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Forschen für mehr Nachhaltigkeit
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Am College for Agriculture and Life Science (CALS) ist man sich der Situation bewusst: Eine dauerhafte Rotation von Mais und Sojabohnen ist nur schwer mit nachhaltigem Wirtschaften vereinbar. Deshalb spielt hier u. a. die Suche nach alternativen Kulturen eine große Rolle. Zugleich arbeiten die Wissenschaftler daran, Bodenschutz, Bodenfruchtbarkeit und Ressourceneffizienz zu steigern und die Umweltwirkungen der Produktion zu reduzieren. Bei seiner Reise durch Iowa und Illinois hat unser Autor Dr. Andreas Frangenberg auch das CALS besucht.

Auch wenn es angesichts der Dominanz von Mais und Sojabohnen im Landschaftsbild des US-Bundesstaats Iowa nicht unmittelbar zu erwarten wäre: Die „Nachhaltigkeits-Task Force“ des „College for Agriculture and Life Science“ (CALS) der Iowa State University arbeitet unter anderem an einer Ausweitung der Anbaufolge. Andreas Frangenberg hat das CALS für Proteinmarkt besucht.

Genau 160 Jahre ist es her, dass die Generalversammlung des Bundesstaats Iowa die Einrichtung einer staatlichen landwirtschaftlichen Hochschule beschlossen hat. Ab 1894 beschäftigte man sich dort unter anderem auch mit Sojabohnen, legte 1922 ein Programm zur Maiszüchtung auf und initiierte 1937 das landesweit erste regionale Programm zur Schweinezüchtung. Damit wurde die Basis für die drei Säulen Mais, Sojabohne und Schweineproduktion gelegt, die bis heute Iowas Landwirtschaft prägen. Mit Gründung des „Leopold Center for Sustainable Agriculture“ im Jahr 1987 folgte ein weiterer Meilenstein der Universitätsgeschichte. Laut Dr. Mark Rasmussen, Direktor des CALS und Leiter des Leopold Zentrums, sollen hier neue landwirtschaftliche Praktiken in Ackerbau und Tierhaltung entwickelt werden, die wirtschaftlich erfolgreich sind, die natürlichen Ressourcen schonen und nur geringe nachteilige Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft mit sich bringen.

Alternativen dringend gesucht

Ein Schwerpunkt des am CALS tätigen Fachberaters Craig Chase ist beispielsweise die Suche nach weiteren anbauwürdigen Kulturen. "Wir befassen uns u. a. mit Hafer, Gerste, Lein und Raps, aber ein Kernproblem ist, dass die Märkte darauf noch überhaupt nicht vorbereitet sind. Es gibt im Moment weder eine Infrastruktur für die Vermarktung noch eine nennenswerte Nachfrage. Der Bedarf muss erst noch geschaffen werden", berichtet er. In der Konsequenz steht die Landwirtschaft in Iowa und darüber hinaus derzeit finanziell unter Druck: Nicht nur mit Sojabohnen haben viele Betriebe in den letzten zwei bis drei Jahren kein Geld mehr verdient, sondern auch bei Mais lagen "in der Erntesaison 2017 die Kosten für die Erzeugung umgerechnet rund 16 €/t höher als der Preis, der beim Verkauf erzielt werden konnte", sagt Craig Chase und verweist darauf, dass sich die Lage auch durch die beginnende Resistenz des Maiswurzelbohrers gegen den Bt-Mais weiter verschärft.

Landwirte und Beratung versuchen deshalb, die Produktionskosten zu senken und insbesondere externe Inputs zu reduzieren. "Für die Betriebe wird es immer wichtiger, selbst Tiere zu halten, organische Dünger wie Stallmist oder Gülle zu nutzen und Luzerne als Futterpflanze anzubauen, um die Kosten für Mineraldünger zu senken", sagt Chase. Auch die Umstellung auf Ökolandbau werde von einem Teil der Betriebsleiter als Option gesehen; der Anteil der ökologisch wirtschaftenden Betriebe wachse derzeit um bis zu neun Prozent pro Jahr. "Aktuell wirtschaften in Iowa knapp sieben Prozent aller Betriebe ökologisch, und einige wenige Landwirte nutzen auch die Direktvermarktung auf einem der 270 "Farmers Markets" in Iowa oder die direkte Belieferung von Restaurants erfolgreich als Nische, in der sich höhere Verkaufserlöse erzielen lassen", berichtet der Berater.

