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Die Bedeutung der Nahrungsfaser (Dietary Fibre) für monogastrische Nutztiere
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Die Aspekte des Tierwohls finden auch in der Nutztierfütterung zunehmend Beachtung. Neben der Abdeckung des Bedarfs an Nähr-, Mineral- und Wirkstoffen sind auch die „Bedürfnisse“ der Tiere hinsichtlich Futteraufnahme und Sättigung zu berücksichtigen. Außerdem ist die Gesunderhaltung der Tiere durch eine ausgewogene Ernährung sicherzustellen. Insbesondere für die monogastrischen Nutztiere rückt die Rolle des Darmes hinsichtlich Sättigung und Gesunderhaltung immer stärker in den Fokus. Im nachstehenden Beitrag sollen diese Zusammenhänge für die Geflügel- und Schweinefütterung aufgezeigt werden.

Chemische Einordnung der Nahrungsfasern

Die Nahrungsfasern („dietary fibre“) sind Kohlenhydrate, welche nicht durch körpereigene Enzyme im Dünndarm verdaut werden können. Sie umfassen unverdauliche Oligosaccharide, resistente Stärke, Nicht-Stärke-Polysaccharide (NSP) und Lignin (Abbildung 1). „Dietary fibre“ ist der wichtigste diätetische Faktor, welcher die Verdauungs- und Absorptionsprozesse an sämtlichen Orten des Gastrointestinaltrakts und die Sekretion von Fluiden aus der Bauchspeicheldrüse und der Leber beeinflusst (BACH KNUDSEN et al., 2018).

Oligosaccharide sind kürzere Kohlenhydratverbindungen. Sie können durch die körpereigenen Enzyme nicht gelöst werden, werden aber von Mikroorganismen zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert. Den Tierarten fehlt das Enzym α-Galactosidase, um die α-glykosidisch gebundenen Oligosaccharide aufzuschließen. Poly- und Oligosaccharide unterscheiden sich aufgrund ihrer Löslichkeit. Es gibt drei Gruppen von Oligosacchariden: Galacto-Oligosaccharide, Fructo-Oligosaccharide und Mannan-Oligosaccharide (NRC, 2012). Die Galacto-Oligosaccharide sind die größte Gruppe und bestehen aus Galactose und Saccharose. Vor allem kommen sie in proteinreichen Futtermitteln wie Erbsen und Sojaextraktionsschrot vor. Die Fermentation erfolgt zügig im Dünndarm. Unfermentierte Galacto-Oligosaccharide wirken prebiotisch und stehen im Dickdarm als Nahrung für Mikrobiota zur Verfügung. Fructo-Oligosaccharide kommen überwiegend in Getreide und Gräsern vor. Auch sie wirken als Prebiotika und senken pathogene Mikroorgansimen. Mannan-Oligosaccharide werden aus Hefezellmembranen gewonnen, wirken prebiotisch und können pathogene Mikroorgansimen binden.

Nicht-Stärke-Polysaccharide kommen in der Zellwand (Cellulose, ß-Glucane, Pektine) und im Zellinhalt (Galactane, Fructane, Mannane) vor. Auch sie sind nicht enzymatisch abbaubar und werden nur teilweise von Mikroorganismen fermentiert. Die zellwandassoziierten NSP bestehen aus löslichen und unlöslichen Polysacchariden.

ß-Glucane kommen überwiegend im Getreide wie Hafer und Gerste vor. Sie sind hoch viskos, löslich und schnell fermentierbar. Die Arabinoxylane binden Wasser, was zu viskosen Verbindungen führt. Im Darm werden sie zu der kurzkettigen Fettsäure Butyrat fermentiert, steigern die Schleimproduktion und wirken entzündungshemmend. Xyloglucane sind ß-glycosidisch gebunden und sind überwiegend als Nicht-Cellulose-Polysaccharide in Leguminosen zu finden (DURST et al., 2021).

Abbildung 1: Einteilung der pflanzlichen Kohlenhydrate

Cellulose besteht aus linearen Glucosemolekülen und bildet mit Lignin Lignin-Cellulose-Komplexe. Die nicht verholzte Cellulose wird zu Butyrat (Salz der Buttersäure) fermentiert (HOODA et al., 2011).

