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Riboflavinversorgung in der ökologischen Aufzucht schwerer Putenherkünfte
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Die Verfügbarkeit von Riboflavin (Vitamin B2) aus gentechnikfreier Herstellung ist seit einiger Zeit nicht mehr gegeben. Die Fa. Agrano hat zwischenzeitlich ein neues bio-zertifiziertes, riboflavinhaltiges Futtermittel („EcoVit R“) entwickelt (Weindl et al. 2020).

Für die Putenaufzucht unter ökologischen Fütterungsbedingungen liegen bezüglich Vitamin B2 keine fundierten Bedarfsempfehlungen vor. Daher sollten in der vorliegenden Studie folgende Fragen untersucht werden:

  • Kann das ökokonforme Riboflavinprodukt der Fa. Agrano als Quelle zur Vitamin B2-Versorgung in der ökologischen Putenaufzucht eingesetzt werden?
  • Welcher Bedarf an Vitamin B2 kann für die ökologische Putenaufzucht empfohlen werden?
  • Ist unter den Bedingungen einer abgesenkten Versorgung mit essenziellen Aminosäuren eine reduzierte Vitamin B2-Versorgung möglich?

2. Vorgehensweise

Versuchsablauf

Die Betrachtung konzentriert sich ausschließlich auf Hähne des Genotyps „B.U.T. 6“ in den ersten 28 Lebenstagen. Es wurde ein dreifaktorielles Versuchsdesign mit 2 verschiedenen Aminosäuren-Versorgungsstufen und je sechs verschiedenen Riboflavin-Versorgungsstufen und zwei verschiedenen Standorten absolviert. Bei abgesenktem Energiegehalt, zwei verschiedenen Aminosäurestufen und je sechs unterschiedlichen Gehaltsstufen von Riboflavin wurden die Werte für Futterverbrauch, Gewichtsentwicklung und Mortalität erhoben. Demzufolge gab es zwölf verschiedene Varianten zu betrachten.

Die Versuchsdurchführung erfolgte jeweils mit gleicher Tierzahl in der Versuchsstation des Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für Geflügel- und Kleintierhaltung in Kitzingen und in der Lehr- und Forschungsstation der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Standort Zurnhausen. Die 576 Tiere verteilten sich auf zwölf Varianten mit je vier Wiederholungen. Um eine Vergleichbarkeit der Standorte zu gewährleisten, wurden möglichst gleiche Voraussetzungen geschaffen. Der Versuch fand an beiden Standorten zeitgleich mit identischen Futtermischungen statt. Vor der Einstallung wurden die Eintagsküken aus einem gemeinsamen Schlupf tierindividuell gewogen und bezüglich Mittelwert und Standardabweichung so zugeordnet, dass die Gruppengewichte zu Beginn des Versuchs einheitlich waren. Tierindividuelle Wiegungen erfolgten an Tag 14 und Tag 28. Auch die Wiegung des Futters zur Ermittlung des Futterverbrauchs und -aufwands wurde wöchentlich vorgenommen. Die taggenauen Futterrestmengen wurden an Tag 7, 14 und 28 abgewogen und sowohl die Restfuttermenge, wie auch die erneut eingewogene Futtermenge erfasst.

An drei Terminen wurden die Bewegungsabläufe der Tiere in Zurnhausen einem subjektiven visuellen Scoring, dem „Gait Score“, unterzogen und bewertet. Verstorbene Tiere wurden gekennzeichnet, gewogen und eingefroren. Ergänzend wurden an diesen und auffällig gewordenen Tieren Organ- und Gewebsuntersuchungen durch das Labor des TGD Bayern in Poing-Grub durchgeführt.

Fütterung

Die Futtermischungen wurden auf Basis der Empfehlungen des Zuchtunternehmens Aviagen für schnellwachsende, große Putenherkünfte für die konventionelle Aufzucht und Mast erstellt. Um die erforderliche Ausstattung mit Methionin als erstlimitierender Aminosäure unter ökologischen Fütterungsbedingungen realisieren zu können, wurde ein abgesenktes Energieniveau (AMEN) angestrebt (Bellof et al. 2014). Entsprechend hierzu wurde auch die Ausstattung für Vitamin B2 und weitere relevante Inhaltsstoffe zurückgenommen.

Die Tiere erhielten pelletierte Alleinfuttermischungen (AF), deren Energiegehalt im Vergleich zu konventionellen Empfehlungen des Zuchtunternehmens Aviagen (Aviagen Turkeys 2019) um rund 10 % abgesenkt waren. Es wurden AMEN-Gehalte von 11,0 MJ/kg in den Futtermischungen angestrebt. Entsprechend dieser Absenkung waren auch die Gehalte der Aminosäuren in den Mischungen reduziert und lagen für die erstlimitierende Aminosäure Methionin für Gruppe 1 bei 5,8 g/kg AF und für Gruppe 2 bei 5,1 g/kg AF.

