Auswirkungen verschiedener Körperkonditionen vor der Kalbung auf die Energiebilanz nach der Kalbung
Es ist bekannt, dass Kühe in den ersten Wochen nach der Kalbung auf den Abbau von Körperfettreserven angewiesen sind, um ihren Energiebedarf bei zeitgleich noch unzureichender Futteraufnahme zu decken. Ab Laktationsmitte muss die bis dahin abgebaute Körperfettmenge dann wiederaufgebaut werden. Der Umfang dieses Auf- und Abbaus von Körperreserven beeinflusst die Futteraufnahme, Milchleistung, Gesundheit sowie die Fruchtbarkeit der Kuh in der Frühlaktation und ist durch die Haltung und besonders durch die Fütterung im Laktationsverlauf steuerbar. Dabei besteht ein grundsätzliches Ziel darin, die Kühe weder zu fett, noch zu mager in die nächste Laktation zu bringen, da Kühe, die optimal konditioniert trockengestellt werden, die größte Chance für einen bestmöglichen Laktationsstart haben.
Jüngst ist dieser Zusammenhang erneut durch eine von Casaro et al. (2024) publizierte Studie bestätigt worden. Im Rahmen dieser retrospektiven Beobachtungsstudie wurden Daten von 427 Mehrkalbskühen aus 11 an der Universität von Florida (Gainesville, FL) durchgeführten Fütterungsversuchen aus den Jahren 2007 bis 2017 ausgewertet. Hierbei ging es um den Zusammenhang zwischen der Körperkonditionsbewertung 21 Tage vor dem Kalben und der Futteraufnahme vor und nach dem Kalben, der Energiebilanz sowie der Milchleistung in den ersten Wochen nach der Abkalbung.
Kühe, die in der Trockenstehphase unterkonditioniert (linkes Bild) waren, wiesen eine geringere Milchleistung in den ersten Laktationswochen auf. Kühe, die 3 Wochen vor der Kalbung hingegen als überkonditioniert (rechtes Bild) eingestuft wurden, hatten sowohl präpartal als auch postpartal eine geringere Futteraufnahme und eine schlechtere Energiebilanz im Vergleich zu moderat oder unterkonditionierten Kühen.
Haltung der Milchkühe
Die Herde der Universität Florida umfasst etwa 500 Holsteinkühe, die während der erwähnten 10 Jahre zweimal täglich gemolken wurden und eine durchschnittliche Milchleistung von 10.500 kg je Kuh aufwiesen. Die Haltung erfolgte in einem Liegeboxenlaufstall mit Tiefliegeboxen, welche mit Sand eingestreut wurden. Die Belegungsdichte variierte zwischen 80 und 100 %.
Die Ställe waren mit Ventilatoren über den Liegeboxen und Wasserspendern über dem Futtergang ausgestattet. Die Ventilatoren liefen durchgehend, und die Wasserspender wurden automatisch alle 4 Minuten für 1 Minute eingeschaltet, wenn die Umgebungstemperatur 18 °C überstieg.
Jungkühe wurden grundsätzlich von Mehrkalbskühen getrennt gehalten.
Datenerfassung und Einstufung der Tiere
Alle Kühe, bei denen 21 Tage vor dem Kalben eine BCS-Messung durchgeführt wurde und von denen bis zum Kalben oder bis zu 28 Tage nach dem Kalben tägliche individuelle Futteraufnahmemessungen stattgefunden hatten, wurden in die Auswertung einbezogen.
Von 232 Kühen lag das Gewicht täglich, von 195 Kühen wöchentlich vor (mittels digitaler Waage). Die wöchentlichen Gewichte wurden nachfolgend für die Berechnung des täglichen Gewichtes interpoliert, um letztlich die tierindividuelle Futteraufnahme in % des Körpergewichtes anzugeben sowie den Energieerhaltungsbedarf und die Energiebilanz zu berechnen.
Der Body Condition Score (BCS) wurde 21 Tage bis 1 Tag vor dem Kalben bestimmt sowie in den ersten 28 Laktationstagen und das entsprechend eines Notensystems nach Ferguson et. al. (1994) auf einer Skala von 1 bis 5.
Entsprechend ihrer BCS-Note am 21. Tag vor der Kalbung wurden die Kühe als überkonditioniert (BCS ≥ 4,00; n = 83), moderat konditioniert (BCS = 3,25–3,75; n = 287) oder unterkonditioniert (BCS ≤ 3,00; n = 57) eingestuft.
Die Energiebilanz wurde als Differenz zwischen der aufgenommenen und der benötigten Nettoenergie für die Laktation berechnet.
Futteraufnahme
Die am 21. Tag vor der Kalbung ermittelte Körperkondition der Kühe hatte einen großen und signifikanten (P < 0,01) Einfluss auf deren Futteraufnahme im gesamten peripartalen Zeitraum (Tabelle 1, Abbildung 1).
