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Schweinehaltung in Schweden – was machen sie anders (Teil 2)
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Immer wenn man in Deutschland über Tierwohl und das Halten von Schweinen mit langen Schwänzen spricht, läuft die Diskussion unweigerlich auf die schwedische Schweinehaltung als Beispiel hinaus. Was machen die Schweden anders und was können wir von den schwedischen Schweinehaltern lernen? Diesen Fragen geht Dr. Manfred Weber, Klein Schwechten nach. Nachdem im ersten Teil des Reiseberichtes die grundsätzlichen Unterschiede zur deutschen Schweineproduktion dargestellt wurden, sollen in diesem zweiten Teil drei konkrete Betriebe vorgestellt werden, mit ihren Ideen, die strengen Tierschutzvorschriften umzusetzen und damit die Haltung von unkupierten Schweinen möglich zu machen.

Teil 2: Betriebsbeispiele

Nachdem in Teil 1 des Reiseberichtes die grundsätzlichen Unterschiede zur deutschen Schweineproduktion dargestellt wurden, sollen in diesem zweiten Teil drei konkrete Betriebe vorgestellt werden, mit ihren Ideen, die strengen Tierschutzvorschriften umzusetzen und damit die Haltung von unkupierten Schweinen möglich zu machen.

Betrieb Grävbecks Gard (Peter Eriksson)

In Schweden werden Höfe nicht vererbt, sondern müssen von den Nachkommen gekauft werden. Den Betrieb Grävbecks Gard hat Peter Eriksson vor 25 Jahren auch gekauft, allerdings nicht vom Vater, sondern von der Kirche. Er liegt im südwestlichen Schweden, wo es auch gute Ackerböden gibt. 350 ha Acker werden neben den Schweinen bewirtschaftet. Begonnen hat man mit 330 Sauen und der angeschlossenen Mast. Die Erweiterung auf 500 Sauen, mit dem Ziel 15.000 Mastschweine im Jahr zu verkaufen hat sich Peter Eriksson für 2020 gesetzt. Produziert wird auf zwei Standorten. Der Maststall ist etwa 1 km entfernt mitten im Wald. „Die Verwaltung macht und bei den Neubauprojekten momentan keine Schwierigkeiten, da auch sie daran interessiert sind, die Schweinehaltung in Schweden zu fördern.“ so der Betriebsleiter.

200.000 Euro will der Schweinehalter in die beabsichtigte Erweiterung der Mast und Ferkelaufzucht in Kürze investieren. Dabei kommen 80 % von der Bank. Im Gegensatz zu Deutschland ziehen die Banken bei der Finanzierung in den Stallbau problemlos mit. Die Erweiterung besonders im Ferkelaufzuchtbereich wird notwendig, da sich die Leistungen der neuen Sauen deutlich verbessert haben. Hat er 1998 noch 10 Ferkel pro Sau abgesetzt, sind es heute bereits 13. Bisher wurden die Ferkel auch in der Abferkelbucht aufgezogen, da es jetzt aber immer mehr Ferkel werden, reicht die notwendige Trogfläche nicht mehr aus und die Ferkelaufzucht muss ausgelagert werden. Hinzu kommen noch die hohen Energiekosten, um das gesamte Abferkelabteil auf 25 – 26°C für die Ferkelaufzucht aufzuheizen. Die Ferkel werden demnächst nicht mehr in der Abferkelbucht aufgezogen.

Die 330 Sauen und die Ferkelaufzucht werden von 4 Mitarbeitern betreut. Im Abferkelbereich wird, wie gesetzlich gefordert, freies Abferkeln praktiziert. In Buchten die 2,2 mal 3,3 m (7,3 m²) groß sind, finden sich nur kleine Abweise an den Buchtenseiten. In den Fußböden ist jeweils eine Fußbodenheizung integriert, die wird im Ferkelnest noch durch eine Rotlichtlampe unterstützt. Drei viertel des Boden ist plangeschlossen, der Kotbereich durch einen Gussrost gekennzeichnet unter dem ein Schieber den Flüssigmist dann nach außen befördert. In der Bucht findet man eine mittlere Einstreumenge. „Bei uns wird mehr eingestreut als bei anderen Betrieben“ so Eriksson. Der Grund ist ein Fleischabnahmevertrag mit Kindergärten und Hotels, die dieses entsprechend bewerben und etwas mehr bezahlen.

Nach dem Absetzen, das sich in letzter Zeit von 5 auf 4,2 Wochen nach der Geburt reduziert hat, kommen die Sauen in Gruppen (24 Sauen) auf Tiefstreu mit fixierbaren Fressständen. Sie bleiben dort, bis sie wieder ins Abferkelabteil kommen. Zur Besamung werden die rauschigen Sauen zum Eber geführt und dort neben diesem in Kleingruppen besamt.

