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N- und P-Reduzierte Milchkuhfütterung wie umsetzen?
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Die neuen rechtlichen Vorgaben der Düngeverordnung erfordern Anpassungen hinsichtlich des Nährstoffmanagements tierhaltender Betriebe. In der landwirtschaftlichen Praxis etablieren sich neue Fütterungsstrategien, bei denen eine differenzierte Nährstoffversorgung der Tiere in Abhängigkeit des Laktationsstadiums Berücksichtigung findet (Merkblatt 444; DLG, 2020a). Diese Verfahren beschreiben ein Minderungspotential der N-Ausscheidungen von bis zu 15 % und der P-Ausscheidungen von bis zu 17 % (DLG, 2020a). Die Umsetzung dieser Konzepte erfordert einzelbetriebliche Ideen und Konzepte, sie erfordert je nach bestehender Betriebsstruktur erhebliche Umstrukturierungsprozesse.

Die Menge an nutzbarem Rohprotein (nXP) ergibt sich aus der Summe von Mikrobenprotein und im Pansen nicht abgebautem Futterprotein (UDP). Es wird unterstellt, dass die Bildung von Mikrobenprotein in den Vormägen in erster Linie durch die Bereitstellung von Energie und Stickstoff begrenzt wird. Die Deckung des Protein- und Aminosäurebedarfs in der Hochlaktation wird in den meisten Rationstypen mit einer Zulage nXP-reicher Futtermittel sichergestellt. Im zweiten und dritten Laktationsdrittel ist der Futteraufwand (kg Trockenmasse) je erzeugter Produkteinheit (kg Milch) höher als in der Frühlaktation. Gleichzeitig sinkt in dieser Laktationsphase der Beitrag des UDP an der Bedarfsdeckung, weil die Menge des gebildeten Mikroben-XP die bedarfsgerechte Versorgung zunehmend sicherstellt.

Die ruminale Stickstoffbilanz (RNB) beschreibt die Versorgung der Pansenmikroben mit Stickstoff. Bei der RNB-Berechnung bleiben die Harnstoffmengen, die über den Speichel in den Pansen gelangen und dort als N-Quelle für die Mikrobeneiweißbildung genutzt werden, unberücksichtigt. Aus diesem Grund kann vor allem in der Spätlaktation eine negative RNB eingestellt werden. Eine Rohproteinabsenkung in dieser Phase kann somit einen erheblichen Beitrag zur Verringerung der im System befindlichen N-Mengen leisten. Negative Folgen durch überschüssige N-Aufnahmen bezüglich der Tiergesundheit, der Ökonomie der Milchproduktion und der N-Verluste bzw. deren Eintrag in die Umwelt können somit verhindert werden. Eine Fütterungsstrategie, welche sich in unterschiedlichen Laktationsphasen dem Bedarf der Kühe anpasst, kann somit die Nährstoffeffizienz deutlich erhöhen.

Dass bei den Betrieben Minderungspotential hinsichtlich der N-Gehalte in den Rationen besteht, zeigt sich an den durchschnittlichen Milchharnstoffgehalten der LKV-Berichte, die im Schnitt über 200 mg/Liter liegen. Bis 30 % der Milchharnstoffgehalte liegen sogar über 250 mg/Liter. Nach neuen Empfehlungen (Merkblatt 451; DLG, 2020b) ist der Bereich von 150 bis 250 mg Harnstoff/l aus ernährungsphysiologischer Sicht anzustreben. Umfangreiche Auswertungen belegen, dass höhere Milchharnstoffgehalte nicht mit einer Steigerung der Milchleistung einhergehen.

Die neuen rechtlichen Vorgaben der Düngeverordnung erfordern Anpassungen hinsichtlich des Nährstoffmanagements tierhaltender Betriebe.

Mit Phasenfütterung die N- und P- Effizienz erhöhen

Die Verminderung des N-Aufwandes kann durch die Einstellung der ruminalen N-Bilanz (RNB) und durch Phasenfütterung erzielt werden. In Tabelle 1 wird die Anforderung an den Rohproteingehalt in Abhängigkeit von der ruminalen N-Bilanz pro Tag (-20, 0, +20 g/Kuh und Tag) dargestellt. Bei niedrigen Milchleistungen sind die Einsparmöglichkeiten zwischen RNB +20 und RNB -20 größer als bei sehr hohen Leistungen. Dies spricht auch für die Phasenfütterung.

