Heimische Eiweißfuttermittel in der Hühnermast einsetzen – wie die Umsetzung gelingen kann
Nährstoff- und Futterbedarf von schnellwachsenden Masthühnern
Die konventionelle Hühnermast (Broilermast) erfolgt mit schnellwachsenden Herkünften beiderlei Geschlechts. In der konventionellen Hühnermast in Deutschland werden überwiegend Tiere der Herkunft Ross308 der Fa. Aviagen (Aviagen 2019) eingesetzt. Diese erzielen eine hohe Zuwachsleistung. Dabei wird ein hoher Fleischansatz, insbesondere in den wertvollen Teilstücken angestrebt (Brust, Schenkel).
Masthühner benötigen zur Erreichung dieser Ziele eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung. Neben essentiellen Aminosäuren für die Fleischbildung werden energieliefernde Nährstoffe sowie Mineralstoffe für das Knochenwachstum benötigt. Mit zunehmendem Alter nimmt der Bedarf an Aminosäuren (verkürzt „Eiweißbedarf“) ab. Der Energiebedarf steigt dagegen an.
Eine fachgerechte Hühnermast erfordert den Einsatz von Eiweißfuttermitteln in den Futtermischungen, um die bedarfsgerechte Versorgung der Tiere mit Aminosäuren sicherzustellen. Eine knappe Versorgung würde zu einem stark verzögerten Wachstum der Tiere und einer verringerten Ausbildung der Muskulatur (Fleischansatz) führen, was den Schlachtwert und damit den Markterlös erheblich verringert.
Diese Aspekte sind bei der Rezeptur der „Alleinfuttermischungen“ zu berücksichtigen. Die Mischungen müssen ausreichende Gehalte an Eiweiß, Energie sowie Mineral- und Wirkstoffen (z. B. Vitamine) enthalten. Zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung erfolgt die Hühnermast als Phasenmast. Für jede Phase werden Alleinfuttermischungen erstellt, die – bei Sattfütterung der Tiere – den aktuellen Bedarf an den o.g. Stoffen vollständig abdecken.
Futtermittel und Fütterungsstrategien in der konventionellen Hühnermast
Für die Erstellung von Alleinfuttermischungen müssen – wie oben bereits ausgeführt – eiweiß-, energie- und mineralstoffliefernde Einzelfuttermittel (und Vormischungen) so kombiniert werden, dass eine bedarfsdeckende Versorgung gewährleistet ist.
Wichtige Eiweißfutterfuttermittel für die Hühnermast sind Sojaextraktionsschrot, Sonnenblumenextraktionsschrot (entschält), Rapsextraktionsschrot und Körnerleguminosen (Erbsen). In der konventionellen Hühnermast dominiert Sojaextraktionsschrot mit einem Rohproteingehalt von 48 % (SES-HP). Das Sojaextraktionsschrot bzw. die Sojabohnen werden seit vielen Jahren aus Nord- und Südamerika importiert. Mit diesen Importen erfolgt über die Fütterung und die Ausscheidungen der Tiere ein erhöhter Eintrag von Stickstoff und Phosphor in die Böden. Insbesondere in viehstarken Betrieben und Regionen besteht die Gefahr, dass die Oberflächengewässer eutrophieren und letztlich das Grundwasser belastet wird. Seit einigen Jahren richtet sich daher in Deutschland der Fokus auf den Einsatz von heimischen Eiweißfuttermitteln in der Nutztierfütterung. Der Sojabohnenanbau in Deutschland hat in den letzten Jahren zugenommen, wobei sich die Anbauflächen auf etwa 41.700 Hektar im Jahr 2024 erhöht haben. Bayern und Baden-Württemberg sind die Hauptanbauregionen, die zusammen etwa 80 % der deutschen Sojaanbaufläche ausmachen. Die Firma Archer Daniel Midland Company (ADM) verarbeitet seit einigen Jahren GVO-freie Sojabohnen aus deutschem bzw. europäischem Anbau („Donau-Soja“) in Straubing und Mainz zu Sojaextraktionsschrot.
