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Ergebnisse aus dem Köllitscher Fütterungstest – Hofeigene Sojavollbohnen in Milchkuhrationen
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100 Jahre Sojaprotein in der Milchkuhfütterung

1878 veröffentlichte Friedrich Haberlandt, Professor für Pflanzenbaulehre an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, die Schrift „Die Sojabohne“. In dieser berichtete er über umfangreiche Studien und Versuche zum Anbau der Leguminose in Mitteleuropa. Darunter waren auch Erfolgsberichte von mitteldeutschen Landwirten und Gärtnern.

Aufgrund der Ergebnisse und der Begeisterung in der Wissen- und Bauernschaft sagte er der Feldfrucht eine große Zukunft voraus. Haberlandt verstarb im Erscheinungsjahr seines Buches und musste nicht erfahren, dass dies zunächst eine Vision blieb. Zwar wurden die Bohnen im geringen Umfang weiter angebaut, fanden aber selten den Weg in die Futterkrippe. Dafür waren insbesondere die geringen und instabilen Erträge verantwortlich.

In den wohl bedeutendsten Werken der Tierernährung des 20. Jahrhunderts „Die Ernährung landwirtschaftlicher Nutztiere“ und den daraus formulierten „Grundzügen der Fütterungslehre“ Oskar Kellners, welches 1907 bis 1911 in 4 Auflagen durch Kellner selbst und nach 1911 bis 1966 von Fingerling, Scheunert bzw. Becker in weiteren 11 Auflagen erschien, finden erst ab der 6. Auflage (1920) Sojafuttermittel Erwähnung. In den futtermittelkundlichen Schriften des 20. Jahrhunderts wurde zudem vermerkt, dass Sojafuttermittel importierte Produkte aus Übersee darstellen. Der Anteil in den Milchkuhrationen blieb bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts aber eher gering. Während in der BRD, insbesondere aufgrund der engen Handelsbeziehungen zu Nordamerika, der Anteil an Sojaextraktionsschrot in den Milchkuhrationen nach Kriegsende zunahm, war in der DDR ihr geringfügiger Einsatz wenigen staatlichen Zuchtbetrieben vorbehalten.

Sojavollbohnen können nur dann Rapsextraktionsschrot in Milchkuhrationen komplett ersetzen, wenn sie zuvor wärmebehandelt werden.

Sojaextraktionsschrot ist ein Nebenprodukt der Ölproduktion aus der Vollbohne. Der Proteingehalt ist dabei besonders erhöht. In Westdeutschland stieg der Anteil an Sojaextraktionsschrot in den Milchkuhrationen, aber selten über die Empfehlung in Kellners Buch von 1,5 – 2 kg je Kuh und Tag. Erst seit Beginn des 21. Jahrhunderts, mit der Leistungsexplosion, nahm auch der Einsatz des Schrotes in der gesamtdeutschen Milchkuhfütterung sprunghaft zu. Im Freistaat Sachsen deckte Sojaextraktionsschrot bis 2009 nahezu 50 % des Gesamtproteinbedarfs der Milchkühe. In den Rationen waren bis zu 4 kg des Schrotes zu finden.

Ab 2010, mit der zunehmenden Umstellung der Molkereien auf „gentechnikfreie“ Milch – genauer gesagt: Milch von gentechnikfrei gefütterten Kühen –, ging der Anteil jedoch schnell wieder zurück. Er beträgt aktuell noch rund 8 %. Aufgrund der zunehmenden Kritik am hohen Eiweißfuttermittelimport in die EU und auch angeregt durch klimatische Veränderungen fehlt es aktuell nicht an Bemühungen durch Eiweißfutterinitiativen, Netzwerkverbünde, Interessenvertretungen und Erzeugergemeinschaften, den Sojaanbau mit Lobby und Fachlichkeit zu unterstützen. Nach Informationen des Deutschen Sojaförderrings e.V. wurden in Deutschland 2019 auf rund 29.200 ha Soja angebaut. Anbauschwerpunkte waren Bayern (15.700 ha) und Baden-Württemberg (7.668 ha). Die damit in Deutschland angebauten Sojabohnen entsprachen ca. 2 % der jährlich hierzulande benötigten Sojabohnen.

