Zur Navigation springen Zum Inhalt springen
proteinmarkt.de - Infoportal für Fütterungsberater und Landwirte
Sommer ist nicht für alle schön – Kühe und Hitze
-

Während wir uns an warmen Temperaturen, Sonnenschein und Badewetter freuen, sollten Milchviehhalter sich auf die warme Jahreszeit besonders vorbereiten, denn Hitze und starke Sonneneinstrahlung haben negative Folgen für die Kühe. 

Worum es bei Hitzestress bei Milchkühen geht, welche Folgen die Hitze hat und was man vorbeugend tun kann, schildert Sibylle Möcklinghoff-Wickem vom Innovationsteam Milch Hessen.

Eine Kuh steuert ihre Körpertemperatur immer aktiv. Wenn aber die Summe der metabolischen Wärme und der äußere Hitzeeinfluss das Wärmeabgabevermögen übersteigen, baut sich eine „Hitzefracht“ im Körper auf und es kommt zum Hitzestau, der zum Hitzestress führt. Wenn sich die Hitze aufstaut, fühlt sich die Kuh unwohl und ist hitzegestresst. Auch im eher gemäßigten, kühleren Nord-Westeuropa leiden Kühe unter Hitzestress. Die Symptome von Hitzestress bei Milchkühen sind vielfältig und die Kuh versucht mit verschiedensten Strategien gegen die Hitze anzukämpfen. Wenn der Hitzestau aber über einen längeren Zeitpunkt anhält, ohne dass die Kuh sich kühlen kann, führt das zum Tod (Übersicht 1).

Man spricht von (starkem) Hitzestress, wenn die Körpertemperatur (rektal) auf über 39,4°C ansteigt, die Atemfrequenz sich auf über 100/min erhöht und die Trockenmasseaufnahme sinkt [-10 % = leichter Hitzestress, -25 % = schwerer Hitzestress].

Ob Hitzestress droht, lässt sich mit dem „Temperatur-Feuchtigkeitsindex“ (THI) vorhersagen, bei dem die Funktion zwischen Umgebungstemperatur und Luftfeuchte den möglichen Hitzestress bestimmt. Auch schon bei einer relativen Luftfeuchte von 40 % und Außentemperaturen von 23°C beginnt Hitzestress (THI > 68) (Übersichten 2 und 3).

Um den THI vor Ort zu bestimmen, gibt es verschiedene technische Hilfen, z.B. als App für das Smartphone oder auch eine einfache Excel-Kalkulation, bei der die entsprechenden Werte eingetragen werden können und als Ergebnis der THI ausgewiesen wird.

THI= (1.8xT+32) - ((0.55-0.0055xRL) x (1.8xT-26))
wobei T=Temperatur und RL= Relative Luftfeuchte


In Australien z.B. spielt Hitzestress eine noch entscheidendere Rolle. Darum haben Wissenschaftler ein "update" des THI entwickelt, das nicht nur Umgebungstemperatur und Luftfeuchte berücksichtigt, sondern auch die Sonneneinstrahlung, Beschattung, die Windgeschwindigkeit sowie die Milchleistung und die Rasse der Kühe berücksichtigt. Mit dem Modell wird der "Hitzestauindex" der Kuh bestimmt (dairy heat load index, DHLI). Für australische Produzenten gibt es dafür bereits ein online tool, um den DHLI zu bestimmen, ein entsprechendes Modell für die USA ist in Vorbereitung. (www.coolcows.com)

Die Kuh zeigt den Hitzestress – aber es gibt auch „unsichtbare“ Folgen

Es gibt eine Vielzahl von möglichen sichtbaren Symptomen (s.o.), aber es gibt auch eine ganze Reihe an zunächst unsichtbaren Reaktionen im Tier.

