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Kälberhaltung in Schleswig-Holsteinischen Milchkuhbetrieben
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Einerseits verkörpern unsere Kälber das Leistungspotential der Milchkuhherden von morgen, andererseits ist die Kälber- und Jungrinderaufzucht mit sehr großen Kosten – im Durchschnitt der Betriebe > 2.000 Euro pro Tier – verbunden.

Diese beiden Aspekte verdeutlichen, dass die Haltung, Fütterung und Pflege der Kälber zum großen Teil darüber entscheidet, ob mit gesunden, leistungsbereiten Tieren zukünftig das Einkommen erzielt werden kann. Die Kälberaufzucht und hier besonders die Haltungs- und Fütterungsmaßnahmen während der Tränkephase legen einen ganz essentiellen Grundstock hierfür.

Studie in Schleswig-Holstein

Eine von Mai bis Juli 2020 durchgeführte Praxisstudie in 39 Betrieben Schleswig-Holsteins (Übersicht 1) widmete sich daher der Fragestellung, inwiefern sich zum einen die aktuellen Empfehlungen hinsichtlich Fütterung und Haltung von Tränkekälbern in Betrieben Schleswig-Holsteins etabliert haben und zum anderen, ob es bestimmte Beziehungen zwischen einzelnen Verfahren und der Gewichtsentwicklung der Holstein Kälber gibt.

Übersicht 1: Charakteristik der 39 Milchkuhbetriebe (Quelle: LKV-Herdenvergleich, 2020)

Eine gezielte Vorauswahl der Betriebe, z. B. entsprechend ihres Leistungsniveaus oder bestimmter Besonderheiten bei der Kälberaufzucht, erfolgte dabei nicht. Vielmehr war die Aufgeschlossenheit des/r Betriebsleiter/s für die Mitwirkung an einer derartigen Studie bedeutsam.

Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse daraus vorgestellt.

Gewichtsentwicklung während der Tränkephase

In die Auswertung gingen 1.340 mittels Einzeltierwaage erfasste Gewichte von weiblichen schwarzbunten Deutsch-Holstein-Kälbern (ab dem 14. Lebenstag) ein. Da keine tierindividuellen Geburtsgewichte vorlagen, wurde für die Berechnung der Lebendmassezunahme ein einheitliches Geburtsgewicht von 42 kg unterstellt.

Im Durchschnitt aller Kälber ergab sich eine Lebendmassezunahme (LMZ) ab der Geburt bis zum Wiegedatum mit durchschnittlich 52 Tagen von 676 g/Tag. Die mittleren Tageszunahmen der Tränkekälber lagen bei den Betrieben zwischen 438 und 1.002 g (Übersicht 2).

Übersicht 2: LMZ der Tränkekälber in den 39 Milchkuhbetrieben (rangiert nach mittlerer LMZ der Tränkekälber)

Bei einer Klassifizierung aller teilnehmenden Betriebe entsprechend ihrer Herdendurchschnittsleistung zeigten sich bei den 21 Betrieben mit einer Milchleistung über 10.000 kg neben einem signifikant geringeren Erstkalbealter tendenziell höhere Gewichtszunahmen bei den Kälbern im Vergleich zu den 18 Betrieben mit einer Herdenmilchleistung von weniger als 10.000 kg (Übersicht 3).

Übersicht 3: Erstkalbealter, Kälberverluste und LMZ je Tränkekalb und Tag in den Betrieben, klassifiziert nach Herdenmilchleistung

Selbsteinschätzung der Betriebsleiter

Die Betriebsleiter wurden zum Beginn der Studie gebeten, ihre innerbetriebliche Kälberaufzucht entsprechend eines Schulnotensystems zu bewerten. 19 Betriebsleiter gaben sich hierfür die Note „gut“, 14 die Note „befriedigend“ und 4 die Note „ausreichend“. Die Betriebsleitenden jeweils eines Betriebes beurteilten die Tränkekälberaufzucht in ihrem Betrieb als „sehr gut“ bzw. „mangelhaft“. Den Übersichten 4 und 5 ist zu entnehmen, dass die ermittelten LMZ (die entsprechenden Standardabweichungen sind in der Übersicht 4 durch die Antennen ober- und unterhalb des jeweiligen Mittelwertes dargestellt) dieser Selbsteinschätzung folgten. Die Differenzen hierbei waren zwischen den 3 Gruppen „gut“, „befriedigend“ und „ausreichend“ hoch signifikant.

