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Der Einsatz des Futtermittelzusatzstoffs Sangrovit® eco in der ökologischen Hühnermast
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Einleitung und Fragestellung

In der ökologischen Hühnermast stellt die bedarfsgerechte Versorgung mit essentiellen Aminosäuren (EAS) das zentrale Problem dar. Insbesondere die ausreichende Versorgung mit Methionin ist gemäß der bestehenden Richtlinien (EU-Öko-Verordnung, Richtlinien der Öko-Verbände) nur schwierig zu realisieren. Diese Aminosäure ist unter ökologischen Fütterungsbedingungen erstlimitierend. Der Verzicht auf konventionelle Eiweißfuttermittel (Maiskleber, Kartoffeleiweiß) stellt eine weitere Verschärfung in dieser Restriktion dar. Zur Gewährleistung eines Mindestgehaltes an EAS werden in Futtermischungen für die ökologische Geflügelhaltung häufig überhöhte Proteingehalte in Kauf genommen. Diese führen zu einer erhöhten Wasseraufnahme, einer Stoffwechselbelastung sowie zu erhöhten N-Ausscheidungen der Tiere. Daraus können Gesundheitsprobleme (Ammoniak-Belastung, feuchte Einstreu) und Minderleistungen resultieren.

Für die ökologische Mastgeflügelhaltung werden langsam wachsende Herkünfte gefordert. Für diese Herkünfte liegen nur vereinzelte Informationen zum Futteraufnahmevermögen sowie zum Nährstoff- und Energie-Bedarf vor.

Zwischen dem Gehalt an umsetzbarer Energie in der Futtermischung und der Futteraufnahme von Masthühnern besteht ein gerichteter Zusammenhang. Untersuchungen von Bellof u. a. (2005) an langsam wachsenden Masthühnern bestätigen, dass die Tiere mit abnehmendem Gehalt an umsetzbarer Energie (ME) in der Ration die freiwillige Futteraufnahme steigern. Dabei stellen die Tiere die Futteraufnahmemenge auf ein Niveau ein, das zu einer identischen ME-Aufnahme führt. Dieser Zusammenhang kann für eine bedarfsgerechte Versorgung der Masthühner mit essentiellen Aminosäuren (EAS) in der ökologischen Landwirtschaft genutzt werden. Mischungen mit abgesenkten Energiegehalten sowie einer vergleichsweise geringen Aminosäurenausstattung können aufgrund der erhöhten Futteraufnahme zu einer ausreichenden Aufnahme an essentiellen Aminosäuren führen. Zu beachten ist dabei das jeweilige Verhältnis von EAS zu ME-Gehalt. Diese Relationen können aus den Empfehlungen für die konventionelle Broilermast herangezogen werden (GfE, 1999).

Der Futtermittelzusatzstoff Sangrovit® eco beinhaltet getrocknete, gemahlene und granulierte Pflanzenteile der Papaveraceae Macleaya cordata aus öko-zertifizierter Wildsammlung. Er enthält mindestens 1,5 % Sanguinarin. Als wesentliche Wirkstoffe sind Quaternäre Benzophenanthridine Alkaloide (QBA) und Protopine Alkaloide (PA) nachgewiesen. Diese sekundären Pflanzeninhaltsstoffe (Bitterstoffe) sind als bioaktive Abwehrstoffe der Pflanzen (Phytoalexine) einzuordnen. In der Naturheilkunde werden QBA und PA seit langer Zeit angewendet. Hierbei werden in Human- und Tierstudien entzündungshemmende Wirkungen, bakteriostatische und stimulierende Effekte auf das Verdauungssystem beschrieben.

Nach Angaben der Herstellerfirma Phytobiotics GmbH, Eltville fördert der Futterzusatzstoff Sangrovit bei wachsenden Tieren die Futteraufnahme, stimuliert die Verdauung verbessert die Futterverwertung und die Fleischqualität.

In einem Fütterungsversuch der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) sollten folgende Fragestellungen geprüft werden:

  • Wie wirkt sich der Einsatz des natürlichen Futterzusatzstoffes Sangrovit® in der ökologischen Hühnermast (56-Tage-Mast) auf die Futteraufnahme der Tiere aus?
  • Welche Effekte zeigen unterschiedliche Dosierungen mit Sangrovit®  in Futtermischungen mit abgestuften ME- und EAS-Gehalten auf die Merkmale: Futteraufnahme, Mastleistung (Zuwachs, Futteraufwand pro kg Zuwachs), Schlachtwert sowie die Gesundheit (Verluste)?

