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Kreißsaal im Schweinestall – Geburtsablauf und Geburtshilfe bei der Sau
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Dr. Onno Burfeind von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein befasst sich im aktuellen Beitrag mit den Abläufen einer Ferkelgeburt und den dabei einzuhaltenden Regeln bei der Geburtshilfe. Was alltäglich für Sauenhalter erscheint, ist doch immer wieder ein besonderes Ereignis für die Sau: das Gebären eines Wurfes! Daher sollte man sich immer wieder bewusst machen, dass eine Geburtshilfe für eine Sau einen großen Eingriff darstellt und die Sauen ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen haben.

Was alltäglich für Sauenhalter erscheint, ist doch immer wieder ein besonderes Ereignis für die Sau: das Gebären eines Wurfes! Je nach Produktionsrhythmus stehen bei Ferkelerzeugern in bis zu wöchentlichem Turnus Abferkelungen an. Daher werden die Tätigkeiten rund um die Abferkelung zu Routinetätigkeiten. Trotzdem sollte man sich von Zeit zu Zeit einmal wieder die Abläufe und geltenden Grundregeln bei der Geburtshilfe vor Augen halten.

Die Trächtigkeit von Sauen beträgt 115 Tage, wobei vor allem Sauen dänischer Genetik deutlich längere Tragezeiten aufweisen. Ohne Geburtseinleitung können durchschnittliche Tragezeiten von über 117 Tagen in der Sauenherde auftreten. Der Vorteil in der Geburtseinleitung besteht vor allem darin, dass die Geburten so terminiert werden können, dass eine konsequente Überwachung zu den Arbeitszeiten sichergestellt werden kann. Es kann in vielen Betrieben nicht sichergestellt werden, dass eine Nachtwache die Abferkelungen betreut. Eine Geburtseinleitung kann allerdings auch nachteilig sein, weil die Überlebenschance von kleineren Ferkeln mit jedem zusätzlichen Tragetag steigt und eine zu frühe Einleitung zur Geburt von schwachen Ferkeln führen kann. Daher sollte die Geburtseinleitung frühestens erfolgen, wenn bereits 50% der zur Abferkelung anstehenden Sauen abgeferkelt haben. Bei einem Großteil der anderen Sauen hat die Geburt dann bereits begonnen und nur wenige Sauen werden letztendlich eingeleitet. Dadurch können sich bei den üblichen Wochenarbeitstagen die Geburten allerdings auf die Wochenenden verschieben.

Bevorstehende Geburt erkennen

Sauen zeigen in den letzten 24 Stunden vor der Abferkelung eine deutliche Anschwellung und Rötung der Zitzen und die Milch schießt ein. Es lässt sich somit Milch aus den Zitzen ermelken. Während dieser Phase zeigen die Sauen ein deutliches Nestbauverhalten. Die Tierschutznutztierhaltungsverordnung schreibt das Anbieten von geeignetem Nestbaumaterial in der Woche vor der Abferkelung vor. Es hat sich bewährt, den Sauen in strohlosen Systemen Jutesäcke als Nestbaumaterial anzubieten.

Diese können am Ferkelschutzkorb oder an Wänden aufgehängt werden. Während einige Sauen die Säcke intensiv nutzen, schenken andere diesen kaum Beachtung. Je dichter die Abferkelung rückt, desto mehr liegt die Sau in Seitenlage. Ideal ist es, wenn die Sau während der kompletten Geburt in Seitenlage liegt, da mit jedem zusätzlichen Hinlegen ein großes Erdrückungsrisiko für die noch unsicher laufenden und nach dem Gesäuge suchenden Ferkel besteht. An den Menschen gewöhnte Tiere und ein ruhiger Umgang mit den Sauen sind umso wichtiger, um die Sauen während der Geburt nicht zusätzlich zu beunruhigen. Bei einer normalen Geburt werden die Ferkel in der Regel mit einem Abstand von 15 Minuten geboren.

Bei Geburtsstörungen eingreifen

Es hat sich bewährt, bei Durchgängen durch die Abferkelabteile die Uhrzeit und die Anzahl der bis dahin geborenen Ferkel auf der Sauenkarte zu notieren. Somit kann auch bei der Betreuung durch mehrere Mitarbeiter oder von vielen Sauen sichergestellt werden, dass ein Stocken des Geburtsablaufes erkannt wird. In diesem Fall muss die Ursache für das Stocken der Geburt ermittelt und der Sau geholfen werden. Zunächst kann die Gesäugeleiste massiert werden. Dies führt zu einer Ausschüttung von Oxytocin, was die Wehen stimuliert. Gleichzeitig kann die Sau mit der Faust in der Flankengegend leicht massiert werden. Dies kann die Platzverhältnisse im Bauchraum ein wenig verändern, was manchmal schon reicht um ein nach unten verlagertes Gebärmutterhorn oder ein leicht quer liegendes Ferkel wieder in die richtige Position zu bringen. Helfen diese Maßnahmen nicht, muss eine vaginale Untersuchung des weichen Geburtsweges vorgenommen werden, um etwaige Fehllagen der Ferkel zu erkennen und zu beheben.

Hygiene ist das A und O

Vor jeder vaginalen Untersuchung ist eine Reinigung der Scham notwendig. Die Benutzung eines Handschuhs und einer Menge Gleitgel ist Standard, um die Sau vor Keimeinträgen und nicht zuletzt sich selbst zu schützen. Sollte eine Trockenreinigung der Scham nicht ausreichen, kann das Waschen der Scham mit Wasser und Seife angebracht sein. Durch eine sehr gute Geburtshygiene kann die Häufigkeit des Auftretens von Gebärmutterentzündungen nach der Geburtshilfe deutlich reduziert werden. Man stelle sich vor, dass es dem Mediziner Semmelweiß im 19. Jahrhundert lediglich durch das Einführen der Händedesinfektion vor der Geburtshilfe bei Frauen gelang, die Sterblichkeitsrate nach einem geburtshilflichen Eingriff in seiner Klinik von über 10 auf unter 2 % zu senken. Dies sollte Ansporn genug sein, auch bei den Sauen sehr sauber bei der Geburtshilfe zu arbeiten. 

Vorsicht bei der vaginalen Untersuchung

Bei der vaginalen Untersuchung muss sehr behutsam vorgegangen werden, um die weichen Geburtswege nicht zu verletzen. Es muss festgestellt werden, ob der Gebärmuttermund geöffnet ist und ob ein Ferkel mit der Hand erreicht werden kann. Es kann passieren, dass ein Ferkel nicht ohne Hilfe entwickelt werden kann und somit ein Geburtshindernis für nachfolgende Ferkel darstellt (z.B. Querlage). In diesem Fall ist das erreichbare Ferkel zu entwickeln und nach weiteren Ferkeln zu suchen. Die Sau sollte unterstützt werden, indem die erreichbaren Ferkel mit Hilfe zur Welt gebracht werden.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Gebärmutter nach unten abgeknickt ist und dadurch die Ferkel nicht zu erreichen sind. In diesem Fall kann es notwendig sein, die Sau aufstehen zu lassen, damit der Knick verstreicht und die Ferkel gegebenenfalls erreicht werden können. Eine dritte regelmäßig auftretende Geburtsstörung bei der Sau ist die Wehenschwäche. Diese kann entweder primär oder als Folge von Erschöpfung bei einer langen Geburt auftreten. In diesem Fall ist die Gabe von Oxytocin angesagt. Allerdings darf Oxytocin erst verabreicht werden, wenn kein Geburtshindernis vorliegt. Dies setzt eine vaginale Untersuchung der Sau voraus, um ein eventuell feststeckendes Ferkel manuell zu entwickeln.

Werden mehrere Oxytocininjektionen notwendig, sind Mindestabstände von 30 Minuten zwischen diesen einzuhalten. Auch muss die Sau intensiv beobachtet werden und ein deutliches Voranschreiten des Geburtsverlaufs erkennbar sein. Ist dies nicht der Fall, muss eine weitere vaginale Untersuchung erfolgen, um erneut ein Geburtshindernis auszuschließen. Die Geburt ist beendet, wenn die Nachgeburt vollständig abgegangen ist. Mitunter kann es schwierig sein, das Ende genau zu erkennen, sodass es ab und zu vorkommen kann, dass tote Ferkel in der Gebärmutter verbleiben. Dies kann zu schweren Allgemeinstörungen der Sau führen.

