Zur Navigation springen Zum Inhalt springen
proteinmarkt.de - Infoportal für Fütterungsberater und Landwirte
Fermentation von Futtermitteln in der Schweinefütterung
-

Teil 1: Grundlagen der Fermentation

Schon die alten Römer gebrauchten gezielt die Fermentation zu ihrem Nutzen. Mit „Fermentum“ wurde damals zwar das gegorene Getränk (Bier) gemeint und nicht unbedingt dabei an die Schweinefütterung gedacht, die Grundlagen waren aber damals schon die gleichen. Fermentation ist nichts anderes als die Umsetzung von biologischen Substraten mit Hilfe von Bakterien, Pilz- oder Zellkulturen, aber auch durch den Zusatz von Enzymen. Wenn wir in den letzten Monaten und Jahren immer häufiger von Fermentation von Futtermitteln zum Zweck der Schweineernährung gesprochen haben, war dies nie auf die schon seit langer Zeit existierende Fermentation von Mais bezogen. Denn verfüttertes CCM oder Ganzkornsilagen sind nichts anderes als Fermentationsprodukte. Heute denken wir aber eher an die Fermentation von anderen Getreiden, Proteinfuttermitteln und Nebenprodukten. Manchmal wird auch die Fermentation von ganzen Futtermischungen diskutiert. Aber was steckt dort biologisch und chemisch dahinter, was beeinflusst das System und wie wirkt es sich auf das Tier aus? Einige dieser Fragen sollen im Folgenden geklärt werden.

Grundlage auch jeder Silage ist die Fermentation von Nährstoffen

Fermentation von Schweinefutter spielt sich in erster Linie in einer anaeroben (unter Luftabschluss) Umgebung ab, in der sich Bakterien entwickeln können, die bestimmte Stoffwechselprodukte erzeugen, die das zu fermentierende Substrat dann haltbar machen. Dies geschieht durch die Produktion von Milchsäure, in dessen Folge dann der ph-Wert des Substrates so weit abfällt, dass Verderbnisvorgänge nicht mehr stattfinden können. In den Anfängen der Fermentationsdiskussion vor 12 oder 15 Jahren ging man davon aus, dass in den Futtermitteln schon genügend Milchsäurebildner vorhanden sind und diese über eine Fermentation über mehrere Tage den gewünschten Effekt erzielen können. Leider war diese Überlegung nicht von Erfolg gekrönt, da man den Erfolg der Fermentation nicht ausreichend sicher machen konnte. In dessen Folge kippten regelmäßig die Fermente um und waren für die Verfütterung nicht mehr zu gebrauchen.

Homo- oder Heterofermentation?

Dies hat nichts mit einer wie auch immer gearteten sexuellen Ausrichtung von uns Menschen zu tun, sondern bezeichnet nur die Qualität der Stoffwechselprodukte der Bakterien. Die Bakterien werden im Zusammenhang mit dem Glucoseabbau in homo- oder heterofermentative Stämme unterschieden. Erstere bauen Glucose überwiegend zu Milchsäure (80 – 90 %) ab, wogegen bei heterofermentativen Stämmen der Substratabbau neben Lactat (Milchsäure) auch in beträchtlichem Umfang zu anderen Gärprodukten, wie Essigsäure, Ethanol und CO2 führt. Homofermentative Milchsäurebildner sind Anaerobier, die sich aber auch bei geringen Sauerstoffkonzentrationen entwickeln können. Neben Milchzucker wird in begrenztem Umfang Essigsäure und CO2, aber nicht Ethanol gebildet. Sie benötigen für ihren Zellstoffwechsel nur sehr geringe Mengen an Kohlenhydraten, haben dazu jedoch einen Bedarf an Aminosäuren, Vitaminen und bestimmten Mineralstoffen.

Für jeden Fermentationsansatz neue Starterkulturen nutzen!

Infolgedessen ist es heute üblich und für das Gelingen der Fermentation unerlässlich, gezielt Bakterienstämme nach ihrer Funktionsweise auszusuchen und zum Substrat, zumeist Getreide-Proteinfuttermischungen, zuzugeben. Im Laufe des Fermentationsprozesses verschiebt sich das Verhältnis dieser zugegebenen Milchsäurebakterien. Daher ist es wenig zielführend, aus dem fertigen Ferment Teile zu entnehmen und sie dem frischen Substrat als Starterkultur zuzugeben. Vielmehr sollten zu jedem frischen Ansatz „reine“ Starterkulturen zugegeben werden. Nur so lässt sich eine hocheffektive Fermentation, sprich schnelle ph-Wertabsenkung (3,5-4) gewährleisten.

Kulturen von Milchsäurebakterien müssen zu jedem Ansatz wieder frisch dazu gegeben werden.