Die Futteraufnahme sinkt um 10-20 %, wenn die Lufttemperatur > 26°C steigt. Analog dazu steigt die Körpertemperatur der Kühe an und die Hormonkonzentration im Blut verändert sich. Die Blutverteilung im Organismus ist gesenkt, vor allem die Blutversorgung im Verdauungstrakt, den Geschlechtsorganen und anderen inneren Organen ist reduziert und die Blutzufuhr an die Haut ist gesteigert. Eine weitere Besonderheit: trächtige Tiere leiden besonders unter Hitzestress und geben das auch an die ungeborenen Kälber weiter. Die Folge: erhöhte Totgeburtenrate und Kälbersterblichkeit. Insofern besteht kein Zweifel, dass Hitze extreme Auswirkungen auf die Produktivität, Gesundheit und das Wohlergehen der Kühe hat, unabhängig davon, ob man der Kuh den Hitzestress ansieht oder nicht.

Hitzestress – ökonomisch betrachtet

Schwerer Hitzestress kann zu Verlusten von bis zu über 400 €/Kuh führen (St-Pierre et al. 2003). Ungefähr 80 % dieser Verluste stehen in direktem Zusammenhang mit verminderter Milchleistung und 20 % lassen sich auf Gesundheitsprobleme zurückführen: Fruchtbarkeit und Immunsystem, was vor allem zu erhöhter Mortalität und zu Mastitis führt (Übersicht 4).

Metabolische Wärme, äußere Wärme und der Wärmeaustausch bei Kühen

Eine Kuh produziert immer metabolische Wärme als ein Ergebnis von Fressen und Verdauen. Wie die meisten Säugetiere hat die Kuh eine normale Körpertemperatur um 39°C (38,6 – 39,3°C), wobei die Körpertemperatur im Tagesverlauf leichten Schwankungen unterworfen ist (am frühen Morgen etwas niedriger als am Abend).

Aber Kühe nehmen auch Wärme von der Umgebung auf. Der Zyklus der Wärmeaufnahme und Wärmeabgabe aus der Umgebung ist kontinuierlich und steht immer im Zusammenhang mit der metabolischen Wärme (Übersicht 5).

Beeinflusst wird die Temperatur der Umgebung vor allem durch die Lufttemperatur, die Menge der Sonneneinstrahlung, den Grad der Abkühlung über Nacht, die Luftbewegung und die Länge der Hitzeperiode. Um Wärme wieder abzugeben, hat die Kuh einige physiologische Möglichkeiten, aber die sind eingeschränkt, wenn die Umgebung heiß und schwül ist.

Wie kann die Kuh den Hitzestau abbauen?

Wärme wird zwischen der Kuh und ihrer Umwelt über Radiation, Konduktion, Konvektion und Evaporation ausgetauscht (Übersichten 6 und 7).

Die Richtung des Austausches hängt dabei ab von den Temperaturdifferenzen zwischen Kuh und Umgebungsluft. Wenn die Lufttemperatur höher ist als die Körpertemperatur der Kuh, nimmt die Kuh Wärme auf, absorbiert sie. Im Umkehrschluss gibt sie Wärme an die kühlere Umgebungsluft ab und die Körpertemperatur wird herunterreguliert. Je größer die Temperaturunterschiede sind, desto schneller ist der Wärmefluss. Die Temperaturregulierung ist ein energiezehrender Prozess.

Neben den trockenen Formen der Wärmeabgabe gibt es die feuchte Wärmeabgabe durch die Verdunstung von Wasser auf der Haut oder den Atemwegen. Diese Form wird als Evaporation bezeichnet. Das Atemvolumen und die Atemfrequenz des Tieres entscheiden, wie viel Feuchtigkeit das Tier durch Hecheln an die Umwelt abgeben kann. Das Schwitzen, die Wärmeabgabe über die Körperoberfläche, hängt vor allem von der Luftfeuchte der Umgebung ab.

Evaporation (Verdunstung)

Die Wärmeabgabe über Evaporation ist der effektivste Weg für die Kühe, die Hitzelast loszuwerden. Insofern ist alles, was den Prozess der Evaporation der Kuh unterstützt, eine gute Maßnahme gegen Hitzestress. 70 % des gesamten Wärmeverlustes bei der Evaporation ist durch Schwitzen induziert und 30 % wird durch die Atmung erzielt (Verlust von Feuchtigkeit über das respiratorische System). Ein geringer Wärmeverlust entsteht durch den Speichelfluss.

Die Verdunstung durch das Schwitzen über die Oberfläche der Kuh wird durch Windbewegung gesteigert. Der Grad der Verdunstung ist aber abhängig von der relativen Luftfeuchte der Umgebung und der Haut der Kuh. Dieser Zusammenhang wird bei der Berechnung des THI berücksichtigt. Bei 30 °C Lufttemperatur kann eine gute Verdunstung stattfinden, wenn die Luftfeuchte niedrig ist. Ist die relative Luftfeuchte hoch, sinkt die Verdunstung bei gleicher Temperatur. Dieser Zusammenhang sollte vor allem bei Sprinkleranlagen immer genau beachtet werden (Übersicht 8).

Wie kommt es dazu?

Hitzestress entsteht in einem Zusammenspiel von Temperatur, Luftfeuchtegehalt, Sonneneinstrahlung und Luftbewegung. Normalerweise geben Kühe die gestaute Hitze an die kühlere Umgebung ab, bei „lauen Sommernächten“ mit Nachttemperaturen über 20°C und Schwüle gelingt das aber nicht. Bei hoher Luftfeuchte wird die Evaporation gesenkt und die Kuh hat keine Möglichkeit mehr, Hitze über erhöhte Atemfrequenz oder Schwitzen an die Umwelt abzugeben.

Maßnahmen gegen Hitzestress

Schon minimale Schutzmaßnahmen gegen Hitzestress können als Versicherung gegen Milchleistungsverluste angesehen werden. Sie beinhalten u.a.:

  • Wasser – uneingeschränkter Zugang zu ausreichend großen Tränken für alle Kühe (Trogtränken: 8-10 cm/Kuh, Schalentränken im Verhältnis von max. 15:1; auf ausreichend Nachlaufgeschwindigkeit achten (mind. 20 l/min); laktierende Kühe brauchen > 100 l Wasser/Tag und sie saufen 2 bis 6 x pro Tag
     
  • Futter – 2x pro Tag frische Futtervorlage od. zumindest in den Abendstunden frisch vorlegen; Faseranteil der Ration reduzieren, aber auf Wiederkäuergerechtheit achten! Erhöhung der Energiedichte der Ration (Propylenglycol und Glycerin); erhöhte Gabe von Mineralfutter und Viehsalz: ca. 10 %, zusätzlich Salzlecksteine; Einsatz von Natriumbicarbonat oder anderen puffernden Produkten; Lebendhefen: Stabilisierung der Verhältnisse im Pansen; oxidativen Stress reduzieren: Vitamin E-Zulage ca. 1.000 mg je Tier u. Tag, Selen, ß-Carotin
     
  • Schatten – Kühe müssen vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden, um Hitzestress zu senken. Einfache Schattendächer, natürlicher Baumbestand helfen! Weidegang in die Abend- und Nachtstunden verlegen und tagsüber im Stall
     
  • Management gegen Hitzestress – Triebwege kurz halten, langsame Laufgeschwindigkeit zum Melkstand; Melkzeiten verschieben; Aufenthaltsdauer im Wartebereich minimieren; Stress vermeiden: keine Überbelegung, auf unnötiges Umtreiben in heißen Stunden verzichten, Fliegenplage verhindern

  • Bauliche Aspekte – Natürliche Belüftung ausnutzen: offene Seitenwände und offener Dachfirst – Zuluft und Abluftflächen beachten – Luftbewegung und Luftaustausch ermöglichen

    Helle Dacheindeckung und isolierte Dachflächen; keine Lichtplatten im Dach (Photovoltaik isoliert), Lochblech im Giebel oder auch natürlich begrünte Dachflächen. Erfahrungen gibt es auch mit dem Besprenkeln vom Stalldach. Indem die Gebäudeteile abgekühlt werden, ändert sich das Mikroklima für die Kühe im Stall und es kühlt ab. Allerdings: der erzielte Kühleffekt ist weniger effizient, als die direkte Kühlung der Kuh. Ein ähnliches Modell gibt es z.B. auch bei Ställen mit Querlüftung, die Wasserpads in der Stallwand haben (USA, Israel) und wo die Feuchtigkeit mit dem Lüfter durch den Stall geblasen wird. In Israel sieht man häufig Ställe, deren Dächer wahlweise zu öffnen oder zu schließen sind, (ähnlich wie ein Dachfenster), um die größtmögliche Beschattung der Kühe zu erreichen.