Tabelle 1: Beziehungen zwischen der Körperkondition (BCS) am 21. Tag vor der Kalbung auf Futteraufnahme, Gewicht, Körperkondition und Energiebilanz im peripartalen Zeitraum sowie Milchleistung nach der Kalbung (verändert nach Casaro et al., 2024)
Abbildung 1: Verlauf der Trockenmasseaufnahme (kg TM/Kuh und Tag) der Kühe im peripartalen Zeitraum in Abhängigkeit von deren Körperkondition am 21. Tag vor der Kalbung (THIN – unterkonditioniert; MOD – moderat/normal konditioniert; FAT – überkonditioniert) (Casaro et al., 2024)
Die Trockenmasseaufnahme der als überkonditioniert eingestuften Kühe war sowohl vor als auch nach dem Kalben niedriger als bei den moderat bzw. normal konditionierten Kühen und den unterkonditionierten Kühen. Hingegen wiesen die unterkonditionierten Kühe vor der Kalbung die höchste Futteraufnahme der drei Gruppen auf. Gleiches betraf auch die auf das Gewicht bezogene Futteraufnahme (TM-Aufnahme in % der Lebendmasse) (Abbildung 2).
Es wurde eine negative Korrelation zwischen dem Körpergewicht am 21. Tag vor dem Kalben und der Trockenmasseaufnahme in der letzten Woche a.p. sowie der 1., 2. und 3. Woche nach der Kalbung beobachtet.
Abbildung 2: Verlauf der Trockenmasseaufnahme der Kühe im peripartalen Zeitraum in Abhängigkeit von deren Körperkondition am 21. Tag vor der Kalbung – hier dargestellt in % des Gewichts (THIN – unterkonditioniert; MOD – moderat/normal konditioniert; FAT – überkonditioniert) (Casaro et al., 2024)
Beide Abbildungen verdeutlichen, dass das Niveau der Futteraufnahme vor der Kalbung auch das der Futteraufnahme in den ersten Laktationswochen bestimmte. Anders ausgedrückt: Je höher die Futteraufnahme in den letzten Wochen a.p. war, umso höher war sie auch nach der Kalbung und umso schneller war der Anstieg gerade in den ersten ca. 5 Tagen nach der Kalbung.
In dieser Studie wiesen alle Kühe einen Rückgang in der Trockenmasseaufnahme vor der Kalbung auf, aber die fetten Kühe hatten präpartal die geringste Futteraufnahme. Ursachen hierfür werden z.B. in einer reduzierten Pansenkapazität aufgrund von übermäßiger Ansammlung von Bauchfett vermutet (Szura et al., 2020) oder auch in der Kontrolle der Sättigung durch das Fettgewebe über das Leptin (Schwartz et al., 1996; Bradford et al., 2006; Riosa et al., 2022). Es könnte auch eine schnellere Sättigung infolge anhaltender niedrigschwelliger Entzündungen eintreten, bedingt durch eine übermäßige Fettleibigkeit (Contreras et al., 2015; Kuroda und Sakaue, 2017; Kuhla, 2020).
Gewichts- und Körperkonditionsveränderungen im Zusammenhang mit der Futteraufnahme
Kühe, die am 21. Tag a.p. als überkonditioniert eingestuft worden waren, hatten ein signifikant (P< 0,01) höheres Körpergewicht als die Kühe der anderen beiden BCS-Klassen, und die normal konditionierten Kühe wiederum wiesen ein signifikant (P<0,01) größeres Gewicht auf als die unterkonditionierten Kühe.
Dieselben Zusammenhänge zeigten sich auch beim Gewicht zur Kalbung. Die überkonditionierten, schwereren Kühe blieben auch zur Kalbung schwerer und stärker konditioniert als die Kühe der anderen beiden Gruppen, wenn auch ihr Gewichtsverlust bis zur Kalbung signifikant größer ausfiel. Insofern kann vermutet werden, dass eine „adipositasbezogene“ metabolische oder entzündliche Regulation der Futteraufnahme zum Rückgang der Futteraufnahme beiträgt. Die Autoren halten es für möglich, dass der präpartal vorhandene entzündliche Zustand dann auch postpartal anhielt und dadurch zu einer Reduktion der Futteraufnahme nach der Kalbung führte.
Eine verstärkte Mobilisierung von Fettgewebe ist mit einem höheren Zelltod verbunden (Scalia et al., 2006; Casaro et al., 2023). Dieser wiederum kann systemische Entzündungen auslösen (Roh und Sohn, 2018; Gong et al., 2020).