Futterwert von Sojavollbohnen

Beim Vergleich von ausgewählten Tabellenwerten von Nährstofffraktionen fällt auf, dass es kaum größere Unterschiede zwischen den Angaben der verschiedenen Literaturquellen der letzten 100 Jahre gibt (Tabelle 1).

Tabelle 1: Futterwertkennzahlen von Sojavollbohnen aus verschieden Futterwerttabellen

Die Bohne besteht zu einem Drittel aus Eiweiß und zu 18 % aus Fett. Die in jüngerer Literatur zitierten höheren Fasergehalte hängen häufig mit dem Schalenanteil der zumeist hofeigenen einheimischen Sojabohnenpartien zusammen. Da die NDF von Sojaschalen aber für Wiederkäuer hochverdaulich sind, ist deren Anwesenheit nicht unerwünscht. Für die Wiederkäuerernährung enthält die Sojabohne generell wenig sekundäre Inhaltsstoffe bzw. Antinutritiva, welche Einsatzgrenzen erzwingen. Bekannt sind Stoffe, wie Trypsininhibitoren, Phytinsäure, Hämaglutenine oder Lipooxidasen, welche in der Monogasterfütterung durchaus zu Einsatzrestriktionen oder reduzierenden Behandlungsoptionen führen können. In der Wiederkäuerfütterung sei ggf. die relativ hohe Konzentration an Urease erwähnenswert. Beim gleichzeitigen Einsatz von Sojavollbohnen mit Futterharnstoff könnte es zu einer schnellen Freisetzung von Ammoniak bereits in der Futtermischung kommen, welche zur Beeinträchtigung von Futteraufnahme und zu einer Übersättigung an Ammoniakkonzentration in den Vormägen führen kann.

Beim Einsatz von Vollbohnen an Wiederkäuer ist der Fettgehalt zu beachten. Bei  einer Restriktion von max. 800 g ungeschütztem Fett in der Tagesration für Milchkühe könnten jedoch fast 4 kg Sojabohnen gefüttert werden. Der erhöhte Zuckergehalt von ca. 100 g je kg Sojavollbohne erfordert keine strengere Restriktion, wenn nicht bereits die Restration sehr hohe Zuckergehalte aufweist. In der Literatur werden zum Teil sensorische Veränderungen der Milch (Geruch, Geschmack) beschrieben, wenn mehr als 2 kg Vollbohnen verfüttert wurden. Dies wird auf den hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren und deren aerobe Instabilität (Peroxidbildung, Fettbegleitstoffe) zurückgeführt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass der hohe Gehalt an ungesättigten Fettsäuren auch die Butterfettkonsistenz und deren Haltbarkeit (weiche Butter, hohe Jodzahl) beeinflussen kann. Eine Einsatzempfehlung (futtermittelspezifische Restriktion) von maximal 3 kg Vollbohnen je Kuh und Tag scheint in Summe der erwähnten Hinweise sicher zu sein.

Proteinqualität von Sojabohnen

Mit steigender Milchleistung (>25 kg/Tier und Tag) muss die Proteinversorgung zunehmend durch Futterdurchflussprotein (UDP) ergänzt werden. Proteinkonzentrate zur Ergänzung von Milchkuhrationen im hohen Leistungsbereich sind nur dann wirklich sinnvoll und auch preiswürdig, wenn sie hohe UDP-Gehalte aufweisen. Um 1 kg Rapsextraktionsschrot (RES) zu ersetzen, bedarf es aus Sicht des Rohproteins nur ca. 1 kg Sojavollbohnen. Um 1 kg RES (35 % UDP des Rohprotein) aus Sicht des UDP zu ersetzen, müssen aber 1,2 – 1,6 kg rohe Sojavollbohne (15 - 20 % UDP des Rohproteins) eingesetzt werden. Die Preiswürdigkeit der Sojaprodukte müsste somit um 1 Drittel günstiger sein als vom RES.

