Der größte Teil der organischen Pflanzensubstanz besteht aus Kohlenhydraten. Diese stellen den Hauptteil der tierischen und menschlichen Nahrung dar und bilden damit mengenmäßig den wichtigsten Energieträger. Fast die Hälfte aller Kohlenhydrate ist Zellulose.
„Eiweißveredelung“ durch Milchkühe
Diese stellt die Gerüstsubstanz der Pflanzen dar. Zellulose besteht, genau wie Stärke auch, aus Glukose, nur mit dem einen entscheidenden Unterschied, nämlich, dass bei der Zellulose die verschiedenen Glukoseeinheiten ß-glykosidisch verknüpft sind. Bei der Stärke hingegen sind die Glukoseeinheiten α-glykosidisch verbunden. Dieser kleine Unterschied entscheidet über die Art der Verdauung eben dieser verschiedenen Kohlenhydrate. Für die Spaltung der α-glykosidischen Verbindungen produzieren höhere Lebewesen entsprechende körpereigene Enzyme. Hingegen gibt es für die Verdauung von Zellulose keine körpereigenen Enzyme bei höheren Lebewesen. Nur Bakterien erzeugen für die Verdauung dieser Zellulose die notwendigen Zellulasen.
Eine Milchkuh benötigt im Jahr ca. eine Tonne Eiweiß. Ungefähr 86 % davon sind vom Menschen nicht nutzbar.
Insofern können Wiederkäuer aufgrund ihrer Pansenmikroorganismen, die mehrere Kilogramm umfassen, beachtliche Mengen an zellulosereichem Material verdauen. Das ist monogastrischen Tieren, wie z. B. Schweinen und Geflügel, und eben auch dem Menschen nicht möglich. Die Nutztiere Schweine und Geflügel haben mit dem Menschen bezüglich der Ausgestaltung des Verdauungsapparates viel gemeinsam, so dass die Verdauung weitestgehend enzymatisch abläuft (abgesehen von einer sehr untergeordneten Bedeutung der bakteriellen Verdauung im Dickdarm). Daher gelten Schweine und Geflügel auch als direkte Nahrungskonkurrenten des Menschen. Wiederkäuer hingegen, die sich zum größten Teil aus zellulosereichem Futter ernähren, stellen kaum eine Konkurrenz um die Nahrung des Menschen dar.
Rationen von Milchkühen
Dieses bedeutet aber nicht, dass Kuhmilch zu 100 % aus für den Menschen nicht verdaubarem Futter erzeugt wird. Hier kommt es nämlich sehr auf die Art der Fütterung der Milchkühe an und diese steht in engem Zusammenhang zur Milchleistung der Kuh.
Eine Kuh (z. B. 650 kg schwer) mit einer Tagesmilchleistung von 20 kg könnte z. B. ausschließlich mit einer sehr guten Grassilage (6,3 MJ NEL/kg TM) versorgt werden und müsste von dieser 16,5 kg TM aufnehmen. Diese Ration bestünde dann zu 100 % aus Futter, welches der Mensch nicht essen würde bzw. nicht verdauen könnte.
Eine Kuh mit einer Milchleistung von 31 kg (4 % Fett, 3,4 % Eiweiß) am Tag müsste zum einen mehr Futter und zum anderen auch Kraftfutter aufnehmen. Eine solche Beispielration in Anlehnung an typische und im Durchschnitt der Schleswig-Holsteinischen Betriebe auch übliche etwas maissilagebetonte Milchkuhrationen zeigt die Übersicht 1.
Übersicht 1: Futterration für eine Kuh (650 kg Gewicht) mit einer Tagesleistung von 31 kg Milch (4 % Fett, 3,4 % Eiweiß)
Für die folgende Beispielrechnung wird unterstellt, dass diese Milchkuh im Jahr eine 305 Tage-Laktation mit eben dieser Leistung von durchschnittlich 31 kg je Tag aufweist und folglich 60 Tage trockensteht, davon 46 Tage in der Früh-Trockenstehphase (TS I) und 14 Tage in der Vorbereitergruppe (TS II). Die Futterration für die Früh-Trockenstehphase besteht hauptsächlich aus Grassilage, etwas Stroh und einem Trockenstehermineral. Die Ration für die Vorbereiter ist in Anlehnung an die Ration für die laktierenden Kühe zusammengestellt (Übersicht 2).