Hemicellulose gehört zu den Polysacchariden und besteht aus Monosacchariden. Sie lässt sich durch Extraktion mit verdünnter und heißer Säure oder Alkali-Behandlung lösen.

Lignin ist ein Kondensationsprodukt von Phenolcarbonsäuren (Coniferyl- oder Sinapinalkohol). Es gehört nicht zu den Kohlenhydraten wird aber bei der Rohfaseranalyse mit ausgewiesen. Im Verlauf des Pflanzenwachstums wird immer mehr Lignin in die Zellwand eingelagert. Mit Hemicellulose und Cellulose bildet es das Inkrustierungsmaterial der Zellwand. Lignin kann nicht fermentiert werden und reduziert dadurch die Gesamtverdaulichkeit der organischen Substanz.

Nicht-Zellwand-Polysaccharide sind Fructane, Mannane, Pektine, Gummi und resistente Stärke.

Pektine sind Polysaccharide und können Wasser binden. In Körnerleguminosen ist lösliches Pektin enthalten

Resistente Stärke ist aufgrund ihrer Struktur enzymatisch nicht abbaubar. Sie ist in Körnerleguminosen enthalten und hat positive Effekte auf die Darmgesundheit, weil sie von der Darmflora zu Buttersäure fermentiert wird.

In der Tabelle 1 sind die Kohlenhydrat- und Ligningehalte für ausgewählte Futtermittel dargestellt. Die Zusammenhänge sollen exemplarisch an den Erbsen und deren Schalen aufgezeigt werden. Die bunten Erbsen weisen höhere Gehalte an Oligosacchariden und Cellulose als die weißblühenden Sorten auf. Auch der Ligningehalt ist bei den buntblühenden Erbsen mit 29 g/kg TM höher als der Gehalt der weißblühenden Sorten (12 g/kg TM). Die resistente Stärke liegt bei den Erbsen bei 21 bzw. 22 g/kg TM. Bei den Erbsen überwiegen die Mengen an unlöslichen Fasern die der löslichen Fasern. Die Gehalte an löslichen Fasern unterscheiden sich zwischen den Erbsen. Während die weißblühenden Sorten einen Gehalt von 40 g/kg TM an löslichen Fasern haben, zeigen die buntblühenden mit 52 g/kg TM eine höhere Konzentration.

Tabelle 1: Kohlenhydrat- und Ligningehalte ausgewählter Futtermittel (g/kg TM)

Die Erbsenschalen enthalten 452 g/kg TM Cellulose und mit nur 9 g/kg TM einen sehr geringen Anteil an Lignin. Der Gehalt von resistenter Stärke liegt bei 4 g/kg TM. Auch bei den Erbsenschalen liegen die Gehalte an unlöslichen Fasern höher als die der löslichen Fasern. Nach SLAMA et al. (2018) ist der Anteil von löslichen Fasern entscheidend für die Verdaulichkeit der aNDFom. Je höher die Anteile, desto höher ist die Verdaulichkeit.

Physiologische Bewertung der Nahrungsfasern

Neben der chemischen Faserzusammensetzung beeinflusst auch die physikalische Struktur den Effekt der Faserfütterung bei monogastrischen Tieren. Dabei ist die Löslichkeit, die Wasserhaltekapazität, die Fermentierbarkeit und die Viskosität von Bedeutung (HOODA et al., 2011). Die verdaulichen Fasern können in lösliche und unlösliche Fasern eingeteilt werden. Dabei bezieht sich die Löslichkeit nicht nur auf die Eigenschaft sich in Wasser lösen zu können, sondern auch auf eine Hydrolysation durch verdünnte Säure, Base oder Enzyme-Solution. Der Grad der Löslichkeit wird von der Bindung zwischen Monosaccharideinheiten bestimmt. Die Wasserhaltekapazität ist ein Maß für das Quellvermögen und durch eine hohe Fermentationsrate können mehr flüchtige Fettsäuren entstehen (DUSEL, 2018).