Ressourceneffizienz steigern!

Die Ressourceneffizienz ist für Dr. Matt Liebman vom Institut für Agronomie einer der entscheidenden Ansatzpunkte für das Überleben der Betriebe. "Für die mehr als 90 Prozent der konventionell wirtschaftenden Betriebe ist es wichtig, das Ertragsniveau zu halten bzw. weiter zu steigern und dabei gleichzeitig Inputs etwa an Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln drastisch zu senken", lautet sein Credo. Allerdings erweise sich die Änderung der gängigen landwirtschaftlichen Praxis in Iowa trotz aller erkennbaren Probleme als schwierig. Viele Landwirte hätten kein Vertrauen in den Ökolandbau und fürchteten neben mehr Arbeit und höherem Zeitaufwand insbesondere Schwierigkeiten und wirtschaftliche Einbußen während der dreijährigen Umstellungsphase. Für Dr. Liebman bleibt deshalb - neben Projekten zur Reduktion von Stickstoffausträgen in Gewässer - insbesondere die Rotation von Mais und Sojabohnen ein Hauptansatzpunkt: "Auch bei Pflanzenschutzmitteln wären auf konventionell wirtschaftenden Betrieben deutliche Einsparungen möglich, wenn die Anbaufolge beispielsweise um eine Getreideart sowie um Luzerne als Futterpflanze ausgeweitet würde."

Allerdings ist nach seinen Erfahrungen dabei ein weiterer Faktor wirksam, und zwar die Reaktion von Nachbarn unter dem Motto: "Was macht der denn da? Klappt das, oder geht das schief?" Der sogenannte "peer pressure", der Druck also, der mit Fragen und Kommentaren von Berufskollegen einhergehe, behindere nötige Veränderungen. Vor diesem Hintergrund sind für Dr. Liebman eher kleinere Schritte umsetzbar: "Die An-Aus-Funktion moderner Landtechnik macht es möglich, den Input etwa da zu senken, wo nur ein geringes Ertragspotenzial besteht. Das ermöglicht das teilflächenspezifische Management der wirklich profitabel nutzbaren Feldbereiche."

Fakten in der Krise?

Nicht wenige sehen die US-Agrar-Branche aktuell in einer Krise, die der Situation in den 1980er Jahren ähnlich sei. Die Zahl kleinerer Betriebe sinkt, Wachstumsschwelle und Verschuldung steigen. Gleichzeitig wird sich die Branche der weiter wachsenden Gräben zwischen Erzeugern und Verbrauchern bewusst und versucht, mit vielfältigen Kommunikationsmaßnahmen dagegenzuhalten.

Dr. Paul Lasley befasst sich als Leiter des Fachbereichs Soziologie an der Iowa State University unter anderem mit Nachhaltigkeit in der Lebensmittelkette. Für ihn als Soziologen eignen sich Attribute wie "regenerativ, belastbar und beziehungsbasiert", um den oft unscharfen Begriff der Nachhaltigkeit greifbarer zu machen. Im gesellschaftlichen Alltag ist nach seiner Einschätzung allerdings ein ganz anderes Verständnis wirksam. Impfungen der Tierbestände auf den Betrieben seien ein Paradebeispiel dafür, wie fachliche Bewertungen von der Gesellschaft hinterfragt oder sogar abgelehnt würden. "Persönliche Werte, Überzeugungen und Ansichten prägen das gesellschaftliche Verständnis von nachhaltiger Landwirtschaft. Hier rangieren Emotionen vor wissenschaftlichen Fakten", so Dr. Lasley. Für Dr. Rasmussen schließt sich hier der Kreis: "Das ist ein Grund, weshalb die Information der Gesellschaft inzwischen genauso wichtig ist wie die Aus- und Weiterbildung der Landwirte."

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Andreas Frangenberg,
Redaktionsteam proteinmarkt

Stand: Dezember 2017

(1) Ergänzende Infos unter
www.ams.usda.gov/rules-regulations/research-promotion/soybean