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Eine neu gestaltete Liegebox: Welche Effekte hat sie auf die Boxensauberkeit und das Liegeverhalten der Kühe?
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Moderne Stallhaltungssysteme sind darauf ausgerichtet, die Tiere sauber zu halten und den Arbeitseinsatz effektiv zu gestalten. Die Stalleinrichtung übt dabei einen Einfluss auf das natürliche Tierverhalten aus, um zu verhindern, dass die Tiere die Liegefläche verschmutzen, denn schmutzige Liegeflächen führen zu schmutzigeren Tieren und erhöhtem Risiko der Eutergesundheitsstörungen.

In früheren Studien untersuchten Wissenschaftler der University of British Columbia,  Kanada, die Auswirkungen breiterer und längerer Liegeboxen auf das Tierverhalten und die Sauberkeit. Dabei zeigte sich einerseits, dass breitere und längere Liegeflächen (Nackenriegel nach vorn geschoben) ein erhöhtes Risiko tragen zu verschmutzen. Andererseits aber steigern sie die Liegeboxennutzung durch die Kühe. Wenn Kühe die Wahl haben zwischen Liegeplätzen in Liegeboxen oder in einem freien Liegebereich (ohne Boxenabtrennung), sind sie vermehrt im freien Liegebereich zu finden, sowohl zum Liegen, als auch zum Stehen. Hierbei ist der Platz für die Kuh noch wichtiger als das Einstreumaterial.

Besondere Bedeutung kommt auch den Liegepositionen zu, denn es gibt einen Zusammenhang zwischen der Liegeposition mit nach hinten abgelegtem Kopf und den REM (Rapid-eye movement)-Schlafphasen der Tiere.

Eine neue Untersuchung von Beaver et al. (2021) hatte nun zum Ziel zu prüfen, ob und wie der zur Verfügung stehende Platz pro Kuh (100 % Belegungsdichte und 50 % Belegungsdichte) die Sauberkeit der Liegefläche und die Ruhepositionen der Tiere beeinflusst. Im Versuch wurde das Liegeverhalten von 48 Milchkühen (acht Gruppen von sechs) unter drei verschiedenen Haltungsbedingungen geprüft:

(1) konventioneller Laufstall,

(2) eine freie Liegefläche (es wurden alle Abtrennungen entfernt) und

(3) alternative Liegeboxen (siehe nachfolgende Skizze), mit hängenden Boxenabtrennungen.

Studiendesign

Mit Hilfe von Videoaufnahmen wurde das Liegeverhalten, d.h. Kopfposition und Gliedmaßenstreckung, und das Stehen mit nur den Vorderfüßen in der Box („Perching“) aufgezeichnet.

Die Kühe wurden unter jeder Haltungsbedingung eine Woche lang untergebracht. Dabei erfolgte die Bewertung der Sauberkeit des Stalls.

Die Versuchsvarianten waren:

  • FS (1)
    • Liegeboxen, 50 % Belegung
    • 1,2 m breit
    • 40 cm Sandeinstreu
    • Nackenriegel 1,7 m von der hinteren Boxenkante und 1,2 m über der Einstreu 
       
  • FS (2)
    • Liegeboxen, 100 % Belegung
    • Maße identisch wie bei FS (1)
       
  • Freie Liegefläche (OP)
    • alle Liegeboxenabtrennungen und der Nackenriegel sind abmontiert, freie Liegefläche von je 2 x 15,2 m² für insgesamt 6 Kühe
       
  • Alternative Boxen (ALT) – siehe nachfolgendes Bild
    • jede Reihe von sechs Boxen wurde modifiziert, um drei große „Boxen“ zu schaffen
    • jede neue Box 2,4 m breit, in 0,5 m Höhe mit einem freischwingenden Holzbalken (120 cm x 5 cm x 20 cm) abgetrennt
    • die hängenden Trennwände grenzten den Liegebereich ab, und die Kunststoffrohre verhinderten, dass Kühe in den Bereich zwischen benachbarten Liegeboxen konnten
    • jede zweite Box wurde mit einem Rohr blockiert
    • insgesamt standen für 6 Kühe 30,4 m² inkl. der Fläche der blockieren Liegeboxen zur Verfügung

Datenerfassung

Jede Gruppe wurde über einen Zeitraum von 7 Tagen per Videoaufzeichnung überwacht. Es wurde ein Verhaltens–Ethogramm (siehe Tabelle 1) mit verschiedenen Liege- und Stehpositionen der Kühe in jedem Stallbereich entwickelt.

Tabelle 1: Verhaltens-Ethogramm

Die Sauberkeit wurde bewertet, indem alle Flächen in gleich große Raster eingeteilt wurden und jede Verschmutzung aufgezeichnet und aufaddiert wurde. Die jeweiligen Ergebnisse wurden statistisch ausgewertet.

Ergebnisse

Die Kühe verbrachten mehr Zeit in den beiden weniger restriktiven Haltungsoptionen (freie Liegefläche und alternative Liegeboxen) im Vergleich zu einem traditionellen Liegeboxenlaufstall. Kühe in den weniger restriktiven Haltungsoptionen nahmen ausgedehntere Liegepositionen ein, wie z. B. das Liegen mit ausgestreckten Hinterbeinen und mit zurückgelegtem Hals.

