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Kuhkälber der Rasse Deutsche Holsteins: „süß“ oder „sauer“, „restriktiv“ oder „ad libitum“ tränken?
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Einleitung

In der praktischen Kälberaufzucht werden unterschiedliche Tränkeverfahren angewendet. Verfahren auf der Basis Vollmilch haben wieder an Bedeutung gewonnen. Neben der sogenannten „Süßtränke“ (restriktive oder zur freien Aufnahme) wird auch die „Sauertränke“ praktiziert. Der Sauertränke werden arbeitswirtschaftliche und gesundheitliche Vorteile zugeschrieben. Zwischen dem pH-Wert der Sauertränke und der täglichen Tränkeaufnahme besteht nach Kunz (2013) eine negative Beziehung. In Versuchen mit Sauertränke bei Fleckviehkälbern wurde festgestellt, dass bei einer Ansäuerung auf einen pH-Wert von unter 5,5 die vom Kalb aufgenommene Tränkemenge zurückgeht (Becker et al., 2017). Die Autoren beobachteten im Zeitraum 5. bis 16. Lebenstag einen Rückgang von 9 auf ca. 7 l Tränke pro Kalb und Tag. Bei diesem Versuch wurde die Milch ab dem 4. Lebenstag mit 10 ml einer Säurevormischung angesäuert, die Säuremenge wurde ab dem 6. Lebenstag 6 verdoppelt. Mit der Säurezulage ging die Milchaufnahme der Kälber zurück und erreichte erst ab dem 16. Lebenstag wieder das Niveau von 9 l pro Kalb und Tag. In dieser Zeitspanne sollte aber eine möglichst hohe Tränkemenge des Kalbes erreicht werden, um einen positiven Impuls für die weitere Entwicklung zu setzen und das Immunsystem zu stabilisieren. 

Krug et al. (2021) untersuchten bei Fleckviehkälbern die stufenweise Ansäuerung der Tränke. Hierbei lagen sowohl die Tränkeaufnahmen der beiden angesäuerten Gruppen als auch diejenigen der nicht angesäuerten Versuchsgruppe auf einem Niveau. Die langsame Steigerung der Säuremenge führte nicht zu verminderten Tränkemengen wie es bei der Ansäuerung in einem Schritt oder bei zu starker Ansäuerung der Fall sein kann.

In der vorliegenden Studie sollten folgende Fragestellungen überprüft werden:

Wie wirkt sich eine Vollmilch-Tränke (bis zum 28. Lebenstag) zur freien Aufnahme gegenüber einer restriktiven Vollmilch-Tränke auf die Tränke- und Festfutteraufnahme sowie die Lebendmasseentwicklung und Gesundheit weiblicher Kälber der Rasse Deutsche Holsteins aus?

Wie wirkt sich die Ansäuerung der Vollmilch-Tränke (ad libitum) auf einen pH-Wert von 5,5 auf die Akzeptanz der Tränke und somit die Tränkemenge (bis zum 28. Lebenstag) aus?

Vorgehensweise

Der Fütterungsversuch wurde in einem konventionell bewirtschafteten Milchviehbetrieb in Oberbayern (90 Milchkühe der Rasse Deutsche Holsteins (DH)) durchgeführt. Für die Versuchsdurchführung wurden 30 weibliche DH-Kälber im Zeitraum August 2021 bis Februar 2022 herangezogen. Unmittelbar nach der Geburt oder morgens, falls die Geburt nachts stattfand, wurde das Kalb in ein sauberes und mit reichlich Stroh eingestreutes Kälberiglu eingestallt. Die Iglus standen in einem überdachten Kälberstall mit Außenklimabedingungen.

Die Versuchsphase erstreckte sich für jedes Tier über die ersten vier Lebenswochen. Die Kälber wurden gleichmäßig auf drei Gruppen aufgeteilt (Gruppe 1: ungesäuerte Vollmilchtränke, restriktiv („betriebsübliches“ Tränkeregime); Gruppe 2: ungesäuerte Vollmilchtränke, ad libitum; Gruppe 3: Ansäuerung der Vollmilchtränke, ad libitum). Das Versuchsdesign ist in der Tabelle 1 dargestellt.

Es wurde keine Transitmilch verfüttert, sondern ab der zweiten Mahlzeit erhielten alle Kälber die gleiche Milch. Die Nuckeleimer verblieben am jeweiligen Iglu. Morgens und abends wurden sie vor der neuen Befüllung per Hand mit heißem Wasser und einer Bürste gereinigt. Nuckeleimer für die Tiere, die ihre Tränke zur freien Aufnahme erhielten, wurden mit Deckeln abgedeckt, um Fliegen und Schmutz von der Milch fernzuhalten.

