Seit ca. 30 Jahren halten weltweit automatische Melksysteme Einzug in die Betriebe. So sind aktuell schätzungsweise mehr als 35.000 automatische Melksysteme (AMS) im Einsatz (2019). Die Hauptgründe für das automatische Melken sind nach wie vor die Flexibilisierung der Arbeitszeit und eine mögliche Expansion, ohne Mitarbeiter einstellen zu müssen. Aber auch immer mehr größere Betriebe wagen den Schritt, weil Mitarbeiter für die Routinearbeit melken (und alle anderen anfallenden Arbeiten) schwer zu finden sind.
Ist AMS die richtige Entscheidung?
Was macht AMS im Betrieb profitabel?
Milchproduktion pro Kuh, Milch pro AMS pro Tag, Arbeitseinsparungen und die möglichen Verbesserungen in der Work-Life-Balance sind wichtige Einflussfaktoren für die AMS-Profitabilität.
Der Hauptnachteil ist nach wie vor die Investition einer Maschine, die nur – je nach Leistung der Herde - 50 bis 70 Kühe melken kann. Aber auch die Unterhaltungskosten sind eine feste Größe. In der Vergangenheit waren AMS oft weniger profitabel als ein konventioneller Melkstand. Verbesserte AMS-Techniken, verbessertes Management in den Betrieben und höhere Arbeitskosten können jedoch diese Situation ggf. ändern.
Die Frage ‚AMS oder konventionell‘ ist zunächst eine einfache, aber individuelle ökonomische Entscheidung. Im Vorfeld sollten klare Ziele definiert sein, was mit dem AMS erreicht werden soll, wie z.B. betriebliche und persönliche Ziele:
- Der Betrieb in 5 bis 10 Jahren?
- Welche Herdengröße wird in Zukunft angestrebt?
- Primäres Ziel, das mit AMS erreicht werden soll?
- Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation?
- Minimierung der Arbeitszeit von Angestellten?
- Expansion der verfügbaren Arbeitszeit (für anderes)?
- Maximieren der Produktivität der AMS?
- ………..
- ………..
- Oder etwas anderes?
Wenn die Veränderung Teil eines Generationswechsels ist, sollte die Investition finanzielle Stabilität bieten. Eine große Investition in eine neue Anlage ist eine langfristige Verpflichtung, in der Milchwirtschaft zu bleiben
Was ist mit dem Cashflow?
Roboter sollen sich in erster Linie durch eine höhere Milchproduktion pro Roboter und Kuh sowie durch geringere Arbeitskosten bezahlt machen. Oft werden aber nicht so viel Arbeitskosten eingespart, wie ursprünglich erhofft. Ein Anstieg der Milchproduktion kann die finanzielle Rentabilität von Robotern beeinflussen. Drei Faktoren beeinflussen die Veränderung der Milchleistung maßgeblich:
- Melkfrequenz
Steigende Melkfrequenzen: von 2 x melken auf 3 x melken steigert die Milchleistung um ca. 5-10 % pro Kuh. Das setzt ein Melkintervall von 8 Stunden voraus, aber der Leistungsanstieg wird niedriger sein, wenn das Melkintervall variiert. Schlüssel ist, die richtige Kuh zur richtigen Zeit am AMS zu melken.
- Stalleffekt
Der Stalleffekt beinhaltet: konstanten Zugang zum AMS, komfortable Liegeboxen und stabile Kuhgruppen, um den Sozialstress zu minimieren. Wenn mit dem neuen Melksystem auch ein neuer Stall bezogen wird, muss ein Anteil der Leistungssteigerung auch der verbesserten Haltungsumwelt zugeschlagen werden.
- Arbeitszeitersparnis
Eingesparte Melkzeit: Erfolgreiche AMS-Betriebe nutzen die eingesparte Arbeitszeit und reinvestieren sie in Verbesserungen im Herdenmanagement, bei der Erzeugung von Qualitätssilagen oder anderen hocheffizienten Aktivitäten.
Niedrigere Arbeitskosten: Wenn bezahlte Arbeitszeit durch AMS reduziert wird, kann die eingesparte Lohnzahlung theoretisch zur Finanzierung der Anlage genutzt werden. Wenn aber die eingesparte Arbeitszeit ausschließlich Familienarbeitszeit ist, kann kein Überschuss aus dem Lohnkonto verrechnet werden.
Bei der Berechnung, ob ein AMS einen Betrieb rentabler machen würde, kommt es darauf an, womit man vergleicht. Im Vergleich zu wenig effizienten, teuren Melkständen schneiden Roboter besser ab, aber nicht bei hocheffizienten, kostengünstigen Melkständen.
Die Hauptgründe für das automatische Melken sind: Flexibilisierung der Arbeitszeit und eine mögliche Expansion, ohne Mitarbeiter einstellen zu müssen.
“MANAGEMENT MACHT MILCH – ROBOTER ERMELKEN SIE NUR”
Es ist zu erwarten, dass Milchkuhbetriebe nicht nur aus Rentabilitätsgründen AMS einsetzen werden, sondern auch, um die eigene Lebensqualität sowie das Wohlbefinden der Tiere zu verbessern und um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Vor allem die jüngeren Generationen, die in einem Zeitalter mit mannigfachen technologischen Entwicklungen aufgewachsen sind, werden vermehrt intelligente Technologien in der Landwirtschaft nutzen. Diese Systeme erleichtern nicht nur die Umsetzung von Herdenmanagementsystemen und Strategien der Präventivmedizin, sondern bieten den Kühen auch die Möglichkeit, ihr natürliches Verhalten und ihre sozialen Interaktionen auszuleben und so ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu verbessern.
Entscheidungstool
Eine australisch/irische Forschergruppe hat ein webbasiertes Entscheidungstool (AMS Integrated Management Model; IMM) entwickelt, das Landwirten und Beratern bei der Entscheidungsfindung wichtige Hilfestellung geben kann, weil biologische und ökonomische Faktoren miteinander verknüpft werden.
„Das Tool hilft, die potenzielle Investition besser einzuschätzen, zu planen und fundiertere Entscheidungen zu treffen. Es kann AMS-Landwirten auch dabei helfen, Bereiche mit unzureichender Leistung zu identifizieren und alternative Wege zur Optimierung des gesamten Systems aufzuzeigen.
Dieses Tool wurde auf der Grundlage von fünf Jahren jährlicher Wirtschaftsdaten von 18 australischen AMS-Betrieben und physischen monatlichen Daten von 28 AMS aus Australien und Übersee entwickelt, die zwischen 2015 und 2021 im Rahmen des Milking Edge-Projekts erfasst wurden.“ (Quelle: https://nswdpidairy.shinyapps.io/amstool/)
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