Tabelle 1: Anforderung an die Rohproteinkonzentration in Abhängigkeit von der RNB

Bei der Phasenfütterung wird die Nährstoffzufuhr im Laufe der Laktation genauer an den Bedarf der Milchkühe angepasst. Beispielhaft ist in Tabelle 2 eine dreiphasige Rationsgestaltung während der Laktation für eine Jahresleistung von 10 000 kg Milch dargestellt. Mit Hilfe einer Variation der Grob- und Konzentratfutteranteile und des Einsatzes von geschütztem und ungeschütztem Rapsextraktionsschrot (RES) gelingt es, die dargestellten Energie- und Nährstoffgehalte zu erzielen.

Die beschriebenen Energie- und Nährstoffgehalte richten sich nach den Vorgaben der GfE (2001). Bei den Rationen in Phase 2 und 3 geht die RNB stark in den negativen Bereich. Wie weit hier gegangen werden kann, sollte mit dem Milchharnstoffgehalt kontrolliert werden. Dieser sollte nicht unter 150 mg/Liter sinken. Ggf. kann mit einem harnstoffhaltigen Ergänzungsfuttermittel die RNB auf -1,0 g/kg TM angehoben werden.

Tabelle 2: Darstellung von drei Teilmischrationen mit Konzentratfutterzuteilung zur Umsetzung der Phasenfütterung bei einer Herdenleistung von 10.000 kg/Kuh und Jahr

Die Phosphor-Versorgung wird zum großen Teil über Grasprodukte und Konzentratfutterkomponenten gedeckt.  Maissilage enthält wenig Phosphor. Wenn Rapsprodukte in der Ration eingesetzt werden, kann auf ein P-freies Mineralfutter zurückgegriffen werden.  

Umsetzung der Phasenfütterung in der Praxis

Die Umsetzung der Phasenfütterung für laktierende Kühe ist abhängig von der Anzahl der vorgesehenen Phasen, der Anordnung des Melkstandes bzw. des automatischen Melksystems, der Art der Konzentratfutterergänzung und der Herdengröße. In Tabelle 3 werden die grundsätzlichen Möglichkeiten der Phasenfütterung aufgeführt. In der Tabelle werden auch die Vor- und Nachteile der vier Varianten dargestellt.

Tabelle 3: Möglichkeiten der Phasenfütterung

In Variante 1 mit einer Trogration für alle laktierenden Kühe wird über das Konzentratfutterabrufsystem oder mit Konzentratfutter im Melkroboter die Nährstoffversorgung dem Bedarf angepasst.

Variante 2 geht von Leistungsgruppen in verschiedenen Stallbereichen mit separaten Futtertischbereichen aus. Die Kühe werden nach dem Melken durch Selektionstore in ihre Bereiche geleitet.

Variante 3 ist für größere Herden geeignet. Hier wird die Herde nach Abkalbesaison aufgeteilt oder es findet Blockabkalbung in Teilherden statt. Die Mischrationen werden für die Teilherden (Frischmelker, Laktierende, Altmelker) konzipiert und dem Laktationsstand der Teilherde angepasst.

Die Variante 4 wäre aus „Herdensicht“ unter dem Aspekt Tierwohl die beste Variante. Die Herde befindet sich bis auf die Abkalbephase immer in einem Herdenverband. Für die Tiere ließe sich Umgruppierungsstress vermeiden. Dieses Konzept erfordert entweder ein intelligentes Fressgitter, das den Zugang zu einzelnen Trögen mit unterschiedlichen Rationen steuert oder separate Futtertischbereiche, deren Zugang für die jeweiligen Fütterungsgruppen über Tore mit Tieridentifikation im Stallbereich gesteuert werden kann. Für die erste Version wäre ein Fressplatz für 2 Kühe vorzusehen. In Versuchseinrichtungen wurden mit diesem Konzept gute Erfahrungen gemacht (Gerster et al., 2017). Ob sich dieses Konzept in der Praxis umsetzen lässt, hängt sehr stark von den Kosten ab, die aktuell bei etwa 4.000 Euro je Fressplatz liegen. Die zweite Version ist kostengünstiger, erfordert aber ein dafür geeignetes Funktionsprogramm des Stalles (siehe unten).