Daraus ergibt sich eine Futtermenge von 7,03 Tonnen, welche die Kuh im Jahr an Trockenmasse aufnimmt. Diese besteht zu 70,1 % aus Grundfutter Gras-, Maissilage und Stroh, 29,0 % aus Kraftfutter und 0,9 % aus Mineralfutter (Übersicht 3).
Zusammensetzung der Futterration für eine Milchkuh (mit durchschnittlich 31 kg Milch pro Laktationstag) im Jahr (%-Anteil an der Gesamt-Trockenmasseration)
Eiweißverbrauch der Milchkuh
Werden nun die von der Kuh benötigten bzw. aufgenommenen Mengen aller Futtermittel mit deren Eiweißgehalten (XP-Gehalt) multipliziert, ergeben sich als Jahresverbrauch 1,04 Tonnen Eiweiß je Kuh. Hierbei sind praxisübliche Rohproteingehalte aller Rationskomponenten unterstellt worden. Dabei gelten die oben bereits getroffenen Annahmen: 305 Laktationstage mit 31 kg Milch/Tag, 46 Tage in der Früh-Trockenstehphase und 14 Tage in der Vorbereitungsphase. (Übersicht 4).
Übersicht 4: Futter- und damit aufgenommene Eiweißmenge je Kuh und Jahr (305 Laktationstage mit 31 kg Milch/Tag, 46 Tage in der Früh-Trockenstehphase und 14 Tage in der Vorbereitungsphase)
Bei der aus der gesamten Maispflanze bereiteten Silage kann unterstellt werden, dass die Maiskörner im Kolben ebenfalls direkt vom Menschen verdaut werden können, die Lieschblätter und die Spindel des Kolbens sowie die gesamte Restpflanze aber nicht. Überschlägig entfallen auf das gesamte zellulosereiche Material der Maispflanze mindestens 50 %, die vom Menschen nicht verzehrt werden.
Die Grassilage und das Getreidestroh stellen keine für den Menschen nutzbaren Nahrungsmittel dar.
Die Komponenten Roggen und Körnermais bestehen zum größten Teil aus Stärke. Diese besteht, wie eingangs beschrieben, aus α-glykosidisch verbundenen Glukoseeinheiten und kann zu 100 % mittels körpereigener Enzyme vom Menschen verdaut werden. Daher sind diese stärkereichen Komponenten unstrittig durch Monogastrier und demnach auch vom Menschen direkt verzehr- und verdaubar.
Das Futtermittel Trockenschnitzel ist ein Nebenprodukt aus der zuckerverarbeitenden Industrie. Das Ausgangsprodukt Zuckerrübe wird primär zur Gewinnung von Zucker für die Lebensmittelindustrie angebaut. Nach dem gesamten Verarbeitungsprozess bleiben die restlichen und zwar faserhaltigen Bestandteile (Zellwandbestandteile) der Zuckerrübe übrig. Diese Schnitzel werden für die menschliche Ernährung nicht genutzt.
Beim Rapsextraktionsschrot sieht es ähnlich aus. Raps wird, genauso wie Zuckerrüben, nicht primär für die Verfütterung an Tiere angebaut. Der Rapsanbau dient der Ölgewinnung. Als Nebenprodukt dieser Ölverarbeitung entsteht faserhaltiges Rapsextraktionsschrot, welches, genau wie die Trockenschnitzel, nicht der menschlichen Ernährung dient.
Eiweißlieferung für die Milchkuh
Ausgehend von diesen Überlegungen wird für die folgende Berechnung demnach unterstellt, dass die Eiweißmenge, welche die Kuh über die Komponenten Roggen und Körnermais aufnimmt, ebenfalls vom Menschen direkt nutzbar wäre, da der Mensch diese Nahrungsmittel verdauen kann.
Bei der Maissilage wird unterstellt, dass 50 % der damit gelieferten Eiweißmenge menschlich nutzbar wäre, nämlich über die Maiskörner.
Damit sind von den von der Kuh im Jahresverlauf benötigten 1,04 Tonnen Eiweiß (Rohprotein) (siehe Übersicht 4) 898 kg, also 86 %, nicht vom Menschen nutzbar.
Milchkühe können aus 1 Gramm menschlich verzehrbarem pflanzlichen Eiweiß mehr als doppelt so viel tierisches, für den Menschen hochwertiges Eiweiß in Form von Milcheiweiß erzeugen.