„Die größte Herausforderung in der Ferkelaufzucht ist die Fütterung. Wir begrenzen die Futteraufnahme der Ferkel in den ersten Tagen nach dem Absetzten stark, damit keine Durchfälle auftreten“, so der Betriebsleiter. Trotz einer Zinkapplikation von 3,5 kg/t funktioniert die Fütterung der Ferkel nicht. Hier sehe ich die größte Baustelle des gesamten Betriebes. Wenn nämlich die Zinkvorgaben der EU ab nächstem Jahr gelten, muss das gesamte Fütterungskonzept umgeschrieben werden, um Stress, der sich ggf. auf das Schwanzbeißgeschehen auswirken kann, von den Tieren abgehalten werden kann.

Der ausgegliederte Maststall umfasst 6 Abteile a 480 Schweine. Diese werden im dreiwöchigen Rhythmus befüllt. Produziert wird für den Stockholmner Markt, verkauft jeweils montags und dienstags. Im neu gebauten Maststall (2009) finden wir nur einen perforierten Anteil von 25 % in den Buchten. Unter diesen Betonspalten verläuft ein Schieber. Gefüttert werden die Tiere flüssig am Langtrog. Mittlere Einstreumengen geben den Tieren die Möglichkeit zu Wühlen.

Bei der Besichtigung konnte eine relativ gute Stallluftqualität festgestellt werden. Akutes Schwanzbeißen war trotz Ringelschwanz nicht zu erkennen. Allerdings waren nicht mehr alle Schwänze  intakt. Dies begründet der Betriebsleiter mit Nekrosen, die sich im Ferkelalter im Betrieb immer wieder finden lassen. Auch Schwanzbeißen tritt hin und wieder auf, aber von Herrn Eriksson wird es nicht als Problem angesehen.

Es sind weit weniger als 5 % der Tiere betroffen. Als Eigenmischer ist der Betrieb in der Lage Nebenprodukte einzusetzen. So wird neben eigen angebauten Getreiden, bei dem der Roggen eine größere Rolle spielt, Milch aus einer nahen Molkerei verfüttert. Die Proteinfutter sind ebenfalls vielfältig. Neben Schlempe werden auch Erbsen, Bohnen und Sojaschrot genutzt. Wichtig ist dem Chef die Fütterungskontrolle. Dreimal wöchentlich passt er die Futtermengen in den Buchten persönlich an. 940 g Zunahmen zeigen, dass er nicht alles falsch macht.

Betrieb Härlingstorp, Intergrierte Produktion Nicklas & Kicki Johanson

In Härlingstorp, das in der Nähe des westschwedischen Skara liegt, haben sich Nicklas und Kicki Johanson 2015 entschlossen einen neuen Sauenstall zu bauen. „Im alten Stall brauchten wir Unmengen an Stroh und Arbeitszeit für die Sauen“ so der Betriebsleiter. Die 750 Sauen, die jetzt im 2017 neu gebauten Stall gehalten werden, benötigen nur noch 500 t Stroh pro Jahr, die hauptsächlich auf den eigen bewirtschafteten 200 ha geborgen werden. 35.000.000 schwedische Kronen, das entspricht etwa 3,5 Mio € haben die Johansons für den neuen Stall ausgegeben.

Obwohl die Besamungsabteile auch mit Selbstfangfressständen ausgerüstet sind, wird in der Gruppe besamt. Jeweils 2 Buchten a ca. 17 Sauen, deren Liegebereich von ca. 3,5 m² je Sau tief eingestreut ist, bilden eine Besamungsgruppe. Getrennt sind sie durch einen schmalen Ebergang, in dem der Eber bei der Besamung läuft. Alle brünstigen Sauen orientieren sich zum Eber hin und die Besamungstechniker nehmen die Besamung dann dort vor Ort vor. „Meine Besamerinnen müssen sich natürlich vorsehen, dass die nicht von den Sauen umgerannt werden, das haben sie aber gut im Griff“ so Johanson. Die Besamung dauert allerdings deutlich länger als in unseren Ställen, wo eine Besamer gleich mehrere Sauen gleichzeitig besamen kann. Hier geht das nur nacheinander.

In dieser Bucht bleiben die Sauen dann für 4 bis 5 Wochen, bis die Trächtigkeit festgestellt ist. Danach geht es in eine ähnliche Bucht, die aber keinen Ebergang mehr haben. Allerdings weisen diese Buchten dann noch einen schmalen Spaltenbodenanteil vor den Fressbuchten auf. „Im Sommer nutzen die Sauen diesen Teil gerne als Liegefläche. In diesen Buchten fällt es den Sauen ebenfalls leichter in die Fressstände zu gelangen. Daher bevorzuge ich dieses System“ erläutert Nicklas Johanson. Alle drei Wochen wird ins Abteil ein Rundballen eingestellt, den die Sauen dann selbst verteilen.

