (Parität) alle drei Variablen beeinflusste sowie in den ersten 6 Wochen der Laktation die Energiebilanz, Trockenmasseaufnahme und Plasmaglukosekonzentration der Kühe, alle Merkmale der Kühe zwischen der Kalbung und einer erneuten Trächtigkeit und in der letzten Woche vor einer erfolgreichen Besamung die Milchleistung, den Laktosegehalt, das Körpergewicht, die Zellzahl und den IGF-1-Gehalt im Blut.

Die Wahl der fwWZ beeinflusste hauptsächlich in der letzten Woche vor der Trächtigkeit alle drei Variablen und einige Merkmale der Kühe.

Für die Vorhersage der durchschnittlichen FECM in den letzten 6 Wochen vor dem Trockenstellen wurden letztlich 3 Merkmale der Kühe, zum einen die Parität, zum anderen die durchschnittliche Milchmenge in der letzten Woche vor der erfolgreichen Besamung sowie der Zuchtwert für die Persistenz ausgewählt, die in das Modell eingingen.

Für die Vorhersage der durchschnittlichen Körperkondition in den letzten 12 Wochen vor dem Trockenstellen gingen 7 Merkmale der Kühe in das endgültige multivariable Modell ein: die Parität, die durchschnittliche Milchleistung in der letzten Woche vor der erfolgreichen Besamung, der Protein- und Laktosegehalt der Milch in der letzten Woche vor der erfolgreichen Besamung, das durchschnittliche Gewicht in der letzten Woche vor der erfolgreichen Besamung und die Körperkonditionsnote im letzten Monat vor der erfolgreichen Besamung sowie die Kraftfutteraufnahme in den ersten 6 Wochen der Laktation.

Für die Vorhersage der FECM pro Melktag der Laktation wurden letztlich 5 Merkmale im multivariablen Modell verwendet: die Parität, die Spitzenmilchleistung im Zeitraum zwischen der Kalbung und der erfolgreichen Besamung, die durchschnittliche Milchleistung in der letzten Woche vor der erfolgreichen Besamung, der Fettgehalt der Milch in der letzten Woche vor der erfolgreichen Besamung und der Zuchtwert für die Persistenz.

Ableitungen aus den Ergebnissen

Eine Verlängerung der fwWZ bedeutet einen späteren Besamungstermin. Dieser kann möglicherweise mit einer bereits abgenommenen Tagesmilchleistung verbunden sein. Das zeigten auch die Mehrkalbskühe in dieser Studie. Dieses könnte deren verbesserte Fruchtbarkeit erklären, da die Mehrkalbskühe der Gruppe 3 mit der fwWZ von 200 Tagen mehr normale Eierstockzyklen (18 bis 24 Tage) am Ende der fwWZ und eine geringere Verzögerungszeit aufwiesen. Auch zeigten die Mehrkalbskühe in dieser Gruppe 3 am Ende ihrer fwWZ eine höhere Insulin- und IGF-1-Konzentration im Blutplasma im Vergleich zu den Kühen der anderen beiden Gruppen auf, was ebenfalls mit der verbesserten Fruchtbarkeit in Verbindung stehen könnte. Dieses berichteten auch z.B. Fouladi-Nashta et al. (2007), Wathes et al. (2007) oder Garnsworthy et al. (2009). Auch Härtel (2008) weist darauf hin, dass es einen grundsätzlichen Nachweis dafür gibt, dass die Konzentration von IGF-1 an der Follikelreifung im Ovar beteiligt ist.

Während sich die Insulinkonzentration im Blutplasma bei den Mehrkalbskühen aller 3 Gruppen in der Zeitspanne um die erfolgreiche Besamung herum statistisch nicht unterschied, gab es diesbezügliche Differenzen zum Ende der fwWZ. Eine Erklärung hierfür könnte nach Aussage der Autoren dieser Studie sein, dass der Besamungserfolg von der Insulinkonzentration im Blut abhängig war.

Grundsätzlich wurden für diese Mehrkalbskühe der Gruppe 3 während der gesamten ersten 305 Laktationstage signifikant höhere Insulingehalte gemessen im Vergleich zu den Kühen der anderen beiden Gruppen. Diese Kühe der Gruppe 3 wiesen einen höheren BCS, eine stärkere negative Energiebilanz und eine höhere Plasma-NEFA-Konzentration nach der nächsten Kalbung auf. Dies könnte mit ihrer höheren Gewichtszunahme und einer höheren Körperkondition am Ende der vorherigen Laktation zusammenhängen (Gärtner et al., 2019).

Obwohl der Kraftfutteranteil nach 100 Tagen in der Laktation entsprechend der Milchleistung für alle Kühe gleichermaßen angepasst wurde, lieferte die Teilmischration bereits etwa 22 kg Milch pro Tag, was zu der erhöhten Körperkondition am Ende der Laktation bei Kühen mit verlängerter Laktation (fwWZ 200 Tage) beigetragen haben könnte.

