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Einfluss von Pansenazidosen auf die Gesundheit des Magen-Darm-Trakts von Kühen
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Pansenfermentationsstörungen stellen ein gesundheitliches Risiko für Milchkühe dar, vor allem in den ersten Wochen nach der Kalbung. Wie Pansenfermentationsstörungen und Pansenazidosen die Gesundheit und das Immunsystem im Magen-Darm-Trakt beeinflussen, erfahren Sie im Beitrag von Dr. Christian Koch, Hofgut Neumühle.

Pansenfermenatationsstörungen, wie Pansenazidosen, stellen vor allen in den ersten Laktationswochen ein gesundheitliches Risiko für Milchkühe dar. Durch die Umstellung vom Trockenstand hin zur Laktation, verändern sich die Ansprüche an eine adäquate Versorgung mit Nährstoffen drastisch. Die Futteraufnahme während der Trockenstehphase liegt mit ca. 12 – 14 kg TM pro Tag auf deutlich geringerem Niveau im Vergleich dazu, was die Kuh nach der Kalbung fressen soll. Nach der Kalbung sollten so schnell wie möglich TM-Aufnahmen von 22 – 26 kg erreicht werden, aber bis dahin vergehen mitunter mehrere Wochen. In dieser Zeit, in der die Energieaufnahme geringer ist als der Energiebedarf, befinden sich die Kühe in einer negativen Energiebilanz. Diese Phase ist durch eine adäquate Rationsgestaltung und angepasste Managementmaßnahmen so kurz wie möglich zu halten.

Da die Futteraufnahme immer auch sehr vom Energiegehalt der Ration abhängt, wird, gerade bei hohen Milchleistungen der Kühe, sehr häufig versucht, die Ration innerhalb der ersten Laktationswochen mit viel Energie auszustatten, z.B. mit Getreide. Mit großen Mengen an Getreide (z. B. Weizen oder Gerste) in der Ration gelangt auch viel Stärke in den Pansen, den Dünn- und Dickdarm, womit grundsätzlich ein Pansenazidoserisiko verbunden sein kann. Wiederkäuerfreundlicher hingegen wäre ein höherer Anteil an hochverdaulicher Faser (z. B. über Trockenschnitzel) in der Ration.

Pansenazidosen, die durch zu große Mengen an im Pansen leicht abbaubaren Kohlenhydraten induziert werden, können Entzündungsreaktionen im Magen-Darm-Trakt begünstigen.

Ursachen von Pansenazidosen

Pansenfermentationsstörungen oder Pansenazidosen (subklinische und klinische) können durch einen Fasermangel und dadurch eine zu geringe Wiederkautätigkeit, aber auch durch zu große Mengen an leicht abbaubaren Kohlenhydraten im Pansen induziert werden. Durch die mikrobielle Fermentation im Pansen der Wiederkäuer werden die in den Futtermitteln vorhandenen Nährstoffe (Kohlenhydrate und Proteine) im Pansen abgebaut. Im Rahmen des ruminalen Abbaus der Futtermittel entstehen im Pansen kurzkettige Fettsäuren (Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure).

Um die Vermehrung der Pansenmikroben zu maximieren, müssen diese optimal mit Nährstoffen versorgt werden. Dies bedeutet konkret, dass die Mikroorganismen zeitgleich immer Energie und Stickstoff in ausreichender Menge benötigen, um optimal wachsen zu können. Da sich zwischen den verschiedenen Futtermitteln der Abbau der Nährstoffe (Umfang und Geschwindigkeit) im Pansen unterscheidet, ist es bereits im Rahmen der Rationsgestaltung und -berechnung sehr wichtig, die Futtermittel so auszuwählen, dass der ruminale und synchrone (zeitgleiche) Abbau der Nährstoffe gegeben ist. Durch stärkelastige Rationen können Effekte im Pansen und Magen-Darm-Trakt induziert werden, die die Krankheitsanfälligkeit von Wiederkäuern deutlich erhöhen. Es sei nochmals erwähnt, dass der Magen-Darm-Trakt das wichtigste und größte Immunorgan bei Säugetieren und Menschen darstellt. Ist der Darm nicht gesund, begrenzt dieses die Tiergesundheit und Leistung.

