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Jungrinderaufzucht in der Praxis unter die Lupe genommen – Teil 1
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Tina Jensen und Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge von der Fachhochschule Kiel befassen sich im ersten Teil des Beitrags mit der Kälber- und Jungrinderaufzucht. Denn dort wird ein wesentlicher Grundstein für die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit der späteren Milchkühe gelegt. Es gibt zahlreiche Untersuchungen in Versuchseinrichtungen zur Haltung und Fütterung, zum Futteraufnahmeverhalten und zur Gewichtsentwicklung von Kälbern, insbesondere während der Tränkephase. Auch in Praxisbetrieben sind bereits Erhebungen zu ähnlichen Versuchsfragen mit Kälbern durchgeführt worden. Hingegen existieren deutlich weniger Ergebnisse aus speziell angelegten Versuchen und kaum welche aus Erprobungen zur Futteraufnahme und zur Gewichtsentwicklung von Jungrindern in Praxisbetrieben.

Daher  wurde in den Monaten August bis Oktober 2018 in zehn verschiedenen Betrieben Schleswig-Holsteins die Jungrinderaufzucht näher unter die Lupe genommen. Der Fokus dabei lag auf den Jungrindern im Altersabschnitt zwischen 6 und 15 Lebensmonaten, da in dieser Zeit der Wechsel von der intensiveren Fütterung auf eine deutlich nährstoff- und energieärmere Ration  erfolgen muss. Insbesondere interessierten neben den konkreten Haltungs- und Fütterungsbedingungen die Futteraufnahme und die Gewichtsentwicklung der Tiere sowie das Ausmaß der betrieblichen Unterschiede.

Praxisbetriebe

Die Betriebe für diese Erhebung (Übersicht 1) wurden vergleichsweise willkürlich ausgewählt, allerdings war eine Grundvoraussetzung das Vorhandensein eines Futtermischwagens, um die täglich vorgelegten Futtermengen korrekt zu erfassen. Zum anderen wurden Betriebe mit ganzjähriger Stallhaltung bei den Jungrindern ausgesucht, um konkrete Tiergewichte bestimmen zu können.

Die einbezogenen Milchkuhbetriebe erwiesen sich mit einer mittleren Herdenmilchleistung von 10.036 kg als leistungsstark. Im Vergleich dazu betrug die durchschnittliche Milchleistung aller MLP-geprüften schwarzbunten Kühe in Schleswig-Holstein im Jahr 2017 8.804 kg Milch (LKV, 2017).

Wie zu erwarten war, bestand dabei zwischen der Herdendurchschnittsleistung in den jeweiligen Betrieben und der Milchleistung ihrer Jungkühe eine sehr enge Beziehung (Übersicht 2).

Hingegen fand sich kein Zusammenhang zwischen der Herdenmilchleistung und dem Erstkalbealter (EKA). Auch wenn dieses mit durchschnittlich 26,2 Monaten etwas jünger war als im Landesdurchschnitt bei den Schwarzbunten (S.-H., 2017: 27,7 Monate), so hätte man bei dem hohen Leistungsniveau  in diesen Betrieben eher ein EKA von 24 bis 25 Monaten erwartet.

Trotz der geringen Anzahl an Betrieben zeigte sich eine gewisse Beziehung zwischen der Herdenmilchleistung und der Rastzeit (RZ) (R2=0,39). Bei höherem Leistungsniveau der Herde wurde allgemein eine etwas längere Rastzeit ermittelt. Für die beiden Merkmale Zwischentrage- und Zwischenkalbezeit (ZTZ bzw. ZKZ) galt dieser Zusammenhang mit der Leistungshöhe hingegen nicht.

Haltung und Fütterung

In den Betrieben wurden die Haltungs- und Fütterungsbedingungen anhand einer Checkliste näher beurteilt und in Form einer Schulnote zusammengefasst. Merkmale hierbei waren:

  • Anzahl und Qualität der Liegeboxen,
  • Licht- und Luftverhältnisse,
  • Laufflächengestaltung,
  • Tier-Fressplatz-Verhältnis,
  • Anzahl der Tränken,
  • Vorhandensein von Bürsten

Dabei zeigte sich mit einer durchschnittlichen Note von 2,9 zum einen, dass die Haltungsbedingungen oftmals noch verbesserungswürdig sind. Zum anderen herrschte eine große Variabilität zwischen den einzelnen Betrieben (Übersicht 3).

So wurden in manchen Betrieben die Jungrinder, zumindest phasenweise, noch auf Vollspalten gehalten. Andererseits waren häufig die Liegeboxen nicht mehr der Größe der Jungrinder angemessen, so dass die Tiere vereinzelnd auch auf dem Spaltenboden lagen. Auch waren die Spaltenböden oft vergleichsweise verschmutzt und rutschig.

Die Haltung der Jungrinder erfolgte meistens in umgebauten alten Kuh- oder Bullenställen oder im Kuhstall selbst. In einigen Ställen bestand hinsichtlich der Licht-, vor allem aber der Luftverhältnisse Optimierungsbedarf.