Bei der Umsetzung von Konzepten ist zu berücksichtigen, ob im Melkstand oder mit automatischem Melksystem (AMS) gemolken wird.

Mit Hilfe einer Variation der Grob- und Konzentratfutteranteile und des Einsatzes von geschütztem und ungeschütztem Rapsextraktionsschrot gelingt es, die N-Zufuhr über die Ration gezielt zu begrenzen.

Phasenfütterung mit 3 Phasen für laktierende Kühe im Melkstandbetrieb

In Tabelle 4 werden die Möglichkeiten zur differenzierten Fütterung in Abhängigkeit von der Raumaufteilung dargestellt.

  1. Es wird eine Trogration für alle Kühe angeboten (Variante 1). Die Phasenfütterung erfolgt über die Abrufstation. Dort werden mehrere Konzentratfutter angeboten. Das Risiko subklinischer Azidosen wird hier am höchsten eingestuft, weil das Grobfutter-/Konzentratfutterverhältnis sehr schwanken kann (Tabelle 2). 
     
  2. Die Realisierung der Phasenfütterung über Variante 2 mit räumlich getrennten Leistungsgruppen erfolgt über 3 abgestufte TMR-Mischungen. Die Herdenteilung in 3 Leistungsgruppen ist schwierig und in Herden unter 100 Kühen nicht umsetzbar. Alternativ werden zwei TMR-Mischungen passend für Phase 2 und 3 verfüttert. In Phase 1 wird die Nährstoffdichte der TMR der Phase 2 mit Konzentratfutter über Abrufstation erhöht. Hier hat die Anordnung des Melkstandes für die Umsetzbarkeit zentrale Bedeutung (Abbildung 1).
     
  3. In Variante 3 ist die Fütterung sehr variabel gestaltbar. Dort ist zu klären, wie die einzelnen Gruppen zum Melkstand und wieder zurück in die entsprechende Futtergruppe gelangen. Die Anforderungen an das Funktionsprogramm des Stalles sind vergleichbar mit denen der Variante 2.

Tabelle 4: Umsetzung der Varianten 1 bis 3 mit 1 bis 3 Stallabteilungen und differenziertem Konzentratfutter-Management

Abbildung 1 zeigt eine Stallbaulösung mit Melkstand, die Phasenfütterung nach Variante 2 (Tabelle 3) zulässt. Grundsätzlich kann dieses Konzept auch für Variante 3 erweitert werden.

Abbildung 1: Beispiel für Variante 2 mit Anordnung des Melkstands giebelseitig (Quelle: Fa. Hörmann, modifiziert, zit. bei Eilers 2009)

Abbildung 2 stellt eine Melkstand-Lösung dar, die die gemeinsame Haltung, aber eine getrennte Futterversorgung der laktierenden Kühe ermöglicht (Tab. 3, Variante 4). Die beiden Futterachsen (rot und grün) können auch jeweils noch unterteilt werden, so dass bis zu vier Fütterungsgruppen gebildet werden können.

Abbildung 2: Beispiel für ein Stallkonzept mit Melkstand, gemeinsame Haltung der laktierenden Kühe und zwei (bis vier) Fütterungsgruppen. Die dicken Pfeile (ID) stehen für Selektionstore mit Tieridentifikation, die einfachen, dünnen Pfeile sind Einwegtore

Abbildung 3: Mittige Melkstationen ermöglichen Zugang aus verschiedenen Bereichen.