Durch stärkeinduzierte Pansenazidosen steigt die Menge an Giftstoffen (Lipopolysaccharide (LPS)) im Pansen und hinteren Magen-Darm-Trakt an. Aufgrund dieser Giftstoffe wird die Pansen- und Darmwand als wichtige physikalische Barriere im Immunsystem im Magen-Darm-Trakt geschwächt, wodurch diese Giftstoffe leichter in die Blutbahn übertreten können. Gelangen Giftstoffe, wie z. B. LPS, in die Blutbahn, wird eine Entzündungsreaktion bei den Tieren ausgelöst, die zur Bildung von Proteinen führt, mit denen die vorhandenen Giftstoffe gebunden und entgiftet werden. Für die Herstellung dieser Proteine (so genannter Akut-Phase-Proteine) werden viel Energie und Aminosäuren benötigt, die wiederum für die Milchproteinsynthese fehlen.

Welche Effekte durch eine Stärke-induzierte subklinische Pansenazidose im Vergleich zu einer Luzerne-induzierten Pansenazidose auf die Gesundheit des Pansens und des Magen-Darm-Trakts zu erwarten sind, wurde im Rahmen einer Studie von Li et al. (2012) untersucht. (Studie von Li et al. 2012)

In die Untersuchung wurden 6 nicht laktierende Holstein-Kühe einbezogen, die mit einer Pansen- und Darmfistel ausgestattet waren. Der Versuch dauerte insgesamt 4 Wochen. In den ersten 3 Wochen erhielten alle Kühe eine Kontrollration (vgl. Tabelle 1). In der 4. Versuchswoche bekamen je 2 Tiere die Kontrollration weiter, 2 Tiere eine Ration mit Luzernepellets (APSC) und 2 Tiere eine Getreide-basierte Ration (GBSC). In der Luzerne-Pellets-Ration wurden 37 % der TM durch Luzerne-Pellets und in der Getreide-basierten Ration 34 % der TM durch Getreidepellets (50 % Weizen und 50 % Gerste) ausgetauscht (siehe Tabelle 1).

Über die 4-wöchige Versuchsdauer wurden regelmäßig Proben von Blut, Kot und Pansensaft gezogen und die Futteraufnahme der Kühe tierindividuell gemessen.   

Tabelle 1: Zusammensetzungen und Nährstoffgehalte der Rationen

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, wiesen die Rationen mit 16 % Rohprotein in der TM gleiche Gehalte auf. Die Gehalte an NDF, ADF, NFC und Stärke unterschieden sich hingegen deutlich zwischen den Rationen.  

Ergebnisse und Diskussion

Durch den Austausch bzw. Integration der Pellets stieg der TM-Gehalt in beiden Versuchsrationen (APSC und GBSC) im Vergleich zur Kontrollration an. Die TM-Aufnahme stieg durch die Erhöhung der Pellets in beiden Rationen signifikant an (vgl. Tabelle 2). In beiden Versuchsrationen wurde der mittlere tägliche Pansen-pH-Wert signifikant abgesenkt. Durch den Austausch der Pellets in beiden Versuchsrationen erhöhte sich auch die Zeitdauer mit einem pH-Wert unter 5,6; 5,8 und 6,0, im Vergleich zur Kontrollration signifikant (siehe Tabelle 2).       

Tabelle 2: TM-Aufnahme und Pansen-pH-Werte

Durch die stärkelastige Fütterung in Gruppe GBSC stieg der Stärkegehalt in der Darmdigesta signifikant an, wohingegen im Kot keine Unterschiede beim Stärkegehalt zwischen den Tieren der verschiedenen Gruppen zu erkennen war. Die gemessenen pH-Werte in der Darmdigesta lagen in beiden azidoseinduzierenden Rationen (APSC und GBSC) auf signifikant geringerem Niveau. Der pH-Wert im Kot wurde in der Getreide-basierten Ration im Vergleich zur Kontrollration und der Luzerne-Pellets-Ration signifikant reduziert, was eventuell auf Anzeichen einer Dickdarmazidose hinweisen könnte (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3: Stärkegehalte und pH-Werte in der Darmdigesta und im Kot