Übersicht 4: Zusammenhang zwischen der Einschätzung der betrieblichen Kälberaufzucht durch die Betriebsleiter und der ermittelten LMZ

Übersicht 5: LMZ der Tränkekälber in den Betrieben, rangiert nach Benotung der Kälberaufzucht durch die Betriebsleitenden

Diese Ergebnisse deuten auf eine realistische Einschätzung der Studienteilnehmer.

Die teilnehmenden Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter beurteilten die Qualität ihrer Kälberaufzucht sehr realistisch.

Fütterung

Bei der Befragung zur Versorgung neugeborener Kälber gaben 6 der 39 Betriebsleiter an, mehr als 4 l Kolostralmilch an ihre Kälber zu tränken, 20 Betriebsleiter nannten 3 bis 4 l, 9 Betriebsleiter nannten weniger als 3 l und in 3 Betrieben übernehmen die Muttertiere die Versorgung der Neugeborenen. Auch wenn diese Angaben, wie bei einer Umfrage üblich, nicht konkret überprüft werden konnten, wurden in denjenigen Betrieben mit der größeren verabreichten Kolostrummenge die höheren LMZ bei den Kälbern erreicht (Übersicht 6).

Übersicht 6: Zusammenhang zwischen der Kolostralmilchversorgung und der Lebendmassezunahme

14 Betriebsleiter bzw. Betriebsleiterinnen gaben an, im Anschluss an die Kolostrumgabe ihren Kälbern die Milchtränke ad libitum zur Verfügung zu stellen. In 25 Betrieben erfolgt eine restriktive Tränke, meistens mit 6 bis 8 l je Kalb und Tag. Wird auch hier eine gezielte Auswertung der täglichen Gewichtszunahme der Kälber entsprechend des Tränkeregimes – ad libitum bzw. restriktiv – vorgenommen, so zeigte sich eine hoch signifikante Differenz von 94 g/Kalb und Tag. Die insgesamt 374 ad libitum getränkten Kälber wiesen eine LMZ von 744 g auf, die 966 restriktiv getränkten Kälber 650 g.

Unter Annahme einer thermoneutralen Umgebung und Berücksichtigung dieser Tageszunahme von 650 g wäre hierfür eine Energiemenge von mindestens 20 bis 21 MJ ME (Proc. Soc. Nutr. Physiol. 1997; GfE 1995: 18,8 MJ ME für 600 g LMZ) notwendig. Das entspricht, je nach Fett- und Eiweißgehalt der Vollmilch, einer Menge von etwa 8 bis 8,6 l Vollmilch (Vollmilch mit 12,7 % TM und 19,2 MJ ME/kg TM, 2,44 ME/Liter) oder aber ca. 1.350 bis 1.500 g Milchaustauscherpulver je Tag. Letzteres wären bei einer Milchaustauscherkonzentration von 160 g/l etwa 8,5 bis 9,4 l Milchaustauschertränke.

Allerdings gaben nur 8 % der restriktiv fütternden Betriebsleiter an, eine Milchmenge von über 8 l je Kalb und Tag zu vertränken. Hingegen wurde bei 12 % der Betriebe angegeben,  den Tieren nur täglich 4 l Milchtränke zur Verfügung zu stellen. Eine derartige Tränkemenge deckt lediglich den Erhaltungsbedarf der Kälber ab.

Das verabreichte Festfutter war in 31 % der Betriebe eine Kälber-Trocken-TMR als Alleinfuttermittel. Diese wurden nicht selbst hergestellt, sondern stets von verschiedenen Landhändlern bezogen. Ansonsten wurden Heu, Kraftfutter, ferner auch die TMR der laktierenden Kühe oder Stroh eingesetzt.

Betreuung der Kälber

Von den in dieser Studie erfassten Kälbern wurden insgesamt 1.006  von einer festen Person betreut. Diese Kälber erreichten im Durchschnitt eine LMZ von 688 g/Tag. Hingegen stammten 312 Tiere aus Betrieben, in denen die Kälberaufzucht einer wechselnden Betreuung unterliegt. Für diese Kälber ergab sich mit 638 g/Tag eine hoch signifikant geringere LMZ.

Dieses Ergebnis untermauert den großen Einfluss des Menschen auf die Leistungen der Tiere. Erklären lässt sich die höhere Tageszunahme der von festen Betreuungspersonen versorgten Kälber durch ein stringenteres Fütterungsmanagement, eine wahrscheinlich genauere Beobachtung und ein höheres Spezialisierungsmaß der jeweiligen Fachkraft.