Die Abferkelbuchten im Betrieb sind 6 m² groß und lassen nur das freie Abferkeln zu. Das Verhältnis von geschlossenem Boden zu perforiertem Boden beträgt etwa zwei Drittel zu einem Drittel.  Unter den Metallspalten läuft ein Schieber, dem es mühelos gelingt auch die Einstreu nach draußen zu schaffen. Der Fußboden ist komplett mit Fußbodenheizung ausgestattet. Somit ist die Reduzierung der Abteillufttemperatur auf 18 – 20 °C, was der Sau sehr entgegen kommt, möglich. Im Ferkelnest, das zusätzlich mit einer Rotlichtlampe versehen ist, liegen sie bei 35° C. Die dafür benötigten Stromkosten fallen nicht so sehr ins Gewicht, da die KWh in Schweden nur etwa 0,1 € kostet. Im Betrieb Johanson liegen die Ferkelverluste beim freien Ferkeln mit etwa 18 % im Rahmen.

Auffällig war die Ruhe im Stall. Dies mag daran liegen, dass die Sauen täglich mehrmals Menschenkontakt haben. „Einmal am Tag werden die Buchten gereinigt, in dem eine Mitarbeiterin in jede Bucht geht und geleichzeitig den Kontakt zu den Sauen sucht. Zusätzlich wird den Sauen dreimal pro Tag frisches Stroh in die Bucht geworfen. So haben die Tiere keine Angst vor uns und sind sehr ruhig“ so Johanson.

Eine Strukturierung der Bucht haben die Johansons auch im Ferkelaufzuchtbereich hinbekommen, obwohl nur 12 Tiere pro Bucht aufgestallt werden. Der etwa 75 % umfassende plangeschlossene Bereich ist im hinteren Teil mit einer Abdeckung gut als Liegebereich zu erkennen und wird von den Ferkeln als solcher angenommen. Das vordere Viertel ist mit einem Metallspaltenboden als Kotbereich ausgelegt. Auch hier waren bei der Besichtigung wenig verschmutze Buchten zu erkennen. Grund dafür ist die Ausgestaltung der Buchtentrennwände im Kotbereich als Gitter, so dass die Nachbartiere hier direkten Kontakt haben.

Gefüttert wird hier am Langtrog flüssig, so dass ein Tier-Fressplatzverhältnis von 1:1 gegeben ist. Schwanzbeißen, trotz langen Schwänzen, war nicht zu beobachten. „Der Hampshire-Eber als Endstufeneber hat dahingehend Vorteile gegenüber dem Duroceber, die Nachkommen sind deutlich ruhiger und weniger aggressiv.“ bestätigt der Betriebsleiter diese Beobachtung. Daher kommen die Johansons auch mit 0,4 m² pro Ferkel gut aus.

Betrieb Badene Egendom, Claes Friberg und Lina Larsson

Lina Larson, die als Stallmanagerin gleichzeitig am Betrieb beteiligt ist zeigte uns ein weiteres System, das in der schwedischen Schweinehaltung noch verbreitet ist. Etwa 25 % der schwedischen Sauen werden noch im arbeitsteiligen System gefahren. „An unserem System sind 10 – 12 Betriebe beteiligt. Wir bekommen alle 4 Wochen 115 hochtragende Sauen zum Abferkeln. In Schweden gibt es noch 4 – 5 solcher Systeme, aber es werden weniger“ sagt Lina Larsson. Die Sauen kommen etwa 3 Wochen vor dem Abferkeltermin und werden zunächst in einen Stall für tragende Sauen eingestallt. Auch hier wird mit Tiefstreu gearbeitet und die Sauen können zum Fressen in höher gelegene Fressbuchten gehen. Die Buchten werden alle drei Monate ausgemistet und im Juni, wenn die Temperaturen es zulassen dann einmal richtig gereinigt.

Ca. eine Woche vor dem Abferkeln kommen sie dann in zwei Abteile mit je 55 Abferkelplätzen, wobei noch einige Zusatzbuchten im einem Extraabteil vorhanden sind. Auch hier wird die typische schwedische Abferkelbucht genutzt und leicht eingestreut. Nach 5 Wochen Säugezeit werden die Ferkel dann ins Flatdeck abgesetzt. „Wir versuchen die Würfe zusammen zu lassen. Das ergibt mit dem etwas größeren Platzangebot ein deutlich geringeres Stresslavel für die Ferkel“ so die Stallmanagerin. Probleme bereitet im Stall die APP, daher wird hier dagegen geimpft.

Fragt man Lina Larsson, ob sie mit dem System so wie es läuft, glücklich ist, kommt ein klares Nein. „Ich habe keinen Einfluss auf die Sauen die ich bekomme, ich muss nehmen, was geliefert wird. Allerdings wollen die Kunden bei den Ferkeln nur 1a Ware. Daher bin ich froh, dass ich noch einen kleinen Maststall habe, in dem die übrigen Ferkel noch bis 120 kg gehalten werden können.“

Sie wünscht sich eigentlich einen eigenen Sauenstall, in dem alle Produktionsstufen in ihrer eigenen Verantwortung liegen. Allerdings wird das erst einmal Wunschdenken bleiben, da an einen Ausbau des Stalles auf Grund der Lage nicht zu denken ist. Das Hotel in der Nähe wäre nicht erfreut über eine Vergrößerung des Stalles.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Manfred Weber
Klein Schwechten
Tel.: 039388/28423
E-Mail: Manfred.H.Weber(at)gmx.de

Stand: Januar 2020