Die ersten Tage nach der Abferkelung meistern

In den ersten Tagen nach der Abferkelung besteht ein erhöhtes Risiko der Sauen zu erkranken. Gerade Sauen, bei denen Geburtshilfe geleitet wurde, haben ein höheres Risiko eine Gebärmutterentzündung (Metritis) zu entwickeln. Diese ist oft mit dem Auftreten mit einer Gesäugeentzündung (Mastitis) und einem Milchmangel (Agalaktie) vergesellschaftet, was in dem Erkrankungskomplex MMA zusammengefasst wird. Die Gebärmutterentzündung äußert sich durch eitrigen übelriechenden Scheidenausfluss, der nach der Geburt auftritt. Durch die Geburt ist eine direkte Verbindung von der Umwelt in die Gebärmutter geschaffen. Es dauert einige Tage, bis der Gebärmuttermund sich vollständig geschlossen hat. Somit können Bakterien aus der Scheide und aus der Umwelt leicht in die Gebärmutter eindringen und sich hier vermehren. Das entzündete Gesäuge der Sauen ist gerötet, warm, geschwollen und schmerzhaft. Weiterhin ist die Milch nicht mehr weiß, sondern kann gelblich verfärbt sein und kleine Flocken enthalten.

Auch hier dringen Bakterien aus der Umwelt durch die Zitzenöffnung oder Verletzungen der Gesäugehaut ein und vermehren sich in dem Gesäugekomplex. Da diese voneinander isoliert sind, tritt die Entzündung oft nicht in allen Komplexen gleichzeitig auf. In den betroffenen Bereichen des Gesäuges sinkt die produzierte Milchmenge oder die Milchproduktion versiegt komplett. Neben der Gesäugeentzündung führen aber auch eine ungenügende Futter- oder Wasserversorgung, sowie Ungleichgewichte der für die Laktation notwendigen Hormone zu einem Milchmangel.

Rechtzeitig erkennen!

Eine frühzeitige Erkennung von MMA ist essentiell, um die Milchleistung der Sau im aktuellen wie auch in Folgewürfen wieder herzustellen. In der Abferkelbucht sind die Ferkel direkt von der Milchproduktion der Sau abhängig. Produziert diese keine oder zu wenig Milch, so beginnen die Ferkel zu kümmern und die Verluste steigen an. Aus diesem Grund sollte jeder Sauenhalter eine Strategie entwickeln, um alle Sauen regelmäßig und standardisiert zu kontrollieren, damit keine Sau mit MMA übersehen wird. Insbesondere eine erhöhte Körpertemperatur gibt den Tierbetreuern erste Hinweise. So hat sich in vielen ferkelerzeugenden Betrieben das „Fiebermessen“ in den ersten drei Tagen nach der Abferkelung bei allen Sauen etabliert. Doch auch hier gilt zu beachten „Fieber ist nicht gleich Fieber“. Oft wird ein Grenzwert von 39,5°C als Entscheidungskriterium angenommen.

Eine aktuelle Untersuchung identifizierte über eine kontinuierliche Messung der Vaginaltemperatur bei Sauen in der ersten Woche nach der Abferkelung Faktoren, die Einfluss auf die Körpertemperatur haben. Die Untersuchung zeigte sehr eindrucksvoll, dass bei Sauen ein deutlicher Tagesrhythmus der Körpertemperatur vorliegt. Die niedrigste mittlere Temperatur wurde in den Morgenstunden mit 39°C gemessen. Über den Tag stieg die Körpertemperatur dann bis auf 39,4°C am Nachmittag an. Dies verdeutlicht, dass die Temperatur jeden Tag zu der gleichen Uhrzeit gemessen werden muss. Um Empfehlungen dicht an der Praxis zu treffen wurde in der Untersuchung ebenfalls die rektale Temperatur bei den Sauen gemessen. Dabei zeigte sich deutlich, dass Jungsauen eine deutlich höhere Körpertemperatur haben als Altsauen.

Tierbeobachtung zu Fütterungszeiten

Neben der Messung der Temperatur liegt in einer guten Tierbeobachtung der Schlüssel zu einer frühzeitigen Diagnose von MMA. Diese sollte morgens und nachmittags bei der Fütterung der Sauen stattfinden. Kranke Sauen bleiben oft liegen, während gesunde Sauen bei den ersten Anzeichen der beginnenden Fütterung aufstehen und unruhig werden. Bleiben Sauen bei der Tierkontrolle liegen, ist bei diesen Sauen oft übelriechender Ausfluss aus der Scheide festzustellen, der ein weiteres wichtiges Symptom der MMA darstellt.