Sojaextraktionsschrot basiert auf der eiweiß- und ölliefernden Pflanze Sojabohne. Per Öl- und Schalenentzug werden aus den Sojabohnen das Sojaextraktionsschrot (44 % Rohprotein; SES) bzw. das Hochprotein-Sojaextraktionsschrot (48 % Rohprotein; SES-HP) hergestellt. Bei der Sojabohne kann von einem Öl zu Schrot-Verhältnis von 20:80 ausgegangen werden (Bockisch 1993). Somit lassen sich aus 1 kg Sojabohnen etwa 0,8 kg SES (Standardware) erzeugen. Bei der Erzeugung von HP-SES ist zusätzlich der Schalenanteil abzuziehen (zumindest näherungsweise, weil auch beim HP-SES noch Schalenreste enthalten sind). Bockisch (1993) gibt einen Schalenanteil von 7 % an. Somit ist davon auszugehen, dass aus 1 kg Sojabohnen etwa 0,73 kg HP-SES erzeugt werden können. Sojaextraktionsschrot stellt in der konventionellen Hühnermast bislang das wichtigste Eiweißfuttermittel dar. Ein im Verlauf der Mast zunehmender Austausch durch heimische Eiweißfuttermittel ist möglich (Weindl et al. 2018).
Rapsextraktionsschrot (RES) basiert auf der eiweiß- und ölliefernden Pflanze Rapssaat. Die deutsche Rapsanbaufläche lag im Jahr 2024 bei rund 1,09 Millionen Hektar. Per Ölentzug wird aus der Rapssaat das Rapsextraktionsschrot (34 % Rohprotein). Bei der Rapssaat kann von einem Öl zu Schrot-Verhältnis von 40:60 ausgegangen werden (Bockisch 1993). Somit lassen sich aus 1 kg Rapssaat etwa 0,6 kg RES (Standardware) erzeugen. Das Nebenprodukt RES stellt zwischenzeitlich das wichtigste Eiweißfuttermittel in der Nutztierfütterung in Deutschland dar. Fütterungsversuche mit RES in der intensiven BroiIermast zeigen, dass in der Starterphase Mischungsanteile von 5 % und in der anschließenden Mastphase (I und II) 10 % RES in Alleinfuttermischungen ohne Leistungseinbußen eingesetzt werden können (Plesch und Bellof 2016).
Körnerfuttererbsen (20 % Rohprotein) stellen in Deutschland die wichtigste Körnerleguminose dar. Die Anbaufläche für Körnerfuttererbsen in Deutschland betrug im Jahr 2024 etwa 129.300 Hektar. Erbsen eignen sich sehr gut für den Fütterungseinsatz in der Geflügelfütterung. In der Broilermast können in der Starterphase 25 % und in der anschließenden Mastphase (I und II) 30 % Erbsen (weißblühend) in Alleinfuttermischungen ohne Leistungseinbußen eingesetzt werden (Bellof et al. 2020, Weindl et al. 2018). Hierbei ist allerdings auf eine Supplementierung mit essenziellen Aminosäuren (insbesondere Methionin) zu achten. Ackerbohnen (weißblühend, 26 % Rohprotein) werden deutschlandweit auf 61.700 Hektar angebaut (2024). Sie stellen ebenfalls mögliche Eiweißfuttermittel für die Geflügelfütterung dar. Die Mischungsanteile sind allerdings für die Hühnermast geringer anzusetzen als für die Erbsen (Bellof et al. 2020).
Als Energiefuttermittel werden in der Hühnermast vorrangig die Getreidearten Weizen und Körnermais eingesetzt. Daneben kommen Futterfette zum Einsatz. Die Mineral- und Wirkstoffe werden über spezielle Mineralstoffverbindungen sowie Vormischungen, welche Spurenelemente und Vitamine enthalten, bereitgestellt.
In Anlehnung an die Untersuchungsergebnisse von Weindl et al. (2018) können die in der Tabelle 1 dargestellten Alleinfuttermischungen für die dreiphasige Hühnermast empfohlen werden. Wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, kann in den Phasen 2 und 3 der Eiweißbedarf der Tiere überwiegend auf der Basis von Erbsen und RES abgedeckt werden. Bei Unterstellung folgender Futterverbrauchsmengen in den Phasen 1, 2 und 3: 0,304 kg; 1,238 kg und 3,16 kg pro Tier (42 Tage Mastdauer, Splittingverfahren), ergibt sich ein Futterverbrauch von insgesamt 4,70 kg pro Tier. Der Eiweißfuttermittelanteil beträgt 2,07 kg/Tier (entspricht 44 %). Der Verbrauch an RES und Erbsen liegt bei 1,37 kg/Tier. Der SES-Verbrauch beträgt lediglich 0,70 kg pro Tier (bzw. 15 % des gesamten Futterverbrauchs).
