Zur Navigation springen Zum Inhalt springen
proteinmarkt.de - Infoportal für Fütterungsberater und Landwirte
Joghurt- oder Sauertränke in der Kälberaufzucht?
-

1. Einleitung

Die erfolgreiche Kälberaufzucht bildet eine Grundlage für leistungsstarke und wirtschaftliche Milchviehbetriebe. Neben der Haltung spielt für eine erfolgreiche Kälberaufzucht die Fütterung der Kälber in den ersten Lebenswochen eine entscheidende Rolle. Angesäuerte Vollmilch zu vertränken, stellt eine gängige Fütterungsstrategie dar. Vollmilch hat einen pH-Wert von rund 6,7. Im Labmagen des Kalbes herrscht dagegen ein pH-Wert von 3 vor. Dieses saure Milieu verdrängt Durchfallerreger wie Escherichia Coli Bakterien. Durch eine Ansäuerung weist die Milch schon vor dem Vertränken einen niedrigeren pH-Wert auf. Somit wird der pH-Wert im Verdauungstrakt des Kalbes nach der Tränkeaufnahme weniger stark in den alkalischen Bereich angehoben. Womit die Ansäuerung der Vollmilchtränke eine biologische Durchfallprophylaxe darstellt. Sie soll die Aufzucht gesunder Kälber unterstützen.

Bei der Joghurttränke wird die pH-Wert-Absenkung auf natürliche Weise durch eine Milchsäuregärung hervorgerufen. Bei der Sauermilch findet die pH-Wert-Absenkung durch den Zusatz von Säuren statt. In dem nachfolgend dargestellten Fütterungsversuch wurden die Verfahren Joghurt- und Sauermilchtränke systematisch miteinander verglichen.

Folgende Fragestellungen wurden untersucht:

  • Joghurttränke enthält im Vergleich zur angesäuerten Tränke aufgrund der Milchsäurebildung weniger Lactose.
  • Der geringere Lactosegehalt in der Joghurttränke führt zu einer geringeren Glucose-Versorgung des Kalbes. Der geringere Blutglucosespiegel löst beim Kalb rascher ein Hungergefühl aus. Somit weist das mit Joghurttränke versorgte Kalb eine höhere Festfutteraufnahme auf als ein mit Sauermilch getränktes Kalb.
  • Welche Unterschiede hinsichtlich Wachstum, Gesundheit und Verhalten zeigen die mit Joghurttränke versorgten Kälber im Vergleich zu Kälbern, die mit Sauermilch aufgezogen wurden?

2. Vorgehensweise

Die Versuchsergebnisse beruhen auf einem Fütterungsversuch mit Kälbern der Rasse Fleckvieh aus den zwei Herden des Milchgewinnungszentrums der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf in Weidenbach. Der Fütterungsversuch startete im August 2016 und endete Anfang November 2016. Die Kälber standen von der Geburt bis zum Ende der fünften Lebenswoche im Versuch.

Am Versuch nahmen insgesamt 25 Kälber teil. Die Kälber wurden nach dem Paarlingsprinzip der Versuchs- bzw. Kontrollgruppe zugeordnet. Selektionskriterien waren das Geschlecht und Geburtsgewicht. Die Versuchsgruppe bestand aus 13 Kälbern. Diese erhielten Joghurttränke. Die Kontrollgruppe umfasste 12 Kälber, die mit Sauermilch versorgt wurden. Das Geschlechterverhältnis war ausgeglichen.

Die Kälber wurden in Kälberiglus mit Stroheinstreu unter Dach gehalten. Jedes Kalb behielt über den gesamten Versuchszeitraum seinen eigenen Nuckeleimer und seine Futterschale. Die Nuckeleimer samt Nuckel wurden morgens und abends vor dem Befüllen mit frischer Tränke mit warmem Wasser durchgespült. Ab dem zweiten Lebenstag erhielten die Kälber Festfutter in Form einer Kälber-Trocken-TMR. Wasser stand ihnen ad libitum in einer Schale zur Verfügung.

Der Tränkeplan sah vor, dass die Kälber nach der Geburt ad libitum mit Kolostrum über eine Nuckelflasche versorgt wurden. Ab der zweiten Mahlzeit wurden die Kälber an den Nuckeleimer gewöhnt und dieser blieb mit Deckel am Iglu hängen. Bis zu ihrem zweiten Lebenstag erhielten die Kälber angewärmte Vollmilch. Angeboten wurde immer eine Menge von sechs Litern pro Mahlzeit. Gefüttert wurde morgens und abends. Am dritten und vierten Tag setzte sich diese Menge jeweils zur einen Hälfte aus Vollmilch und zur anderen Hälfte aus der Tränke je nach Gruppenzugehörigkeit zusammen. Ab dem fünften Tag wurden den Kälbern je Mahlzeit volle sechs Liter der jeweiligen Tränke angeboten.

