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Saugferkeldurchfälle – Es muss nicht immer Coli sein
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Durchfälle stehen trotz verbesserten Managements immer noch auf Platz eins in der Liste der Erkrankungen beim Saugferkel und verursachen große Verluste. Eine Reihe von verschiedenen bakteriellen, viralen, aber auch parasitären Erregern können die Ursache sein. Während in den letzten Jahrzehnten immer die Coli-Durchfälle auf Platz eins der Liste standen, hat sich das Bild mittlerweile etwas verschoben. Im aktuellen Beitrag erläutert Dr. Hendrik Nienhoff von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen die wirtschaftlich bedeutsamsten Erkrankungen und zeigt Strategien zu ihrer Bekämpfung im Betrieb auf.

Eine Reihe von verschiedenen bakteriellen, viralen, aber auch parasitären Erregern können die Ursache sein (Tab. 1). Während in den letzten Jahrzehnten immer die Coli-Durchfälle auf Platz eins der Liste standen, hat sich das Bild mittlerweile etwas verschoben. Viele Betriebe haben kommerzielle Mutterschutzvaccinen im Einsatz und beherrschen damit einen Großteil der vokommenden Stämme. Anders sieht es z.B. bei den viralen Erregern aus. Hier gibt es keine kommerziellen Impfstoffe. Im folgenden werden die wirtschaftlich bedeutsamsten Erkrankungen erläutert und Strategien zu ihrer Bekämpfung im Betrieb aufgezeigt.

E-Coli Diarrhoe

Mittlerweile abgelöster Spitzenreiter von Geburt bis zum Absetzen. Vom Erreger Escherichia Coli – Keime gibt es mehrere Tausend Serotypen, von denen aber die meisten fürs Schwein nicht krankmachend sind. Insbesondere hämolysierende E.coli-Stämme lösen aber schwere Durchfälle aus. Typische Vertreter sind z.B. die Colistämme mit den Fimbrientypen F4, F5, F6, F41. Die Coli-Keime haben an Oberflächen und Kapseln sogenannte O- und K-Antigene, die auch für ihre Unterscheidung (Typisierung, Serotyp) genutzt werden, mit denen sie sich im Darm an bestimmten Rezeptoren anheften können und dann verschiedene Durchfall-auslösende Gifte (Toxine) freisetzen können. Voraussetzung hierfür ist das Fehlen von maternalen Antikörpern aus der Biestmilch, z. B. bei Jungsauen, bei MMA, oder um die 3. Lebenswoche (Abb.1.) herum.

Die Coliruhr tritt sowohl als Neugeborenen-, Dreiwochendurchfall und nach dem Absetzen auf. Besonders bei Neugeborenen sind die Verluste sehr hoch (bis zu 100 % der Ferkel eines betroffenen Wurfes). Sie zeigen einen gelblichen wässrigen Durchfall (häufig ist der After verschmiert und gerötet, der eine Austrocknung nach sich zieht (Haut waschbrettartig). Beim Dreiwochendurchfall zeigt sich ein eher gelblich-cremiger Durchfall und die Verluste sind geringer. Nach dem Absetzen spielen insbesondere Colis vom Typ F18 und F4 eine Rolle. Einige Stämme produzieren das Shiga-Toxin, das zur Ödemkrankheit führt, andere produzieren Toxine die zu Durchfall oder auch zum plötzlichen Tod der Ferkel führen. Zu behandeln sind Coli-Durchfälle mit verschiedenen Antibiotika, die, bei Saugferkeln, meist mit einem Doser (verschiedene Präparate), über das Maul behandelt werden. Da  Resistenzen möglich sind und andere Durchfallerreger eine Rolle spielen können, ist es wichtig frisch erkrankte Ferkel untersuchen zu lassen, damit erstens der Serotyp des Coli-Keims und die Toxine des Erregers ermittelt werden können und zweitens eine Ausage zu den wirksamen Antibiotika getroffen werden kann (Resistenztest, der bei bestimmten Präparaten mittlerweile vorgeschrieben ist).

Die Ermittlung des Serotyps und der Toxine ist auch wichtig, wenn man zur Prophylaxe des Neugeborenendurchfalls eine Mutterschutzimpfung installieren will (siehe Tab. 3), da bei den Impfstoffen unterschiedliche Angriffspunkte gibt (Zellwandantigen, Toxin und Fimbrien). Gute Impfstoffe haben mehrere Angriffspunkte. Neben den klassischen Mutterschutzvaccinen gibt es mittlerweile auch Ferkelimpfstoffe, die sich gegen das Shiga-Toxin und F4 /F18 Colis richten um den Absetz-Durchfall und Ödemkrankheit in den Griff zu bekommen. Auch eine Mutterschutzvaccine ist auf dem Markt, mit der neben den Saugferkel-Durchfällen auch die Absetz-Durchfälle unter Kontrolle gebracht werden können sollen. Nachdem in den letzten Jahren die Typisierungen der Durchfall verursachenden E. Coli Stämme gezeigt hat, dass viele Proben aus betroffenen Betrieben nicht gelöst werden konnten, so werden im Augenblick neue Faktoren untersucht, um auch hier die Problemkeime besser einschätzen zu können.

Mindestens genauso wichtig wie Impf- und/oder Behandlungsmaßnahmen sind aber auch die Hygienemaßnahmen und Therapie-begleitenden Maßnahmen (siehe Tab. 4a) sowie die Jungsaueneingliederung.

Nekrotisierende Enteritis und Clostridien-Durchfall

Steigende Bedeutung erlangen in den letzten Jahren die Clostridien-Infektionen. Insbesondere bei Clostridium perfringens Typ A nimmt der Druck in den Betrieben stetig zu und in Kombination mit dem Rota-Virus mittlerweile der am häufigsten vorkommende Erreger.

Bei den Clostridien-Infektionen unterscheidet man zwischen zwei unterschiedlichen Clostridium perfringens Stämmen. Dem Typ C, dem klassischen Erreger der nekrotisierenden Enteritis und dem Typ A, der ein ähnliches Krankheitsbild, allerdings mit einem milderen Verlauf, verursacht. Mittlerweile ist der Typ A in deutlich mehr Betrieben ein Problem als der Typ C. Besonders in Beständen die im Vorfeld viele Probleme mit Coli-Durchfällen hatten und diese antibiotisch angegangen worden sind, kann es durch eine Verschiebung des Keimmilieus im Darm zu verstärkten Problemen kommen. Die Erreger werden unmittelbar nach der Geburt aus dem Sauenkot und vom verunreinigten Gesäuge aufgenommen und produzieren im Darm ein starkes Gift (α- bzw. β-Toxin), welches zum Gewebetod der Darmschleimhaut führt. Nur bei Cl. Perfringens Typ C kommt es zu plötzlichen Todesfällen und zu wässrig, braun-rotem blutigen Durchfall mit Blutbeimengungen . Bei chronischem Verlauf wird schaumig übelriechender grau-gelblicher Durchfall beobachtet. Auftreten können die Krankheitserscheinungen bereits an ersten Tag aber auch noch in der ersten und zweiten Lebenswoche. In den betroffenen Beständen ist die Impfung der tragenden Sauen (Mutterschutzimpfung) die wichtigste Prophylaxemaßnahme. Für Cl. perfringens Typ C stehen verschiedene kommerzielle Impfstoffe zur Verfügung, auch als Kombi-Impfstoffe mit einer Coli-Komponente. Mittlerweile gibt es für Cl. perfringens Typ A auch Impfstoffe im Handel.

Erkrankte Ferkel und gefährdete Würfe können mit sog. Oral-Penicillinen oder Amoxicillin über das Maul behandelt werden. Einfaches Penicillin wird durch die Magensäure der Ferkel zerstört und ist nicht wirksam. Desweiteren sind in solchen Beständen dieselben therapiebegleitenden Maßnahmen zu ergreifen wie bei der Coliruhr (siehe Tab. 4b).

Kokzidiose

Ein weiterer Erreger, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnt, ist Isospora suis, ein einzelliger Parasit, der zu den Kokzidien gehört. Die Isospora-infektion verursacht bei Ferkeln im Alter zwischen 5 und 15 Tagen häufig Durchfälle, die mit bis zu 20% Todesfällen einhergehen können. Auch wird der Infektion ein Wegbereiterfunktion für die anderen Durchfallerreger zugeordnet. Besonders betroffen sind Betriebe mit Mängeln im Hygienemanagement bzw. mit älteren Ställen.

Ältere Tiere sind in der Regel Träger des Parasiten und Ausgangspunkt der Infektion für die Saugferkel, erkranken aber nicht. Der Durchfallkot der Ferkel sieht pastös gelblich bis hin zu wässrig gelblich aus. Der Nachweis der Oozysten (Stadium von Isospora suis) im Kot gestaltet sich schwierig. Zur Bestandsdiagnose sollten von 5-10% der Würfe Sammelkotproben (4-5 Ferkel) eingeschickt werden. Impfstoffe gegen Isospora suis gibt es nicht. Eine Behandlung der betroffenen und gefährdeten Würfe kann mit Toltazuril über das Maul erfolgen. Toltazuril, das Mittel der Wahl als Oral-Doser erhältlich und wird am 1.-3. Lebenstag verabreicht, um hier bereits frühzeitig die Vermehrung der aufgenommenen Oozysten zu unterbinden. Die Behandlung mit Toltazuril am 1. Lebenstag hat auch einen zusätzlichen Einfluss auf die Häufigkeit von Cl. Typ A Durchfällen, allerdings ist der Wirkmechanismus nicht bekannt.

Auch für diese Erkrankung gelten die allgemeinen Hygienemaßnahmen, hierbei ist allerdings zu bemerken, daß die Oozysten sich sehr gut im Abferkelstall halten, auch nach Reinigung, und mit den üblichen Desinfektionsmitteln nicht abgetötet werden. Deshalb sind bei Nachweis der Erkrankung unbedingt Desinfektionsmittel nach der DVG-Liste einzusetzen, die auch eine Wirksamkeit gegen Kokzidien haben (Kresole, Phenolverbindungen).

Tab. 6: Eckpfeiler der Prophylaxe

  • Schutz der Ferkel vor Unterkühlung um die Geburt
  • Keimarme Bewegungs- und Liegezone für Ferkel
  • Sauberes Gesäuge der Sau
  • Ausreichende Kolostrumaufnahme der Ferkel
  • Intensive Jungsaueneingliederung mit Herdenkontakt

Rotavirus-Infektion

Rotaviren kommen als Jungtierinfektionen bei verschiedenen Tierarten vor. Ehemals Problemerreger bei Jungsauenwürfen und in neu aufgebauten Herden mit instabiler Herdenimunität. Mittlerweile ein weit verbreitetes Problem, da bei den häufig großen Würfen die Biestmilchversorgung der Ferkel die Betriebe vor große Schwierigkeiten stellt. Durch das Virus kommt es beim Fehlen maternaler Rotavirus-Antikörper im Kolostrum bei den betroffenen Ferkeln innerhalb der ersten Lebenstage zur Diarrhoe. Diese Durchfällen sehen zu zum Teil bräunlichen aus oder wie geronnene Milch mit gelb-flüssigen Beimengungen.

In älteren Herden liegt der Problembereich meist zwischen der 2. und 6. Lebenswoche. Die Durchfälle werden wie auch bei der TGE durch eine sog. Zottenatrophie verursacht. Allerdings beträgt die Sterblichkeitsrate hier nur zwischen 5 % und 20 %. Der Tod tritt in der Regel durch den starken Wasser und Elektolytverlust ein. Die Diagnose wird durch die Untersuchung von Kotproben mittels z. B. ELISA, PCR, Immunfluoreszenz oder Elektronenmikroskopie gestellt. Da keine Impfstoffe zur Verfügung stehen und es keine direkten Behandlungsmöglichkeiten gibt, beschränkt sich die Vorgehensweise auf die therapiebegleitenden Maßnahmen, insbesondere die Verabreichung von oralen Rehydratationslösungen. Normalerweise kommt es zu einer schnellen Durchseuchung im Bestand. Die Jungsauen sollten in der Eingliederungsphase intensiven Altsauenkotkontakt z. B. über die zum Nestbau eingesetzten Jutesäcke bekommen.

In der letzten Zeit werden im Bezug auf die Immumprophylaxe aufgrund der fehlenden Schweineimpfstoffe Rindervakzinen eingesetzt. Die Erfahrungen sind hierbei durchaus positiv. Auch die Umwidmung der Impfstoffe stellt nach der Impfstoffverordnung kein Problem dar. Um hier trotzdem nicht in Konflikte zu geraten, empfiehlt es sich, sich im Vorfeld mit den zuständigen Überwachungsbehörden abzusprechen.Eine Alternative sind stallspezifische Impfstoffe. Bisher hat aber nur ein Labor die Genehmigung solche „Virus“-Impfstoffe herzustellen.

PED / TGE Coronavirus-Infektionen

Machten insbesondere in den USA, wo es 2014 einen regelrechten „Seuchenzug“ gab in den letzten Jahren von sich reden. In Deutschland sind mittlerweile auch Betriebe betroffen doch das klinische Bild ist in der Regel weniger dramatisch.  Die Klinik in empfänglichen Schweineherden ist ein schlagartiges Auftreten von wässrigem Durchfall der Ferkel mit einer Erkrankungsrate von bis zu 100 %. Das Erbrechen der geronnenen Milch sowie Frieren und Zittern der Ferkel ist typisch. PED Ausbrüche in Europa sind aber eigentlich häufiger ein Problem der Mast und ggf. Ferkelaufzucht.

Der direkte Erregernachweis hier am sinnvollsten. Impfstoffe sind in Europa zur Zeit nicht verfügbar, somit bleibt es bei den begleitenden Maßnahmen. Die Situation wird erst nach der Durchseuchung des Bestandes wieder stabil. In der Therapie sind Sekundärinfekte zu vermeiden und zu behandeln sowie die Milieubedingungen der Ferkel anzupassen (Wärmeversorgung, Trockendesinfektion etc.).

Strongyloidose

Dieser Parasit weist eine kurze Entwicklungsdauer (inclusive Lungenwanderung, 6 Tage) auf und kann über die Milchdüse und die Haut weitergegeben werden. Insbesondere in Outdoorhaltungen kann es zu Problemen kommen.

Klinisch steht gelblich-pastöser bis seltener rotbraun-dünnflüssiger Durchfall im Vordergrund. Die Tiere weisen eine blassgraue Farbe (Anämie) auf und neigen zur Abmagerung. Diagnostisch muss beachtet werden, dass Kotuntersuchungen innerhalb von 6 Stunden nach Probennahme erfolgen müssen, da ansonsten die Larven bereits aus den Eiern geschlüpft sind.

Therapeutisch sind antiparasitäre Behandlungen der betroffenen Ferkel angezeigt, insbesondere ist auf die Entwurmung der Sauen (Träger des Erregers) vor Geburt bei belasteten Beständen zu achten. Da in den meisten Herden eine regelmäßige Entwurmung mittlerweile zum Standard gehört, ist auch dieser Erreger selten geworden.

Ein kurzes Fazit

Die Liste der Durchfallerkrankungen der Saugferkel ist länger als die hier besprochenen. Neben dem gezielten Vorgehen gegen die Erreger selbst sind die therapiebegleitenden Maßnahmen der Schlüssel zum Erfolg. Die Diagnose und Erregerisolierung gelingt nur durch das Einschicken von Saugferkeln und ggf. Kotproben (Tab. 2). Ist es möglich, den Erreger über eine Mutterschutzimpfung in einzudämmen, so ist dieses der anzustrebende Weg, da es hierbei weder zu Resistenzen, noch zu Rückständen kommen kann und somit, neben dem Erfolg im Stall, auch noch dem Tier- und Verbraucherschutz Rechnung getragen wird.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Hendrik Nienhoff,
Landwirtschaftskammer Niedersachsen 

E Mail: Hendrik.Nienhoff(at)lwk-niedersachsen.de 

Stand: Juni 2019