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Hohe Nährstoffverdaulichkeiten im Grobfutter können den Einsatz von Kraftfutter reduzieren

Wiederkäuer sind in der Lage, faserreiche Futtermittel wie Gras, Grassilage, Heu oder Maissilage in essbares Eiweiß für den Menschen zu transformieren. Um regionale Lebensmittel effizient produzieren, die Wirtschaftlichkeit steigern und Nährstoffkreisläufe schließen zu können, ist es wichtig, das wirtschaftseigene Grobfutter bestmöglich in der Milchviehfütterung zu nutzen. Welche Rolle hierbei die Grobfutterqualität und der Einsatz von Kraftfutter spielt, erfahren Sie im Beitrag von Dr. Christian Koch und Dr. Jason Hayer vom Hofgut Neumühle.

Wiederkäuer sind aufgrund ihres Pansens und den darin lebenden Mikroorganismen bestens in der Lage, faserhaltige Futtermittel wie Gras, Mais oder Pressschnitzel sehr effizient zu verwerten. Durch das Zusammenspiel mit den Pansenmikroben sind sie auch in der Lage, für den Menschen nicht verzehrbare Kohlenhydrate (vor allem Faserkohlenhydrate), die in Form von Gras gebunden sind, aufzuschließen. So können durch Milchkühe für den Menschen unverdauliche Pflanzenbestandteile in essbares Eiweiß in Form von Milch und Fleisch umgewandelt werden. Darüber hinaus können dadurch Nährstoffkreisläufe geschlossen werden. Die Nutzung von wirtschaftseigenen Futtermitteln spielt hierbei eine elementare Rolle. Eine wiederkäuer- und leistungsgerechte Fütterung der Milchkühe bildet dabei die Basis, um gesunde Leistungen und eine effiziente Verwertung der Nährstoffe in der Milchviehhaltung erzielen zu können.

Konserven aus Gras und Mais stellen weltweit die wichtigsten eingesetzten Grobfuttermittel dar. Insbesondere die Konservierung und Verfütterung in Form von Silagen ist in der Milchkuhhaltung verbreitet, da durch das Konservierungsverfahren Trocknung die Verluste ansteigen und auch hohe Energieverbräuche und Kosten entstehen können.

Die Qualität von Silagen sowie deren Verdaulichkeit weisen aber zwischen den Betrieben große Schwankungen auf. Diese werden durch eine Vielzahl von Faktoren (u. a. Umweltbedingungen, Zusammensetzung des Pflanzenbestandes, Silierbedingungen) beeinflusst. Neben den Nährstoffgehalten differieren auch die Nährstoffverdaulichkeiten (organische Masse, Energie, Protein, Faser) in Silagen in großem Umfang. Insbesondere beim Einsatz von schlecht verdaulichen Silagen wird versucht, durch große Kraftfuttermengen die geringere Nährstoffverfügbarkeit aus den Silagen zu kompensieren, um letztlich dennoch eine bedarfs- und leistungsgerechte Versorgung der Tiere sicherzustellen. Dies erhöht jedoch die Gefahr einer zu kraftfutterreichen Fütterung und einer damit einhergehenden Pansenfermentationsstörung (v.a. Pansenazidose).

Durch qualitativ hochwertige und hygienisch einwandfreie Grobfutter hingegen können der Pansenstoffwechsel und die mikrobielle Proteinsynthese im Pansen optimiert und maximiert werden. Die Verbesserung der Grobfutterqualität in der Praxis beeinflusst daher zum einen die Tiergesundheit und bietet zum anderen die Möglichkeit einer Kraftfuttereinsparung, was letztlich neben einer verbesserten Ökonomie gleichzeitig auch eine Emissionsreduzierung bedeutet. 

Die Gewinnung und der Einsatz von qualitativ hochwertigen und sehr gut vergorenen Silagen ermöglicht es, den Einsatz von Kraftfutter zu reduzieren und gleichzeitig Gesundheit und Leistung zu steigern.

Aktuelle Studie

Inwiefern sich diese Zusammenhänge auch an einem konkreten Beispiel darstellt, zeigte eine aktuelle Studie von Àlvarez et al. (2021) aus Norwegen. In dieser wurde der Einfluss von unterschiedlich verdaulichen Grassilagen auf den Einsatz von Kraftfutter, die Milchleistung und Futteraufnahme von Milchkühen der Rasse Norwegische Rotbunte geprüft. 