Die Qualität des Substrats beeinflusst den Fermentationserfolg

Damit in kurzer Zeit eine ausreichend große Menge an Milchsäurebakterien entstehen kann, die eine ausreichende Milchsäureproduktion gewährleistet, sind als Nahrung der Bakterien Zucker und Stärke notwendig. Also eine reine Fermentation von Proteinfuttermitteln wie Soja- oder Rapsschrot funktioniert nicht. Im Substrat sollten also immer 40 – 50 % Getreide vorhanden sein. Aber auch hier Vorsicht, hygienisch nicht einwandfreie Futtermittel gefährden den Erfolg. Weisen die Substrate z.B. höhere Gehalte an Hefen auf, ist ein Verderb vorprogrammiert, denn Hefen können auch unter einen ph-Wert von 3,5 – 4 gedeihen und sich vermehren. Andere Keime, z.B. Colikeime haben da keine Chance mehr. Dies ist ebenfalls ein Grund für eine schnelle Absenkung des ph-Wertes auf unter 4. Versuche zeigen, dass auch mit Colikeimen geimpfte Getreide nach der Fermentierung keine höheren Werte aufweisen.

Temperatur entscheidend für bakterielle Vermehrung

Wie überall, wo chemische Reaktionen ablaufen spielen die Temperatur und die Zeit eine wichtige Rolle. Die für die Fermentation von Schweinefutter ausgesuchten Bakterienkulturen brauchen deutlich höhere Temperaturen als in den letzten Jahren gedacht. Zunächst wurde bei Zimmertemperatur von ca. 22 °C fermentiert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben aber gezeigt, dass bei 36 – 40°C deutlich bessere Leistungen erzielt werden können. So ist es dabei möglich, tatsächlich den Futterbrei innerhalb von 24 Stunden auf einen ph-Wert von unter 4 zu bringen. Durch eine Temperaturerhöhung von 20 auf 37°C verdoppelt sich nach 24-stündiger Fermentation der Michsäuregehalt im Ferment fast. Eine Verlängerung der Fermentationsphase bringt keinen deutlichen Abfall des ph-Wertes mehr mit sich. So dass heutige Empfehlungen zur Fermentation von Schweinefutter bei einer Dauer von 24h und einer Temperatur von 36 – 40°C liegen. Besonders begünstigt sind dabei Betriebe, die eine Biogasanlage haben und damit auf äußerst sinnvolle Weise ihre erzeugte Wärme nutzen können, indem sie das für den Vorgang nötige Prozesswasser, die Gärung läuft schneller im wässrigen Niveau ab, damit auf 40°C aufheizen können.

Abbildung 1: Einfluss der Fermentationstemperatur und -dauer auf den Milchsäuregehalt (Quelle ISF 2010)

Protein und Phosphor wird vom Tier besser verdaut

Welche Wirkungen hat das fermentierte Futter auf die Verdauung beim Schwein? In vielen Untersuchungen konnte bisher nachgewiesen werden, dass vor allem Eiweiß und Phosphor aus dem Schweinefutter nach der Fermentierung besser verdaut werden können. Der Einfluss auf die Kohlenhydrate ist noch nicht so klar.

Weltweite Untersuchungen der letzten Jahre zeigen Verdaulichkeitssteigerungen für das Rohprotein (auch für einzelne Aminosäuren) von 3 – 8%. Der kürzlich von Dr. Heinze von der TLL in Jena veröffentlichte Versuch bestätigt diese Daten. Er konnte eine um 6 % höhere Verdaulichkeit des Proteins in Mastschweinerationen zeigen. Die Gründe für die höhere Verdaulichkeit sind sicher vielschichtig. Diskutiert wird aber immer wieder der geringere ph-Wert des Futters, der schon im Magen die Proteinvorverdauung anregt und gleichzeitig eine stärkere Ausschüttung von Verdauungsenzymen in den Dünndarm anregt. Bei Ferkeln konnte gezeigt werden, dass fermentiertes Futter im Magen geringere ph-Werte erzeugte, im Dünndarm dagegen höhere, was mit der verstärkten Ausschüttung von Sekreten begründet wurde. Der resultierende Effekt daraus ist die mögliche Reduzierung von Rohprotein in den Mastschweinerationen, da durch eine verbesserte Verdauung die Nettomenge die gleiche bleibt. Zudem können dadurch etwas schlechter verdauliche Futtermittel wie Rapsextraktionsschrotfutter deutlich aufgewertet werden und als alleiniges Proteinfutter herangezogen werden. Zu achten ist aber darauf, dass die Mineralfutter, die ja heute üblicherweise freie Aminosäuren enthalten, erst nach dem Fermentationsprozess dem Futter zugesetzt werden. In amerikanischen Studien konnte nämlich gezeigt werden, dass die höhere Verdaulichkeit in erster Linie die pflanzengebundenen Aminosäuren betrafen. Zugesetzte, hochverdauliche Aminosäuren werden anscheinend gerne von den Bakterien zum Wachstum „gefressen“.