Gleiches galt für die Häufigkeit der Futtervorlage. Diese erfolgte in 5 der 10 Betriebe täglich bei den Jungrindern einmal, ansonsten nur an jedem 2. Tag. Als positiv wurden die Anzahl an Tränken sowie die Sauberkeit des Tränkewassers beurteilt.

Insgesamt waren in denjenigen Betrieben mit einem kürzeren EKA die Haltungs- und Fütterungsbedingungen besser (Übersicht 4).

Gewichtsentwicklung

In jedem Betrieb wurden 5 Gewichtsbestimmungen, möglichst im zweiwöchigen Abstand, mit dem Maßband der „RSH“ durchgeführt. Mit diesem Jungrindermaßband wird der Brustumfang der Tiere gemessen und das entsprechende Gewicht auf dem Maßband abgelesen. Wichtig ist hierbei, dass die Tiere ebenerdig und entspannt stehen.

Kriterien für die Auswahl der einbezogenen Jungrinder waren die Rasse Holstein Friesian sowie ein Alter zum ersten Messtermin von mindestens 6  Monaten bzw. maximal 13 Monaten.

Insgesamt konnten 252 Jungrinder mit 1156 Gewichtsdaten ausgewertet werden. Jungrinder, die im Versuchszeitraum erkrankten und dadurch abgenommen hatten, wurden nicht in die Datenauswertung einbezogen.

Im Durchschnitt der 10 Betriebe ergab sich bei den Jungrindern im Altersabschnitt von 6 bis 9 Monaten (durchschnittlich 7,9 Monate) ein Gewicht von 309 kg (Übersicht 5). Das entsprach einer täglichen Lebendmassezunahme (LMZ) ab der Geburt bis zu diesem Tag von 1.100 g.

Das mittlere Gewicht der Jungrinder im darauffolgenden Altersabschnitt ab dem 9. bis einschließlich dem 15. Lebensmonat (durchschnittlich 11,5 Monate) betrug 403 kg. Damit ergab sich eine tägliche LMZ ab der Geburt bis zu diesem Tag von
1.026 g.

Werden die Gewichte der Jungrinder in den einzelnen Lebensmonaten mit den Zielwerten aus der Literatur für Jungrinder, die mit 24 Monaten abkalben sollen, verglichen, bewegten sich die Tiere in den Praxisbetrieben stets im oberen Bereich (Übersicht 6).

Das bedeutet, dass die jungen Tiere bereits mit 12 Monaten grundsätzlich das Gewicht für die erste Besamung erreicht hatten.

Die täglichen Zunahmen innerhalb dieser beobachteten Altersabschnitte lagen bei 882 g im Abschnitt von 6-9 Monaten bzw. bei 831 g im Abschnitt von > 9-15 Monaten. Beim Blick auf die gesamten Tageszunahmen ab der Geburt wird deutlich, dass demnach in der Zeit vor dem 6. Lebensmonat die Tageszunahmen über 1.100 g lagen.  Die betrieblichen Unterschiede waren hierbei sehr groß, und es ergab sich eine direkte Beziehung zwischen dem Milchleistungsniveau des Betriebes und der erreichten LMZ der jeweiligen Jungrinder (Übersicht 7).

FAZIT

Die durchgeführte Studie verdeutlichte, dass die Jungrinder in den ausgewählten Praxisbetrieben, die insgesamt ein sehr hohes Leistungsniveau in ihren Milchkuhherden aufwiesen, bereits mit 12 Lebensmonaten ein Gewicht von mehr als 400 kg erreichten, obwohl die Haltungsbedingungen während der Jungrinderaufzucht oftmals nicht optimal waren.

Allgemein wird bei Jungrindern der Rasse Deutsch Holstein ein Besamungsgewicht von 400 kg angestrebt. Würde eine solche Erstbesamung nun erfolgen, ergäbe sich ein Erstkalbealter von deutlich unter 24 Monaten. In den Betrieben betrug jedoch zum Zeitpunkt dieser Studie das Erstkalbealter im Durchschnitt 26,2 Monate, mit einer großen Spannweite von 24,3 bis 29,4 Monaten. Auch diese 400 kg schweren Jungrinder waren noch weit entfernt von einem möglichen Besamungstermin.

Die Ergebnisse lassen zumindest vermuten, dass schwarzbunte Jungrinder ein großes Wachstumspotential aufweisen. Das zieht gewisse Konsequenzen vor allem für die Rationsgestaltung nach sich. Diese wiederum beeinflusst die Futteraufnahme der Tiere.

Mit den beiden Schwerpunkten - den Futterrationen und den Futteraufnahmen der Jungrinder - beschäftigt sich der demnächst erscheinende 2. Teil.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel/Hochschule für Angewandte 
Wissenschaften Fachbereich Agrarwirtschaft, 
Osterrönfeld 
E-Mail: katrin.mahlkow-nerge(at)fh-kiel.de 

M. sc. Tina Jensen
FH Kiel/Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Fachbereich Agrarwirtschaft, Osterrönfeld
E-Mail: t.tinajensen(at)web.de

Fotos (Mahlkow-Nerge)
Stand: Januar 2019