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Jungrinderaufzucht: Einfluss der Gewichtszunahme auf die Leistung in der ersten Laktation
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Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge von der Fachhochschule Kiel befasst sich im aktuellen Beitrag mit dem Einfluss der Gewichtszunahme bei Jungrindern auf die Leistung in der ersten Laktation. Die regelmäßige Erfassung von Gewichtsdaten von Jungrindern verdeutlicht, welches Wachstumspotential diese Tiere haben. Dieses ist zu nutzen, gerade weil mit der Jungrinderaufzucht hohe Kosten verbunden sind, die oftmals aber in den Betrieben erheblich unterschätzt werden. 

Die Jungrinderaufzucht verursacht hohe Kosten, die oftmals aber in den Betrieben erheblich unterschätzt werden. Durchschnittlich sind hierfür entsprechend der Angaben im Tierreport Schleswig-Holstein (2017) 1.915 EUR je Färse zu veranschlagen, bis diese das erste Mal abkalbt. Die Spanne bewegt sich zwischen 1.555 EUR bei den 25 % betriebswirtschaftlich erfolgreicheren Betrieben und 2.344 EUR bei den 25 % weniger erfolgreichen Betrieben. Die einzelbetrieblichen Unterschiede werden darüber hinaus weitaus größer sein. Allen gemein ist aber, dass die Futterkosten dabei den größten Anteil ausmachen (Übersicht 1).

Der Geldrückfluss beginnt bereits mit dem ersten Tag der Milchproduktion, aber frühestens während, i.d.R. aber erst  am Ende der dritten Laktation kehrt sich die negative Kapitalbilanz in eine positive um, so dass der Landwirt mit seinem Tier Geld verdienen kann. Letztlich werden erst ab ca. 26.000 bis 30.000 kg Lebensleistung neben den Aufzuchtkosten auch alle in der Milcherzeugung eingesetzten Produktionsfaktoren entsprechend entlohnt. Daher ist das Ziel einer wirtschaftlichen Färsenaufzucht, die Tiere möglichst lange (4 bis 6 Laktationen) im Bestand zu halten. Darüber hinaus können die Färsenaufzuchtkosten dadurch reduziert werden, dass die Tiere möglichst früh – das Entscheidende aber ist - ihrem tatsächlichen Wachstumspotential angemessen das erste Mal abkalben. Das jedoch setzt voraus, dass sich die Jungrinder entsprechend entwickeln und bedarfsgerecht versorgt werden.

Entwicklung der Jungtiere

Im ersten Lebensjahr wird der Rahmen der Tiere festgelegt. Lebens- und leistungsfähige Organe werden in dieser Zeit ausgebildet, erste Eierstocksfunktionen setzen ein und die Euteranlage wird entwickelt. Aus diesen Gründen dürfen selbst bei einem späten Erstkalbealter von z.B. 29 Monaten die Lebendmassezunahmen nicht unter 600 g/Tag sinken.

Zahlreichen Beratungsempfehlungen, z.B. seitens der DLG (2008) (Übersicht 2) oder der Landwirtschaftskammern  zufolge ist bei schwarzbunten Milchrindern für ein angestrebtes  Erstkalbealter von 24 Monaten eine Lebendmassezunahme von 800 g/Tag im Durchschnitt der gesamten Aufzucht notwendig.

Dabei sollten in den ersten 12 Monaten Tageszunahmen von 850 g und anschließend 700 bis 750 g erreicht werden.

Entsprechend dieser unterschiedlichen Wachstumsintensität ist auch die Fütterung anzupassen. Hier hat sich gezeigt, dass in zahlreichen Betrieben bereits zum 10. Lebensmonat von der intensiven Fütterung auf eine deutlich energieärmere Ration gewechselt werden muss, damit die Tiere anschließend nicht verfetten.  Eine genaue Überprüfung der Rationsgestaltung und damit Aufzuchtintensität ist im Betrieb aber nur dann wirklich möglich, wenn die Kälber und Jungrinder regelmäßig bezüglich ihres Wachstums  kontrolliert werden. Dazu dienen sogenannte Maßbänder (Jungrinder-Wiegeband), mit dem der Brunstumfang der Tiere gemessen und zeitgleich das damit entsprechend korrelierte Gewicht abgelesen wird.

Alternativ kann auch ein Hipometer zum Einsatz kommen. Dieses wird an die Knochenvorsprünge des Oberschenkelknochens angelegt und dann das Gewicht auf der Skala abgelesen. Der Vorteil hierbei ist, dass der notwendige Tierkontakt weniger nah ist als bei der Brustumfangsbestimmung mit dem Maßband. Nachteilig ist aber, dass sich oftmals die Jungrinder anspannen, sobald sie die Gewichtszange am Oberschenkelknochenvorsprung spüren. Das dadurch bedingte Hochdrücken des Rückens kann zum Verfälschen des abzulesenden Gewichtes führen. Darüber hinaus sind die Sprünge an der Gewichtsskala des Hipometers zum Teil sehr groß, v.a. bei den Gewichten ab ca. 400 kg. Die Gewichtssprünge werden mit steigendem Gewicht größer.

Die Gewichtsermittlung, am besten in Kombination mit der Beurteilung der Körperkondition, dient hauptsächlich dem Abklären folgender Fragen (Übersicht 3).

Erstkalbealter (EKA)

Nationaler und internationaler Literatur lässt sich entnehmen, dass (schwarzbunte) Kühe, die mit 24 bis 27 Monaten das erste Mal abkalbten, letztlich die höchsten Leistungsergebnisse erzielen und auch eine höhere Nutzungsdauer erreichen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist ein Lebendgewicht der Tiere von mehr als 550 kg nach der ersten Kalbung. Das bedeutet ein Gewicht unmittelbar vor der Abkalbung von ca. 630 kg.

Ältere Färsen leiden häufiger an einer Überkonditionierung, woraus oftmals eine deutlich größere Gefahr für Schwer- und Totgeburten resultiert. Letztlich zeigen diverse Auswertungen, dass das Erstkalbealter einen bedeutsamen Einfluss auf die Lebenseffektivität der Kuh hat.

Jungrinderentwicklung in einem Betrieb mit sehr hoher Milchleistung unter die Lupe genommen

In einem 200er Kuh-Betrieb in Weesby, im nördlichsten Schleswig-Holstein, dessen schwarzbunte Milchkühe eine Herdendurchschnittsleistung von 11.800 kg aufweisen, wird seit mehr als 4 Jahren bei allen Jungrindern im Laufe der Aufzucht mindestens zweimal deren Gewicht ermittelt. Dieses erfolgt mittels Brustumfangmessung.

Die Auswertung von 205 Jungrindern, von denen bereits die abgeschlossene Erstlaktationsleistung vorlag, ergab ein durchschnittliches Erstkalbealter von 24,7 Monaten. Diese Tiere hatten mit einem Alter von 23,4 Monaten, also in der Hochträchtigkeit (5,6 Wochen vor der ersten Abkalbung), ein zuletzt ermitteltes Gewicht von 683 kg (Übersicht 4). Damit wiesen sie von der Geburt bis zu diesem Zeitpunkt eine durchschnittliche Lebendmassezunahme (LMZ) von 897 g je Tag auf, was deutlich über den Beratungsempfehlungen von 800 g liegt.

Im Durchschnitt gaben diese Tiere in 305 Tagen ihrer 1. Laktation 9.994 kg Milch und eine Menge an Fett+Eiweiß von 713 kg.

Die mittleren Rast-, Güst- und Zwischenkalbezeiten betrugen dann bei diesen Tieren in der 1. Laktation 93 Tage, 109 Tage bzw. 390 Tage.

Beziehung zwischen Gewichtszunahme und Leistung

Entsprechend der mittleren täglichen Lebendmassezunahme von der Geburt bis zur letzten Gewichtserfassung (im Durchschnitt 5,6 Wochen vor der Kalbung) wurden die Tiere in drei verschiedene Klassen – Klasse 1: LMZ < 850 g, Klasse 2: LMZ 850 bis < 950 g und Klasse 3: LMZ > 950 g - eingeteilt.

Die meisten Jungrinder wiesen eine LMZ während der gesamten Aufzucht zwischen 850 und 950 g auf.

Es zeigte sich, dass die Färsen mit der höchsten mittleren Tageszunahme letztlich auch, wie zu erwarten, das größte Gewicht kurz vor der Kalbung (a.p.) aufwiesen (Übersicht 5).

Dennoch wiesen die hochtragenden Färsen i.d.R. mit BCS-Noten von 3,25 bis 3,5 keine Überkonditionierung auf, sondern waren groß, sehr rahmig und mit einer entsprechenden Tiefe.