Phasenfütterung mit 3 Phasen für laktierende Kühe im AMS-Betrieb

Im Betrieb mit Automatischem Melksystem (AMS) kann davon ausgegangen werden, dass mindestens 60 Kühe mit einem Roboter gemolken werden können. Grundsätzlich kann der Ansatz des Melkstandbetriebs übernommen werden.

a) Es wird eine Trogration für alle Kühe angeboten (Variante 1). Die Anpassung der Rationen an die Leistungsphasen erfolgt über die Abrufstation und die Konzentratfuttergabe im AMS. Es werden mehrere Konzentratfutter angeboten. Das Risiko subklinischer Azidosen wird auch hier am höchsten eingestuft, weil das Grobfutter/Konzentratfutterverhältnis sehr schwanken kann (Tab. 1).

b) Variante 2 kann umgesetzt werden, wenn ein oder zwei AMS mittig angeordnet werden. Über ein zweites Konzentratfutter im AMS kann eine dritte Phase realisiert werden. (Abb.3)

c) Variante 3 kann in Betrieben mit 60er-Kuh-Gruppen mit saisonaler Abkalbung oder Blockabkalbung umgesetzt werden.

Abbildung 3 zeigt Konzepte für AMS-Ställe mit denen Phasenfütterung realisierbar wäre. Die mittige Anordnung der AMS ermöglicht Zugang aus Stallbereichen mit unterschiedlichen Leistungsphasen. Der Tierverkehr kann durch Selektionstore unterstützt werden.   

Abbildung 4 stellt ein AMS-Konzept zur Umsetzung der Variante 4 (Tabelle 3) dar.

Abbildung 4: Beispiel für ein Stall- und Kuhverkehrskonzept mit zwei AMS, gemeinsame Haltung der laktierenden Kühe und zwei (bis vier) Fütterungsgruppen. Die dicken Pfeile (ID) stehen für Selektionstore mit Tieridentifikation. Die einfachen, dünnen Pfeile

Anzustrebende Milchharnstoffgehalte liegen zwischen 150 und 170 mg/Liter.

FAZIT

Eine nachhaltige Milchkuhhaltung implementiert eine Steigerung der Ressourcennutzungseffizienz. Die Nährstoffaufwendungen und -ausscheidungen lassen sich durch eine an den Laktationsstand angepasste Fütterung nennenswert senken. Die Umsetzung dieser Fütterungsstrategien in die landwirtschaftliche Praxis erfordert einzelbetriebliche Ideen und Konzepte. Mit Hilfe der Möglichkeiten der Abruffütterung mit mehreren Futtersorten, der Nutzung zusätzlicher Selektionstore, einer nach „neuen“ Kriterien ausgelegten Kuhgruppenbildung und vorausschauender Stallbauplanung können Möglichkeiten zur Umsetzung gefunden werden.

DER DIREKTE DRAHT

Kontakt
Dr. Thomas Jilg
Atzenberg 2/1

88427 Bad Schussenried  
E-Mail: ta.jilg[at]t-online.de

 

Quellen:

DLG (2020a): Berücksichtigung N- und P-reduzierter Fütterungsverfahren bei den Nährstoffausscheidungen von Milchkühen. DLG-Merkblatt 444, DLG e. V., Frankfurt am Main.
DLG (2020b): Nutzung von Milchkontrolldaten zur Fütterungs- und Gesundheitskontrolle bei Milchkühen - Die neue Dummerstorfer Fütterungsbewertung. DLG-Merkblatt 451, DLG e. V., Frankfurt am Main.
Eilers, U (2009): Anordnung des Melksystems im Stall – Melkroboter bzw. Melkstände. Fachtagung Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen 12.03.2009. ALB Baden-Württemberg, Stuttgart-Hohenheim.
Eilers, U. (2021): Stall- und Haltungskonzepte für die Phasenfütterung bei Milchkühen. Web-Konferenz Aktuelles zur Rinderfütterung: „Fütterungsstrategien mit Zukunft für die süddeutsche Milchkuh“ 03.02.2021. Landesarbeitskreis Fütterung Baden-Württemberg e.V. und Bayerische Arbeitsgemeinschaft Tierernährung.
GfE (2001): Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung der Milchkühe und Aufzuchtrinder. DLG-Verlag, Frankfurt am Main.
Jilg, T. und J. Denißen (2020): Umsetzung aktueller Beratungskonzepte – Akzeptanz und Hemmnisse. Forum angewandte Forschung 29.09. bis 30.09.2020, Soest, Tagungsband.