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Effizienz der Milch- und Rindfleischerzeugung bei Nutzung verschiedener Rassen in differenzierten Produktionssystemen
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Teil 2: Ermittelte Ergebnisse unter besonderer Berücksichtigung der Proteinerzeugung

Einleitung

Die primäre Aufgabe der Rinderhaltung besteht in der nachhaltigen Ernährungssicherung durch die gezielte Erzeugung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel.

Fragt man danach „Was Milch und Fleisch zu einem wertvollen Lebensmittel macht?“, so lautet die Antwort kurz: sie haben einen hohen Nährwert und können die Versorgung des Menschen mit wichtigen Nährstoffen gleichzeitig vereinfachen.

Unsere Körperzellen werden ständig erneuert. Sie sind deshalb auf eine regelmäßige Proteinzufuhr angewiesen. Dabei kommt es nicht nur auf die Menge, sondern auch auf die Qualität des Proteins an. Ein Wert, der häufig herangezogen wird, um die Qualität von Eiweißen einzustufen, ist die biologische Wertigkeit (BW). Tierische Eiweiße weisen meist bessere Werte auf als pflanzliche Proteinquellen.

Die empfohlene Zufuhr für Protein beträgt für Erwachsene ab 19 Jahren bis
unter 65 Jahre 0,8 g Protein/kg Körpergewicht pro Tag. Für Erwachsene ab 65
Jahren gibt die DGE (= Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.) einen Wert (für eine angemessene Zufuhr) von 1,0 g/kg Körpergewicht pro Tag an.

Da – wie in der 1. Mitteilung bereits umfassend gezeigt – das genetische Potenzial für die Milch- und Fleischleistung verschiedener Rassen/Genotypen deutlich differenziert ist, bedarf es für eine zusammenfassende Bewertung der Ressourceneffizienz beider Merkmalskomplexe (Milch/Fleisch) eines einheitlichen Bezugspunktes.

Aufgrund der überragenden Bedeutung der Proteinversorgung in der Humanernährung wurde die erzeugte Gesamt-Eiweißmenge – sowohl aus der Milch- als auch aus der Rindfleischerzeugung – für die gewählten Milchkuhrassen (einschließlich ihrer gemästeten Nachzucht) in Beziehung zum zugehörigen Gesamtfutterenergieverbrauch gesetzt.

Die ermittelten Ergebnisse werden nachfolgend – zunächst getrennt für die Milch- und Fleischleistung und anschließend über beide Merkmalskomplexe kombiniert – aufgezeigt.

Ergebnisse

Effizienz der Milcherzeugung

Im Hinblick auf eine nachhaltige Milcherzeugung gilt es, das eigenerzeugte Futter möglichst effizient zur Bildung von Milch zu nutzen.

Als Kenngröße eignet sich der Aufwand an NEL je kg energiekorrigierte Milch (ECM).

In der Abbildung 1 ist der kalkulierte Aufwand an NEL je kg ECM – berechnet auf Basis aktuell gültiger Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Milchkühen des Ausschusses für Bedarfsnormen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE, 2001) – in Abhängigkeit vom gewähltem Milchkuhtyp/Produktionssystem dargestellt.

Abbildung 1: Futterenergieaufwand in der Milcherzeugung (MJ NEL/kg ECM) mit verschiedenen Rassen/Genotypen unter Einbeziehung des Anteils für die Färsenaufzucht zwecks Sicherstellung der Kuhbestandsreproduktion (eigene Berechnungen)

Berechnungsbasis: gültige Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Milchkühen und Aufzuchtrindern (GfE, 2001)

Bei ausschließlicher Bewertung der Milcherzeugung zeigen sich die Vorzüge der kleinrahmigen Jerseys speziell unter Weidebedingungen (= Variante C).

