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Optimierte Fütterungsstrategien für trockenstehende Milchkühe in Betrieben mit mittlerer Herdengröße
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Einleitung

Die Trockenstehzeit ist eine der wichtigsten Phasen im Produktionszyklus der Milchkuh. In dieser Zeit, zwischen vorangegangener Laktation und Geburt des Kalbes, wird der Grundstein für den Erfolg in der nächsten Laktation gelegt. Ein richtiges Trockenstehermanagement ist grundlegend für die Gesundheit, Leistung und Reproduktion der Kuh. Ziel ist es, die Kühe in die richtige Ausgangslage für die nächste Laktation zu bringen und Stoffwechselerkrankungen nach dem Abkalben vorzubeugen. Die Zeit des Trockenstellens dient der Ernährung des ungeborenen Kalbes, dem Erhalt der optimalen Körperkondition (BCS), der Regeneration des Eutergewebes und der Vorbereitung des Verdauungstraktes auf die nachfolgende Laktation.

Ein wichtiges Augenmerk in der Trockenstehzeit liegt auf dem Thema ‚Prophylaxe der Gebärparese (Hypocalcämie)‘. Um den Start in die neue Laktation so reibungslos wie möglich zu gestalten, kommt der Vorbeugung einer Hypocalcämie eine große Bedeutung zu. Hierbei ist die sogenannte subklinische Form am häufigsten verbreitet. Es wurden verschiedene Fütterungskonzepte entwickelt, um den Calciumhaushalt der Kuh im geburtsnahen Zeitraum optimal zu gestalten. Neben den Maßnahmen nach der Geburt, wie Calciuminfusionen oder unvollständiges Ausmelken in den ersten Gemelken, ist die Rationsgestaltung in der Trockenstehzeit von großer Bedeutung. Die Möglichkeiten hierbei sind zum einem eine restriktive Calciumfütterung, aber auch eine anionenreiche Fütterung unter Verwendung von „sauren Salzen“.

In der Trockenstehzeit werden hauptsächlich zwei verschiedene Fütterungsstrategien angewandt. Das einphasige System, bei dem die Tiere über den gesamten Zeitraum die gleiche Ration erhalten und das zweiphasige Fütterungssystem. Dabei wird in der frühen Trockenstehphase den Kühen üblicherweise eine energiearme Ration zugeteilt. In der späten Trockenstehzeit – auch Transitphase genannt – wird der Energie- und Proteingehalt erhöht, um der verringerten Futtertrockenmasseaufnahme entgegenzuwirken und den erhöhten Energiebedarf am Ende der Trächtigkeit abdecken zu können. Diese sogenannte zweiphasige Trockensteherfütterung stellt den Kühen zu jeder Zeit der Trockenstehperiode optimale bedarfsgerechte Rationen zur Verfügung. Allerdings stößt diese Strategie in Betrieben mit einer Herdengröße von weniger als 150 Kühen an arbeitswirtschaftliche und organisatorische Grenzen und wird daher wenig praktiziert.

In der vorliegenden Studie sollten folgende Fragestellungen untersucht werden:

  • Kann mithilfe einer Vorrats-TMR auch in Milchviehbetrieben mit mittlerer Herdengröße eine zweiphasige Trockenstehzeit erfolgreich und arbeitswirtschaftlich vertretbar durchgeführt werden?
  • Wie wirken sich unterschiedliche DCAB-Werte in Trockensteherrationen auf die Gesundheit (nach dem Abkalben) und die Milchleistung in der Folgelaktation aus?

Vorgehensweise

Tiere

Die Studie wurde auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Niederbayern mit 140 Milchkühen der Rasse Deutsches Fleckvieh durchgeführt. Die Haltung erfolgt ganzjährig im Liegeboxenlaufstall. Die jährliche Herdenleistung liegt bei ca. 9.000 kg Milch. In der ersten Trockenstehphase werden die Tiere in einem planbefestigten Laufstall mit Tiefbuchten gehalten. Für die anschließende Transitphase erfolgt die Umstallung in Tiefstreubuchten.

An der Studie nahmen insgesamt 25 trockenstehende Kühe aus der genannten Herde im Zeitraum Ende November 2022 bis Ende Februar 2023 teil. Es handelte sich ausschließlich um Mehrkalbskühe. In drei Gruppen wurden dazu je acht bzw. neun Tiere untersucht. Der Altersdurchschnitt jeder Gruppe lag bei 3,4 bis 3,6 Abkalbungen. Bei der Zusammenstellung der Gruppen wurde darauf geachtet, dass die Vorjahresmilchleistung der Kühe auf einem vergleichbaren Niveau lag. Die drei untersuchten Fütterungsvarianten wurden zeitlich aufeinanderfolgend durchgeführt.

Futtermittel und Rationsgestaltung

Die Zusammensetzung der in der Studie eingesetzten Futtermittel ist in der Tabelle 1 dargestellt. Bei der Auswahl der Futtermittel für die Trockenstehperiode wurde insbesondere auf den DCAB-Wert geachtet. So weisen die in der Tabelle 1 dargestellten Eiweißfuttermittel Biertrebersilage und Rapsextraktionsschrot (RES) negative DCAB-Werte auf und erleichtern somit eine Rationsgestaltung mit dem Ziel niedriger DCAB-Werte.