Weiterhin fressen kranke Sauen ihren Trog oft nicht leer, weshalb ein Blick in den Trog bei der Tierkontrolle zwingend notwendig ist. Diese Reste müssen später entfernt werden, damit das Futter bei der nächsten Fütterung wieder frisch und schmackhaft ist.

Auch das Liegeverhalten der Sauen gibt Aufschluss. Da ein entzündetes Gesäuge heiß und schmerzhaft ist, liegt die Sau oft auf dem Bauch und verwehrt den Ferkeln den Zugang zum Gesäuge. Gerade bei Gussboden unter der Sau versuchen diese das Gesäuge durch die Bauchlage zu kühlen. Spätestens hier gibt das Verhalten der Ferkel ebenfalls Hinweise auf MMA bei der Sau. Da die Ferkel Hunger haben sind die Ferkel oft unruhig und suchen den Kontakt zur Sau. Da die Ferkel keine Reserven haben, verschlechtert sich ihr Ernährungszustand schnell. Hohle Bäuche der Ferkel geben hier ebenfalls Hinweise auf Gesundheitsstörungen bei der Sau.

Behandlung

Sind Sauen an MMA erkrankt ist eine zügige antibiotische Behandlung notwendig. Nur wenn schnell und konsequent behandelt wird, bestehen gute Heilungschancen. Bei einer verzögerten Behandlung entstehen langfristige Schäden am Gesäuge, die auch in Folgewürfen bestehen bleiben können. Neben einem wirksamen Antibiotikum sollte den Sauen in jedem Fall auch ein Entzündungshemmer gespritzt werden. Zum einen wird dadurch die Entzündungsreaktion im Gesäuge vermindert und zum anderen senkt dieser gleichzeitig die Körpertemperatur. Dadurch fangen die Sauen eher wieder an zu fressen, was ein grundsätzliches Ziel der Behandlung darstellt, damit die Ferkel nicht zu stark abfallen.

Auch die Schmerzen werden durch einen Entzündungshemmer gelindert. Neben diesen beiden Säulen der Therapie führt der Einsatz von Oxytocin zu einem Milcheinschuss, der ansonsten durch Stress erschwert wird. Als letzte Therapiemöglichkeit stehen Prostaglandinpräparate zur Gebärmutterkontraktion zur Verfügung. Dadurch werden Entzündungsprodukte aus der Gebärmutter nach außen verbracht. Jeder Betriebsleiter muss ein Konzept zur frühen Erkennung und effektiven Behandlung mit seinem Hoftierarzt erarbeiten und dieses dann auch konsequent umsetzen. Eine konsequente Überwachung der Sauen muss sicherstellen, dass keine Sau übersehen wird.

Fazit

Geburtshilfen gehören in der Ferkelerzeugung zum Tagesgeschäft dazu. Obwohl dadurch Routine eintritt, sollte man sich immer wieder bewusst machen, dass eine Geburtshilfe für eine Sau einen großen Eingriff darstellt und die Sauen ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen wie MMA haben. Dies verdeutlicht die Bedeutung der Hygiene bei der Geburtshilfe. Bei jedem geburtshilflichen Eingriff müssen Handschuhe getragen werden. Oxytocin darf erst eingesetzt werden, wenn man sich bei einer vaginalen Untersuchung davon überzeugt hat, dass kein Geburtshindernis vorliegt.

In den ersten Tagen nach der Abferkelung sollte täglich die Körpertemperatur gemessen werden, um MMA frühzeitig zu erkennen. Neben einer erhöhten Rektaltemperatur müssen auch weitere Anzeichen einer Erkrankung vorhanden sein, um einen Einsatz von Antibiotika zu rechtfertigen (z.B. hartes, rotes, warmes Gesäuge, übelriechender Scheidenausfluss, Appetitlosigkeit). Medikamente dürfen nur nach einer tierärztlichen Anweisung eingesetzt werden.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Onno Burfeind
LVZ Futterkamp
Fachbereichsleitung Schweinehaltung,
Versuchswesen Schweinehaltung

Tel.: 04381-9009-20
E-Mail: oburfeind(at)lksh.de

Stand: August 2018
Bilder: Dr. Onno Burfeind