Selbst die hochleistenden Holsteinrinder (bei ganzjähriger Stallhaltung) sind in der Futterenergieeffizienz dem Produktionssystem ‚Jerseys mit saisonaler Weidehaltung‘ - trotz deutlich höherer Milchleistung – unterlegen. Die sehr schweren Fleckviehkühe (= Variante B) schneiden hier am schlechtesten ab (Abbildung 1).

Effizienz der Fleischerzeugung

Mit einer Milchkuhhaltung wird regelmäßig auch Fleisch erzeugt (= Fleisch als Koppelprodukt der Milcherzeugung).

Die Fleischerzeugung umfasst in der vorliegenden Auswertung sowohl die Verwertung der Altkuh (nach Schlachtung) als auch die Fleischerzeugung der gemästeten Nachkommen (Tabellen 1 und 2).

Tabelle 1: Kennwerte zur Fleischerzeugung mit Fleckvieh-, Holstein- bzw. Jersey-Altkühen (eigene Berechnungen)

Aus der Blickrichtung des enormen Fortschritts im Spermasexing können – wie bereits im 1. Teil aufgezeigt – in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer der Milchkühe ca. 60 bis 70 % der weiblichen Tiere mit gesextem ♂-Sperma von vorselektierten Fleischrindbullen besamt werden. Damit verbessert sich die Fleischerzeugung vor allem der spezialisierten Milchrinderrassen (Abbildung 2).

Abbildung 2: Die Wettbewerbsfähigkeit spezialisierter Milchrinderrassen (z.B. Deutsche Holsteins) wird durch die systematische Erzeugung männlicher Masthybriden gestärkt. Hier ein Kreuzungskalb ‚Weißblaue Belgier x Holstein‘ (Foto: Brade)

Setzt man weiter voraus, dass in der Bullenmast eine energiereiche Maissilage als Grundfutter mit intensiver Kraftfutterergänzung genutzt wird, so ist vor allem die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Masthybriden aus der Kreuzung WBB x Holstein anzuerkennen (Tabelle 2).

Tabelle 2: Kennwerte zur Bullenmast mit verschiedenen Genotypen

Dies wird besonders deutlich, wenn man den notwendigen Futterenergieaufwand (MJ ME) je kg Körpermassezuwachs in der Mast von reinrassigen Fleckvieh-Jungbullen mit dem von Masthybriden aus der Verpaarung WBB x Holstein vergleicht (Abbildung 3).

Abbildung 3: Futterenergieaufwand (in MJ ME) je kg Körpermassezuwachs in der Mast verschiedener Jungbullen-Genotypen (eigene Berechnungen)

Zusammenfassende Bewertung beider Merkmalskomplexe (Milch/Fleisch)

Bleibt schließlich die Frage: Wie effektiv ist die Milch- und Rindfleischerzeugung der verschiedenen Rassen/Produktionssysteme in ihrer Gesamtheit aus ernährungsphysiologischer Sicht zu beurteilen?

Bewertet man die erzeugte Gesamt-Eiweißmenge (sowohl aus der Milch- als auch aus der Rindfleischerzeugung), so kann eine vergleichende Gegenüberstellung des Gesamtfutterenergieaufwandes (z.B. in MJ ME) der verschiedenen Kuhtypen (Rassen) erfolgen. Allerdings müssen die zur Anwendung kommenden Futterrationen für die Milchkühe zuvor auf MJ ME umgerechnet werden.

In der Abbildung 4 sind die ermittelten Ergebnisse zusammengestellt.

Abbildung 4: Futterenergiebedarf (in MJ ME) je kg erzeugtes Eiweiß (aus Milch + Fleisch) – eigene Berechnungen

Vergleicht man die verschiedenen Rassen/Produktionssysteme, so kommt wiederum die enorme Futtereffizienz der Jerseykühe im Rahmen der Milcherzeugung – trotz ihres deutlich schlechteren Fleischbildungsvermögens – zum Tragen (Abbildung 4).