Tabelle 1: Zusammensetzung von Alleinfuttermischungen (AF) in der dreiphasigen Hühnermast (in Anlehnung an Weindl et al. 2018)
Welcher Futterflächenbedarf ergibt sich für eine Hühnermast auf der Basis heimischer Eiweißfuttermittel?
Zur Veranschaulichung der Konsequenzen einer landwirtschaftlichen (flächenbezogenen) Hühnermast auf der Basis heimischer Eiweißfuttermittel für den Gesamtbetrieb, wird von einer Mastanlage mit 39.900 Mastplätzen (Splitting-Verfahren) ausgegangen.
Aus den vom Zuchtunternehmen Aviagen für die oben genannte Herkunft Ross308 angegebenen Leistungsdaten ergeben sich 7,4 Durchgänge pro Mastplatz (unterstellt: 7 Tage Reinigungs- und Leerzeit pro Durchgang; Aviagen 2019). Für jede Phase wurde die benötigte Gesamtfuttermenge für die Masthühner im skizzierten Maststall (nach 35 Tagen: 30 % Vorgriff) berechnet. Hierbei wurden folgende Tierverluste unterstellt: Starter 2 %, Mast I 1 %, Mast II (vor Splitting) 0,5 %, Mast II (nach Splitting) 0,5 %. Für die Kalkulationen wird auf die in der Tabelle 1 dargestellten Alleinfuttermischungen zurückgegriffen. Als Eiweißfuttermittel werden Sojaextraktionsschrot (HP), Rapsextraktionsschrot und Körnerfuttererbsen (Erbsen, weißblühend) in den Mischungen „Starter“, „Mast I“ und „Mast II“ eingesetzt. Die in der Tabelle 1 ausgewiesenen Alleinfuttermischungen verfolgen den Ansatz, die erforderlichen Eiweißfuttermittel – zumindest kalkulatorisch – aus heimischem Anbau bereitzustellen.
Für die in der Tabelle 1 aufgeführten Futtermittel wurden in der Tabelle 2 die darauf basierenden Futterpflanzenanteile abgeleitet. Hierbei wurden Sojaextraktionsschrot mit dem Divisor 0,73 in Sojabohnen-Äquivalente und Rapsextraktionsschrot mit dem Divisor 0,6 in Rapssaat-Äquivalente umgerechnet.
Für die genannten Futterpflanzen wurden die im Erntejahr 2024 in Deutschland erzielten Durchschnittserträge unterstellt (Tabelle 3).
Tabelle 2: Futterpflanzenanteile (in %) – abgeleitet aus den Alleinfuttermischungen der dreiphasigen Hühnermast (siehe Tabelle 1)
Die Ergebnisse der Kalkulationen zum Futterpflanzenbedarf für den Maststall sind in der Tabelle 3 zusammengefasst. Es ergibt sich ein Bedarf an Futterpflanzen von insgesamt 11.575 dt und entsprechend 254,9 ha Futterfläche. Hierbei muss hervorgehoben werden, dass die angebauten Ölfrüchte (Sojabohnen und Rapssaat) nur mit ihren „Nebenprodukten“ in die Fütterung einfließen.
FAZIT
Es kann festgehalten werden, dass eine Hühnermast auf der Basis von heimischen Eiweißfuttermitteln in Deutschland möglich ist. Der zur Risikoabsicherung einzusetzende SES-Anteil ist vergleichsweise gering und kann – wie aufgezeigt – mittlerweile aus heimischem Sojabohnenanbau bereitgestellt werden. Die skizzierte Vorgehensweise hat zudem den Vorteil einer gentechnikfreien Fütterung. Dieser Aspekt gewinnt auch in der Vermarktung von Hähnchenfleisch an Bedeutung.