Die Tränke der Kälber wurde zu jeder Mahlzeit frisch hergestellt. Dabei wurde beim Melken eine Vollmilchmischung als homogene Grundlage separiert. Somit war gewährleistet, dass beide Tränken aus derselben Milch hergestellt wurden. Die Verfütterung an die Kälber erfolgte jedoch zeitversetzt, da der Joghurt einen längeren Herstellungsprozess durchlief.

Die Joghurttränke wurde mit Hilfe der mildsäuernden Joghurtkultur YO-MIX 401 von der IP Ingredients GmbH, einer Firma für Produkte des Molkereibedarfs, hergestellt. Die Zusammensetzung des Trockenpulvers bestand aus den Bakterienkulturen Streptococcus thermophilus und Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus. Als Grundlage für die Herstellung der Joghurttränke wurden zuvor Eiswürfel aus Milch und Joghurtkultur hergestellt. Ein Eiswürfel enthielt die Kulturmenge für die Zubereitung von sechs Litern Trinkjoghurt. So entsprach die Menge der benötigten Eiswürfel der Menge der zu tränkenden Kälber. Der Joghurt wurde zweimal täglich um 7 Uhr morgens und um 21 Uhr abends im vorher mit Wasser gereinigten Milchtaxi angesetzt. Das Milchtaxi ermöglichte das Aufheizen mit Hilfe eines Wasserbads. Die benötigte Milchmenge und eine entsprechende Menge Eiswürfel wurden in das Taxi gegeben und neun Stunden bei einer Temperatur von 38 °C ruhen gelassen. Vor dem Vertränken wurde der Joghurt aufgerührt.

Die Herstellung der Sauermilch für die Kontrollgruppe fand mit Hilfe des Ergänzungsfuttermittels VitalAcid der Firma Josera zum Ansäuern von Kälbertränken statt. Dieses bestand aus Ligninsulfonaten, Ameisensäure, Propionsäure, Zucker und Glycerin. Die Säure wurde im Verhältnis 1:4 mit Wasser vorverdünnt. Von dieser Mischung wurden je 20 ml pro Liter Vollmilch zugegeben und etwa fünf Minuten im MilkShuttle verrührt.

Die Gewichtserfassungen beinhalteten das Geburtsgewicht, eine wöchentliche Wiegung vor dem Tränken und die Erfassung des Gewichts am 35. Lebenstag. Um die vom Kalb aufgenommene Tränkemenge am Tag zu dokumentieren, wurden die Reste im Nuckeleimer vor jeder Mahlzeit in einem Messbecher abgemessen. Die Messung der aufgenommenen Futtermenge erfolgte durch Rückwiegen der Futterschalen am Morgen. Danach wurden die Schalen bis zu einer definierten Menge wieder aufgefüllt, sodass für das Kalb immer genügend Festfutter in der Schale zur Verfügung stand. Die pH-Werte der Vollmilch und der jeweiligen Tränken wurden vor jeder Mahlzeit mit einem pH-Meter der PCE Deutschland GmbH gemessen. Für die Tränkeanalysen wurden alle zwei Tage in der Früh eine Probe der Ausgangsmilch, des Joghurts und der Sauermilch genommen und eingefroren, sodass am Ende der Woche drei Sammelmilchproben von 50 ml zur Verfügung standen.

Die Futtermittelanalyse der Kälber-Trocken-TMR wurde von der Landwirtschaftlichen Kommunikations- und Service-GmbH in Lichtenwalde durchgeführt. Jede Kälber-Trocken-TMR Mischung wurde einmal beprobt. Die Analyse der Tränkeproben auf Fett-, Eiweiß- und Lactosegehalt fand am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum der Milchanalytik in Triesdorf statt. Die Messungen wurden mit dem MilkoScan FT2 Baujahr 2006 mit Hilfe der NIRS-Methode vorgenommen.

