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Grassilagen 2019: Niedrige Protein-, höhere Energiegehalte
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Dr. Jürgen Weiß, langjähriger Fachgebietsleiter Tierproduktion am Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) in Kassel, befasst sich im aktuellen Beitrag mit der Auswertung der diesjährigen Grassilagen. Als Datengrundlage dienen die Untersuchungsergebnisse aus sieben Bundesländern – darunter jetzt auch Daten vom LKS Sachsen und vom LKV Berlin-Brandenburg. Die Auswertungen der verschiedenen Regionen sind gegliedert und zusammengefasst nach Durchschnittswerten des ersten Schnittes, der Auswertung nach Energiegehaltsgruppen und den Ergebnissen der Grassilagen des zweiten sowie weiterer Schnitte.

„Gute Grundfutterqualitäten steigern bei entsprechend angepasstem Kraftfutteraufwand die Trockenmasseaufnahme der Kühe“. Untersuchungen und Praxiserhebungen bestätigen unsere Beratungsempfehlungen, dass nur beste Grobfutterqualitäten die Grundlage für gesunde und leistungsfähige Kühe sind. Dies setzt allerdings voraus, dass ausreichende Grundfuttervorräte zur Verfügung stehen. Für manche Betriebe, die auch in diesem Jahr wieder witterungsbedingt unter Futterknappheit leiden, ist dies im Moment zwar keine Option. Längerfristig muss allerdings das Ziel sein, ausreichende Grobfuttervorräte mit guten Qualitäten zur Verfügung zu stellen.

Mit der jährlichen Zusammenstellung der Untersuchungsergebnisse der Grassilagequalitäten aus verschiedenen Regionen wollen wir einen Beitrag zur Sensibilisierung für dieses Thema leisten.

In diesem Jahr haben uns Kolleginnen und Kollegen aus sieben Bundesländern ihre Auswertungen zur Verfügung gestellt. Erfreulicherweise haben wir jetzt auch Daten vom LKS Sachsen und vom LKV Berlin-Brandenburg erhalten, so dass nun auch diese Regionen bei unseren Zusammenstellungen vertreten sind.

In der Tabelle 1 sind Durchschnittswerte des ersten Schnitts zusammengefasst. In der Tabelle 2 sind jeweils die Ergebnisse der Auswertungen des oberen und unteren Viertels der Proben nach Energie gegenübergestellt. In der Tabelle 3 sind Ergebnisse der Grassilagen 2. und weiterer Schnitte aufgeführt.

Tabelle 1

Die mittleren Trockenmassegehalte liegen in diesem Jahr niedriger als im Vorjahr, der obere Grenzbereich von 40 % wird in jedem Fall, teilweise sehr deutlich unterschritten. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um Durchschnittswerte handelt, sodass damit zu rechnen ist, dass auch viele Proben den Bereich überschreiten. Hier kommt es auf die Verdichtung an, um Nachgärungen zu vermeiden. Die Rohproteingehalte liegen generell zum Teil erheblich unter den Vorjahresgehalten. In fast allen Regionen wird der Zielbereich von 16 % unterschritten, was bei der Proteinversorgung der Milchkühe zu beachten ist. Der Aschegehalt überschreitet nur in einem Fall den Grenzwert von 100 g/kg TM.

Die Rohfaserwerte sind generell niedriger als im Vorjahr, was auf früheren Schnitt schließen lässt. Die Obergrenze des einzuhaltenden Bereichs von 25 % wird – bis auf Sachsen – deutlich unterschritten.

Die ADF-Gehalte sind zwar auch niedriger als im Vorjahr, überschreiten jedoch den Orientierungsbereich von 230–250 g, was für die Energieschätzung von Bedeutung ist. Die Zuckergehalte liegen überwiegend über denen des Vorjahres, was im Zusammenhang mit dem TM-Gehalt der Silage für deren Stabilität mit von Bedeutung ist.

Der Energiegehalt wird nach der entsprechenden Schätzformel der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) ermittelt. Diese berücksichtigt u.a. die Verdaulichkeit in Form der Gasbildung nach dem Hohenheimer Futtermitteltest (HFT), den Faseranteil über die ADForg. und auch den Rohfettgehalt. Die in diesem Jahr höhere Gasbildung und die niedrigeren ADF-Gehalte wirken sich auf den Energiegehalt positiv aus. Die NEL-Gehalte liegen zwischen 0,1 bis 0,3 MJ über Vorjahresniveau. Der Zielwert von mind. 6,4 MJ NEL wird bis auf Sachsen erreicht bzw. z.T. deutlich überschritten. Der Gehalt an nutzbarem Protein (nXP) unterscheidet sich im Vergleich zum Vorjahr so gut wie nicht. Allerding liegen die RNB-Werte deutlich niedriger als im Vorjahr, bedingt durch die geringeren Proteinwerte einerseits und die höheren Energiewerte andererseits.

Durch gezielte Proteinergänzung muss deshalb für eine ausreichende Stickstoffbereitstellung im Pansen gesorgt werden. Bei den Mineralstoffen sind insbesondere geringere Phosphorgehalte festzustellen, was u.a. mit den geringeren Proteingehalten zusammenhängt.

Tabelle 1a

Die vom LKV Berlin-Brandenburg zur Verfügung gestellte Auswertung (Medianwerte!) bezieht sich auf Grassilagequalitäten intensiver und extensiver Bewirtschaftungsformen. Bei deutlich unterschiedlichen Rohfasergehalten betragen die Energiegehalte (jeweils Median) 5,7 MJ NEL (intensiv) und 4,8 MJ NEL (extensiv). Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass neben dem Schnittzeitpunkt und der Schnitthäufigkeit (intensive Bewirtschaftung) auch die Witterung einen entscheidenden Einfluss auf den Futterwert hat.

Tabelle 2

Für die fachliche Interpretation der Ergebnisse interessiert ihre Streubreite. Extremwerte sind hier wenig hilfreich, da es sich jeweils um Einzelproben handelt. Bewährt hat sich die Auswertung nach dem oberen (=besseren) und unteren (=schlechteren) Viertel der Proben nach dem Energiegehalt.

Die TM-Gehalte sind im oberen Vierteln zwar höher, aber noch überwiegend unter 40 %. Dies ist zwar kein Qualitätskriterium hinsichtlich des Energiegehaltes, wohl aber hinsichtlich der Stabilität der Silage, was insbesondere auch im Hinblick auf die in dieser Gruppe höheren Zuckergehalte zu beachten ist.

Die Rohproteingehalte sind im besseren Viertel der Proben erheblich höher, was in Verbindung mit höheren Energiegehalten zu deutlich höheren nXP- und RNB-Werten führt.

Erhebliche Unterschiede, die auch die Energiegehalte erklären, sind bei den Rohfaser-, ADF- und Rohfett-Gehalten festzustellen. Ursache sind unterschiedliche Schnittzeitpunkte oder wie aus der Tabelle 1a ersichtlich unterschiedliche Bewirtschaftungsformen. Daraus resultieren Unterschiede im NEL-Gehalt, die sich zwischen den einzelnen Regionen mit Werten von 0,8 bis 1,3 MJ NEL bewegen. Diese Unterschiede sind im Vergleich zum Vorjahr nahezu identisch.

Zur Bedeutung solcher Differenzen kann man folgende Berechnung anstellen: Geht man von einer Differenz von 1,0 MJ NEL aus und lässt andere Negativwirkungen energiearmer Silage (z. B. Futteraufnahme) außer Acht, so fehlen in einer Tagesration mit 6 kg TM Grassilage 6 MJ NEL, die über Kraftfutter ausgeglichen werden müssen. Dieser Wert entspricht 0,9 kg Leistungsfutter. Unterstellt man 200 Tage Winterfütterung, so addiert sich dieser Betrag auf 1,8 dt je Kuh. Hierbei bleibt unberücksichtigt, dass die Kühe von guten Grassilagequalitäten auch mehr aufnehmen, was noch einmal zu Kraftfuttereinsparung führt. Auch bei den nXP-Werten sind Differenzen bis zu 21 g/kg TM festzustellen, die bei der Proteinergänzung der Rationen zu berücksichtigen sind. Bei den Mineralstoffgehalten zeigen sich bei Calcium eher höhere Gehalte bei spätgeschnittener Silage, bei Phosphor eher niedrigere Gehalte.

Ein Rückblick auf die Tabelle 1a verdeutlicht, dass auch die 25 % besten Proben der intensiven Bewirtschaftungsform durchaus an die Werte der oberen Viertel  in der Tabelle 2 herankommen. Dagegen sind die Ergebnisse aller Silagen der intensiven Bewirtschaftungsform eher dem unteren Viertel der Proben in Tabelle 2 zuzuordnen.

Diese Auswertung zeigt, dass gute Grassilagequalitäten, die den Zielwerten entsprechen, realisierbar sind und sich diese aus Sicht der Kühe und des Geldbeutels auch bezahlt machen. Einschränkend muss man in den letzten Jahren allerdings vermehrt auch Probleme durch Wettereinflüsse geltend machen.

Tabelle 3

Wie in vielen Jahren liegt der Trockensubstanzgehalt bei Silagen des 2. Schnitts eher an der oberen Grenze.

Die Proteingehalte liegen in etwa auf gleicher Höhe wie bei den Silagen des ersten Schnitts.

Die Rohfasergehalte differieren zwischen den Regionen kaum und liegen etwas über dem Niveau des ersten Schnitts. Die geringere Gasbildung spiegelt die etwas schlechtere Verdaulichkeit der Nährstoffe der Folgeschnitte wider. Damit werden mit der oben beschriebenen Schätzmethode realistischere Futterwerte ausgewiesen. Die Energiegehalte entsprechen im Niveau denen des Vorjahres.

Fazit für die Praxis

Die in der Tabelle 2 dargestellte Schwankungsbreite, die bei einzelnen Proben durchaus noch unter- bzw. überschritten wird, verdeutlicht, dass nur betriebsspezifische Futteruntersuchungen einen optimalen Einsatz der Grassilage und auch anderer betriebseigener Futtermittel gewährleisten. Hierbei ist auch zu bedenken, dass bei den in der Regel im Betrieb vorhandenen Silagemengen eine einmalige Untersuchung nicht ausreicht. Die Untersuchungskosten sind nicht so hoch als dass man sich nicht mehrere Untersuchungen leisten könnte. Rationen müssen immer wieder angepasst werden, aktuelle Grobfutteranalysen sind hierfür erforderlich.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Jürgen Weiß
E-Mail: rjweiss(at)gmx.de
Kassel

Ich bedanke mich bei den Ansprechpartnern in den Regionen:
Rheinland-Pfalz:
Dr. Thomas Priesmann, Tel. 06561-9480435

Hessen:
Thomas Bonsels, Tel. 0561-7299275

Nordrhein-Westfalen:
Dr. Martin Pries, Jana Denießen, Tel. 02945 989-727 und 734

Niedersachsen:
Maike Fritz, Tel. 0441-801847

Bayern:
Dr. Hubert Schuster und Jennifer Brandl, Tel. 089-99141410 und 413

Sachsen:
Dr. Wolfram Richardt, Tel.: 037206 87138

Brandenburg:
Dagmar Reichert und Bianka Boss, Tel. 033433 65660

Stand: September 2019