Vorgehensweise

Der Versuch wurde in der Lehr- und Forschungsstation der HSWT am Standort Zurnhausen durchgeführt. Es wurden 720 Eintagsküken (50 % männliche und 50 % weibliche Tiere) der langsam wachsenden Herkunft Isa JA 757 eingestallt. Diese wurden auf 6 Fütterungsgruppen in 24 Boxen (4 Wiederholungen) verteilt.

Die Mast wurde in zwei Phasen unterteilt. Diese können wie folgt skizziert werden:

Aufzucht (1. – 21. Tag (Phase 1))

  • Versuchsstall der HSWT (massives, isoliertes Stallgebäude, Haltung gemäß EU-Öko-Verordnung)
  • 24 Buchten (jeweils 30 Tiere/Bucht), durchschnittliche Buchtengröße 6 m2
    • Einstreu: Stroh
    • Raumheizung und Strahler in den Buchten
    • freie Wasser- und Futteraufnahme.

Mast (22. – 56. Tag (Phase 2))

  • in der 4. Lebenswoche: Versuchsstall der HSWT (siehe Phase 1).
  • ab der 5. Lebenswoche:
    • Versuchsställe der HSWT (drei baugleiche Mobilställe, Grünauslauf, Haltung gemäß EU-Öko-Verordnung sowie zwei baugleiche Mobilställe ohne Grünauslauf);
    • Haltung mit Auslauf: 4 Buchten pro Mobilstall (mit jeweils 12 m2, jeweils 16 Tiere/B.); jede Bucht verfügte über einen flächengleichen Auslauf (60 m2); zwei Wiederholungen pro Futtergruppe
    • Haltung ohne Auslauf: 8 Buchten pro Mobilstall (mit jeweils 6 m2, jeweils 16 Tiere/B.); es wurden 12 Buchten genutzt; zwei Wiederholungen pro Futtergruppe
    • Einstreu: Stroh
    • freie Wasser- und Futteraufnahme.

Es wurde eine zweiphasige Fütterung absolviert. Hierbei wurden Alleinfuttermischungen für die Aufzucht- (1. – 3. Woche) und Mastphase (4. – 8. Woche) erstellt. Der Fütterungsversuch folgte einem zwei-faktoriellen Aufbau:

  • Energiestufe (zwei Stufen: „niedrig“ vs. „hoch“);
  • Dosierung Sangrovit® (drei Dosierungsstufen, nach Empfehlungen des Herstellers; siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Versuchsaufbau für den Fütterungsversuch „Einsatz von Sangrovit® in der ökologischen Hühnermast bei unterschiedlicher ME-Gehaltsstufe“

Die Ausstattung der Alleinfuttermischungen orientierte sich an den Empfehlungen der GfE (1999) (entspricht 100 %). Dabei wurden in Anlehnung an Bellof u. a. (2005) die ME-Gehalte gegenüber konventionellen Mischungen abgesenkt und das Angebot essentieller AS an die ME-Versorgung angepasst (g Lys/MJ ME =  90 %  GfE; Tabelle 2).

Tabelle 2: Inhaltsstoffausstattung (geplant) der Futtermischungen für die ökologische Hühnermast mit Sangrovit

Die Futtermischungen entsprachen in ihrer Rohstoffzusammensetzung den Richtlinien des Ökologischen Landbaus (EU-Öko-Verordnung) und erfüllen die Anforderungen an eine 100-% Bio-Fütterung (Tabelle 3).

Tabelle 3: Zusammensetzung der Alleinfuttermischungen für die ökologische Hühnermast mit unterschiedlichen ME-Gehalten

Folgende Daten wurden erhoben:

  • Tierwiegungen: Tag 1 (Einstallung), Tag 7, Tag 14, Tag 21 (Aufzuchtende) und Tag 28 sowie Tag 42 und Tag 56 (Mastende)
  • Futtereinwaage (bei Auffüllen der Futterbehälter) und -rückwaage (Tierwiegungen)
  • Verluste: laufende Protokollierung
  • Stallklima: laufende Erfassung von Temperatur und Luftfeuchte
  • Schlachtung: Erhebung der Schlachtleistung an einer Stichprobe von 48 Tieren (= 2 Tiere pro Bucht):
  • Erfassung der Lebendmasse vor der Schlachtung und der Schlachtkörpergewichte;
  • Zerlegung der Schlachtkörper (Ausweisung der Teilstücke: Brust, Schenkel, Flügel)
  • Untersuchung der eingesetzten Rohstoffe und Futtermischungen auf relevante Inhaltsstoffe.