Für die Studie wurden zwei Grassilagen mit unterschiedlicher Verdaulichkeit der organischen Masse (OM) hergestellt. Die beiden Grassilagen wurden auf drei Flächen der University of Life Science in Norwegen gewonnen. Die Flächen bestanden zu 50 % aus Wiesen-Lieschgras, 25 % Wiesen-Schwingel, 15 % Wiesenrispe und 10 % Weißklee. Um verschiedene Verdaulichkeiten der organischen Masse zu erzielen, wurde der Schnittzeitpunkt variiert. Eine hoch verdauliche Grassilage wurde am 28. Mai 2019 (HVS) und eine gering verdauliche Variante am 18. Juni 2019 (GVS) geerntet und in Rundballen siliert. Die Nährstoffgehalte der beiden Silagen sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Düngung war für beiden Flächen gleich: am 09. April 2019 120 kg N/ha (88 kg mineralisch und 32 kg als Gülle), 12 kg P/ha, 40 kg K/ha.

Tabelle 1: Nährstoffgehalte der verfütterten Grassilagen (Àlvarez et al. 2021).

Für den Fütterungsversuch wurden 60 Kühe in 2 vergleichbare Gruppen mit je 30 Kühen eingeteilt, denen die unterschiedlichen Rationen gefüttert wurden. Die Silagen wurden über Wiegetröge vorgelegt. Die Kraftfutterzuteilung erfolgte anhand der Milchleistung über Transponder. Das Kraftfutter war für beide Kuhgruppen identisch und bestand aus 30,5 % Gerste, 16,2 % Sojaextraktionsschrot, 11,1 % Hafer, 10 % Körnermais, 9,1 % Weizen, 6 % Trockenschnitzel, 5 % Melasse, 4 % Rapskuchen, 3 % Bohnen und 5,1 % Mineral- und Vitaminmix.

Ergebnisse

Die TM-Aufnahme lag in der HVS-Gruppe mit 3 kg pro Tag auf deutlich höherem Niveau im Vergleich zur Gruppe, die mit der gering verdaulichen Grassilage gefüttert wurde. Diese Differenz wurde ausschließlich durch die unterschiedliche Silageaufnahme hervorgerufen. So nahmen die Kühe der „HVS-Gruppe“ 3,8 kg TM mehr Grobfutter auf als die Kühe der „GVS-Gruppe“. Der Unterschied in der TM-Aufnahme spiegelte sich auch in der Leistung wider, sodass die „HVS-Gruppe“ eine um 3,5 kg höhere ECM-Leistung erzielte (Tabelle 2). 

Tabelle 2: Futteraufnahme und Leistungsdaten (Àlvarez et al. 2021).

Damit zeigen die Ergebnisse eindrucksvoll, wie sich eine höhere Verdaulichkeit des Grobfutters in einer höheren TM-Aufnahme und dadurch höheren Milchleistung widerspiegelt.

In einem Anschlussversuch wurde zudem untersucht, ob sich die geringere Verdaulichkeit durch unterschiedliche Kraftfuttergaben ausgleichen lassen. Es zeigte sich jedoch, dass eine zusätzliche Gabe von 2 kg TM Kraftfutter keinen signifikanten Einfluss auf die Leistung hatte.

Es ist bekannt, dass sich mit der pflanzenphysiologischen Entwicklung der Gehalt an Zellwänden und Lignin erhöht und der Gehalt an Rohprotein sowie die Verdaulichkeit der Nährstoffe zurückgeht. Durch die unterschiedlichen Schnittzeitpunkte der beiden verfütterten Grassilagen in dieser Studie lag die Differenz in der Verdaulichkeit der organischen Masse bei 11,2 %. Geringer verdauliche Silagen verweilen länger im Pansen und reduzieren somit die Futteraufnahme.

FAZIT

Die dargestellten Ergebnisse belegen sehr eindrucksvoll, dass die Grobfutterqualität die Basis für eine gesunde und wiederkäuergerechte Fütterung von Milchkühen ist. Um die Qualität des Grobfutters bestimmen zu können, ist eine Futtermittelanalyse der wirtschaftseigenen Grobfuttermittel unumgänglich. Mit Hilfe regelmäßiger Futtermittelanalysen der im Betrieb vorhandenen Silagen können Rückschlüsse über Silierbedingungen gezogen und Verbesserungsansätze angestoßen werden.

DER DIREKTE DRAHT

Kontakt:
Dr. Christian Koch
Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung
Hofgut Neumühle
Neumühle 1
67728 Münchweiler an der Alsenz


c.koch[at]neumuehle.bv-pfalz.de
www.hofgut-neumuehle.de