Für die Messung des Blutglucosespiegels wurde eine Stichprobe von fünf männlichen Kälbern je Fütterungsgruppe ausgewählt. Dabei wurden bevorzugt Kälber herangezogen, die ein Paar bildeten. Eine Beprobung fand in der dritten Lebenswoche zwischen dem 20. und 23. Lebenstag und in der fünften Lebenswoche zwischen dem 32. und 35. Lebenstag statt. Alle Blutproben wurden zwei Stunden nach der morgendlichen Tränkeaufnahme an der Halsschlagader der Kälber entnommen. Nach der Entnahme des Blutes wurden die Monovetten für eine Stunde auf Körpertemperatur warm gehalten. Danach wurden die Blutproben für zehn Minuten bei 3.000 Umdrehungen die Minute zentrifugiert, sodass sich das Blutserum abtrennte. Dieses wurde mit Hilfe eines Photometers (LabAnalyse) auf den Glucosegehalt untersucht.

Von den 25 Versuchstieren flossen die Daten von 23 Tieren in die Auswertungen mit ein. Die statistischen Berechnungen wurden mit dem Programm SPSS Version 22 (2013) durchgeführt. Dabei wurde mit dem allgemeinen linearen Modell (GLM-Prozedur) gearbeitet. Die Varianzanalyse berücksichtigte die zwei Faktoren ‚Gruppe‘ und ‚Geschlecht‘. Die Variablen stellten alle tierindividuell erhobenen Daten dar. Das Signifikanzniveau beim Vergleich der Mittelwerte wurde auf eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,05 festgelegt. Für die statistische Auswertung der Blutanalysen wurde eine separate Statistik mit den Daten der zehn beprobten männlichen Kälbern durchgeführt.

3. Ergebnisse

Die pH-Werte der verabreichten Tränken lagen im durchschnittlichen Mittel der morgen- und abendlichen Messungen bei 5,28 bei der Sauermilch und bei 4,51 beim Joghurt. Die pH-Werte des Joghurts schwankten stärker als die der Sauermilch. Des Weiteren wurde beobachtet, dass der Joghurt im Nuckeleimer noch weiter fermentiert. Dies führte nicht nur zu einem weiteren pH-Wert Abfall, sondern auch dazu, dass der Joghurt stärker eindickte. Die Ergebnisse der Analysen der Tränkesammelproben zeigten, dass die Joghurttränke mit 3,53 % einen geringeren Lactosegehalt aufwies als die Sauermilch mit 4,47 %.

Im gesamten Versuchszeitraum haben die Kälber der Joghurtgruppe durchschnittlich 309 l Tränke aufgenommen. Dies waren rund 9 l pro Tier und Tag. In der Sauermilchgruppe wurden insgesamt 335 l aufgenommen. Dies entsprach einer Menge von rund 10 l pro Tier und Tag. Die Abb. 1 und Abb. 2 stellen die durchschnittlichen Tränkeaufnahmen nach Lebenstagen, differenziert nach weiblichen und männlichen Kälbern, dar.

Abb. 1: Durchschnittliche Tränkeaufnahme (LS-Mittelwerte) der weiblichen Kälber

Bei den weiblichen Kälbern waren an keinem Lebenstag signifikante Unterschiede zwischen den Fütterungsgruppen feststellbar. Hier lagen die Aufnahmen dicht beieinander. Die weiblichen Kälber schöpften zudem an keinem Lebenstag ihr volles Tränkeangebot von 12 l am Tag aus (Abb. 1).

Abb. 2: Durchschnittliche Tränkeaufnahme (LS-Mittelwerte) der männlichen Kälber

Bei den männlichen Kälbern zeigten sich an einigen Tagen signifikante Unterschiede. Die Kälber der Joghurtgruppe zeigten an jedem Lebenstag eine niedrigere Tränkeaufnahme als die der Sauermilchgruppe. Ab dem 20. Lebenstag schöpften die Kälber der Sauermilchgruppe fast täglich ihr volles Tränkeangebot von 12 l aus. Die Joghurtgruppe nahm dagegen nie eine solche Tränkemenge am Tag auf (Abb. 2). Außerdem lässt sich aus den Kurven der Tränkeaufnahme erkennen, dass sowohl bei den weiblichen als auch bei den männlichen Kälbern ab dem fünften Lebenstag ein Aufnahmerückgang festzustellen ist. Dieser hält etwa bis zum zehnten Lebenstag an. Danach steigt die Tränkeaufnahme wieder an, sodass sie am 16. Lebenstag etwa dieselbe Menge wie vor dem Aufnahmeeinbruch erreicht hat. Nach dieser Zeit steigen die Tränkeaufnahmen weiter an.