Tabelle 1: Gehalte an relevanten Inhaltsstoffen, nXP, RNB und NEL sowie DCAB-Werte von Futtermitteln, die in der Studie verwendet wurden

Gruppe 1 (betriebsübliche Fütterungsstrategie)
Bei der ersten Variante wurden die Tiere mit einer Trockensteherration ohne Zugabe saurer Salze gefüttert (Tabelle 2). Dies entspricht der Fütterung, die der Betrieb vor Durchführung der Studie angewandt hat. In der Transitphase wurde – ebenfalls betriebsüblich – die TMR für die Laktierenden verfüttert. Diese Gruppe bildete somit die Vergleichsgruppe.

Gruppe 2
In dieser Gruppe wurden die Tiere mit einer Trockensteherration mit einer Mineralstoffmischung gefüttert, welche saure Salze enthielt (Mineralfutter der Fa. Sano MiproPren 250; DCAB-Wert von -3.100 meq/kg TM). Aufgrund der vorgenommenen Ansäuerung der Ration wurde gegenüber der Variante 1 – die restriktive Calciumversorgung der Tiere aufgegeben und zur Tagesration 50 g Kohlensaurer Kalk hinzugefügt (Tabelle 2). In der Transitphase wurde die Trockensteherration zusätzlich mit 2 kg Rapsextraktionsschrot pro Kuh und Tag ergänzt.

Gruppe 3
Die dritte Fütterungsvariante wurde ebenfalls mit sauren Salzen durchgeführt. Bei dieser Ration wurde jedoch zusätzlich eine Mineralstoffmischung (Mineralfutter der Fa. Sano KatAni) hinzugefügt, welche einen DCAB-Wert von -7.300 meq/kg TM aufweist. Gleichzeitig wurde das in der Gruppe 2 eingesetzte Mineralfutter reduziert (Tabelle 2). Die sonstigen Rationsbestandteile blieben gegenüber der Gruppe 2 unverändert. In der Transitphase wurden – wie für die Gruppe 2 – zur Trockensteherration 2 kg Rapsextraktionsschrot pro Tier und Tag hinzugefügt (Tabelle 4).

Die Ergebnisse der Rationskalkulationen - relevante Inhaltsstoffe und Kennwerte - sind in den Tabellen 3 (1. Phase) und 5 (2. Phase) dargestellt.

Tabelle 2: Zusammensetzung der in der Studie eingesetzten Tagesrationen für die 1. Phase der Trockenstehzeit (Angaben in kg TM pro Kuh und Tag)

Tabelle 3: Kalkulierte Inhaltsstoffausstattung der in der Studie eingesetzten Tagesrationen für die 1. Phase der Trockenstehzeit

Tabelle 4: Zusammensetzung der in der Studie eingesetzten Tagesrationen für die Transitphase (Angaben in kg Trockenmasse pro Kuh und Tag)

Tabelle 5: Kalkulierte Inhaltsstoffausstattung der in der Studie eingesetzten Tagesrationen für die Transitphase

Vorrats-TMR

Die Erstellung der Vorrats-TMR erfolgte mit einem selbstfahrenden Futtermischwagen der Marke Siloking nach folgendem Schema: Zuerst wurden Heu, Rapsextraktionsschrot, Mineralfutter und Salz in die Mischung gegeben; darauf folgten Biertrebersilage, Grassilage und Maissilage. Nach Zugabe von Wasser und einer Mischdauer von 5 Minuten wurde die fertige Mischung – mit einem Stabilisator (Kaliumsorbat) versehen – in einem Fahrsilo einsiliert.

Nach einer Silierdauer von 4 Wochen wurde das Silo geöffnet und verfüttert. Die Futterentnahme erfolgte mit einem Frontlader. Eine nochmalige Mischung der Ration war nicht erforderlich.

Datenerhebung

Folgende Merkmale wurden tierindividuell erhoben: Konditionsentwicklung, Harn-pH-Wert, Geburtsverlauf, Nachgeburtsabgang, Krankheitsgeschehen (insbesondere Milchfieber), Milchmengen, -inhaltsstoffe. Die tägliche Futteraufnahme konnte nur gruppenbezogen erhoben werden. Die Futtervorlage erfolgt alle zwei Tage um ca. 10 Uhr vormittags. Dabei wurden die vorgelegte Futtermenge und der Futterrest erfasst.

Ergebnisse und Diskussion

Die durchschnittlichen täglichen Futteraufnahmen lagen auf dem kalkulierten Niveau. Die Kühe der Gruppe 2 erzielten mit einem Wert von durchschnittlich 12,6 kg TM/Kuh die höchste Futteraufnahme. Knapp darunter lagen die Tiere der Gruppe 3 mit 12,5 kg TM/Kuh. Die Gruppe 1 (betriebsübliche Variante) wies mit 12,3 kg TM/Kuh die niedrigste tägliche Futteraufnahme auf. Somit kann festgehalten werden, dass der bei Einsatz von sauren Salzen oft beobachtete Rückgang der Futteraufnahme in der vorliegenden Studie nicht festzustellen war.

Der Verlauf der Harn-pH-Werte in der Trockenstehzeit ist in der Abbildung 1 dargestellt. Die Tiere der Gruppe 1, welche ohne saure Salze gefüttert wurden, zeigen in der ersten Trockenstehphase einen pH-Wert von ca. 8. In der Transitphase steigt dieser sogar auf einen Wert von 8,2, was dem optimalen pH-Wert für laktierende Kühe entspricht. Für Trockensteher ist dieser Wert allerdings als zu hoch einzustufen. In den Gruppen 2 und 3 liegen die Harn-pH-Werte auf einem deutlich niedrigeren Niveau und spiegeln den Einsatz der sauren Salze deutlich wider.

Die Gesundheitsbetrachtung nach der Geburt erfolgte unter den Gesichtspunkten der klassischen Probleme, die nach der Geburt auftreten können: Gebärparese und Nachgeburtsverhalten. Unter der Kategorie „Festliegen“ werden die Tiere aufgeführt, die nach der Geburt aufgrund eines Calciummangels Probleme beim Aufstehen hatten und tierärztliche Hilfe (Calcium-Infusion) benötigten. In der Gruppe 1 betraf dies zwei von acht Tieren. In der Gruppe 2 war eine von acht Kühen von diesem Problem betroffen. Für die Tiere der Gruppe 3, welche Rationen mit den niedrigsten DCAB-Werten aufnahmen, traten keine Probleme mit Festliegen auf. Tiere, welche einen verzögerten Abgang der Nachgeburt aufwiesen, gab es nur in der Gruppe 1. Hier war dies bei zwei Tieren der Fall.

Abbildung 1: Verlauf des Harn-pH-Wertes in der 1. Phase (Termin 1 und 2) und 2. Phase der Trockenstehzeit (Termin 3)

Hinweise auf subklinische Verläufe einer Gebärparese (Hypocalcämie) kann auch die Einsatzleistung in die neue Laktation geben. Der Verlauf der täglichen Milchleistung ist für die drei Beobachtungsgruppen in der Abbildung 2 dokumentiert. Die höchsten Einsatzleistungen sind für die Gruppe 2 zu beobachten. Diese erreicht acht Wochen nach der Kalbung 44 kg ECM pro Kuh und Tag. Die Gruppe 1 liegt durchgehend unter dem Niveau der Gruppe 1 (39 kg ECM pro Kuh und Tag in der 8. Laktationswoche). Die Milchleistungen der Gruppe 2 bewegen sich in den ersten 10 Laktationswochen zwischen den beiden genannten Gruppen. Somit ist festzuhalten, dass die Gruppen mit abgesenkten DCAB-Werten in den Trockensteherrationen Vorteile in der Milchleistung aufweisen.

Abbildung 2: Verlauf der Milchleistung in den ersten 70 Laktationstagen (kg ECM/Kuh und Tag)

Zur besseren Einordnung der Milchleistungen in der Frühlaktation wurden die entsprechenden Daten der in die Studie einbezogenen Kühe für das Vorjahr (2022) herangezogen und mit den aktuellen Werten (2023) verglichen. Während die Kühe der Gruppe 1 gegenüber dem Vorjahreszeitraum (Laktationswochen 1 bis 10) ein Plus von 1,7 kg ECM/Kuh und Tag erreichten, wiesen die Tiere der Gruppen 2 und 3 deutliche Mehrleistungen auf (Gruppe 2: 7,5 kg, Gruppe 3: 9,1 kg ECM/Kuh und Tag).

FAZIT

Der Futterverzehr wurde durch den Einsatz von sauren Salzen nicht beeinträchtigt. Durch den sehr niedrigen Anteil des Mineralfutters in der Gesamtration traten offenbar keine geschmacklichen Nachteile auf.

Somit hat sich auch in dieser Hinsicht die durchgeführte Herstellung von Gesamtmischrationen (TMR), die einsiliert und bevorratet wurden, bewährt. Diese Vorgehensweise hat insbesondere für Betriebe mit mittleren Herdengrößen arbeitswirtschaftliche Vorteile.

Bei den Tieren, die eine Trockensteherration ohne saure Salze erhielten, traten vereinzelt Probleme auf, die auf einen Calciummangel hinwiesen.

Ein Zusammenhang zwischen der Trockensteherfütterung und der Milchleistung in der darauffolgenden Frühlaktation ist deutlich zu erkennen. Die beiden Gruppen, die mit einem niedrigen DCAB-Wert in der Trockenstehzeit gefüttert wurden, erzielten höhere Einsatzleistungen. Eine positive Wirkung dieser Fütterung auf den Laktationsstart konnte dadurch bestätigt werden.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Gerhard Bellof
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Fachgebiet Tierernährung
E-Mail: gerhard.bellof[at]hswt.de

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