Tabelle 1: Versuchsaufbau für den Tränkeversuch mit weiblichen Zuchtkälbern

Die Ansäuerung der Milch für die dritte Versuchsgruppe erfolgte durch das flüssige Ergänzungsfuttermittel „AcidoSan“ (Firma Sano, Grafenwald). Dieses besteht aus einer Mischung von Ameisensäure, Propionsäure und Ligninsulfonsäure. Es wurden vier Teile Wasser mit einem Teil AcidoSan gemischt. Mithilfe eines Messbechers wurde die verdünnte Säure bei laufendem Rührwerk in einem dünnen Strahl in das Milchtaxi (Fa. Holm und Laue, Westerrönfeld) eingefüllt. Während dieses Prozesses wurde der pH-Wert mehrmals mit einem pH-Wert-Messgerät überprüft. Aufgrund der Messwerte wurde die verwendete Säuremenge individuell angepasst, bis der Ziel-pH-Wert von 5,50 möglichst genau erreicht wurde.

Festfutter wurde den Kälbern ab dem ersten Tag im Iglu in Form einer Kälber-TMR (12 % Stroh, 20 % Gerste, 30 % Mais, 18 % Sojaschrot, 10 % Melasse, 10 % sonstige Bestandteile) in einer Futterschale angeboten. Das Festfutter wurde während des Versuchs zweimal wöchentlich rückgewogen und wieder frisch befüllt. Ab dem ersten Tag wurde den Kälbern täglich frisches Wasser in Schalen angeboten. Milch-, Festfutter- und Wasseraufnahme wurden täglich tierindividuell erfasst. Die Tiergewichte wurden am Tag der Geburt und später jeweils jeden vierten Tag danach ermittelt. Die Wiegungen wurden stets vor der abendlichen Tränke durchgeführt. Für jedes Kalb erfolgte zudem kontinuierlich die Erhebung der Gesundheitsdaten. Die oben dargestellten Milchtränken wurden periodisch auf Inhaltsstoffe und pH-Wert untersucht.

Die tierindividuell erhobenen Daten wurden mit dem Programm SAS/STAT (2004) statistisch ausgewertet. Hierbei wurde das generalisierte, lineare Modell (Prozedur GLM) verwendet. Es erfolgte eine einfaktorielle Varianzanalyse mit dem fixen Effekt „Tränkegruppe“.  Mögliche Unterschiede zwischen den Tränkegruppen wurden mit dem Tukey-Test auf Signifikanz überprüft. Das Signifikanzniveau wurde auf eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p<0,05 festgelegt.

Ergebnisse und Diskussion

Die Erstversorgung der Kälber mit Kolostrum erfolgte so bald wie möglich nach der Geburt. Im Mittel lag der Brixgehalt der Kolostralmilch bei 25,5 %. Die Einzelwerte schwankten zwischen 15 % und 30 % Brix.

Bei der Ansäuerung der Tränke für die Versuchsgruppe 3 wurde stets ein pH-Wert von 5,50 angestrebt. Tatsächlich lag das Maximum des gemessenen pH-Werts bei 5,57 und das Minimum bei 5,46. Die Hälfte der Werte lag im Bereich zwischen 5,49 und 5,52, während der Mittelwert bei 5,51 lag. Größere Schwankungen des pH-Werts konnten durch mehrmaliges Messen während des Ansäuerungsprozesses und danach angepasster Säuremenge vermieden werden. Im Laufe der Versuchsperiode wurden 29 Milchproben untersucht. Der Fettgehalt lag im Mittel bei 3,71 % und der Eiweißgehalt bei 3,56 %.

Der Versuch verlief störungsfrei. Der Gesundheitsstatus der Tiere kann als gut beschrieben werden. Es traten keine Verluste auf, sodass alle Tiere in die Auswertung einbezogen werden konnten. Aus der Sicht der Tiergesundheit verlief der Versuch ohne größere Schwierigkeiten. Sechs Kälber zeigten leichte bis mittelschwere Durchfallsymptome. In der Gruppe 1 war ein Kalb von leichtem Durchfall betroffen. In der zweiten Versuchsgruppe hatte ein Kalb leichten und ein Kalb mittelschweren Durchfall. In der dritten Gruppe zeigten zwei Kälber leichte Durchfallsymptome und bei einem Kalb wurde ein mittelschwerer Verlauf diagnostiziert. Ansonsten traten keine Krankheiten auf.