Daher wurde der Einfluss von Wärmebehandlung auf die Proteinqualität von Sojavollbohnen untersucht. Allgemein verbessert eine Wärmebehandlung die Lagerstabilität (max. Restfeuchte 6 %), die Akzeptanz (Inaktivierung geschmacksbeeinflussender Stoffe und Verzuckerung, Entfernung unerwünschter flüchtiger Substanzen) und es findet eine gewisse Hygienisierung des Futtermittels statt.

Aus unseren Versuchen mit dem Eco-Toaster der Firma Agrel stieg mit steigender Temperatur bis ca. 170 °C der Anteil pansenstabilen Proteins signifikant um das 3fache an (Abbildung 1). Die Proteinlöslichkeit reduzierte sich um den Faktor 5. Ab ≥ 190 °C waren jedoch drastische Proteinschäden erkennbar. Ein Viertel des Eiweißes war so stark geschädigt, dass die Sojabohnen als unverdaulich und denaturiert gewertet werden müssen. Der Lysin- und Arginingehalt war bis um 50 % reduziert und die Summe von Maillardprodukten, als Indikator für die Hitzeschädigung des Eiweißes, war 8 g/kg höher als im Ausgangsmaterial.

Abbildung 1: Einfluss der Wärmebehandlung mit dem Eco-Toaster der Firma Agrel auf die Proteinfraktionen von Sojavollbohnen (Kuhnitzsch und Steinhöfel, 2020)

Sojafuttermittel sind per se methioninarm (ca. 1 % des XP), aber lysinreich (> 6 % am XP). Doch bereits bei 170 °C Einblastemperatur war zwischen handelsüblichem Rapsextraktionsschrot und behandelter Sojavollbohne kein Vorteil vom Soja mehr nachweisbar. Die Wärmebehandlung bleibt somit zwar notwendig, muss aber dringend standardisiert und restriktiv erfolgen, um sie gewinnbringend für den Futterwert nutzen zu können. Hier ist dringend ein Erkenntnisfortschritt gefordert. Einerseits braucht es verlässliche laboranalytische Parameter zur Kontrolle von Handelsware, Dienstleistung und auch hofeigenen Verfahren. Andererseits muss das Verfahren der Wärmebehandlung strenger definiert werden, um die Vielfalt der Verfahrenslösungen, Parameter und Kombinationen bewerten zu können.

Ob sich die Wärmebehandlung in Dienstleistung rechnet, entscheidet sowohl der gewünschte Schutzeffekt für das Reineiweiß (UDP-Gehalt) als auch der Marktpreis von Alternativfuttermitteln wie Rapsextraktionsschrot. In Tabelle 2 ist dargestellt, wie viel die Wärmebehandlung maximal kosten darf, um bei unterschiedlichen RES-Preisen den UDP-Gehalt am Rohprotein in Sojaprodukten von 20 auf 45 % zu steigern.

Tabelle 2: Berechnungen zur Preiswürdigkeit der Wärmebehandlung von Sojavollbohnen

Sojabohnen im Köllitscher Fütterungstest

Die Sojavollbohne aus Köllitscher Ernte wurde mit einer Einblastemperatur von 140°C bei einem Durchsatz von 100 kg/h mit einem Eco-Toaster der Firma Agrel hofeigen getoastet und anschließend für die Verfütterung geschrotet. In der Tabelle 3 sind ausgewählte Futterwertdaten der Vollbohnen im Vergleich zum Rapsextraktionsschrot zusammengestellt. Während sich die beiden Proteinkonzentrate nur geringfügig im Proteingehalt unterscheiden, sind die Differenzen im Fett-, Stärke- und damit Energie- und Fasergehalt sehr deutlich.

Tabelle 3: Futterwertdaten der Köllitscher Sojavollbohnen im Vergleich zum Rapsextraktionsschrot

Rapsextraktionsschrot hatte erwartungsgemäß einen höheren Methioningehalt. Die über die Proteinfraktionen und den modifizierten HFT geschätzten UDP-Gehalte im Rohprotein waren wiederum bei den getoasteten Sojabohnen signifikant höher.

In einem 60tägigen Fütterungsversuch mit jeweils 2 homogen zusammengesetzten Gruppen mit je 30 Milchkühen (ca. 40 kg Milchleistung je Kuh und Tag) im LVG Köllitsch wurden 3,3 kg TM Rapsextraktionsschrot vollständig durch 2,9 kg TM hofeigenes getoastetes Sojavollbohnenschrot, ohne weitere Rationskorrekturen, ausgetauscht. Untersucht wurden der Einfluss auf Futteraufnahme, Milchleistung und Milchzusammensetzung sowie diverse Indikatoren in Kot und Harn.

In der Tabelle 4 sind die beiden Testrationen und der Fütterungserfolg dargestellt. In den gefütterten Rationen waren die nachgewiesenen signifikanten Unterschiede auf den erwartet höheren Fett- und folglich höheren Energiegehalt der Sojaration sowie einen höheren Anteil an UDP5 im Rohprotein der Ration begrenzt.

Tabelle 4: Ergebnisse aus dem Köllitscher Fütterungstest

Die Futter- und NDF-Aufnahme lag auf dem erwartet hohen Niveau und unterschied sich zwischen den Fütterungsgruppen nicht. Der Einfluss der höheren Fett-, Stärke- und Energiegehalte der Sojabohne war in der TMR-Analyse nicht nachweisbar und auch bei der Futteraufnahme nicht wirksam. Während sich die höhere ruminale Stickstoffbilanz (RNB) der Rapsgruppe sowohl im höheren Harnstoffgehalt der Milch und in einer höheren N-Ausscheidung über den Harn nachweisen ließ, blieb die signifikant geringere Methioninaufnahme der Sojagruppe ohne erkennbare Folgen. Im Gegenteil, der Milcheiweißgehalt der Sojagruppe war letztlich um 0,1 %-Punkte höher, was womöglich auf die rechnerisch ermittelt höhere Aufnahme an UDP hindeuten könnte. Die rechnerische Bilanz zwischen N-Aufnahme und N-Abgabe über die Milch unterschied sich letztlich zwischen den Gruppen nicht.

Fazit

Hofeigen erzeugte Sojavollbohnen können Rapsextraktionsschrot vollständig in Milchkuhrationen für eine Tagesmilchleistung von fast 40 kg ersetzen. In der Köllitscher Testration wurde letztlich kein importiertes Futtereiweiß mehr eingesetzt. Der Einsatz von knapp 3 kg Sojavollbohnen erwies sich im Fütterungserfolg gleichwertig und in der N-Ausnutzung sogar überlegen.

Die Vollbohnen müssen jedoch vor ihrem Fütterungseinsatz definiert wärmebehandelt werden. Hierzu sind dringend weitere Untersuchungen nötig, um das Verfahren der Wärmebehandlung zu definieren und letztlich zu kontrollieren. Auch die Entwicklung hofeigener oder mobiler Toaster ist notwendig, um arbeits- und energieeffizient wärmebehandeln zu können. Um preiswürdig Rapsextraktionsschrot aus der Milchkuhration zu verdrängen, darf die Einheit getoasteter Sojavollbohnen nicht mehr als 14 % über dem Rapsextraktionsschrotpreis liegen.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Olaf Steinhöfel

SÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT,
LANDWIRTSCHAFT UND GEOLOGIE
04886 Köllitsch
Am Park 3
Tel.: +49 34222 46 2200
Fax: +49 34222 46 2099

Foto (Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge)