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Luzernespitzen als heimisches Eiweißfuttermittel für laktierende Milchkühe erfolgreich einsetzen
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Einleitung

Im Rahmen des Forschungsprojektes „NovaLuz“ wurde ein innovatives Ernteverfahren zur Gewinnung von hochwertigem Eiweißfuttermittel aus Luzerne getestet und weiterentwickelt. In dem vorhergehenden Forschungsprojekt „Grünlegum“ (Bellof et al. 2021) wurde zunächst eine Blatt-Stängel-Trennung durchgeführt. Die Luzerneblätter wurden (heißluft-) getrocknet und anschließend in Fütterungsversuchen mit Schweinen und Geflügel erprobt. Im Rahmen dieser Untersuchungen, hatte die Trennung von Blättern und Stängeln der Ganzpflanze gezeigt, dass so eine Steigerung im Rohproteingehalt in der Blattfraktion erzielt werden kann (Bellof et al. 2021).

Da es sich bei der Blatt-Stängel-Trennung um ein sehr aufwendiges Verfahren handelt, wurden im Rahmen des Vorgängerprojekts bereits erste Versuche zum Hochschnitt durchgeführt. Die separat geernteten Pflanzenspitzen wiesen ähnlich hohe Rohproteingehalte wie die Blätter auf und gleichzeitig sind dadurch höhere Erträge möglich. Nach diesen Ergebnissen sind in den Luzernespitzen Rohproteingehalte von bis zu 30 % in der Trockenmasse zu erwarten (Bellof et al. 2021). Somit könnten die im Hochschnitt geernteten Luzernespitzen auch für Wiederkäuer eine gute Alternative zu den üblichen Eiweißfuttermitteln wie Raps- oder Sojaextraktionsschrot darstellen und damit einen Beitrag zur Verringerung der Nahrungskonkurrenz leisten. Ein weiterer Vorteil des Luzerneanbaus ist die Erweiterung der Fruchtfolge und die Eigenschaft der N-Fixierung. Zudem gilt die Luzerne als eine trockenheitstolerante Futterpflanze und deren Anbau kann so im Laufe der klimatischen Veränderungen (extreme Wetterlagen wie länger andauernde Hitzeperioden, starke Regenfälle und Wind) zu einer Absicherung der betriebseigenen Futterversorgung beitragen.

Hochschnitt für die Ernte von Luzernespitzen mit einem Mähwerk der Fa. BB-Umwelttechnik

Die nach dem Hochschnitt auf dem Feld zurückbleibenden Pflanzenreste (Stängel mit Blättern, hier als Luzernestängel bezeichnet) können als Strukturkomponente in Mischrationen für Milchkühe eingesetzt werden.

Folgende Fragestellungen wurden untersucht:

  • Kann mittels spezieller Ernte der Luzernepflanzen (Hochschnitt) ein hochwertiges Eiweißfuttermittel („Luzernespitzen“) hergestellt werden, das nicht in Nahrungskonkurrenz zur Humanernährung steht?
  • Welche Unterschiede hinsichtlich Futteraufnahme und Milchleistung zeigen Milchkühe beim Einsatz von 30 % heißluftgetrockneten Luzernespitzen im Milchleistungsfutter gegenüber einer luzernefrei ernährten Kontrollgruppe?

Vorgehensweise

Der Fütterungsversuch fand in einer der beiden Teilherden des Milchgewinnungszentrums der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf statt. Die Teilherde umfasst insgesamt ca. 60 laktierende Kühe. Am Versuch nahmen insgesamt 36 Kühe der Rasse Fleckvieh teil. Die Tiere wurden nach dem Paarlingsprinzip einer Versuchs- oder Kontrollgruppe zugeordnet. Selektionskriterien waren das Leistungspotenzial, die Laktationszahl und der Laktationsmonat.

Die Versuchstiere wurden zusammen mit den übrigen Kühen der Teilherde in einem Laufstall mit Liegeboxen gehalten und an einem Doppel-Sechser Fischgrät-Melkstand gemolken. Die Fütterung erfolgte zum einen über einen Futtermischroboter (Fa. Wasserbauer), der die 24 bzw. 28 Wiegetröge (Landtechnik Weihenstephan) zwei Mal täglich mit einer aufgewerteten Mischration (PMR) befüllt. Diese bestand aus den Grobfuttermitteln Grassilage, Maissilage und Stroh, sowie einer Kraftfuttermischung mit einem Anteil von 5,25 kg Trockenmasse (TM) an der Ration (gesamt: 19,52 kg TM/Kuh und Tag). Vor dem morgendlichen Befüllen wurden die verbliebenden Futterreste in den Trögen vollständig entleert. Zum anderen gab es zwei Kraftfutterabrufstationen, die mit zwei Silos beschickt werden konnten und eine individuelle Gabe des Milchleistungsfutters (MLF) ermöglichten. Hier wurde anhand der Milchleistung und dem Laktationsstadium die entsprechende Menge, auf mehrere Portionen täglich verteilt, zugeteilt. Die maximale Menge war auf 5 kg/Kuh und Tag beschränkt. Des Weiteren standen zwei Tränken und zwei Salzlecksteine zur freien Aufnahme zur Verfügung.

Die gesamte Herde erhielt an den Wiegetrögen die gleiche PMR zur freien Aufnahme. An der Kraftfutterabrufstation erhielt die Kontrollgruppe ein MLF mit einer Mischung ohne Luzerneprodukte. Die Versuchsgruppe erhielt eine Sorte MLF mit einem Frischmasseanteil von 30 % Luzernespitzen (heißluftgetrocknet, pelletiert; Tabelle 1). Die Zusammensetzungen der beiden Mischungen finden sich in Tabelle 2. Mit dem Anteil von 30 % Luzernespitzen wurden gegenüber der Kontrollmischung der Anteil von Raps- und Sojaextraktionsschrot  jeweils um die Hälfte reduziert.

Tabelle 1: Analysierte Inhaltsstoffe und kalkulierte Gehalte an nutzbarem Rohprotein (nXP), ruminaler Stickstoffbilanz (RNB) und Nettoenergie-Laktation (NEL) der im Fütterungsversuch eingesetzten Luzernespitzen (LSH, heißluftgetrocknet, pelletiert) im Vergleich zu frischem Material von Luzernespitzen (händische Probenahme zum Zeitpunkt der Ernte)

Die Kühe wurden 14-tägig gewogen und bonitiert (Body Condition Scoring, nach Wildman et al. 1982). Im Abstand von 14 Tagen fand eine Milchprobenahme statt, die im gleichen Umfang wie die Milchleistungsprüfung des LKV (Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e.V.) durchgeführt wurde. Die Milchproben wurden im Labor des Milchprüfrings in München auf die Inhaltsstoffe Milchfett, Milcheiweiß, Harnstoffgehalt und somatische Zellen untersucht. Die Futtermittel wurden beim Labor der Landwirtschaftlichen Kommunikations- und Servicegesellschaft mbH (LKS Lichtenwalde) analysiert. Nach den Methoden des VDLUFA (2012) wurden die Gehalte an Rohasche (XA, Methode 8.1), Rohfett (XL; 5.1.1), Rohprotein (XP; 4.1.2), Neutral-Detergenzien-Faser nach Amylasebehandlung und Veraschung (aNDFom; 6.5.1), Säure-Detergenzien-Faser nach Veraschung (ADFom; 6.5.2), der Hohenheimer Futterwerttest (HFT; 25.1), Zucker (7.1.3), Chlorid (Cl; 10.5.2), Calcium, Phosphor, Kalium, Magnesium, Natrium, Schwefel, Kupfer; Zink; Mangan und Eisen (Ca, P, K, Mg, Na, S, Cu, Zn, Mn, Fe; DIN EN ISO 11885:2009-09), Rohprotein-Fraktionen (RP-Frakt; LKS FMUAA140:2022-06) ermittelt. Die Trockenmasse der PMR wurde wöchentlich, die der Reste der PMR alle 14 Tage ermittelt. Hierfür wurden die Proben für 24 Stunden bei 105 °C im Trockenschrank getrocknet.

Anhand verschiedener Sensoren, mit welchen die Tiere in der Herde standardmäßig ausgestattet sind, wurden die individuelle Futteraufnahme, die Aktivität, die Wiederkauaktivität und die innere Körpertemperatur erhoben. Über vier Sensoren im Stall wurde das Klima (Lufttemperatur und -feuchte) aufgezeichnet.

Die Auswertung der Daten wurde mit dem Programm SAS (2013, Version 9.4, SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) durchgeführt. Dabei wurde mit dem allgemeinen linearen Modell (GLM-Prozedur) gearbeitet. Die Varianzanalyse berücksichtigte die zwei Faktoren ‚Gruppe‘ und ‚Laktationsnummer‘. Die Variablen stellten alle tierindividuell erhobenen Daten dar. Das Signifikanzniveau beim Vergleich der Mittelwerte wurde auf eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Während des Versuchs wurden zwei Kühe der Kontrollgruppe krankheitsbedingt geschlachtet (rezidivierende Mastitis bzw. akute Klauenverletzung mit Verdacht auf Fraktur).

Die nasschemisch ermittelten Laboranalysen der PMR ergaben einen durchschnittlichen Gehalt von 154 g Rohprotein/kg TM, 149 g nutzbarem Rohprotein (nXP)/kg TM, und eine daraus berechnete  ruminale Stickstoffbilanz (RNB) von 0,8 g N/kg TM und einen Energiegehalt von 6,3 MJ NEL/kg TM. Die PMR wies durchschnittlich 35,7 % Trockensubstanz auf.

Die beiden MLF-Mischungen unterschieden sich geringfügig in ihren Inhaltsstoffen (Tabelle 2). Hervorzuheben sind die Unterschiede im Gehalt an UDP5 (unabbaubares Protein im Pansen). Hier weist die Versuchsmischung deutlich höhere Werte auf (47,5 % vs. 30,0 % d. RP). Der Gehalt an nXP fiel dementsprechend in der Versuchsmischung höher aus als in der Kontrollmischung (Tabelle 2). Auch der RNB-Wert war unterschiedlich (-2,8 g N/kg TM vs. +0,7 g N/kg TM). Der Energiegehalt lag in der Versuchsmischung mit 8,0 MJ NEL/kg TM unter dem der Kontrollmischung mit 8,4 MJ NEL/kg TM.

Tabelle 2: Zusammensetzung, analysierte Inhaltsstoffe und kalkulierte Gehalte an nutzbarem Rohprotein (nXP), unabgebautem Rohprotein (UDP), ruminaler Stickstoffbilanz (RNB) und Nettoenergie-Laktation (NEL) der im Fütterungsversuch eingesetzten Kraftfuttermischungen (Kontrollmischung ohne Luzerneprodukte und Versuchsmischung mit Luzernespitzencobs [LSH]), die leistungsabhängig über die Kraftfutterstationen verabreicht wurden

Die durchschnittlichen täglichen Futter- und Nährstoffaufnahmen sind in Tabelle 3 dargestellt. Für die Mehrzahl der aufgeführten Merkmale konnten keine statistisch gesicherten Unterschiede festgestellt werden. Lediglich für den Kennwert RNB zeigte sich eine statistisch gesicherte Differenz zwischen der Kontroll- und Versuchsgruppe. Hier spiegelte sich der aufgezeigte niedrige RNB-Wert für das Versuchs-MLF in der Gesamtration wider. Die Leistungsparameter (Milchleistung, Milchinhaltsstoffe und Lebendmasseveränderung) sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Auch für diese Merkmale liegen keine statistisch gesicherten Unterschiede vor.

Für das Merkmal Wiederkauaktivität ließen sich ebenfalls keine statistisch abgesicherten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellen (LS-Means: 537 min/d Versuchsgruppe, 536 min/d Kontrollgruppe, p = 0,8801).

Tabelle 3: Durchschnittliche tägliche Futter-, Nährstoff- und NEL-Aufnahme in der Versuchsperiode (LS-Mittelwerte und Standardfehler (SE))

Tabelle 4: Durchschnittliche tägliche Milchleistung und Lebendmasseveränderung in der Versuchsperiode

FAZIT

Heißluftgetrocknete Luzernespitzen weisen mittlere Gehalte an Rohprotein mit hohen UDP-Anteilen auf. Als heimisches Eiweißfutter können sie in der Milchkuhfütterung erfolgreich eingesetzt werden.

Förderhinweis: Die Förderung des Projekts erfolgte aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus.

DER DIREKTE DRAHT

DER DIREKTE DRAHT
Prof. Dr. Gerhard Bellof
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
E-Mail: gerhard.bellof@hswt.de

(Bildrechte: J. Maxa, LfL Bayern)

Literatur
Bellof, G., Weindl, P.A., Weindl, P.N. (2021): Grünleguminosen als Eiweiß- und Raufuttermittel in der ökologischen Geflügel- und Schweinefütterung (GRÜNLEGUM). Schlussbericht zum Forschungsprojekt. https://orgprints.org/id/eprint/42739/.

Wildman, E. E., Jones, G. M., Wagner, P. E., Boman, R. L., Troutt, H. F., Lesch, T. N. (1982): A Dairy Cow Body Condition Scoring System and Its Relationship to Selected Production Characteristics. Journal of Dairy Science 65, 495–501.