Darüber hinaus dürfte künftig auch die Käsereitauglichkeit der Milch verschiedener Rassen (wieder) an Bedeutung gewinnen. Wir wissen längst, dass hier die reinrassigen Jerseys bzw. Jerseykreuzungen besondere Vorteile besitzen. Nicht ohne Grund wird von der Hilmar-Cheese-Factory in Kalifornien, dem größten Käseproduzenten in den USA, vor allem die Milch der US-Jerseyrasse genutzt.

Allerdings sollte die Entscheidung für Rasse und Anpaarungsstrategie auf Einzelbetriebsebene immer durch den zuständigen Betriebsleiter vor Ort getroffen werden, da diese Wahl immer betriebsabhängig (Standort, Emotionalität, Vermarktung etc.) ist. Der Rinderhalter sollte diejenige Rasse/Kombination nutzen, mit der er unter seinen Bedingungen am besten zu Recht kommt.

Diskussion

Lebensmittel tierischen Ursprungs sind wertvolle Nahrungsmittel für den Menschen. Es ist daher bemerkenswert, dass sie neuerdings vonseiten einiger Verbraucher- und Umweltschützer als ungesund und nicht nachhaltig dargestellt werden (Leroy et al., 2022).

Die Vorteile ihres Verzehrs sind in Wirklichkeit sehr beträchtlich, da sie ein breites Spektrum an Nährstoffen bieten, die für die Entwicklung, Funktion und das Überleben des Menschen benötigt werden.

Zahlreiche Studien zeigen, dass die Proteinqualität in Produkten aus Milcherzeugungssystemen (Milch und Rindfleisch) deutlich höher als die Qualität des für den Menschen essbaren Proteineintrages aus Pflanzen ist. Dies legt nahe, dass diese Unterschiede berücksichtigt werden müssen, wenn die Rolle von Tierhaltungssystemen für die menschliche Ernährung im Vergleich zu pflanzlichen Nahrungsmitteln bewertet werden soll (Ertl et al., 2016).

Fragt man nach der Effizienz der Proteinerzeugung basierend auf der Milchproduktion im Vergleich zur Fleischerzeugung, so zeigt sich: die Proteinerzeugung in Form von Milch ist deutlich effizienter als die Eiweißerzeugung in Form von Fleisch. Dies bestätigt sich auch in den vorliegenden Ergebnissen (Abbildung 5).

Abbildung 5: Futterenergieaufwand für die Proteinerzeugung in Form von Milch im Vergleich zur Eiweißerzeugung in Form von Fleisch mittels Bullenmast bei Nutzung von reinrassigen FV-Tieren

SCHLUSSFOLGERUNGEN/FAZIT

  1. Der Ressourceneinsatz gewinnt in der gesamten Landwirtschaft und damit auch in der Milch- und Rindfleischerzeugung an Bedeutung.
  2. Gezielte Anpaarungsstrategien bieten die Chance, die oft nur schwer verkäuflichen reinrassigen (männlichen) Jerseykälber zur Weitermast zahlenmäßig deutlich zu reduzieren.
  3. Die systematische Erzeugung von männlichen Masthybriden verbessert die mögliche Fleischleistung von spezialisierter Milchrinderrassen (Jerseys, Holsteins) deutlich und erhöht dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit insbesondere auch gegenüber Zweinutzungstypen (Fleckvieh).
  4. Hochleistende, spezialisierte Milchrinder (Jersey- bzw. Holsteinkühe) erweisen sich aus der Blickrichtung der Proteinerzeugung in Form von Milch und Fleisch im Vergleich zur Nutzung von Fleckviehkühen im Zweinutzungstyp als besonders Futterenergie effizient.
  5. Die Proteinerzeugung in Form von Milch ist deutlich effizienter als die Eiweißerzeugung in Form von Fleisch.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. habil. Wilfried Brade
ehemaliger Professor für Tierzucht an der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) Hannover; aktuell: Norddeutsches Tierzucht-Beratungsbüro

Email: wilfried.brade@t-online.de

(Das zugehörige Literaturverzeichnis ist beim Verfasser erhältlich)