Im Rahmen der Studie wurde ebenfalls der Gehalt an Lipopolysacchariden (LPS: Giftstoffe von z. B. gram-negativen Bakterien, wie z. B. Coli-Bakterien) im Pansensaft, der Darmdigesta und im Kot gemessen (vgl. Abbildung 1). Der Gehalt an LPS stieg bei den Kühen mit der getreidebasierten Ration sehr stark und signifikant im Vergleich zu den Kühen mit der Kontrollration und denen mit der Luzerne-Pellets-Ration an. Die Daten zeigen sehr eindrucksvoll, dass durch den Einsatz von Getreide und der dadurch induzierten Pansenazidose der Gehalt an Giftstoffen (LPS) im Pansensaft, in der Darmdigesta und auch im Kot ansteigt, was zu einem deutlich höheren Krankheitsrisiko bei den Tieren führt.

Durch die Anreicherung von LPS im Pansen und Darm werden die Pansenwand und der Darm durchlässiger für diese LPS, wodurch das Risiko ansteigt, dass diese LPS leichter aus dem Pansen und dem Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn übertreten können. Gelangen LPS in die Blutbahn, führt dies bei den Tieren zu Entzündungsreaktionen. In der Luzerne-Pellets-Ration konnte jedoch kein Anstieg von LPS gemessen werden (vgl. Abb. 1).

Diese Erkenntnis belegt, dass es unterschiedliche Auswirkungen in Abhängigkeit der Ursache einer Pansenazidose gibt. Werden Pansenazidosen „nur“ durch einen Fasermangel und in Abwesenheit hoher Stärkemengen induziert, werden nur sehr geringe Mengen an potenziell krankmachenden LPS im Pansen, Darm oder Kot gebildet. Sinkt jedoch der pH-Wert im Pansen ab und es sind zeitgleich große Mengen an leicht abbaubaren Kohlenhydraten (häufig durch hohe Stärkemengen in der Ration) im Pansen vorhanden, sind die negativen Auswirkungen einer Pansenazidose auf die Leistung und Tiergesundheit deutlich umfangreicher einzuschätzen.

Treten LPS in die Blutbahn über, werden sogenannte Lipopolysaccharid-bindende Proteine (LBP) im Körper produziert, um die LPS zu entgiften und damit unschädlich zu machen. Im Rahmen der Studie von Li et al. (2012) stieg der Gehalt an LBP von 8,9 mg/l Blutplasma in der Kontrollgruppe auf 9,5 mg/l in der Luzerne-Pellets-basierten Ration und auf 12,1 mg LBP/l Blutplasma in der Getreide-basierten Ration signifikant an. Dies belegt die durch Getreide induzierte Pansenazidose und die dadurch resultierende Entzündungsreaktion bei den Tieren.

Abbildung 1: Gehalt an Lipopolysacchariden im Pansensaft, Darmdigesta und Kot

FAZIT

Pansenfermentationsstörungen wie Pansenazidosen können durch einen Fasermangel und bzw. oder durch einen zu hohen Anteil an leicht abbaubaren Kohlenhydraten in der Ration induziert werden. Infolge hoher Stärkemengen in der Ration steigt das Risiko für Entzündungsreaktionen durch die Bildung von LPS im Pansen, dem gesamten Magen-Darm-Trakt und dem Transfer der LPS in die Blutbahn deutlich an. Aus diesem Grund sollte der Stärkegehalt in Rationen von Milchkühen kritisch geprüft werden und hohe Mengen leicht abbaubarer Kohlenhydrate in der Ration vermieden und optimiert werden. Hohe Mengen an verdaulichen Pflanzenfasern (NDF) und geringe Stärkegehalte (ca. 18-20 % in der Rations-TM) können helfen, die Gesundheit und Leistungen der Tiere dauerhaft zu optimieren.    

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Christian Koch
Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung
Hofgut Neumühle

www.hofgut-neumuehle.de
c.koch(at)neumuehle.bv-pfalz.de

Fotos (Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge)