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Kälberdurchfall mit Kolostrum behandeln?
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Kälberdurchfall ist ein häufig auftretendes Problem und stellt ein hohes Risiko für das Verenden von Kälbern, vor allem in den ersten Lebenswochen, dar. Häufig werden Durchfälle mit Antibiotika behandelt, was die Gefahr von Resistenzen erhöht. Welchen Einfluss die Verfütterung von Kolostrum auf Kälberdurchfall hat, wurde kürzlich in einer aktuellen Studie untersucht. Dr. Christian Koch und Dr. Jason Hayer vom Hofgut Neumühle fassen nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

Durchfall bei Kälbern ist nach wie vor eine wichtige Erkrankung und ist für bis zu 56 % der Erkrankungen und 32 % der Todesfälle bei noch nicht abgesetzten Kälbern verantwortlich (Urie et al., 2018). Im Rahmen der PraeRi-Studie wurden in Milchviehbetrieben in Deutschland über 14.000 Kälber untersucht, wovon bei 18,5 % eine Durchfallerkrankung diagnostiziert wurde, welches die zweithäufigste Erkrankung bei den untersuchten Kälbern war. Somit beeinflusst Durchfall zu einem erheblichen Anteil das Wohlbefinden und die Gesundheit von Kälbern.

Neben gesundheitlichen Problemen, wie Dehydratation und reduziertem Wachstum, erhöht das Auftreten von Durchfall das Risiko für Folgeerkrankungen, wie z. B. respiratorische Erkrankungen, um ein Vielfaches. Aus der Forschung ist bekannt, dass Erkrankungen in einem frühen Alter sehr langfristig die Tiergesundheit, das Immunsystem und die Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen können. Neben reduzierten Leistungen und damit direkten negativen Auswirkungen auf die Ökonomie, werden sehr viele Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts mit Antibiotika behandelt, was die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen bei pathogenen Keimen fördert. Zudem hat der Einsatz von Antibiotika in einem frühen Lebensalter negative langfristige Auswirkungen auf das Mikrobiom im Darm, auf das Immunsystem und kann zu Funktionsstörungen im Magen-Darm-Trakt der Kälber führen.

Aufgrund der beschriebenen Effekte, gilt es nach Ansätzen zu suchen, um Durchfallerkrankungen bei Kälbern vorzubeugen und diese ohne Antibiotika zu behandeln. Der Einsatz von Kuhkolostrum könnte hier eine sehr interessante Alternative sein. Kolostrum von Kühen verfügt über eine Vielzahl von bioaktiven Stoffen (z. B. Antikörper, Hormone, Wachstumsfaktoren, Oligosaccharide, Fettsäuren, maternale Immunzellen, Exosomen) sowie eine hohe Konzentration an wichtigen Nährstoffen, die fundamental wichtig für eine optimale Entwicklung des Magen-Darm-Trakts der Kälber sind. Da der Magen-Darm-Trakt das größte Immunorgan ist, hat vor allem die Prägung und Entwicklung des Darms und der Darmzotten einen wichtigen Einfluss auf das Darmimmunsystem und somit auf die Krankheitsanfälligkeit

Kolostrum bzw. Kolostrumersatzprodukte können bei der Durchfalltherapie behilflich sein.

Aktuelle Studie in Kanada

Im Rahmen einer aktuellen Studie von Carter et al. (2022) wurde der Einsatz eines Kolostrumersatzproduktes auf die benötigte Zeit zur Genesung von Kälbern mit Durchfall untersucht. Die Studie wurde auf einem Kälberaufzuchtbetrieb im Südwesten von Ontario (Kanada) durchgeführt. Für die Studie wurden 160 Kälber von umliegenden Milchviehbetrieben, Viehhändlern und Auktionen in einem Alter von 3 bis 7 Tagen zugekauft und eingestallt. Ab dem 2. Tag nach der Einstallung wurden die Kälber von zwei ausgewiesenen Personen täglich untersucht und die Kotkonsistenz zweimal täglich nach einer 4-Punkte Skala (0: normal; 1: weich; 2: dünnflüssig; 3: wässrig) bewertet. Sobald eines der Kälber innerhalb der ersten drei Wochen einen Durchfallscore von über 2 (dünnflüssig) über zwei Tage aufwies, wurde dieses als durchfallerkrankt eingestuft und in die Studie aufgenommen. Dies war bei 108 Kälbern der Fall.