Die Daten wurden statistisch verrechnet. Hierbei erfolgte für die Merkmale der Mastleistung und des Schlachtkörperwertes eine drei-faktorielle Varianzanalyse (Energiestufe, Sangrovit®-Dosierung, Haltung).

Ergebnisse

Futtermittelanalysen

Die Untersuchungsergebnisse für die eingesetzten Futtermischungen sind in der Tabelle 4 dargestellt. Die angestrebte Absenkung der ME-Gehalte konnte für die Mischungen der Aufzuchtphase sowohl bei der ME-Stufe „mittel“ als auch „niedrig“ sehr gut realisiert werden. Für die Mastphase gelang dieses nur bedingt. So wichen die Mischungen für die Gruppen S-1 (ME-niedrig) und S-2 (ME-mittel) von der Zielvorgabe ab. Die EAS:ME-Verhältnisse lagen aber – mit Ausnahme der Aufzuchtmischung S-1 (ME-niedrig) – jeweils auf einem vergleichbaren Niveau (Tabelle 4).

Tabelle 4: Inhaltsstoffe (analysiert) und ME-Gehalte der eingesetzten Alleinfuttermischungen in der Aufzucht- und Mastphase

Die Untersuchung der Versuchsfuttermischungen auf Sangrovit®-Gehalte ergab für die Aufzuchtmischungen die geplante Abstufung – allerdings auf niedrigerem Niveau. In den Versuchsmischungen für die Mastphase wurden durchgehend geringere Sangrovit®-Gehalte analysiert als laut Planung vorgegeben.

Verluste, Futteraufnahme und Mastleistung

Der Versuch verlief störungsfrei. Die durchschnittlichen Verluste betrugen lediglich 2,5 % in der Aufzuchtphase und 1 % in der Mastphase.

Die Daten zur durchschnittlichen, täglichen Futteraufnahme sind der Tabelle 5 zu entnehmen. Die Tiere der Gruppe ME-niedrig nahmen in allen Phasen signifikant mehr Futter auf als die Tiere der Gruppe ME-mittel. Ebenfalls signifikante Unterschiede in der Futteraufnahme konnten für die Sangrovit®-Dosierungsstufen beobachtet werden. Hierbei wiesen die Gruppen ohne Sangrovit®-Supplementierung (S-0) jeweils den höchsten Futterverzehr auf.

Tabelle 5: Durchschnittliche tägliche Futteraufnahme von Masthühnern in der ökologischen Hühnermast in Abhängigkeit von ME-Niveau, Sangrovit®-Dosierung und Haltung (LS-Mittelwerte)

Die Lebendmasseentwicklung der Tiere ist der Tabelle 6 zu entnehmen. Die Zuwachsleistung der Tiere im Versuch lag ca. 200 g/Tier über den Vorgaben des Zuchtunternehmens für die eingesetzte Herkunft Isa JA 757. Die Tiere, welche Futtermischungen mit niedrigen ME-Gehalten verzehrten, blieben zunächst hinter den Vergleichstieren mit höheren ME-Gehalten zurück. Am Ende der Mast erreichten diese Tiere aber das gleiche Gewicht. Die Masthühner der höchsten Sangrovit®-Dosierungsstufe (S-2 = 50 mg/kg) wiesen gegenüber den beiden Vergleichsgruppen ein signifikant niedrigeres Mastendgewicht auf. Zwischen den Tieren mit Auslaufhaltung (Mast) und durchgehender Stallhaltung zeigte sich kein Unterschied im Mastendgewicht.