Mit steigendem Kuhgewicht und Überbelegung steigt die Zeit des Perchings deutlich an. In der weniger restriktiven Unterbringung zeigten größere Kühe (> 820 kg) eine reduzierte „Perching“zeit (Abbildung 1) (mit den Vorderfüßen in der Box stehend, Hinterfüße im Laufgang), wahrscheinlich weil diese größeren Kühe Schwierigkeiten haben, in die Liegeboxen zu passen. Das Perching steht in Verbindung mit erhöhter Lahmheit und Klauenverletzungen bei Milchkühen.

Abbildung 1: Interaktionsdiagramm zwischen Kuhgewicht und Liegeboxenvariante und durchschnittlicher Perching Zeit pro 24 Stunden (FS1: 50 % Belegdichte, FS 2: 100 % Belegdichte, ALT: neue Abtrennung, OP: freie Liegefläche)

Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass unbegrenztere, offenere Liegebereiche einen besseren Kuhkomfort bieten als ein Standard-Liegeboxenlaufstall und dass die in dieser Studie getesteten alternativen Boxenabtrennungen ein ähnliches Maß an Kuhkomfort bieten wie ein freier Liegebereich.

Es überrascht nicht, dass traditionelle Laufställe eine bessere Boxensauberkeit im Vergleich zu den offenen Liegeflächen und alternativen Boxenabtrennungen haben. Allerdings wiesen die alternativen Liegeboxen eine bessere Sauberkeit auf als die freie Liegefläche (Abbildung 2). Dies deutet darauf hin, dass dieses neuartige Design den Kuhkomfort verbessern und gleichzeitig helfen könnte, den Liegebereich sauber zu halten.

Abbildung 2: Anteil verschmutzter Fläche bei den vier getesteten Varianten

Die Belegdichte hatte bei konventionellen Liegeboxen keinen Einfluss auf die Sauberkeit, aber die alternative Boxenabtrennung führte zu einer besseren Sauberkeit als die freie Liegefläche.

Frühere Studien konzentrierten sich weitgehend auf das Stehen und Liegen der Kühe. Dabei zeigte sich, dass die Nutzung der Ställe reduziert wird, wenn der verfügbare Platz für die Kühe beschränkt ist. In der vorliegenden Studie wurde festgestellt, dass die Kühe bei den alternativen Haltungssystemen, sowohl bei freier Liegefläche (OP) als auch bei alternativer Liegeboxenabtrennung (ALT) mehr Zeit im Liegen verbrachten als im konventionellen Liegeboxenlaufstall, unabhängig von der Besatzdichte, was gut mit früheren Arbeiten übereinstimmt. Es ist außerdem erwähnenswert, dass die Liegezeit im Boxenlaufstall reduziert war, obwohl die Breite der Liegebox (1,20 m) denen der Stallbauempfehlungen in Kanada entspricht. Es gab keine Unterschiede bei der Liegezeit zwischen OP und ALT.

Eine Abwesenheit von Beweisen ist zwar nicht gleichbedeutend mit einem Beweis der Abwesenheit, aber die Ergebnisse sind ermutigend, da das Liegeverhalten bei Milchkühen hoch motiviert ist (liegen vor fressen) und das Liegen einen großen Teil des Zeitbudgets der Tiere ausmacht.

FAZIT

Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass unbegrenztere, offenere Liegebereiche einen besseren Kuhkomfort bieten als ein Standard-Liegeboxenlaufstall und dass die in dieser Studie getesteten alternativen Boxenabtrennungen ein ähnliches Maß an Kuhkomfort bieten wie ein freier Liegebereich.

Traditionelle Liegeboxenlaufställe haben eine bessere Boxensauberkeit im Vergleich zu den offenen Liegeflächen und alternativen Boxenabtrennungen. Allerdings wiesen die alternativen Liegeboxen eine bessere Sauberkeit auf als die freie Liegefläche. Dies deutet darauf hin, dass dieses neuartige Design den Kuhkomfort verbessern und gleichzeitig helfen könnte, den Liegebereich  sauber zu halten.

Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass ein alternatives Boxendesign die gleichen Vorteile für den Kuhkomfort bieten kann wie ein freier Liegebereich, aber mit Verbesserungen in der Sauberkeit der Boxen.

Die in dieser Studie getestete alternative Liegeboxenabtrennung wurde als Proof-of-Concept erstellt und ist nicht kommerziell verfügbar. Aber die Wissenschaftler hoffen nun, dass Firmen/Hersteller diese Idee aufgreifen, um Boxenabtrennungen und Designs zu entwickeln, die den Kuhkomfort verbessern und gleichzeitig die Bewirtschaftbarkeit und die Sauberkeit verbessern, damit sie auch für die Landwirte, die die Kühe betreuen, gut funktionieren.

DER DIREKTE DRAHT

S. Möcklinghoff-Wicke
Innovationsteam Milch Hessen der
Landesvereinigung Milch Hessen
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Tel.: ++49 (0) 6172 7106 294
Fax: ++49 (0) 6172 7106 296
E Mail: i-team(at)milchhessen.de

(Original: Beaver, A.; Strazhnik, E.; von Keyserlingk, M.A.G.; Weary, D.M. (2021): The Freestall Reimagined: Effects on Stall Hygiene and Space Usage in Dairy Cattle. Animals 2021, 11, 1711.
doi.org/10.3390/ani11061711)