Phytinphosphor wird freigesetzt

Phosphor muss bisher den Schweinerationen zur Bedarfsdeckung aus mineralischen P-Quellen zugesetzt werden, weil mit den pflanzlichen Futterkomponenten bereitgestellter P nur teilweise verdaut werden kann. Durch die Bindung an Phytinsäure und das Fehlen von Phytat-spaltenden Enzymen kann der Phytat-P beim Schwein nur durch die in den Pflanzen differenziert verfügbaren Phytasen erschlossen werden. So liegt die P-Verdaulichkeit für Gerste bei 45 %, für Weizen bei 65 % aber für Mais nur bei 15 %. Durch die Fermentation wird die Phosphorverdaulichkeit deutlich erhöht. In der oben schon erwähnten Thüringer Studie betrug die Steigerung 12 %. Dass dies vor allem den phytingebundenen Phosphor betrifft zeigt diese Studie ebenfalls. Nach der Fermentation befindet sich im Futter nur noch gut die Hälfte Phytatphosphor.

Resultierend daraus kann bei der Verfütterung von fermentiertem Futter auf die Zugabe von mineralischem Phosphor verzichtet werden, wenn gleichzeitig dem Futter, was heute  ja schon üblich ist, noch zusätzlich Phytase zugegeben wird. Dies gilt vor allem dann, wenn Futtermittel eingesetzt werden, deren Anteil an phytingebundenem Phosphor sehr hoch ist, hier ist in erster Linie das Rapsschrot zu nennen.

Abbildung 2: Die Fermentierung beeinflusst die Phosphor- und Rohproteinverdauung positiv (Quelle: Heinze 2016)

Fermentiertes Futter beeinflusst die Tiergesundheit positiv

Der Slogan „Gesunder Darm – gesundes Tier“ ist zwar schon etwas älter, hat aber an seiner Aussagekraft nichts verloren. Hier setzen auch die Vorteile des fermentierten Futters an. Durch den niedrigen ph-Wert wird schon im Futter und im Magen der Keimbesatz stark reduziert. Zudem zeigen Untersuchungen den probiotischen Effekt des fermentierten Futters. Dabei nehmen die mit dem Futter zugeführten Milchsäurebildner den Platz von unerwünschten Bakterien ein (Salmonellen, E. coli). Dies führt zu einem gesünderen Darm und weniger Energieverlusten.

Höherer Unternehmensgewinn bei Fermentation

Neue Berechnungen von Berater Wilfried Brede vom Serviceteam Alsfeld zeigen auch rechnerisch die Vorteilhaftigkeit der Fermentierung von Schweinefutter. Unter der Annahme, dass die in Feldversuchen gezeigten Verbesserungen der Tageszunahme (+30g), des Futteraufwandes (-0,25 kg/kg) und der Tierverluste (-2%) eintreffen, ermittelt er höhere Unternehmensgewinne von 5 – 9 €/Mastplatz je nach Energiekosten, die für die Erwärmung des Wassers, das für die Fermentierung benötigt wird, im Betrieb zutreffen. Dies hat er für einen Stall mit 1500 Mastplätzen berechnet. Dabei kamen höhere Kosten durch die Investition der Anlage (38000 €), zusätzliche Energiekosten pro Jahr von 3500 bis 10700 Euro, Kosten von ca 0,5 € für die Bakterienmischungen und leicht höherer Arbeitskosten zum Ansatz.

Abbildung 3: Vollkosten je Mastschwein beim Einsatz der Fermentation bei unterschiedlichen Energiekosten (Quelle: Wilfried Brede STA Alsfeld 2023)

Abbildung 4: Unternehmergewinne je Mastplatz beim Einsatz der Fermentation bei unterschiedlichen Energiekosten (Quelle: Wilfried Brede STA Alsfeld 2023)

Die Kontrolle der ph-Werte des Fermentates muss regelmäßig durchgeführt werden

FAZIT

Den höheren Kosten für Bakterienkulturen, Wasseranwärmung und technischer Umsetzung stehen die folgenden Vorteile bei der Verfütterung von fermentiertem Futter gegenüber:

  • Erhöhung der Milchsäurebildung im Futter
  • Absenkung des ph-Wertes im Futter und Magen
  • Geringere Keimbelastung im Futter
  • Gesünderer Darm durch probiotischen Effekt (Antibiotikaeinsparung)
  • Bessere Verdaulichkeit von Protein und Phosphor
  • Damit Entlastung von Tier und Umwelt
  • Verzicht auf mineralischen Phosphor möglich
  • Erhöhung der Futteraufnahme (geschmackliche Vorteile)
  • Größere Homogenität des Futterbreies

Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist der Einsatz von fermentiertem Futter auf jeden Fall begrüßenswert. Für Betriebe, die sehr stark mit CCM oder Ganzkornsilage (Mais) arbeiten, hat eine zusätzliche Fermentation der restlichen Futtermittel keinen Sinn. Es blieben nur die Eiweißfuttermittel übrig, die aber aufgrund des Fehlens von Zucker und Stärke nicht ausreichend Nahrung für die Milchsäurebildner liefern und somit eine ordentliche Fermentation nicht möglich machen.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Manfred Weber
Klein Schwechten
Tel.: 039388/28423
E-Mail: manfred.h.weber(at)gmx.de

Fotos: Dr. Manfred Weber