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Eignung des Maßbandes zur Gewichtsbestimmung bei Kälbern
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Um die Kälber- und Jungrinderaufzucht ständig anzupassen, ist ein gezieltes Controlling (Messen und Steuern) über das Erfassen des Gewichts und bei den größeren Jungrindern die regelmäßige Beurteilung der Körperkondition unverzichtbar. Nur so kann der Wachstumsverlauf der Tiere überprüft und optimiert werden

Der Goldstandard für die Gewichtsbestimmung ist die Tierwaage. Eine solche existiert jedoch in den meisten Betrieben nicht. Auch ist die Einzeltierwägung relativ zeitaufwendig. Daher kann alternativ anhand der Brustumfangsbestimmung auf das Gewicht geschlossen werden, weil es einen engen Zusammenhang zwischen beiden Merkmalen gibt.

In einer im letzten Jahr durchgeführten Studie zur Kälberaufzucht wurde u.a.  überprüft, ob die Anwendung des Jungrindermaßbandes ebenfalls zur Gewichtsbestimmung bei Tränkekälbern geeignet ist.

Die Erfassung der Gewichte erfolgte mittels der Kälberwaage ETW VA der Firma Bosche (Jacob Gloyer)

Studie in Schleswig-Holstein

Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum von Mai bis Juli 2020 in 39 Betrieben (Übersicht 1).

Übersicht 1: Charakteristik der 39 Milchkuhbetriebe (Quelle: LKV-Herdenvergleich, 01.04.2019 - 31.03.2020)

Eine gezielte Vorauswahl der Betriebe, z. B. entsprechend ihres Leistungsniveaus oder bestimmter Besonderheiten bei der Kälberaufzucht, erfolgte dabei nicht. Es sollten lediglich etwas größere Betriebe sein, um möglichst zahlreiche Kälber in diese Studie mit einbeziehen zu können. Da aber die Aussagekraft derartiger oder ähnlicher Praxiserhebungen sehr von der Zuverlässigkeit und Aufgeschlossenheit der teilnehmenden Betriebsleiter*innen und der Mitarbeiter*innen abhängt, wurde hierauf viel Wert gelegt.

Die ausnahmslos in Schleswig-Holstein befindlichen Betriebe konzentrierten sich deutlich entlang der Westküste und auf dem Geestrücken.

Es wurden weibliche Kälber der Rasse Deutsch Holstein (Farbschläge Red Holstein und Holstein Friesian) zwischen dem 14. Lebenstag und dem betriebsindividuellen Termin des Absetzens von der Milch in die Studie einbezogen. Alle Betriebe wurden im Studienzeitraum zweimal aufgesucht, so dass von mehreren Kälbern während dieser Zeit wiederholte Gewichtsdaten vorlagen.

Gewichtsermittlung

Je Betrieb gingen durchschnittlich 36 Kälber in die Auswertung ein. Es wurden insgesamt 1.389 Kälbergewichte mittels Einzeltierwaage erfasst. Darüber hinaus fand bei 1.339 Kälbern ebenfalls eine Gewichtserfassung mittels Jungrindermaßband (Animeter der Albert Kerbl GmbH) statt. Hierbei wird der Brustumfang hinter der Schulter, an der engsten Stelle direkt hinter den Vorderbeinen, gemessen und dann die Lebendmasse für die entsprechende Rasse direkt abgelesen. Dieses erfolgte stets von derselben Person und, sobald das Tier auf der Waage stand, noch bevor das angezeigte Gewicht von dem Display der Waage abgelesen wurde, um eine ansonsten eventuelle Einflussnahme des Anwenders auszuschließen.

Bei 1.339 Kälbern kam das Jungrindermaßband zum Einsatz, mit dem der Brustumfang gemessen wurde.

Übereinstimmung Waage mit Maßband

Das anhand des Maßbandes ermittelte durchschnittliche Gewicht war mit 79,2 kg um 2,5 kg höher als das mit der Waage ermittelte Gewicht (Übersicht 2).

Übersicht 2: Alter und Gewicht der 1.339 Kälber, bei denen neben der Tierwaage das Jungrindermaßband angewandt wurde

Die maximalsten Einzeltier-Abweichungen betrugen hierbei -29 kg (bei einem 97 Tage alten und 110 kg schweren Kalb) und +43 kg (bei einem 81 Tage alten und 117 kg schweren Kalb). Über alle Datensätze hinweg zeigte sich jedoch mit einem Bestimmtheitsmaß von 0,93 eine sehr enge Beziehung zwischen beiden Gewichtsbestimmungen (Übersicht 3).

Übersicht 3: Beziehung zwischen den mittels Waage und Maßband ermittelten Kälbergewichten

Die Korrelation zwischen beiden Merkmalen wurde für jeden der 39 Betriebe darüber hinaus auch nochmals separat ermittelt. Dabei lag das Bestimmtheitsmaß R2 im Minimum bei einem Betrieb bei 0,79 und im Maximum bei 0,97, in den meisten Betrieben (n=20) zwischen 0,91 und 0,95, unabhängig von der Anzahl an gewogenen und gemessenen Kälbern je Betrieb. Das R² ist ein Gütemaß zum Beschreiben eines linearen Zusammenhangs und kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Prinzipiell stehen dabei höhere Werte für eine bessere Vorhersage der abhängigen Variable. Grundsätzlich zeugen Werte von 0,8 und darüber von einer sehr engen Beziehung.

Trotz der insgesamt engen Korrelation zwischen den mittels der Tierwaage und denen anhand des Brustumfangs gemessenen Gewichten waren bei 21 % der Vergleiche die mittels Maßband erhobenen Gewichte geringer als die mittels Tierwaage registrierten, in 59 % höher. Da anhand der in Übersicht 3 dargestellten blauen Trendlinie im Vergleich zur roten Linie ebenfalls deutlich wird, dass vor allem im unteren Gewichtsbereich wesentlich mehr mittels Maßband erhobene Gewichte oberhalb der mit der Tierwaage ermittelten Gewichte lagen, erfolgte eine differenzierte Auswertung entsprechend unterschiedlicher Gewichtsklassen. Dabei offenbarten sich größere Unterschiede (Übersicht 4).

Übersicht 4: Alter und Gewicht der 1.339 Kälber, bei denen neben der Tierwaage das Jungrindermaßband zum Einsatz kam, differenziert nach Gewichtsklassen

Besonders in den kleinen Gewichtsklassen mit < 50 kg, 50 bis 60 sowie 60 bis 70 kg zeigten sich größere Unterschiede zwischen den mittels Maßband und Tierwaage registrierten Gewichten. Das Maßband zeigte im Durchschnitt ein um 3,2 bis 4,1 kg höheres Gewicht an. Bei einer Lebendmasse in diesem Bereich, z. B. von 60 kg, entspricht eine Gewichtsdifferenz von beispielsweise 3,5 kg einem Unterschied in der errechneten Lebendmassezunahme von fast 100 g.

Bei den Kälbern mit mehr als 80 kg wichen die mittels Maßband bestimmten Gewichte nicht mehr so stark von den mittels Tierwaage erfassten Gewichten ab. Hier betrugen die Unterschiede nur noch 1 bis 2 kg, welche bezogen auf das nun deutlich höhere Gewicht relativ gesehen deutlich weniger gravierend waren. So führt zum Beispiel bei der Gewichtsklasse von 110 bis 120 kg eine Differenz in der Lebendmasse von 1,5 kg zu einem Unterschied in der täglichen Zunahme von gerade einmal 17 g und folglich nicht zu einer anderen Aussage bzgl. der Kälberaufzucht.

Für die Gewichtsbestimmung von Kälbern zum Abtränken liefert das Jungrindermaßband hinreichend genaue Ergebnisse, jedoch für die jüngeren Kälber nicht.

Fazit

Anhand des Vergleiches von mittels Tierwaage und Maßband erhobenen Gewichten bei insgesamt 1.339 Tränkekälbern zeigte sich eine über alle Datensätze hinweg sehr enge Beziehung. Eine differenzierte Auswertung nach bestimmten Gewichtsklassen ergab aber im Gewichtsbereich bis ca. 80 kg eine deutlich schlechtere Übereinstimmung als bei den größeren und schwereren Kälbern. Auf Grundlage dieser gewonnenen Erkenntnisse ist eine Eignung des (hier angewendeten) Jungrindermaßbandes für die Erfassung von Gewichten junger Kälber anzuzweifeln.

Für die Gewichtsbestimmung von Kälbern im Alter des Abtränkens bzw. am Ende der Tränkephase (Ziel: mind. 100 kg Gewicht) hingegen liefert nach diesen Erfahrungen das Jungrindermaßband praxistaugliche Ergebnisse, aus denen sich Hinweise für das Haltungs- und Fütterungsmanagement ergeben und ggf. gezielt Maßnahmen ableiten lassen.

DER DIREKTE DRAHT

Jacob Gloyer & Helmut Pförtner
ATR Futtermittel GmbH & Co. KG
E-Mail: jacob.gloyer@atr-landhandel.de
E-Mail: helmut.pfoertner@atr-landhandel.de

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel / Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Fachbereich Agrarwirtschaft, Osterrönfeld
E-Mail: katrin.mahlkow-nerge@fh-kiel.de

Fotos (Bild 1: Jacob Gloyer, Bild 2 & 3: Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge)