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Neuregelung von Kälbertransporten ab 2023
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Seit dem 01.01.2022 läuft die Übergangsfrist bei der Änderung der Tierschutztransportverordnung, mit der ab Januar 2023 das Mindestalter der Kälber für den Transport von 14 auf 28 Tage angehoben wird. Ein Antrag Niedersachsens auf Verlängerung der Übergangsfrist von einem auf drei Jahre wurde jüngst im Bundesrat nicht entschieden, so dass von einer einjährigen Anpassungsfrist für die Betriebe auszugehen ist.

Neue Herausforderungen

Mit dieser Änderung des Transportalters, derzeit noch ein deutscher Alleingang in der EU, werden Milchkuhbetriebe vor neue Herausforderungen gestellt. Ab dem 01.01.2023 gilt dann in Deutschland, dass Kälber erst ab einem Alter von 28 Tagen innerhalb Deutschlands (mit wenigen Ausnahmen) transportiert werden dürfen. Das wird für Milchkuhhalter, Händler und Kälber- sowie Bullenmäster Konsequenzen mit sich bringen.

Eines sollte man aber bei der ganzen Diskussion nicht vergessen: Kälber sind DIE Grundlage für die Rind- und Kalbfleischproduktion! Schon heute sind gute Kälber bei Mästern gesucht – und sie werden auch weiterhin gesucht sein. Bisher lag ein wesentlicher Teil der Aufzucht der HF-Kälber direkt beim Kälbermäster. Mit der Erhöhung des Transportalters werden nun 2 wesentliche Wochen zu Beginn der Aufzucht zum Milchkuhbetrieb verlagert. Um für Mäster ein gutes Tier bereitzustellen, müssen sich Milchkuhhalter zukünftig noch intensiver, weil länger, mit der Aufzucht der Bullenkälber befassen.

Die Mehrzahl der Milchkuhbetriebe wird zusätzliche Kälberplätze schaffen müssen, um die bei den Bullen/Kreuzungskälbern um mind. 14 Tage verlängerte Aufzucht umsetzen zu können. Das bedeutet neben Investitionen in die Unterbringung auch mehr Arbeit und Futter. Kalkuliert man die 14 Tage zusätzlich im Betrieb mit nur ca. 3 €/Kalb pro Tag, ist man schnell bei Mehrkosten von 45 – 50 €/Kalb.

Diese Mehrkosten je Kalb im Erzeugungsbetrieb werden von den Marktpartnern langfristig nur mitgetragen werden, wenn das „Verkaufskalb“ von guter Qualität ist. Das durchschnittliche Vermarktungsgewicht liegt nach Angaben aus dem Kälberhandel aktuell bei ca. 50 - 55 kg bei durchschnittlich 19 Tagen alten Kälbern.

Zukünftig werden die Kälber dann schwerer sein müssen, ca. 70 bis 80 kg bei 28 Lebenstagen.

Insider gehen davon aus, dass zukünftig die Preisspanne zwischen gutem und schlechtem Kalb für die Mast weiter auseinander gehen wird, zumal Qualitätsunterschiede beim älteren Kalb offensichtlicher werden. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, wie das Kalb weiter verwendet werden wird. Schwarzbunte Bullenkälber gehen überwiegend in die Kälbermast, Kreuzungskälber in die Bullenmast. Hier wäre es sicher sinnvoll, wenn zukünftig auch bei den ersten 4 Wochen der Aufzucht stärker auf die spätere Verwertung der Kälber geachtet wird und idealerweise eine Absprache zwischen Aufzüchter und Mäster stattfindet, um Fütterung und Hygienemaßnahmen aufeinander abzustimmen.

Milchkuhhalter und Mäster haben noch 11 Monate Zeit, sich auf die neuen Regelungen einzustellen.

Haltungs- und Versorgungskapazitäten anpassen

Grundsätzliche Fragen, die in diesem Zusammenhang individuell geklärt werden müssen, sind:

  • Wieviel Platz ist wo vorhanden? Auch wenn „nur“ zusätzliche Iglus gestellt werden sollen, müssen diese auf einer AwSV-konformer Betonplatte stehen (Bundesanlagenverordnung für wassergefährdende Stoffe (AwSV). Braucht es zusätzlichen Witterungsschutz?
  • Ist ggf. ein kompletter Kälberstallneubau mit Bauantrag notwendig?
  • Gibt es Probleme mit Tierzahlbegrenzungen (BImSchG) am Standort?
  • Reichen die vorhandenen Lagerkapazitäten für Futter, Einstreu und Mist?
  • Passt der Tierbestand dann noch zur Fläche (Stichwort Düngeverordnung)?

Kälberparadies oder „Durchgangslager“

Start jeder baulichen Lösung muss die Bestimmung der notwendigen Kälberplätze sein. Einfach gesagt, muss nur die jetzt vorhandene Kapazität einfach verdoppelt werden.

Aber die Zeit bis zur Umsetzung der neuen Regelung sollte genutzt werden, um die Kälberaufzucht/Haltung auf den Prüfstand zu stellen. Die notwendigen Anpassungen sollten nicht auf die lange Bank geschoben werden, vor allem dann nicht, wenn ggf. ein neuer Kälberstall gebaut werden soll. Wenn dazu ein Bauantrag nötig ist, wird die Zeit knapp, bis die nötige Baugenehmigung erteilt und der Stall tatsächlich gebaut ist.

Ausgangslage der Berechnung für die notwendigen Kälberplätze sind die erwartete Anzahl der Abkalbungen pro Woche sowie die voraussichtliche Aufenthaltsdauer (28 Tage) der Kälber. Allerdings sollte hier auch immer ein Leerstand für Iglus oder Einzelboxen von 30 – 40 % berücksichtigt werden, um Infektionsketten im Kälberbereich zu unterbrechen und somit eine optimale Hygiene aufrecht zu erhalten.

Beispiel für die Kalkulation notwendiger Kälberplätze:

  • Milchkuhbetrieb mit 150 Kühen und ganzjähriger Abkalbung, 30 % Fleischrassenbesamung, 28 Tage Einstallungsdauer
  • 150 x 1,1 Abkalbungen/52 Wochen = 3 – 4 Kälber pro Woche:
    • 1 Kuhkalb, 2 Bullen/Kreuzungen x 4 Wochen = 13 – 16 Kälberplätze + 30 % Zuschlag Leerstand (4 – 5) = 17 – 21 Plätze

Als grobe Faustzahl gilt: 1 Iglu pro 10 Kälber bei ganzjähriger Abkalbung.

Betriebe, die Abkalbeschwerpunkte haben, sollten mit mehr „Leerstand“ kalkulieren, um jederzeit genügend Platz für die Kleinsten zu haben. Wer zu Beginn auf den Leerstand verzichtet, wird im Laufe der Zeit große hygienische Probleme in diesem sensiblen Kälberbereich bekommen.

In immer mehr Betrieben wird es Standard, die Verkaufskälber an einem anderen Ort, getrennt von der weiblichen Nachzucht zu halten, so dass der Kälberhändler nicht in den Stall/Aufenthaltsbereich mit der eigenen Nachzucht muss.

Einraum-Appartement oder WG?

Das Angebot an Kälberiglus, die ursprünglich für den Standort „draußen“ konzipiert sind, ist groß. Vielen Vorteilen stehen aber auch Nachteile im Bewirtschafterkomfort und in der Luftführung für die Kälber, vor allem im Sommer, gegenüber. Auch die Frage der Futter- und Wasserversorgung wirft immer wieder Fragen auf.

Von Vorteil ist, dass die Maße in der Regel auch den Anforderungen der Kälber, die älter als 2 Wochen alt sind, entsprechen. Iglus sind sehr flexibel auf die Herdengröße anzupassen, können gewissermaßen „mitwachsen“, wohingegen feste Ställe eine vorgegebene Größe definieren.

In jedem Fall brauchen Iglus eine befestigte Betonfläche als Standfläche, um Schmutzwasser aufzufangen und/oder gezielt abzuleiten. Theoretisch können Iglus auf einer gepflasterten Fläche stehen, aber hier muss dann eine aufwändige Leckerkennung im Unterbau eingebaut werden (Stichwort AwVS).

Um den Bewirtschafterkomfort zu erhöhen, können einfache Dachkonstruktionen über die Iglus gesetzt werden. Solange sie unter 6 m Firsthöhe bleiben, sind diese Bauten baugenehmigungsfrei. Dennoch müssen diese „Unterstände“ bei der Unteren Wasserbehörde und dem Wasserwirtschaftsamt angezeigt werden.

Kälberiglus sind ursprünglich konzipiert worden, um die Kälber unter Außenklimabedingungen zu halten und ihnen mit einem Innen- und Außenbereich unterschiedliche Klimazonen anbieten zu können. Heute findet man vermehrt „leichte Iglu-Varianten“, die in mehr oder weniger geschlossenen Gebäuden aufgestellt werden. Die Erfahrung zeigt, dass diese Iglus kaum (ohne zusätzlichen technischen Aufwand) zu belüften sind und man damit den Kälbern nichts Gutes tut. Wer darum zusätzliche Kälberplätze, die im Gebäude untergebracht werden sollen, plant, sollte sich über alternative Boxensysteme informieren.

Alternative zu Außeniglus mit einem Laufbereich sind aufgeständerte Boxen/Hütten. Ihre Vorteile sind, dass die gesamte Liegefläche vor Witterungseinflüssen geschützt ist und sie mit der Überdachung gut im Außenbereich zu platzieren sind. Wichtig ist die Ausrichtung, damit nicht falsche Windverhältnisse im Aufenthaltsbereich des Kalbes auftreten. Nachteilig ist besonders, dass ein Auslauf fehlt. Auch bei aufgeständerten Hütten ist ein betonierter Untergrund Pflicht. Heute sollte man bei jeder Art der Einzelbox darauf achten, dass die Trennwände leicht herausgezogen werden können, Stichwort „end of cage“.

Wichtig ist auch zu beachten, dass Hütten von Anbietern nicht per se die richtigen Größen haben – hier ist der Blick in die genauen Maßangaben vor der Kaufentscheidung sehr wichtig.

Eine Alternative zu den Einzeliglus für die zusätzlichen Bullenkälber/Kreuzungskälber können auch Gruppeniglus sein. Auch diese Iglus müssen auf betonierten Flächen stehen und es müssen Futter und Wasser angeboten werden können. Meist sind die Großraumiglus entsprechend Herstellerangaben für 5 – 7 Kälber geeignet. Viele Praktiker haben aber bereits die Erfahrung gemacht, dass eher weniger Kälber sich in den Iglus besser entwickeln. Bei den Kälbern gilt der gleiche Grundsatz wie bei der Kuh – je mehr Platz für das Einzeltier vorgesehen wird, desto besser ist das Tierwohl.

Bei einigen Anbietern scheinen Aspekte der Arbeitswirtschaft nicht ideal gelöst zu sein (Misten nur von vorn, wenn der Trog beiseitegeschoben wird), so dass man im Vorfeld die tägliche Bewirtschaftung im „geistigen Auge“ planen sollte. Generell ist auch hier das Angebot am Markt sehr groß, wobei auch Eigenlösungen durchaus sehr gut funktionieren können (siehe nachfolgendes Bild)

Neuen Kälberstall bauen?

Wer die neue Kälbertransportverordnung als Auslöser nimmt, einen neuen Kälberstall zu planen, um mehr Kälberhaltungsplätze zu schaffen, hat nicht viel Zeit für Planung, Baugenehmigungsphase und Bauphase.

Grundsätze der Kälberstallplanung beginnen immer damit zu definieren, für wie viele Kälber Platz geschaffen werden soll/muss. Diese Frage ist sehr eng an die aktuelle und zukünftige Entwicklung des Kuhbestands geknüpft. Es ist sinnvoll, lieber zu groß, als zu klein zu planen. Und ähnlich wie beim Kuhstall sollte auch bei einem Kälberstall eine Erweiterungsmöglichkeit eingeplant werden. Es ist sinnvoll, Kälber bis zu einem Alter von 6 Monaten im gleichen Haltungsumfeld aufzustallen, denn nach 6 Monaten sind die Tiere im Idealfall stabil und bereits gut entwickelt, so dass die Ansprüche, vor allem an Klima und Luftführung einfacher werden.

Generell sollten bei der Planung auch die Grundsätze einer guten Arbeitseffizienz beachtet werden. Viele Arbeiten können heute auch im Kälberstall automatisiert werden und für das einfache Umstallen ist primär die richtige Anordnung von Gattern und Trenngittern entscheidend. Nur wenn das Kälbermanagement im Betrieb klar definiert ist, kann der richtige Stall dafür geplant werden, denn Managementroutinen können nur etabliert werden, wenn ihre Umsetzung einfach und problemlos ist. Für die Arbeitseffizienz ist die richtige Anordnung der Gebäude zueinander ein wichtiger Punkt, aber auch der Tierfluss in den Gebäuden hat Einfluss darauf. Oberster Grundsatz der Arbeitsorganisation muss sein, dass die täglichen Arbeiten (füttern, einstreuen, misten, Hygiene, Vorratshaltung…) einfach und sicher zu erledigen sind.

Ein Kälberstallbau sollte im Vorfeld genau geplant werden, denn auch hier spielen Baukosten eine wichtige Rolle – aber wer im Vorfeld besser plant, spart im laufenden Betrieb, weil sich u.a. die Kälbergesundheit verbessert, die Aufzuchtergebnisse besser werden und die Arbeitseffizienz steigt. Weitere Informationen zur Kälberstallplanung finden Interessierte auch unter https://www.milchhessen.de/kaelberstall.

Die Frage der optimalen Haltungsform hat immer auch mit der Fütterungstechnik zu tun und muss stets individuell entschieden werden. Wer mit dem Kälbertaxi tränkt, kann mit mehr Iglus/Einzelboxen planen. Wer mit dem Tränkeautomat arbeitet, wird vermehrt Gruppenlösungen anstreben. Neben dem reinen Platzangebot gibt es weitere Vorgaben im Bereich der Fütterung, die beachtet werden müssen, denn ab dem achten Tag muss Raufutter angeboten werden und spätestens ab der zweiten Woche muss ein Zugang zu Wasser vorhanden sein.

Wer Kälber durch Impfungen schützt, wird vermutlich auch die Verkaufskälber impfen (müssen), um den Gesundheitsstatus aufrechtzuerhalten. Eine weitere kritische Frage ist die Kälberenthornung, da die Kälber bis zur 6. Woche enthornt sein müssen. Somit wird vermutlich auch diese Aufgabe auf die Aufzüchter zurückfallen.

FAZIT

Egal, wie die Kälber untergebracht werden, es müssen Mindestmaße eingehalten werden, die sich ab einem Alter ab 2 Wochen verändern (KälberhaltungsVO). Auch in den neuen Tierwohlhaltungsstufen sind die Platzansprüche analog der KälberhaltungsVO für die Kälber bis zum Alter von einschließlich 6 Monaten definiert.

In der Einzelhaltung muss die Box mind. 120 cm x 80 cm x 80 cm (LxBxH) groß sein. Ab zwei Wochen (bis 8 Wochen) erhöht sich der Platzbedarf auf 160 cm x 90 cm (LxB), wenn der Trog außen angebracht ist. In der Gruppenhaltung muss bis zu einem Gewicht von 150 kg 1,5 m² pro Kalb, bzw. mindestens 4,5 m² Gesamtliegefläche für die Gruppe bereitgestellt werden. Diese Angaben sind Mindestmaße, immer mehr Betriebe machen positive Erfahrungen mit größeren Einzelboxen für ein Kalb und mit Boxen, die durch herausziehbare Trennwände schnell von einer Einzelbox in eine paarweise Aufzucht oder Kleingruppe umgewandelt werden können. Übrigens gelten auch 2 Kälber in einer Box bereits als Gruppe, so dass dann auch die entsprechenden Maße eingehalten werden müssen.

Die bevorstehende Änderung sollte unbedingt auch als Chance genutzt werden, die Kälberhaltung auf den Prüfstand zu stellen. Nicht erst seit heute müssen wir jedem Kalb eine höhere Bedeutung beimessen und es muss auf die gleichmäßige Qualität der Kälber geachtet werden. Diese Kälberqualität muss transparent dargestellt werden, damit sie beim Verkaufskalb entsprechend bezahlt werden kann. Wichtig erscheint außerdem, dass es einen intensiveren Austausch zwischen Aufzüchter und Händler/Mäster gibt, was mit dem Kalb geschieht, wenn es den Hof verlassen hat.

Wer nichts macht, wird die Bedingungen für die Kälber im Betrieb verschlechtern – und bei möglichen Kontrollen der Veterinärämter drohen Bußgeldbescheide.

Grundstein für gesunde, frohwüchsige Kälber sind ein gutes Biestmilchmanagement, gute Haltungsbedingungen und eine gute Versorgung/Fütterung – Wissen, das längst bekannt ist. Management, Fütterung und Haltung müssen sehr gut aufeinander abgestimmt sein, um die Immunitätslage der Kälber zu verbessern bzw. zu stabilisieren.

Diese Fotos zeigen unterschiedliche Möglichkeiten der Unterbringung von kleinen Kälbern

DER DIREKTE DRAHT

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Fotos: Sibylle Möcklinghoff-Wicke)