Die Festfutteraufnahme war tierindividuell sehr schwankend. Dies zeigte sich auch an den hohen Standardfehlern in der statistischen Analyse. Die mit Joghurt getränkten Kälber haben vom 17. bis zum 35. Lebenstag durchschnittlich 473 g Frischmasse (FM) aufgenommen. Das waren rund 12 g FM je Tier und Tag weniger als in der Sauermilchgruppe. Dort wurden rund 37 g FM je Tier und Tag und damit insgesamt 698 g FM aufgenommen. Allgemein ließ sich feststellen, dass die Festfutteraufnahme der Kälber in den ersten drei Lebenswochen gering war und erst zum Ende der Versuchszeit deutlich anstieg.

Die Kälber zeigten sowohl in der Joghurt- als auch in der Sauermilchgruppe einen kontinuierlichen Gewichtszuwachs. Die durchschnittlichen Tageszunahmen lagen im gesamten Versuchszeitraum bei 1.132 g bei den mit Joghurt getränkten Kälbern. Die Sauermilchgruppe nahm rund 1.238 g je Tier und Tag zu. In den ersten drei Lebenswochen lagen die durchschnittlichen Tageszunahmen der Joghurtkälber mit 944 g unter denen der Sauermilchkälber von 1.136 g. Dieser Unterschied konnte statistisch abgesichert werden (p = 0,039).

Aus den Ergebnissen der Messung der Blutglucosespiegel wurde deutlich, dass die Kälber der Joghurtgruppe sowohl in der dritten als auch in der fünften Lebenswoche einen niedrigeren Blutglucosespiegel aufwiesen als die der Sauermilchgruppe. Die Tränkeaufnahmen zwei Stunden vor der Blutentnahme unterschieden sich jeweils um 100 ml zu Gunsten der Joghurttränke. In der dritten Lebenswoche lag der durchschnittliche Blutglucosespiegel in der Joghurtgruppe bei 5,86 mmol/l. In der Sauermilchgruppe dagegen bei 7,02 mmol/l. In der fünften Lebenswoche lagen die Werte bei 6,10 mmol/l bei den Joghurtkälbern und bei 7,66 mmol/l bei den Sauermilchkälbern. Hier ließ sich der Unterschied mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p = 0,019 statistisch absichern. Wird die Festfutteraufnahme in der Summe von drei Tagen nach der Probenahme betrachtet, so wiesen die mit Joghurt getränkten Kälber eine höhere Festfutteraufnahme auf. Außerdem zeigte sich, dass der Blutglucosespiegel in der dritten Lebenswoche negativ mit der Festfutteraufnahme in dieser Lebenswoche korrelierte (p = 0,064). Dies galt auch für die fünfte Lebenswoche (p = 0,554).

FAZIT

Der Fütterungsversuch hat gezeigt, dass die Ansäuerung der Vollmilchtränke eine gute Strategie für die Kälberfütterung darstellt. Sie unterstützt die Aufzucht gesunder Kälber und kann dazu beitragen, Durchfallerkrankungen zu mildern. Sowohl mit der Sauermilch- als auch mit der Joghurttränke lassen sich hohe tägliche Tränkeaufnahmen und Tageszunahmen in der Kälberaufzucht realisieren. Der pH-Wert der Tränke beeinflusst die Tränkeaufnahme und damit die Gewichtsentwicklung vor allem bei den männlichen Kälbern. Der geringere Lactosegehalt in der Joghurttränke führt zu einem geringeren Blutglucosespiegel bei den Kälbern. Blutglucosespiegel und Festfutteraufnahme korrelieren negativ. Damit nehmen mit Joghurt getränkte männliche Kälber tendenziell mehr Festfutter auf. Beim Einsatz der Joghurttränke wird mit lebenden Bakterien gearbeitet. Die Herstellung setzt optimale Prozessbedingungen für die Milchsäuregärung voraus. Nur so kann eine konstant gute Tränkequalität erzielt werden. Mehrere Einflussfaktoren sorgen dafür, dass die Herstellung der Joghurttränke nicht so einfach standardisiert werden kann wie die der Sauermilch. Daher weist die Sauermilchtränke im Vergleich zur Joghurttränke eine einfachere, praktische Handhabung auf. Auch im Hinblick auf die Leistungen der Kälber zeigt sich - in der vorliegenden Studie - das Verfahren der Sauermilchtränke im Vergleich zur Joghurttränke überlegen.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Gerhard Bellof,
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Kontakt: gerhard.bellof@hswt.de