Tabelle 6: Gewichtsentwicklung und Tageszunahmen von Masthühnern in der ökologischen Hühnermast in Abhängigkeit von Geschlecht, ME-Niveau, Sangrovit®-Dosierung und Haltung (LS-Mittelwerte)

Der durchschnittliche Futteraufwand pro kg Zuwachs ist in der Tabelle 7 dargestellt. Die Tiere der Gruppe ME-niedrig wiesen gegenüber denen der Gruppe ME-mittel einen höheren Futteraufwand auf. Zwischen den Sangrovit®-Dosierungsstufen lassen sich für die Mastphase ebenfalls gerichtete Unterschiede erkennen. Die Tiere der Gruppe S-2 (50 mg/kg) zeigten einen statistisch abgesicherten geringeren Futteraufwand pro kg Zuwachs auf als die der Gruppen S-0 und S-1 (25 mg/kg). In der Aufzuchtphase lagen dagegen alle drei Stufen auf dem gleichen Niveau.

Tabelle 7: Durchschnittlicher Futteraufwand (kg/kg) von Masthühnern in der ökologischen Hühnermast in Abhängigkeit von ME-Niveau, Sangrovit-Dosierung und Haltung (LS-Mittelwerte)

Schlachtkörperwert

Relevante Merkmale des Schlachtkörperwertes der männlichen Tiere sind der Tabelle 8 zu entnehmen. Die Schlachtkörpergewichte (kalt) lagen mit knapp 2000 g/Tier auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Auch die erzielten Gewichte für das wertvolle Teilstück Brust waren mit durchschnittlich ca. 600 g/Schlachtkörper sehr gut. In einem vergleichbaren Fütterungsversuch (Bellof u. Carrasco 2021) erzielten männliche Masthühner der Herkunft ISA J 957 eine Brustfleischmenge von 418 g/ Tier. Dieses Ergebnis kann als Hinweis für eine bedarfsgerechte Versorgung mit essentiellen Aminosäuren und damit hohem Proteinansatz gedeutet werden. Für keines der in Tabelle 8 aufgeführten Merkmale zeigte sich ein statistisch gesicherter Unterschied zwischen den Energiestufen (ME-niedrig vs. ME-mittel), den Sangrovit®-Dosierungsstufen (S-0, S-1, S-2) oder der Haltung (Auslauf vs. Stall).

Tabelle 8: Schlachtkörper und Teilstückegewicht des Schlachtkörpers von männlichen Tieren in der ökologischen Hühnermast in Abhängigkeit von ME-Niveau, Sangrovit®-Dosierung und Haltung (LS-Mittelwerte)

Wirtschaftlichkeitsberechnungen

Auf der Basis der im Versuch ermittelten Daten zur Futteraufnahme und aktueller Preiserhebungen (Stand November 2021) wurden die Futterkosten kalkuliert. Hierbei erfolgte eine Differenzierung nach Energiestufen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 9 dargestellt. Während die Futterkosten pro Tier für beide Energiestufen nahezu gleiche Kosten ergeben, liegt die Gruppe ME-niedrig bei den Futterkosten pro kg Lebendmasse um 6 Ct. niedriger als die Gruppe ME-mittel. Damit zeigt sich, dass die ME-abgesenkte Hühnermast – trotz höherem Futterverbrauch – wirtschaftliche Vorteile aufweist.

Tabelle 9: Futterkosten für die ökologische Hühnermast in Abhängigkeit vom ME-Niveau

FAZIT

Das Fütterungskonzept – abgesenkte ME-Gehalte bei konstantem ME : EAS-Verhältnis in der ökologischen Hühnermast – führte zu gleichen Ergebnissen in der Mastleistung und im Schlachtkörperwert; bei verbesserter Wirtschaftlichkeit.

Der Einsatz des phytogenen Zusatzstoffes Sangrovit® in der ökologischen Hühnermast zeigte keinen gerichteten Einfluss auf das Verlustgeschehen und den Schlachtkörperwert. Im Gegensatz zu den Aussagen des Herstellers wiesen die Tiere der höchsten Sangrovit®-Dosierungsstufe (50 mg/kg Alleinfutter) eine durchgehend geringere Futteraufnahme auf als die der Kontrollgruppe. Dies resultierte in einem geringeren Mastendgewicht der Tiere. Allerdings war in der höchsten Sangrovit®-Dosierungsstufe die Futterverwertung (kg Futter/kg Zuwachs) gegenüber der Kontrolle verbessert.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Gerhard Bellof,
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Kontakt: gerhard.bellof@hswt.de