Zu den löslichen Fasern gehören resistente Stärke, Oligosaccharide, Hemicellulose oder Fructane. Die Fermentation von löslichen Nicht-Stärke-Polysaccharide (Oligosaccharide, ß-Glucane, Pektine, Fructane, Teile der Hemicellulose) und resistenter Stärke erfolgt durch Mikroorganismen im mittleren (proximalen) Magen-Darm-Abschnitt. Die Art und die chemische Struktur der Fasern hat eine Auswirkung auf die Viskosität des Magen-Darm-Chymus (DURST et al., 2021). Lösliche Fasern erhöhen die Ausschüttung von Verdauungssäften, senken den pH-Wert und die Speichelbildung. Die Wasserhaltekapazität und das Quellvermögen ist bei löslichen Faserträgern stärker ausgeprägt, was zu negativen Effekten führen kann. Durch das Aufquellen wird die Magenentleerung verlangsamt und die Dünndarm-Verdauung behindert (FREITAG, 2017). Der Kontakt des Darmchymus mit den Verdauungsenzymen wird beeinträchtigt und die Darmpassage verzögert. Im Ergebnis wird die Nährstoffresorption reduziert und die Verdauungsprozesse im Dünndarm werden gestört, was zu einer verminderten Futteraufnahme führt. Die Vermehrung von pathogenen Mikroorganismen wie Escherichia Coli kann beim Schwein durch lösliche Fasern angeregt werden. Hochviskose und langsam fermentierbare Carboxymethylcellulose dient den pathogenen Mikroorganismen als Nahrungsquelle im Dünndarm. Allerdings sind kleinere Anteile von viskosen Fasern unproblematisch.

Unlösliche Fasern werden im hinteren (distalen) Dickdarm langsam oder nicht fermentiert. Sie verhindern Verstopfungen, indem sie die Darmpassage beschleunigen (DURST et al., 2021; FREITAG, 2017). Die erhöhte Passagerate gilt nicht unbedingt für das Geflügel. Nach HETLAND et al. (2004) verlangsamt sich die Passagerate im Muskelmagen durch unlösliche Fasern, da dieser selektiv verschiedene Futterpartikel zurückhält.

Die Darmflora kann die teilweise fermentierbaren unlöslichen Fasern durch Säurebildung als Nahrungsquelle nutzen. Fasern, die lignifiziert sind, werden nicht abgebaut. Unlösliche Fasern, vor allem solche mit hohen Ligninanteilen, haben eine Reduzierung der Futterverwertung zur Folge. Die Verdaulichkeit der Ration sinkt um ca. 1 % je Prozent NDF, was vor allem für junge Schweine problematisch ist (DURST et al., 2021; FREITAG, 2017).

„Dietary fibre“ (lösliche und unlösliche) haben im Allgemeinen eine prebiotische Wirkung auf die Darmmikrobiota. Die fermentierten kurzkettigen Fettsäuren (Butyrat, Propionat, Acetat) wirken entzündungshemmen, erhöhen die Darmmotilität und senken den pH-Wert in der Digesta. Butyrat regt die intestinale Schleimbildung an und bildet eine Barriere für pathogene Keime. Resistente Stärke und ß-Glucane unterstützen das Wachstum von Lactobacillus ssp., Faecalibacterium und Ruminococcus (DURST et al., 2021). Zudem können einige der löslichen Faserkomponenten (Fructane, Mannane) pathogene Keime direkt im Darm binden. Hierdurch wird verhindert, dass toxische Stoffwechselprodukte gebildet werden können (FREITAG, 2017).

Durch eine gezielte Rationsgestaltung mit „dietary fibre“ kann durch ihre Wirkungsweise die Entwicklung von Mikroorganismen im Magen-Darm-Trakt beeinflusst werden (DURST et al., 2021). Dabei bestimmt die Menge und die Art die bakterielle Flora im Dickdarm (EASTWOOD & PASSMORE, 1983).

Derzeit gibt es keine konkreten Einsatzempfehlungen. Aktuelle Empfehlungen können nicht standardisiert betrachtet werden, da sie sich auf die gesamte Rohfaser nach der Weender Futtermittelanalyse beziehen. Gewisse Anteile an nicht enzymatisch verdaulichen, leicht löslichen Fasern können durch die bisherigen Analysemethoden nicht erfasst werden (DURST et al., 2021). Um auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Ballaststoffen eingehen zu können, müssen die Analysemethoden um die Werte für lösliche und unlösliche Fasern sowie die Fermentierbarkeit und die Viskosität erweitert werden, damit bestimmte Fütterungsanforderungen erfüllt werden können (DUSEL, 2018).