In der Tabelle 2 sind die durchschnittlichen täglichen Tränkemengen dargestellt. Von keinem Kalb wurde die maximal vorgelegte Tagesmenge von 12 kg Tränke pro Tier und Tag innerhalb des Versuchszeitraumes von 28 Tagen erreicht. Die höchste Tränkemenge wurde in der Gruppe 2 mit 10,7 kg Tränke pro Tag für ein Tier gemessen. Es zeigt sich für alle betrachteten Zeiträume ein charakteristisches Bild. In allen drei Zeitabschnitten unterschieden sich die drei Gruppen jeweils signifikant voneinander.  Die Kälber der Gruppe 2 nahmen in jedem Zeitabschnitt die höchste tägliche Tränkemenge auf (Tabelle 2).

Tabelle 2: Durchschnittliche tägliche Tränkemengen in verschiedenen Zeitabschnitten (LS-Mittelwerte)

Bei der Betrachtung der täglichen Wasseraufnahme im Versuchsverlauf fällt auf, dass besonders in den ersten zehn Lebenstagen sehr wenig Wasser aufgenommen wurde. So tranken in den ersten zehn Lebenstagen täglich jeweils nur zwischen 5 % und 20 % der Kälber Wasser. Der Anteil der Kälber pro Tag, die Wasser aufnahmen, stieg mit zunehmendem Alter der Tiere an. Dieser Anteil beträgt jedoch maximal 40 % bis 50 %. Die aufgenommene Wassermenge lag – über alle Gruppen hinweg – in den ersten Versuchstagen unter 0,2 l pro Kalb. Die durchschnittlich aufgenommenen Wassermengen bewegten sich in der zweiten Versuchshälfte zwischen 0,2 l und 0,6 l pro Kalb und Tag.

Die Tiere nahmen im Versuchszeitraum vergleichsweise geringe Festfuttermengen auf (Gruppe 1: 1845 g; Gruppe 2: 475 g; Gruppe 3: 467 g pro Tier). Es zeigt sich eine negative Beziehung zur Tränkemenge. In der ersten Versuchswoche sind die Aufnahmemengen aller Versuchsgruppen mit ca. 20 g pro Tag sehr gering. Die Festfutteraufnahme der Gruppe 1 stieg danach konstant an und erreichte am Versuchsende Werte von ca. 140 g pro Tier und Tag. Die Aufnahmemengen der Versuchsgruppen 2 und 3 stiegen nur langsam im Versuchsverlauf an. In den letzten Versuchstagen erreichten beide Gruppen 40 g Festfutteraufnahme pro Tier und Tag. Somit trug das Festfutter nur wenig zur Nährstoffversorgung der Kälber bei.

Die für die drei Gruppen dargestellten Tränkeaufnahmen, spiegeln sich in der Lebendmasseentwicklung und den Tageszunahmen wider (Tabelle 3). Die Gruppe 1 (restriktiv verabreichte Süßtränke nach betriebsüblichem Tränkeregime) wies mit 563 g pro Tier und Tag die niedrigsten Tagezunahmen auf. Dagegen erzielten die mit Süßtränke zur freien Aufnahme versorgten Tiere mit 1050 g im Versuchszeitraum die höchsten Tageszunahmen. Die Tageszunahmen der mit Sauertränke sattgetränkten Tiere lagen mit 831 g statistisch gesichert unter den Leistungen der Gruppe 2. In der von Krug et al. (2021) durchgeführten Studie mit weiblichen und männlichen Fleckviehkälbern zeigten sich für den Zeitraum 1.–28. Lebenstag nur tendenzielle Unterschiede zwischen Süß- und Sauertränke.

Die Kälber der Gruppe 2 nahmen die höchsten Energie- (ME) und Rohproteinmengen (RP) auf und zeigten den geringsten ME- bzw. RP-Aufwand pro kg Zuwachs. (Tabelle 3). Die Unterschiede zu den beiden anderen Gruppen waren jeweils statistisch abgesichert.

Tabelle 3: Lebendmasseentwicklung und Tageszunahmen sowie Energie- und Rohproteinverwertung im Versuchszeitraum (LS-Mittelwerte)

FAZIT

Weibliche Kälber der Rasse Deutsche Holsteins (DH), die Süßtränke zur freien Aufnahme erhalten, zeigen gegenüber mit Sauertränke versorgten Tieren signifikant verbesserte biologische Leistungen.

Auch in der Aufzucht von weiblichen DH-Kälbern können innerhalb der ersten vier Lebenswochen durchschnittliche Tageszunahmen von mehr als 1000 g erzielt werden. Mit einem optimalen Tränkeregime werden hierfür die Weichen gestellt.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Gerhard Bellof
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Fachgebiet Tierernährung

E-Mail: gerhard.bellof@hswt.de

Ein Literaturverzeichnis kann von den Autoren angefordert werden.