Gerade im Kälberbereich ist darüber hinaus die soziale Komponente, insbesondere die Beziehung, welche die Menschen zum Tier und daher dann auch umgekehrt die Kälber zum Menschen aufbauen, nicht zu unterschätzen. Dieser Zusammenhang wurde u.a. von Wissenschaftlern des Institutes für Tierhaltung und Tierschutz der Vetmeduni Wien im Journal Applied Animal Behaviour Science publiziert. In dieser Studie von Lürzel et al. (2015) ergab sich ein direkter Zusammenhang zwischen menschlicher Zuwendung und mehr Vertrauen der Kälber zum Menschen, welches sich anhand geringerer Ausweichdistanz der Tiere zum Menschen zeigte. Darüber hinaus stellten die Autoren eine größere Gewichtszunahme von Tränkekälbern fest, mit denen freundlich umgegangen wurde. „Nutztiere, die immer wieder Kontakt mit dem Menschen haben, sei es, weil sie vom Tierarzt untersucht werden oder vom Bauern oder der Bäuerin gemolken werden, profitieren von einer guten Beziehung zum Menschen.“, so Lürzel.

Gerade auch diesen Aspekt gilt es in Betrieben mit mehreren und eventuell auch wechselnden Personen womöglich stärker als bisher zu beachten.

Die gesamte Haltung der Tränkekälber unter Außenklimabedingungen erwies sich als vorteilhaft für die Gewichtsentwicklung dieser Tiere.

Haltung der Kälber

Bei dem Mittelwertvergleich zwischen den täglichen Lebendmassezunahmen der Kälber aus den verschiedenen Haltungssystemen wurde deutlich, dass innerhalb der Varianten der Außenklimaställe (Gruppenhütten, Stall mit Außenbereich, Einzelhütten) keine statistisch abzusichernden Unterschiede auftraten. Hingegen erreichten die Kälber in den 19 Betrieben, bei denen die Kälberaufzucht im geschlossenen Stall stattfand, signifikant geringere tägliche Zunahmen (Übersicht 7).

Übersicht 7: Zusammenhang zwischen der Haltung der Kälber nach den ersten 14 Lebenstagen bzw. nach der ersten Umstallung und der LMZ

Werden alle Kälber, die nach den ersten 14 Lebenstagen bzw. nach der Umstellung aus der Einzelhaltung unter Outdoor-Haltungsbedingungen aufgestallt waren, zusammengefasst, so ergibt sich für diese insgesamt 610 Kälber (mit durchschnittlich 50 Lebenstagen am Tag der Wiegung) eine Lebendmassezunahme von 704 g. Diese unterscheidet sich statistisch höchst signifikant von den 654 g Tageszunahmen der in geschlossenen Ställen gehaltenen Kälber (mit durchschnittlich 53 Lebenstagen am Tag der Wiegung).

Dieses Ergebnis entsprach den allgemeinen Erwartungen, da bekanntlich die Haltung von Kälbern unter Außenklimabedingungen für die Gesundheit und Entwicklung der jungen Tiere vorteilhaft ist. Gerade daher verwunderte es, dass bei fast 50 % der teilgenommenen Betriebe die Kälber noch in geschlossenen Ställen gehalten wurden.

In Betrieben mit einer intensiveren Milchtränke wurden auch höhere Lebendmassezunahmen bei den Tränkekälbern registriert.

Fazit

Die Gewichtsentwicklung von Kälbern wird immer multifaktoriell beeinflusst. Daher ist es kaum möglich, hierfür nur einzelne Faktoren verantwortlich zu machen. Insofern können die Kriterien, nach denen die Kälber in dieser Studie ausgewertet und verglichen wurden, auch nicht zwangsläufig für die gezeigten Unterschiede ursächlich verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sollen die hier gezeigten Vergleiche deutlich machen, dass Betriebe, die sich intensiv mit ihrer Kälberhaltung auseinandersetzen, ein sehr gutes und besseres Ergebnis bei der Entwicklung ihrer Kälber erreichen.

Darüber hinaus offenbart diese Studie, dass die seit mehr als 15 Jahren wissenschaftlich bearbeitete und empfohlene ad libitum-Tränke bzw. sehr intensive Tränke von kleinen Kälbern bei weitem nicht flächendeckend in der Praxis umgesetzt wird. Infolgedessen zeigen die ermittelten Lebendmassezunahmen der Tränkekälber, dass in vielen Betrieben in diesem Bereich noch erhebliche Reserven ausgeschöpft werden können.

DER DIREKTE DRAHT

Jacob Gloyer
ATR Futtermittel GmbH & Co. KG
jacob.gloyer@atr-landhandel.de


Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel/Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Fachbereich Agrarwirtschaft, Osterrönfeld
katrin.mahlkow-nerge[at]fh-kiel.de
Tel.: 04331/845138

und

Helmut Pförtner
ATR Futtermittel GmbH & Co. KG
helmut.pfoertner@atr-landhandel.de