Neben den positiven Effekten auf die Entwicklung und das Wachstum von Kälbern, haben Raufutter-Komponenten auch einen positiven Effekt auf das Verhalten und Wohlergehen von Kälbern. In den meisten Milchkuh-Betrieben werden Kälber restriktiv mit Milch versorgt. Dabei sind sehr geringe tägliche Milchmengen nicht unüblich. So fütterten z.B. in der Untersuchung westdeutscher Betriebe über 25 % der Betriebe weniger als 6 l Milch je Kalb und Tag.
Es ist bekannt, dass unter diesen Bedingungen Kälber Anzeichen von Hunger zeigen und auch abnormale Verhaltensmuster, wie das Saugen an Einrichtungsgegenständen oder anderen Kälbern. Horvath und Miller-Cushon et al. (2017) konnten in ihrer Untersuchung zeigen, dass bei Kälbern, die mit 6 l Milch/Tag über einen offenen Eimer getränkt wurden, die Dauer von abnormalen Saugverhaltensweisen durch ein Heu-Angebot fast um die Hälfte niedriger war, als bei Kälbern, denen kein Heu angeboten wurde.
Abnormales Saugverhalten, wie z.B. das gegenseitige Besaugen von Kälbern, wird auch als ein Risikofaktor für die Entwicklung von Nabelentzündungen beschrieben, welche in der PraeRi-Studie als Krankheit mit der höchsten Prävalenz unter Milchviehkälbern identifiziert wurde.
Das Angebot von Heu könnte somit, neben einer Erhöhung der Milchmenge und anderen Maßnahmen, auch zu einer besseren Kälbergesundheit beitragen.
Horvath und Miller-Cushon stellten in einer späteren Studie fest, dass neben dem Rückgang an unnatürlichen Saugmustern auch die Anzahl an Besuchen am Tränke-Automaten ohne Anrecht bei restriktiver Fütterung, welches als ein Anzeichen von Hunger identifiziert wurde, durch die Gabe von Heu deutlich reduziert werden konnte (ohne Heu: 21,1 Besuche in 12 h; mit Heu: 12,5 Besuche in 12 h). Außerdem zeigte sich in der Studie, dass Kälber, denen Heu zur Verfügung stand, häufiger und mehr Zeit mit Selbstpflege während des Absetzens verbrachten. Dieses deutet wiederum auf ein höheres Wohlergehen und weniger Stress hin.
Durch die Zugabe von Raufutter wird nicht nur die Entwicklung abnormaler Verhaltensmuster reduziert, sondern auch erwünschtes Verhalten, wie z.B. das Wiederkauen, gefördert. Downey und Tucker (2023) untersuchten das Verhalten und die Futteraufnahme von Kälbern, die entweder kein Heu, Heu über einen Eimer oder Heu über eine Röhre mit Löchern zur Verfügung gestellt bekamen. Beide Heu-Varianten wirkten sich positiv auf die Futteraufnahme der Kälber und reduzierend auf das Vorkommen von abnormalen Verhaltensmustern aus. Die Autoren schlussfolgerten, dass ein erschwertes Angebot, wie z.B. das über eine Röhre, keinen zusätzlichen positiven Effekt auf das Verhalten der Kälber hat und somit ein einfaches Angebot über einen Eimer ausreichend erscheint.
Interessanterweise wurde in dieser und anderen Studien festgestellt, dass Kälber, die Raufutter zur Verfügung hatten, mehr Kraftfutter in der gleichen Zeit aufnahmen als Kälber, die keinen Zugang zum Raufutter hatten. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass die Aufnahme und die Verdauung von Raufutter einen stärkeren Trainingseffekt hinsichtlich des Futteraufnahmeverhaltens hat und somit Kälber zu effizienteren Fressern machen könnte.