Erzeugte Menge an tierischem Eiweiß
Folglich wären 14 % der pflanzlichen Eiweißmenge, welche die Kuh im Jahresverlauf zu sich nimmt, also 142 kg, direkt vom Menschen verzehr- und damit nutzbar. Dieser pflanzlichen Eiweißmenge steht eine mehr als doppelt so hohe Menge an Milcheiweiß, welches die Kuh daraus erzeugt, gegenüber. Bei der bereits oben erwähnten Beispielkuh, die 305 Tage im Jahr täglich 31 kg Milch mit 3,4 % Milcheiweiß liefert, ergeben sich nämlich 321,5 kg hochwertiges, menschlich nutzbares Milcheiweiß pro Jahr. Das entspricht einem Verhältnis von 1:2,26.
Ferner muss ebenfalls noch die von der Kuh bereitgestellte Fleischmenge berücksichtigt werden. Die folgende Beispielrechnung verdeutlicht dieses. Dabei werden eine 3jährige Nutzung der Milchkuh und eine Lebensleistung von 28.000 kg Milch angenommen. Ferner wird unterstellt, dass die Kuh 3 Kälber hervorbrachte. Würden diese ausnahmslos weiblich sein (Einsatz von weiblich gesextem Sperma bei hochleistenden Milchkühen) und damit z. B. 12 Wochen lang mit durchschnittlich 8 l Vollmilch getränkt und würden dann nochmals je Laktation 5 Tage unterstellt, an denen die Milch nicht verkehrsfähig ist (z. B. aufgrund einer Mastitis), ergeben sich insgesamt 2.391 kg Milch, die nicht verkauft werden konnten. Bei einer Unterstellung eines normalen Geschlechterverhältnisses bei den Kälbern hingegen würden 1,5 Kälber männlich sein und nach 14 (zukünftig 28) Tagen den Betrieb verlassen, also auch nur 14 (bzw. 28) Tage mit Milch versorgt. Damit reduziert sich die im Betrieb vertränkte Milch um 840 kg und erhöht sich folglich um diese Menge die verkaufte Milch.
Wird dann weiterhin angenommen, dass die Milchkuh am Ende ihrer letzten Laktation 700 kg wiegt und nicht extra noch aufgemästet wird, so ist erfahrungsgemäß mit einer Ausschlachtung von weniger als 50 % zu rechnen. Bei unterstellten 49 % Ausschlachtung ergeben sich folglich 343 kg Schlachtgewicht. Würde dieses der Menge an Fleisch gleichgesetzt werden, ergeben sich 13 g Fleisch, welche je Kilogramm verkaufter Milch von der Kuh – quasi als Koppelprodukt – zusätzlich erzeugt werden.
Rindfleisch enthält bis zu 22 % Eiweiß, welches, ebenso wie die Kuhmilch, eine für den Menschen sehr hohe Qualität aufweist.
FAZIT
Die angeführten Berechnungen stellen lediglich Beispielrechnungen dar, da sie auf zahlreichen Annahmen basieren und sich im speziellen Einzelfall durchaus andere Situationen (insbesondere Leistung, Futtergrundlage und Rationsgestaltung der Kühe) ergeben. Auch ist sich die Autorin darüber im Klaren, dass Grassilage nicht grundsätzlich und ausschließlich vom Dauergrünland erzeugt wird, sondern auch vom Ackerland, so dass hier bei einer Nutzungsänderung ebenfalls Früchte angebaut werden könnten, die direkt der menschlichen Ernährung dienen können.
Aber dennoch bleiben bei zahlreichen angebauten Kulturen, wie z. B. Getreide oder Mais immer auch größere Mengen an faserhaltiger Pflanzensubstanz übrig, die eben nur Pflanzenfresser und insbesondere Wiederkäuer veredeln können, ganz zu schweigen von Grünlandflächen.
Milchkühe erzeugen aus faserhaltigen Komponenten und deren Protein, welches eben nicht direkt vom Menschen nutzbar ist, Eiweiß höchster Qualität in Form von Milch und Fleisch, welches der menschlichen Ernährung dient.
Bei praxisüblicher Fütterung von Milchkühen ergibt sich, dass diese aus 1 Gramm menschlich verzehrbarem pflanzlichen Eiweiß mehr als doppelt so viel tierisches, für den Menschen hochwertiges Eiweiß erzeugen.
DER DIREKTE DRAHT
Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel/Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Fachbereich Agrarwirtschaft, Osterrönfeld
Email: katrin.mahlkow-nerge(at)fh-kiel.de
Tel.: 04331/845138