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proteinmarkt.de - Infoportal für Fütterungsberater und Landwirte
Mehr Verbraucherdialog wagen

Viele Landwirte fühlen sich in der öffentlichen Diskussion zusehends an den Pranger gestellt und ärgern sich darüber, dass ihre Stimmen kaum noch gehört werden. Dies hat sich geändert seitdem Bauer Willi einen Online-Brief an die Verbraucher geschrieben hat und damit seiner Wut Luft gemacht hat. Seitdem nimmt er zu aktuellen Themen aus der Landwirtschaft gerne Stellung und nimmt dabei oft kein Blatt vor den Mund. Wir sprachen mit Bauer Willi alias Dr. Willi Kremer-Schillings über Antrieb und Aktion in Sachen landwirtschaftliche Akzeptanzschaffung. 

Bauer Willi: Wir wollen Fragen rund um die Landwirtschaft von heute aufgreifen und beantworten. Wir wollen aber auch zeigen, dass nur „billig, billig“ langfristig weder der Gesellschaft noch den Landwirten hilft. Auch wenn ich mit diesem „Brandbrief“ zunächst einmal deutlich auf den Putz gehauen habe und wir unsere persönliche Sicht der Dinge darstellen, die nicht jedem gefallen muss: Wir suchen den Dialog. Uns liegt am Herzen, dass Kommunikation zwischen Bürgern und Verbrauchern und uns Landwirten entsteht. 

proteinmarkt.de: Die erste „Breitseite“ in Richtung der Verbraucher hat ja vielfältige Reaktionen ausgelöst. Was haben Sie daraus gelernt – und was bedeutet das für Ihre Kommunikationsarbeit heute? 

Bauer Willi: Bandbreite und Vielzahl der Reaktionen haben uns überrascht, ja fast überrollt. Wir haben Zuspruch von Verbrauchern bekommen und natürlich von Berufskollegen, die sich gefreut haben, dass endlich jemand „die Wahrheit“ ausspricht. Ebenso haben uns aber auch Reaktionen erreicht, die von Zynismus und Arroganz gesprochen oder uns vorgeschlagen haben, kurzerhand den Betrieb zuzumachen und umzuschulen, wenn wir von der Landwirtschaft nicht mehr leben könnten. Abgesehen davon, dass ich mit der emotionalen Sichtweise in diesem ersten Brief an die Verbraucher vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen bin, haben wir aber erreicht, dass wir in den Dialog mit Verbrauchern eingetreten sind. Und den wollen wir gerne so lange weiterführen, wie man uns zuhört. 

proteinmarkt.de: Wie bewerten Sie Ihre persönlichen Erfahrungen mit diesem Dialog nach den ersten gut eineinhalb Jahren? 

Bauer Willi: Ein Knackpunkt der gesellschaftlichen Debatte zur Landwirtschaft von heute sind wohl die jeweiligen Blickwinkel. Der Verbraucher schaut von seiner Warte, zum Teil mit knappen Haushaltsbudgets, mit romantisierenden (Werbe-)Bildern von der Herkunft der Lebensmittel im Kopf – und oft gänzlich unbelastet von Fachwissen. Landwirte dagegen haben ihre Realität und damit ihre fachliche Sicht der Dinge vor Augen und setzen in der Kommunikation mit Verbrauchern oft mehr Wissen und Akzeptanz voraus, als Verbraucher von heute haben und haben können. Wir haben gelernt, dass wir Landwirte mit unserem Dialogangebot die Verbraucher noch viel mehr „dort abholen“ müssen, wo sie stehen. Unsere Sprache sollte einfacher und auch emotionaler sein. Mit einem „Faktencheck“ kann der Bürger nicht viel anfangen. 

proteinmarkt.de: Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe und der in der Landwirtschaft Tätigen geht stetig weiter zurück. Damit wächst auch die Kluft zwischen den Verbrauchern, denn die meisten kennen nur noch den Supermarkt als Herkunftsort ihrer Lebensmittel. Welche Ideen haben Sie, um den Verbrauchern die Urproduktion und die Leistungen der Landwirtschaft wieder näher zu bringen? 

Bauer Willi: Da geht zunächst um die Bereitschaft jedes einzelnen Berufskollegen, in seinem persönlichen und beruflichen Umfeld ein guter Botschafter der Branche zu sein. Das ist ein wesentliches Element in einer Strategie für mehr – und mehr positiven – Dialog mit der Gesellschaft. Das geht schon bei seinem unmittelbaren Nachbarn los, der sich über den Gülle-„Geruch“ aufregt. Warum lädt er nicht auch mal seinen Lokalredakteur ein, um ihm seine neue Pflanzmaschine für Kartoffeln zu zeigen und zu erklären? Ist für uns banal, aber der kennt ein solches All-in-one-Gerät mit Sicherheit nicht.
Wahrscheinlich müssen wir aber auch in der Branche größer denken und stärker gemeinsam agieren, müssen wir Kräfte und Stimmen in einer Kampagne bündeln.

proteinmarkt.de: Welche Botschaften wären für Bauer Willi in einer solchen Kampagne wichtig? 

Bauer Willi: Wir müssen deutlich machen, dass die Landwirte, ob groß oder klein, bio oder konventionell, Franke, Hesse, Schwabe oder Niedersachse, jung oder alt, auch zur Selbstkritik fähig sind. Dabei muss gelten: Keine Angst vor Tabu-Themen, denn die Wahrheit kommt früher oder später sowieso an das Licht. Die Aussagen können gerne auch etwas doppeldeutig sein, wenn sie frisch, knackig und sympathisch daherkommen und so zum Nachdenken anregen. Wenn es uns gelänge, der Gesellschaft unsere Leistungen ebenso wie das, was wir selbst gerne anders und damit besser machen würden, mit einem gewissen Augenzwinkern, authentisch und ehrlich zu vermitteln, dann hätten wir schon viel erreicht. So habe ich es auch in meinem Buch „Sauerei!“ versucht.
Es ist allerdings wie beim Angeln: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass nur Profis diese Gedanken so in einer Kampagne umsetzen können, dass die Aussagen auch positiv bei den Verbrauchern ankommen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Initiative „Heimische Landwirtschaft“, die von Landwirten finanziert wird und Radiospots sendet. Ich würde mir wünschen, dass unsere berufsständische Vertretung mutig neue Pfade einschlägt.