Tränke der Kälber

Nach der Auswahl wurden die Kälber anschließend über die ersten 20 Versuchstage zweimal täglich mit 2,5 Liter Tränke (vgl. Tabelle 1) je nach Gruppenzugehörigkeit versorgt. Von Tag 21 bis 27 wurde die tägliche Mahlzeitengröße auf 3 Liter angehoben und von Tag 28 bis 35 erhielten die Kälber zweimal täglich 3,5 Liter Tränke. Ab der 6. Woche wurde die tägliche Tränkemenge wöchentlich reduziert (6. Woche: 2 * 3 l; 7. Woche: 2 * 2 l; 8. Woche: 1 * 2 l).

Tabelle 1: Nährstoffgehalte des eingesetzten Milchaustauschers und Kolostrumersatzes (Carter et al., 2022)

Versuchsvarianten

Um den Einfluss des Effektes von Kolostrum auf die Genesungszeit zu prüfen, wurde eine Gruppe (n = 35 Kälber) über die ersten 4 Mahlzeiten mit einem Gemisch aus MAT und Kolostrumersatz (65 g MAT/l und 65 g Kolostrumersatz/l Tränke) mit 2,5 l Tränke zweimal täglich gefüttert (Kurzzeitkolostrumkälber: KZK).

Eine zweite Gruppe erhielt über die ersten 8 Mahlzeiten in je 2,5 Litern Tränke zweimal täglich ebenfalls das Gemisch aus MAT und Kolostrumersatz (65 g MAT/l und 65 g Kolostrumersatz/l Tränke) (Langzeitkolostrumkälber: LZK).

Verglichen wurden die beiden Gruppen mit einer Kontrollgruppe (n = 35 Kälber), die über den gesamten Versuch eine alleinige MAT-Tränke in einer Konzentration von 130 g MAT/l (2 * 2,5 l je Tag) erhielten.

Im Anschluss an die verschiedenen Fütterungsverfahren innerhalb der ersten 4 bzw. 8 Mahlzeiten wurden alle Kälber bis zum Ende des Versuchs am 56. Tag mit einer alleinigen MAT-Tränke (130 g MAT/l Tränke) gefüttert. Zusätzlich erhielten alle Kälber Häckselstroh, Kraftfutter (mit 18 % Rohprotein, 26,5 % Stärke, 17,3 % NDF, 3,6 % Rohfett, 5,6 % Rohasche) und Wasser zur freien Aufnahme. Sobald Kälber 25 % Restmilch übrig ließen oder Anzeichen einer Dehydratation zeigten, erhielten diese Kälber 2 Liter einer Elektrolytlösung (2 Liter, 115 g/l Wasser).

Ergebnisse

Um den Effekt der verschiedenen Fütterungsszenarien bewerten zu können, wurden die Tage gezählt, bis die Kälber bei einer auftretenden Durchfallerkrankung wieder einen normalen Kot aufwiesen. Die durchschnittlich notwendige Anzahl von Tagen, bis die Kälber wieder eine normale Kotkonsistenz aufwiesen, lag in der Kontrollgruppe bei 3,5 Tagen (Spanne: 0,5 – 11,5 Tage), in der Gruppe KZK bei 2,75 Tagen (Spanne: 0,5 – 11 Tage) und in der Gruppe LZK bei 2,75 Tagen (Spanne: 0,5 – 7 Tage). Die Ergebnisse konnten zeigen, dass die Gruppe, die über 8 Mahlzeiten den Kolostrumersatz (LZK) erhielt, im Vergleich zu den Kälbern, die von Beginn an nur mit der MAT-Tränke gefüttert wurden, deutlich schneller die Durchfallerkrankung überwinden konnten.

Neben der Fütterung hatte auch die Lebendmasse der Kälber zu Beginn des Versuchs einen positiven Einfluss auf die benötigte Zeit zur Genesung einer Durchfallerkrankung. So überwunden schwerere Kälber eine Durchfallerkrankung ebenfalls schneller als Kälber, die leichter in den Versuch starteten. Während des Versuchs waren insgesamt 8 Kälber verstorben (8 % aller Kälber). Fünf dieser Kälber gehörten der Kontrollgruppe und drei Kälber in der Versuchsgruppe KZK an, wohingegen kein Kalb in der Gruppe LZK verendete.

Die mittleren Lebendmassezunahmen über alle Kälber lagen von Versuchsbeginn bis Tag 56 bei 0,82 kg/Tag. An Tag 42 und Tag 56 waren die Kälber der Gruppe LZK, die über die ersten 8 Mahlzeiten Kolostrum erhielten, signifikant schwerer im Vergleich zur Kontrollgruppe (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Gewichtsentwicklung der Kälber in den verschiedenen Gruppen (Kontrolle; KZK – Kurzzeitkolostrumkälber; LZK – Langzeitkolostrumkälber; modifiziert nach Carter et al., 2022)

Diskussion

Durchfall bei Kälbern tritt häufig auf und beeinflusst aufgrund von verringerten Leistungen, Behandlungskosten und zusätzlichem Aufwand sehr nachhaltig die Ökonomie der betroffenen Kälber. Kälber, die während ihrer Jungendentwicklung krank waren bzw. mehrmals behandelt werden mussten, weisen später reduzierte Leistungen und eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit auf und verlassen früher die Herden. Durch eine Antibiotikabehandlung im Rahmen einer Durchfallerkrankung wird das Mikrobiom im Darm negativ beeinflusst, welches wiederum die Immunität des Kalbs zeitlebens negativ beeinflussen wird. Diese Phänomene haben direkte negative Auswirkungen auf die Ökonomie der milchkuhhaltenden Betriebe und das Wohlergehen der Tiere.

Die Verfütterung von Kuhkolostrum oder Kuhkolostrumersatzprodukten haben positive Effekte auf die Prägung und Entwicklung des Magen-Darm-Trakts und des Mikrobioms im Darm. Diese positiven Effekte werden durch Antikörper induziert, aber auch durch eine Vielzahl von weiteren bioaktiven Stoffen (Wachstumsfaktoren, Hormone, Oligosaccharide, etc.). Der Einsatz von Kuhkolostrum oder Kuh-Kolostrumersatzprodukten als Prophylaxe- sowie Behandlungsmaßnahme bei Durchfallerkrankungen von Kälbern bietet ein großes Potenzial. Obwohl es zu dieser Thematik erst wenige Untersuchungen gibt, zeigen Studien, wie die hier vorgestellte, dass es lohnend erscheint, hier die Forschung in den nächsten Jahren zu intensivieren.

FAZIT

Durchfallerkrankungen treten häufig bei Kälbern in den ersten Lebenswochen auf. Um die Kälber prophylaktisch sowie in Hinblick auf benötigte Genesungszeiten bei Erkrankungen zu unterstützen, ist der Einsatz von Kuhkolostrum oder Kuh-Kolostrumersatzprodukten sinnvoll. Die Behandlung von Durchfallerkrankungen bei Kälbern mit Kolostrum bietet daneben ein großes Potenzial, den Antibiotikaeinsatz bei Kälbern zu reduzieren.     

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Christian Koch
Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung
Hofgut Neumühle
Neumühle 1
67728 Münchweiler an der Alsenz

E-mail: c.koch(at)neumuehle.bv-pfalz.de
www.hofgut-neumuehle.de

Foto (Katrin Mahlkow-Nerge)