Bedeutung der Nahrungsfasern für die Geflügel- und Schweinefütterung

Die Wirkung von Nahrungsfasern beginnt passiv bei der Futteraufnahme, umfasst die Darmmikrobiologie und ihre Metaboliten, setzt sich bei der Immunologie fort und endet mit der tierischen Leistung (SCHEDLE, 2018). Durch unterschiedliche Effekte auf die Tiergesundheit und auf das Wohlbefinden (Abbildung 2) erfüllen die „dietary fibre“ verschiedene Funktionen im Tierkörper (DURST et al., 2021). Aufgrund ihres Quellvermögens wird eine mechanische Sättigung im Magen-Darm-Trakt erreicht. Infolge der langsamen Fermentation im Darmkanal kommt es zu einer langanhaltenden Sättigung. Insbesondere bei restriktiver Fütterung können somit Hungerstress, Schwanzbeißen und Aggressionen vermieden werden (FREITAG, 2017). Bei Legehennen können unlösliche Fasern das Federpicken, Kannibalismus-Sterblichkeit und Stress verringern (HETLAND et al., 2004). Des Weiteren führen Nahrungsfasern zu einer verbesserten Kotkonsistenz und vermeiden Verstopfungen (OLIVIERO et al., 2009).

Durch mikrobielle Fermentation im gesamten Magen-Darm-Trakt können ß-glykosidisch gebundene Oligo- und Polysaccharide abgebaut werden. In Abhängigkeit von der Futterkomponente können für Schweine im Dünndarm relativ hohe Verdaulichkeitsraten für Fasern ermittelt werden; insbesondere wenn nur geringe Faseranteile vorhanden sind. Infolge der mikrobiellen Fermentation entstehen kurzkettige Säuren, welche dem Tier als Energiequelle dienen und durch passive Diffusion in die Portalvene absorbiert werden (DURST et al., 2021). Nach SCHEDLE (2018) werden zwischen 95 – 99 % der im Gastrointestinaltrakt produzierten kurzkettigen Fettsäuren resorbiert und liefern dem Schwein Energie in Höhe von 15 – 24 % des Erhaltungsbedarfes. Butyrat ist die wichtigste Energiequelle und spielt eine wichtige Rolle bei der Immunantwort. Propionat wird in der Leber zu Glucose und Acetat fungiert im Muskelgewebe als Energiesubstrat.

Abbildung 2: Effekte von „dietary fibre“ auf das Wohlbefinden und die Tiergesundheit monogastrischer Tiere

Aufgrund der durch mikrobielle Fermentation entstehenden organischen Säuren kommt es zu einer Reduzierung des Wachstums von pathogenen Bakterien, womit die Darmgesundheit stabilisiert wird (LINDBERG, 2014). Praktische Untersuchungen bei Aufzuchtferkeln zeigten, dass ein höherer Anteil von kurzkettigen Fettsäuren im Darm (69 g/kg NDF zu 54 g/kg NDF) zu höheren Tageszunahmen führt und die Darmflora verbessert (FREITAG, 2017).

 

FAZIT

Eine verbesserte Darmgesundheit steigert das Wohlbefinden von Nutztieren. Für jeden Darmabschnitt existiert eine typische Intestinalflora. Die darin enthaltenen unterschiedlichen Mikroorganismen sind an der Abwehr von Krankheitserregern beteiligt. Dieses Vermögen von Nahrungsfasern ist besonders herauszuheben, da der Darm das größte Immunorgan im Lebewesen darstellt. Folglich können der „dietary fibre“ Schutzfunktionen gegen die Hauptprobleme der intensiven Monogastrierproduktion zugewiesen werden.

DER DIREKTE DRAHT

Anna Isabella Kirn und Prof. Dr. Gerhard Bellof,
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Kontakt: gerhard.bellof@hswt.de


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