Darüber hinaus könnte eine stärker ausgeprägte negative Energiebilanz und höhere NEFA-Gehalte in der Frühlaktationsphase bei diesen Kühen darauf hindeuten, dass eine verlängerte fwWZ von 200 Tagen in der vorherigen Laktation das Risiko für z.B. Ketosen und Lahmheiten nach der nächsten Abkalbung erhöhen kann.

Zahlreiche ermittelte Parameter und Leistungsdaten zeigten aber, dass eine Verlängerung der fwWZ auf 125 Tage (Gruppe 2) im Vergleich zu 200 Tagen bei den Mehrkalbskühen zu wesentlich weniger ausgeprägten Unterschieden bei der Körperkondition und im Stoffwechsel der Tiere während der Trächtigkeitsperiode führte. Dieses deutet darauf hin, dass eine Verlängerung der fwWZ bis 125 Tage das Risiko für Stoffwechselbeeinträchtigungen nach der nächsten Kalbung nicht erhöht, zumindest bei Kühen, die diesen Versuchskühen in der Leistung ähnlich sind.

Bei den Erstkalbskühen hingegen war kein Effekt der fwWZ auf deren Körperkondition oder die Milchleistung zu verzeichnen, auch nicht auf die Energiebilanz oder die Stoffwechselparameter nach der nächsten Kalbung. Möglicherweise hängt dies nach Aussagen der Autoren mit dem fehlenden Effekt der fwWZ auf die Milchproduktion am Ende der vorherigen Laktation bei erstkalbenden Kühen zusammen (Burgers et al., 2021), was eine Verfettung am Ende der Laktation verhindert haben könnte.

Hierbei muss aber auf die insgesamt recht kleine Anzahl an Erstkalbskühen hingewiesen werden. Dennoch scheinen erstkalbende Kühe eine verlängerte Laktation gut bewältigen zu können.

Neben diesen Ergebnissen zeigte sich in der vorliegenden Studie, dass eine größere Tagesmilchleistung vor der erfolgreichen Besamung sowie ein höherer Zuchtwert für Persistenz mit einer größeren Milchleistung am Laktationsende verbunden war. Auch andere Studien belegen, dass einige Kühe besser in der Lage sind, ihre Milchleistung bei einer verlängerten Laktation auf höherem Niveau aufrechtzuerhalten im Vergleich zu anderen Kühen, je nach individuellen Merkmalen (Lehmann et al., 2017; Kok et al., 2018).

So waren eine höhere BCS-Note, ein höheres Körpergewicht und ein höherer Milcheiweißgehalt vor der erfolgreichen Besamung ebenfalls mit einer erhöhten Körperkondition am Laktationsende verbunden. Derartige Kühe würden sich allgemein weniger für eine deutliche Verlängerung der fwWZ (auf 200 Tage) eignen. Eine größere Tagesmilchleistung im Zeitraum vor der Besamung hingegen war mit einer reduzierten BCS-Note am Laktationsende verbunden. Solche Kühe würden sich demnach grundsätzlich besser für eine verlängerte fwWZ eignen.

FAZIT

Die Verlängerung der freiwilligen Wartezeit kann einerseits der Gesundheit der Kühe zugutekommen, birgt aber andererseits auch das Risiko von Verfettung und geringer Milchleistung am Laktationsende in sich.

In der vorliegenden Studie führte eine Verlängerung der fwWZ auf 200 Tage bei den Mehrkalbskühen zu einer höheren Plasma-Insulinkonzentration, einer geringeren Milchleistung und einer höheren Gewichtszunahme während der Trächtigkeit. Darüber hinaus hatten diese Kühe eine stärkere negative Energiebilanz zu Beginn der nächsten Laktation.

Eine weniger umfangreiche Verlängerung der fwWZ auf 125 Tage führte hingegen bei den Mehrkalbskühen zu weniger ausgeprägten Unterschieden bei der Körperkondition und im Stoffwechsel während der Trächtigkeitsperiode. Dieses deutet darauf hin, dass bei Kühen mit hoher Leistung eine Verlängerung der fwWZ bis 125 Tage das Risiko für Stoffwechselbeeinträchtigungen nach der nächsten Kalbung nicht erhöht.

Bei Erstkalbskühen hatte eine unterschiedliche fwWZ (50, 125 bzw. 200 Tage) keine Auswirkungen auf die Milchleistung oder den Stoffwechsel während der Laktation und zu Beginn der nächsten Laktation. Dieses deutet darauf hin, dass junge Kühe eine verlängerte erste Laktation sehr gut bewältigen können.

Unabhängig von der gewählten fwWZ waren eine höhere Milchleistung und eine niedrigere Körperkondition vor dem Besamungstermin auch mit einer höheren Milchleistung und einer niedrigeren Körperkondition am Ende der Laktation verbunden.

Dieses verdeutlicht die mitunter großen Variationen zwischen den Kühen, insbesondere in Bezug auf die Anzahl der Geburten, die Milchleistung und die Körperkondition. Das wiederum zeigt die Notwendigkeit eines tierindividuellen Ansatzes für die Verlängerung der fwWZ.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft
Güner Kamp 11
D-24783 Osterrönfeld

E-Mail: katrin.mahlkow-nerge[at]fh-kiel.de

Ein Literaturverzeichnis kann bei Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge angefordert werden.