Evaporative Kühlung

Vor allem bei warmen Temperaturen reichen die Möglichkeiten der natürlichen Belüftung meist nicht aus. Mit Ventilatoren soll darum Luft im Stall bewegt werden, wodurch sich das isolierende Luftpolster um das Tier auflöst. Durch diese Luftbewegung von 1 bis über 2 m/s zwischen den Tieren und um die Tierkörper herum ergibt sich ein Abkühleffekt (Wind-Chill-Effekt) und damit eine große thermische Erleichterung für die Milchkühe, denn bei wenig Luftbewegung ist der angestrebte Luftaustausch (40-60 Luftwechsel /min) im Stall nur schwer zu erreichen.

Was ist zu beachten:

Ventilatoren können bei der Belüftung zwei Aufgaben übernehmen. Zum einen können sie zur Lüftung eingesetzt werden und die natürlichen Lüftungskonzepte, die z. B. bei Windstille zum Erliegen kommen, unterstützen. Hierfür sollten die Ventilatoren in die Außenwand eingesetzt werden, damit sie „frische“ Außenluft ansaugen und in den Stall einbringen. Wichtig ist es dabei darauf zu achten, dass eine Belüftung nur in Kombination mit einer gut geplanten Abluftführung ihre optimale Wirkung erreichen kann.

Ventilatoren können aber auch direkt zur Kühlung der Kühe durch den Wind-Chill-Effekt eingesetzt werden. Durch die Erhöhung der Luftgeschwindigkeit an den Tieren kann deren Wärmeabgabe erleichtert werden. Dazu sind Luftgeschwindigkeiten von mindestens 2 m/s auf dem Tier nötig, um einen Abkühlungseffekt zu erzielen. Luftgeschwindigkeiten bis 5 m/s haben für die Kühe dabei in der Regel keine negativen Konsequenzen.

Daraus ergibt sich die Einbauempfehlung, die Ventilatoren mit einem Winkel von 15 – 25° nach vorne zu neigen, um den Luftstrom in den Tierbereich zu lenken. Durch eine Anordnung der Ventilatoren in Längsausrichtung über den Liegeboxenreihen wird ein sehr guter Kühleffekt der Bereiche im Stall erzielt, in denen sich die Tiere lange aufhalten sollen.

Es gibt Axial und Vertikallüfter, die eine unterschiedliche Luftströmung im Stall erzielen.

Generell gilt, dass Lüfter mit größerem Luftdurchsatz eine höhere Luftgeschwindigkeit auf eine größere Entfernung liefern. Allerdings sollte man darauf achten, dass die Luft in möglichst dichtem Kegel ausgeworfen wird. Ventilatoren sollten so ausgerichtet werden, dass sie mit der vorherrschenden Windrichtung übereinstimmen, so dass die Luftbewegung ausgelöst durch die Ventilatoren die normale Luftströmung unterstützt. Wenn die Lüfter so installiert sind, unterstützen sie die Luftmischung, aber bringen keine zusätzliche frische Luft in die Gebäude. Die belastete Stallluft sollte über große Öffnungen nach draußen geblasen werden. Der optimale Luftgeschwindigkeitsbereich liegt bei 2,5 bis 0,5 Meter pro Sekunde.

Generell sollte eine Luftfeuchte > 80 % vermieden werden.

Ventilatoren sollten da installiert werden, wo Kühe über längeren Zeitraum stehen oder sich aufhalten. Vor allem auch die Trockensteher und Abkalber brauchen Abkühlung!

Bei der Wahl geeigneter Ventilatoren sind die Stallhöhe und der Strombedarf zu berücksichtigenZur Erbringung der gleichen Luftleistung haben größere Ventilatoren eine geringere Leistungsaufnahme und sind sparsamer als kleinere Ventilatoren mit höheren Drehzahlen.

Axialventilatoren als Langsamläufer mit etwa 500 U/min und Durchmessern von 1,20 bis 1,50 m kommen häufig zum Einsatz. Je nach Größe erreichen solche Ventilatoren einen Luftdurchsatz von 30.000 bis 50.000 m³ je Stunde. Sie werden in Reihe parallel zur Futterachse über dem Fressgang und den Liegeboxen oder auch im Wartebereich vorm Melkstand bzw. Melkroboter aufgehängt. Sie sollten mit einer Neigung von 10 bis 15°C und mind. 2,70 m über dem Laufgang aufgehängt werden und rechtzeitig (ab 18 bis 20°C Stalltemperatur) laufen. Bei der Querausrichtung kommt es zu verstärkter Emission über den Laufflächen.

Vertikalventilatoren erzielen ebenfalls hohe Windgeschwindigkeiten, die aber mit zunehmender Entfernung zum Ventilator schnell nachlassen.

Für relativ freie Räume wie Warteräume oder hohe Ställe können auch vertikal strömende Deckenventilatoren eingesetzt werden. Je nach Baugröße von bis zu 6,30 m Durchmesser erzeugen solche Ventilatoren Luftbewegungen von mehr als 200.000 m³ je Stunde. Dieser Luftvolumenstrom wird durch Stalleinrichtung und Aufkantungen verwirbelt und von der natürlichen Luftbewegung beeinflusst.

Kondensation von Wasser
Eine weitere Möglichkeit die Tiere zu kühlen kann die Kondensation von Wasser sein. Dazu stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung, die grundsätzlich nach dem gleichen physikalischen Prinzip arbeiten. Bei der Hochdruckvernebelung wird Wasser feinst vernebelt in die Stallluft eingebracht. Dieses Wasser verdampft sofort und kühlt dadurch die Luft. Eine weitere Methode ist die Niederdruckversprühung. Hier wird das Wasser großtropfig auf die Kühe versprüht. Das Fell der Tiere wird nass. Mit Hilfe der aufgestauten Wärme aus dem Körper wird die Haut getrocknet und das Wasser verdunstet (Kuhduschen). Bei allen Varianten, die mit Wassereintrag arbeiten, ist zu beachten, dass dadurch die relative Luftfeuchtigkeit im Stall erhöht wird, was die Wirkungsbreite je nach Luftfeuchtigkeit einschränkt und sich unter Umständen negativ auf die Stallhygiene auswirkt. Solche Systeme können nur gut funktionieren, wenn die Feuchtigkeit auch wieder schnell aus dem Stall abgeführt werden kann. Die Verdunstungskühlung kann einen positiven Effekt auf den Hitzestress-Level haben, allerdings weist sie u.U. nur ein sehr enges Wirkungsfenster auf.

Neue Verfahren zur Kühlung

  • Conductive cooling: Ein neues Verfahren gegen Hitzestress nutzt die Konduktion. Die Idee ist, dass eine gekühlte Liegefläche es der Kuh ermöglicht, Wärme an die kühlere Liegefläche abzugeben. Der Kühleffekt tritt somit beim Liegen in der Liegeboxe auf und wird erzielt, indem unter den Liegeflächen ein Rohrsystem verlegt wird, das mit kaltem Wasser durchspült wird. Da bisher nur wenige Erfahrungen zu diesem Modell vorliegen, ist nicht klar, ob die konduktive Kühlung als Ergänzung zu anderen Verfahren genutzt werden sollte oder ob sie allein ausreichend ist.
     
  • Kuhställe mit Schlauchlüftung: Ein neuer Trend sind großvolumige Schlauchkühlungen, die über dem Fressgang und/oder den Liegeboxen aufgehängt werden und deren Luftstrom gezielt den Rücken der Kühe trifft und so durch den Wind-Chill Effekt zur Abkühlung beiträgt. Hierzu wird, ähnlich wie bei der Schlauchlüftung für Kälberställe, ein Ventilator in der Stallaußenwand installiert und die Luft über einen Schlauch mit Austrittslöchern durch den Stall geblasen. Anders als beim Kälberstall sind im Kuhstall deutlich größere Luftvolumina erforderlich und die Austrittsgeschwindigkeit der Luft muss deutlich höher sein, um einen Kühleffekt bei der Kuh zu erzielen. Hierbei wird das System so berechnet, dass jede einzelne Kuh in jeder Liegeboxe mit dem Luftstrom (frische, d.h. „saubere“ Luft) mit einer Geschwindigkeit von > 1,5 m/sec getroffen wird. Die Idee stammt aus den USA, aber auch hier gibt es bereits erste Ställe, die sehr gute Erfahrungen mit der Schlauchlüftung für Kühe gemacht haben.