Ähnlich verhielt es sich bis zum 28. Laktationstag. Auch hier hatten die am 21. Tag a.p. überkonditionierten Kühe ein größeres Körpergewicht als die moderat konditionierten (P < 0,01) und dünnen (P < 0,01) Kühe, und die moderat konditionierten Kühe hatten ein größeres Körpergewicht als dünne Kühe (P < 0,01). Aber der Gewichtsverlust war auch hier wiederum bei den überkonditionierten Kühen größer als bei den moderat Konditionierten und den Unterkonditionierten.
Beim Verlust an Körperkondition zeigten sich ebenfalls Differenzen zwischen den drei BCS-Gruppen. Überkonditionierte Kühe hatten in den letzten 3 Wochen vor der Kalbung einen größeren BCS-Verlust (sie verloren 0,3 BCS-Noten) als moderate Kühe (diese verloren 0,08 BCS-Noten) und dünne Kühe (verloren 0,14 BCS-Noten) (Tabelle 1
Auch diese Studie zeigt, wie bedeutsam eine systematische Beurteilung der Körperkondition der Kühe für das gesamte Herdenmanagement ist.
Milchleistung
Vor der Kalbung unterkonditionierte Kühe wiesen nach der Kalbung, trotz höchster Futteraufnahmen, eine geringere Milchleistung auf, womöglich aufgrund ungenügender Körperenergiereserven. Die niedrigere Milchleistung bei den überkonditionierten Kühen könnte auf eine Reduktion der Nährstoffverfügbarkeit für das Euter zurückzuführen sein, bedingt durch die niedrigere Futteraufnahme (Hristov et al., 2005).
Die Auswertung dieser Versuchsdaten zeigte, dass die Milchleistung positiv reagierte, wenn der BCS am Tag 21 a.p. von 2,5 auf 3,5 stieg. Hingegen reagierte sie negativ, wenn der BCS von 3,5 auf 4,5 stieg. Kühe, die 21 Tage vor der Kalbung als normal konditioniert eingestuft wurden, erzielten nach der Kalbung die höchste Milchleistung. Insofern deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass ein präpartaler BCS im Bereich von 3,25 bis 3,75 optimal für die Maximierung der Milchproduktion ist.
Energiebilanz
Die Energiebilanz der überkonditionierten Kühe war sowohl vor als auch nach dem Kalben negativer als bei den moderat/normal und unterkonditionierten Kühen (Tabelle 1). Es wurde festgestellt, dass je höher der BCS 21 Tage vor dem Kalben war, desto niedriger waren die Futteraufnahme und die Energiebilanz präpartum und postpartum.
Abbildung 3: Verlauf der Energiebilanz (Mcal/Tag) der Kühe im peripartalen Zeitraum in Abhängigkeit von deren Körperkondition am 21. Tag vor der Kalbung (THIN – unterkonditioniert; MOD – moderat/normal konditioniert; FAT – überkonditioniert) (Casaro et al., 2024)
FAZIT
Diese retrospektive Beobachtungsstudie zeigte, dass Kühe, die 3 Wochen vor der Kalbung als überkonditioniert eingestuft wurden, eine geringere Futteraufnahme hatten und sowohl präpartal als auch postpartal in einer schlechteren Energiebilanz im Vergleich zu moderat oder unterkonditionierten Kühen aufwiesen.
Eine Erhöhung der BCS-Note von 2,5 auf 3,5 zum Zeitpunkt 21 Tage vor dem Kalben war mit einer Zunahme der Milchleistung verbunden, was darauf hindeutet, dass dünnere Kühe möglicherweise nicht genügend Körperenergiereserven haben, um die Milchproduktion zu maximieren. Hingegen war eine Erhöhung der BCS-Note von 3,5 auf 4,5 mit einer Abnahme der Milchleistung verbunden. Dieses deutet daraufhin, dass dickere Kühe möglicherweise übermäßige Verluste von Körperreserven und eine stark beeinträchtigte Futteraufnahme haben, welche wiederum die Milchleistung nachteilig beeinflussen könnten.
Schlussendlich deuten diese Ergebnisse einmal mehr darauf hin, dass eine vor der Kalbung moderate Körperkondition, ausgedrückt als BCS-Note zwischen 3,25 und 3,75 (für Kühe der Rasse Holstein Frisian), optimal für einen erfolgreichen Laktationsstart ist.
Damit zeigt auch diese Studie sehr eindrucksvoll, wie sehr die Körperkondition von Kühen vor der Kalbung deren Futteraufnahme, Leistung und Energiebilanz beeinflusst – wieder ein Grund mehr, die systematische Beurteilung der Körperkondition in das strategische Herdenmanagement einzubinden.
DER DIREKTE DRAHT
Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft
Güner Kamp 11
D-24783 Osterrönfeld
Tel.: 04331/845138
Fax: 0431/21068138
katrin.mahlkow-nerge[at]fh-kiel.de