Die Jungrinder mit einer LMZ von 850 g und mehr hatten als Jungkühe eine signifikant höhere 305-Tage-Leistung als die Vergleichstiere mit einer mittleren Tageszunahme während der gesamten Aufzucht von weniger als 850 g (Übersicht 6).

Dabei fiel auf, dass alle Tiergruppen während der ersten 14 Lebensmonate eine ähnliche durchschnittliche LMZ von mehr als 1.000 g (Klasse 1: bis 13,8 Monate 1.039 g; Klasse 2: bis 14,1 Monate 1.099 g; Klasse 3: bis 14,4 Monate 1.125 g) aufwiesen. Die Tiere wurden alle während der gesamten Kälberaufzucht und in den ersten 10 Lebensmonaten sehr intensiv gefüttert. Es handelte sich dabei um die identische Ration wie die der Milchkühe der Hochleistungsgruppe, mit 7,0 MJ NEL/kg TM, 15 % XP und 28 % Zucker+Stärke in der Trockenmasse. Die kleinen Tränkekälber (12 Wochen Tränke mit Vollmilch, in den ersten 3 Wochen bis 12 l Milch/Tag) bekamen darüber hinaus noch zusätzlich Heu und Kraftfutter.

Die Haltung dieser Kälber erfolgte bis ca. 4 Wochen im Einzeliglu, dann bis zum Ende des 6. Monats in einem Strohstall und anschließend bis wenige Wochen vor der Abkalbung in einem Boxenlaufstall. Die Ration für die Jungrinder ab dem 10. Lebensmonat basierte auf Gras- und Maissilage, Stroh und Mineralfutter und wies 5,9 bis 6,0 MJ NEL/kg TM und 13 % XP in der Trockenmasse auf.

Nach den ersten 13 Lebensmonaten entwickelten sich die Tiere dieser drei Klassen sehr auseinander. Die Jungrinder der Klasse 3 nahmen ab diesem Zeitpunkt bis kurz vor der Abkalbung täglich noch 770 g zu, die Tiere der LMZ-Klasse 2 im Durchschnitt noch 598  g, aber die Jungrinder der LMZ-Klasse 1 nur 490 g, obwohl für alle die gleichen Haltungs- und Fütterungsbedingungen vorherrschten.

Das lässt den Schluss zu, dass der gesundheitliche Zustand und damit auch die Gewichtszunahme im 2. Aufzuchtjahr die Milchleistung in der 1. Laktation beeinflussen.

Bei den Fruchtbarkeitsparametern innerhalb der 1. Laktation zeigte sich kein eindeutiges Bild (Übersicht 7). Bei nahezu gleicher Rastzeit war lediglich bei den Jungkühen, die die größte LMZ während der Aufzucht aufwiesen, die Güstzeit um 13 Tage gegenüber den Tieren der LMZ-Klassen 1 und 2 verlängert. Bei der Zwischenkalbezeit ergab sich ein signifikanter Unterschied von 14 Tagen zwischen den Tieren der LMZ-Klasse 2 und 3.

Fazit

Werden in der Praxis regelmäßig Gewichtsdaten von Jungrindern erfasst, wird deutlich, welches Wachstumspotential diese Tiere haben.

Die allgemeine Empfehlung, dass in Milchkuhbetrieben die schwarzbunten Jungrinder während der gesamten Aufzucht eine mittlere Lebendmassezunahme von möglichst nicht mehr als 800 g aufweisen sollen, ist womöglich betriebsspezifisch zu diskutieren.

So wiesen die Jungrinder in einem Betrieb mit einer sehr leistungsstarken Kuhherde 5,6 Wochen vor der ersten Abkalbung ein Gewicht von 683 kg und damit über die gesamte Aufzucht hinweg eine mittlere Tageszunahme von fast 900 g auf. Eine Überkonditionierung war damit aber nicht verbunden, stattdessen ein großer Rahmen und eine ausgeprägte Körpertiefe bei diesen Tieren. Letztlich wiesen die Jungkühe, die im ausgewerteten Betrieb die höchsten Lebendmassezunahmen während der gesamten Aufzucht realisierten, auch eine höhere Laktationsleistung auf als die Vergleichstiere mit einer mittleren Tageszunahme während der gesamten Aufzucht von 799 g.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel/Hochschule für Angewandte
Wissenschaften Fachbereich Agrarwirtschaft,
Osterrönfeld

E-Mail: katrin.mahlkow-nerge(at)fh-kiel.de

Fotos (Mahlkow-Nerge)
Stand: Januar 2019