    Im Vergleich zu herkömmlichen Ventilatoren (horizontal oder vertikal) braucht die Schlauchbelüftung weniger Strom, weil nur 1 Ventilator den Schlauch belüftet und die kW-Leistung deutlich geringer ist. Außerdem wird mit dem Schlauch Frischluft von außen in den Stall geblasen. Praxiserfahrungen sprechen neben dem Kühleffekt auch von geringeren Mastitisraten, weil die Luft „sauberer“ wird. Eine gezielte Belüftung von Teilbereichen im Stall ist mit herkömmlichen Ventilatoren nicht möglich; mit dem Schlauch lässt sich durch die Schlauchöffnungen sehr gezielt  Luft in Ecken blasen oder natürlich auch Teilbereiche mit der Frischluftzufuhr aussparen. Generell funktioniert das System in offenen und geschlossenen Ställen, wobei aber ausreichend große Luftaustrittsöffnungen sehr wichtig sind. Je offener die Ställe sind, desto besser funktioniert das System, da so die schlechte Luft noch besser und schneller aus dem Stall hinausgedrückt werden kann.

    Aus Großbritannien werden vermehrt Erfahrungen mit einfacher Schlauchlüftung, vor allem über den Fressgängen gesammelt. Hier wird ebenfalls ein großvolumiger Schlauch an einen Ventilator gehängt, der frische Lift von außen durch den Schlauch in den Stall bläst. Allerdings gibt es hier keine exakte Berechnung zur Luftaustrittsgeschwindigkeit. 
     
  • Eine neue Idee wird derzeit in Japan getestet: ein „Kühlbody“ soll die Kuh vor Hitze schützen

Welches System gegen Hitzestress wählen?

Zunächst sollten die „einfachen“ Dinge konsequent umgesetzt werden. Kühe mit Weidegang brauchen ausreichend Schattenplätze; generell sollte die Beweidung in die Abend- und Nachtstunden verlegt werden. Auch die Maßnahmen im Bereich der Fütterung sollten kurzfristig an die Außentemperaturen angepasst werden. Wo und welche Ventilation, evtl. in Kombination mit Niederdruck oder Hochdruckbefeuchtung installiert wird, ist in erster Linie abhängig vom Stalldesign und dem Grad der Kühlung, der erreicht werden soll.

Generell führen Systeme mit Wasser zu erhöhten Luftfeuchten, was wiederum zu zusätzlichen Problemen führen kann. Die Effektivität dieser evaporativen Kühlung hängt entscheidend davon ab, wie schnell die Luftfeuchte wieder gesenkt werden kann durch entsprechende Luftwechselraten. In Gebieten mit sehr hohen Temperaturen finden sich oft verschiedene Modelle der Kühlung in Kombination: Ventilatoren, bei denen bei Bedarf die Niederdruckbefeuchtung zugeschaltet wird, steuerbare Dachflächen und Wasserkühlung durch Beregnung (Kuhduschen) oder auch konduktive Kühlung in der Liegeboxe. Ein System, das ohne Wasser auskommt, ist die Schlauchbelüftung, da hier sehr gezielt genau definierte Windgeschwindigkeiten auf dem Kuhrücken erzeugt werden.

Egal, welches System gewählt wird, im Vorfeld sollte eine fundierte Beratung stehen und Kosten und Nutzen aufgelistet werden – in den meisten Fällen wird sich eine Investition zum Kühlen der Kühe aber lohnen, denn die negativen Folgen von Hitzestress sind enorm, so dass sich Kühlsysteme schnell amortisieren.

DER DIREKTE DRAHT

S. Möcklinghoff-Wicke
Innovationsteam Milch Hessen der
Landesvereinigung Milch Hessen
Lochmuehlenweg 3
61381 Friedrichsdorf

Tel.: +49 (0) 6172 7106 294
E-Mail: i-team-milch(at)agrinet.de

Stand: August 2018
Fotos (Katrin Mahlkow-Nerge)