In den Versuchsmischungen wurde die Versorgung mit Vitamin B2 in 10 %-Schritten bis auf ein Niveau von 50 % der Bedarfsdeckung reduziert. Dies geschah für die beiden Aminosäurenstufen auf analoge Art (Tabelle 1). Somit wurde eine Spanne von 8,9 mg bis 4,0 mg Vitamin B2 pro kg AF angestrebt. Bei der Ausstattung der Versuchsmischungen wurde der jeweilige native Gehalt der Rohstoffe berücksichtigt. Die Aufdosierung erfolgte mit dem ökologisch zertifizierten Riboflavin-Trockenprodukt „EcoVit R“ der Firma „Agrano“. Die Varianten 1.6 und 2.6 waren ausschließlich mit den nativen Riboflavingehalten ohne Supplementierung ausgestattet. Die Futter- und Wasseraufnahme erfolgte ad libitum.

Tabelle 1: Versuchsdesign für den Fütterungsversuch Riboflavin in der Putenaufzucht

3. Ergebnisse und Diskussion

Die Analyseergebnisse der Futtermischungen zeigten deutlich geringere Riboflavingehalte als vorab berechnet. Die Riboflavingehalte der Rohstoffe wichen von den für die Planung herangezogenen Tabellenwerten teilweise stark ab. Die angestrebte Abstufung zwischen den Varianten konnte dennoch erreicht werden.

Tabelle 2: Analysierte Riboflavingehalte der Futtermischungen in mg/kg AF

Die durchschnittliche Verlustrate über den gesamten Versuch betrug 3,3 %. Zwischen den verschiedenen Varianten waren keine Unterschiede festzustellen, lediglich die Gruppen der Riboflavin-Versorgungsstufe 1.6 und 2.6 zeigten – gegenüber den Vergleichsgruppen statistisch gesichert – höhere Verluste. Aufgrund steigender Verluste und vermehrt auftretenden Tieren mit neurologischen Ausfällen, bei denen ein Ausscheiden ebenfalls drohte, wurden die Varianten 1.6 und 2.6 ab dem 16. Versuchstag über das Tränkewasser zusätzlich mit Vitamin B2 über das Produkt EcoVit R versorgt.

Die Tiere der AS-Gruppe 1 verzehrten über die gesamte Versuchsdauer signifikant mehr Futter als die Tiere der AS-Gruppe 2. Bei den Varianten der Riboflavin-Versorgungsstufen konnten, bis auf die Variante mit der geringsten Versorgung, keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Die Riboflavin-Varianten x.6 zeigten ab der zweiten Woche bis Versuchsende signifikant niedrigere Futteraufnahmen als die anderen Gruppen.

Die Gruppen mit geringerer Aminosäurenausstattung blieben in der Gewichtsentwicklung signifikant hinter den höher versorgten Gruppen zurück (836 g vs. 937 g). Bereits ab der 2. Lebenswoche waren die Tiere der AS-Stufe 2 signifikant leichter, was auch zum Versuchsende zu beobachten war. Ebenfalls blieben die nicht supplementierten Varianten (1.6 und 2.6) in ihrer Gewichtsentwicklung hinter den supplementierten Varianten zurück (782 g vs. 908 g).

Die Bewertung der Mobilität mit dem „Gait Score“ ergab einen erhöhten Anteil an Tieren mit Bewegungsauffälligkeiten in den Riboflavin-Varianten 1.6 und 2.6. Die pathologische Untersuchung (TGD) bestätigte bei 10 von 12 eingeschickten Tieren aus diesen Varianten einen Riboflavinmangel.

4. Schlussfolgerung und Ausblick

Die Riboflavingehalte der in der ökologischen Geflügelfütterung üblichen Futtermittel reichen nicht aus, um den Bedarf der Tiere an Vitamin B2 zu decken. Somit ist auch in der ökologischen Putenaufzucht eine Riboflavin-Supplementierung zwingend erforderlich, um den Bedarf der Tiere sicherstellen zu können. Ein Gehalt von 4 mg Riboflavin pro kg Alleinfutter sollte bei ökologisch gehaltenen Puten schwerer Herkünfte in der Aufzucht erreicht werden. Das eingesetzte Trockenprodukt „EcoVit R“ zeigte eine gute Eignung für den Einsatz in pelletierten Alleinfuttermischungen. Die im vorliegenden Versuch vorgenommene Absenkung der Gehalte an Aminosäuren und damit einhergehend an Riboflavin kann nicht abschließend bewertet werden und bedarf weiterer Untersuchungen.

Zusammenfassung

In einem Fütterungsversuch mit 576 männlichen Putenküken des schweren und schnellwachsenden Genotyps „B.U.T. 6“ in der Aufzuchtphase (1.–28. Lebenstag) wurden verschiedene Gehalte eines neuen riboflavinhaltigen Produkts in Alleinfuttermischungen getestet. Geprüft wurden die Merkmale Futteraufnahme, Gewichtsentwicklung, Futterverbrauch pro kg Zuwachs und Mortalität. Ergänzend wurden Untersuchungen zur Motorik der Tiere sowie Organ- und Gewebeuntersuchungen durchgeführt. Durch Minderleistungen in den untersuchten Merkmalen, höherer Sterblichkeitsrate und Bewegungsstörungen fielen ausschließlich die zwei Varianten ohne Supplementierung von Riboflavin auf.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Gerhard Bellof,
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Kontakt: gerhard.bellof@hswt.de

Förderhinweis

Das Verbundprojekt "Riboflavin" wurde im Rahmen des Programms „BÖLN“ von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördert (FKZ 2815OE052).

Ein Literaturverzeichnis kann von den Autoren angefordert werden.