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Im Kompostierungsstall steht die Kuh im Fokus – für hohe Leistungen und gute Tiergesundheit TEIL 2
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Nachdem Sibylle Möcklinghoff-Wicke vom Innovationsteam Milch Hessen im ersten Teil des Beitrags den theoretischen Hintergrund eines Kompostierungsprozesses und dessen Möglichkeiten der Beeinflussung sowie die ersten drei Empfehlungen zum Platzbedarf, zur Einstreu und zum Liegeflächenmanagement für einen Kompostierungsstall erläutert hat, stehen im zweiten Teil die Managementempfehlungen zur Belüftung, zur Ökonomie und zur Tiergesundheit sowie praktische Erfahrungen des Stallsystems im Fokus.

Punkt 4: Belüftung

Während der Bearbeitung der Fläche entweichen oft sichtbar Feuchtigkeit und auch Gase, die schnell aus dem Stall abtransportiert werden sollten. Das gelingt gut, wenn die Ställe die bestmögliche natürliche Belüftung ermöglichen und diese Belüftung durch zusätzliche Ventilation unterstützt wird, damit ein regelmäßiger Luftaustausch stattfindet. Auch im Sommer ist die Kontrolle der Belüftung wichtig, da die Kühe weniger auf der Fläche liegen, wenn der THI über 72 ansteigt (Versuch USA). Besonders unter Hitzestressbedingungen ist die Gefahr groß, dass Kühe auf einer kleinen, feuchteren Fläche eng zusammenliegen, anstatt sich auf der gesamten Fläche zu verteilen.

Unterflurlüftung – ja oder nein?
Zu dieser Frage gibt es weder aus wissenschaftlicher Sicht, noch aus den bisherigen Praxiserfahrungen eine eindeutige Antwort. Aktuelles Statement aus den USA zu dem Thema: eine Unterflurbelüftung ist nicht notwendig und verteuert das System unnötig. Diese Meinung wird auch in Österreich vertreten, da ein deutlicher „Mehrgewinn“ mit der Unterflurbelüftung bisher nicht nachgewiesen wurde, während in den Niederlanden die Unterflurbelüftung mit zwei Varianten favorisiert wird. Es gibt Systeme, bei denen Luft über Rohre von unten durch die Liegefläche geblasen wird oder ein umgekehrter Luftfluss, indem nach unten abgesaugt wird.

Emissionen
In einem Versuch in Österreich wurden ca. 1/3 bis 1/5 weniger Emissionen (NH3) gemessen, als im Liegeboxenstall. Alle international vorliegenden Ergebnisse gehen in die gleiche Richtung, so dass der Kompostierungsstall als ein emissionsarmes Stallsystem bezeichnet werden kann – wenn die Kompostierung störungsfrei läuft! Ein intensiver Kompostierungsprozess reduziert die N-Verluste aus der Fläche, da der Stickstoff aus Kot und Harn in der bakteriellen Biomasse gebunden wird.

Wenn man in der Lage ist, die Luft durch die Matte nach unten abzusaugen, könnte man auf zukünftige Entwicklungen besser vorbereitet sein, da mehr Ammoniak in der Liegefläche gebunden wird und die austretende Luft zusätzlich durch einen Filter gereinigt werden könnte. (Null-Emissionen-Stall?)

Punkt 5: Ökonomie

Da die Grundfläche eines Kompoststalls etwas größer ist als in einem herkömmlichen Liegeboxenlaufstall, sind die Baukosten vergleichbar. Die Stallfläche pro Kuh ist abhängig vom Stallsystem. Am Beispiel von 100 Milchkühen wird die Berechnung für einen Kompostierungsstall im Vergleich zu einem 2- bzw. 3-Reiher vorgenommen (Tabelle 1).

Die entscheidende Größe des Systems sind die Kosten der Einstreu. Da Holz heute kaum noch ein Abfallprodukt, sondern ein Werkstoff ist, der viele Nachfrager hat, ist der Zukaufpreis von Spänen oder Hackschnitzeln das größte Hemmnis für Kompostställe. In Österreich gibt es heute bereits Regionen mit einer relativ hohen Stalldichte, in denen aufgrund der Knappheit von Sägespänen keine neuen Kompostställe mehr gebaut werden. Bei idealen Bedingungen braucht der Kompostierungsstall ca. dreimal so viel Einstreu wie ein Liegeboxenlaufstall, wenn das Liegeflächenmanagement allerdings nicht gut ist, entsprechend mehr.

Diesen höheren Einstreukosten sollten aber auch andere ökonomische Faktoren gegenübergestellt werden. Der deutlich verbesserte Kuhkomfort, der bereits in zahlreichen Studien international nachgewiesen wurde, wird sich in niedrigeren Bestandsergänzungskosten niederschlagen. Da die Liegefläche gleichzeitig als Güllelager dient, kann externer Güllelagerraum eingespart werden. Als Faustzahl gilt, dass ca. 40 % Güllelagerraum eingespart werden können. Der Kompost bietet mehr Flexibilität hinsichtlich der Nährstoffbilanzierung, und das kompostierte Material liefert eine wertvolle Humusquelle für die Düngung, wobei aber die Nährstoffe nicht schnell verfügbar sind. Auch die Ausbringung ist mit weniger technischem (Kraft) Aufwand möglich, da der fertige Kompost mit einem einfachen Stalldungstreuer ausgebracht werden kann. Das Material riecht nicht und sieht aus wie Torf.

Punkt 6: Tiergesundheit

Im Zusammenhang mit KS wird immer wieder die Gefahr der Eutererkrankungen diskutiert. Allerdings sind das Probleme, die in der Praxis kaum bestätigt werden – vorausgesetzt, das Liegeflächenmanagement funktioniert und es findet ein guter Kompostierungsprozess statt. Mit steigendem Feuchtegehalt der Liegefläche scheinen sich die Zellzahlen nach oben zu entwickeln bzw. die Anzahl der Infektionen zu steigen.  Aber zahlreiche Betriebe zeigen, dass es möglich ist, Milch mit einem Zellgehalt unter 150.000/ml zu produzieren – wenn die Fläche trocken genug ist.

Die Effekte von KS auf die Klauengesundheit wurden ebenfalls in mehreren internationalen Studien untersucht. Die Ergebnisse sind sehr eindeutig: generell ist die Klauengesundheit nicht schlechter, als in herkömmlichen Boxenlaufställen, die Situation bei Mortellaro entspannt sich sogar deutlich und die Anzahl lahmer Kühe im KS ist signifikant niedriger als in anderen Haltungsverfahren. 

Zahlreiche Praktiker berichten von gewissen Leistungssteigerungen nach der Umstellung – ein Zeichen für mehr Wohlbefinden.  

Weitere Erfahrungen aus der Praxis des Stallsystems

Ein Stall sollte bei der Beantragung als Zweiraumlaufstall bezeichnet werden, nicht als Kompostierungsstall (oder Kompoststall), weil damit Bewilligungsbehörden Kompost aus Kompostierungsanlagen verbinden und der ist u.a. mit höheren Emissionen (und Auflagen) belastet. Wie dieser Stall später eingestreut wird, ist zunächst unerheblich. Es gibt sehr unterschiedliche Erfahrungen hinsichtlich der Genehmigungspraxis in den einzelnen Bundesländern, von „gar kein Problem“ bis „fast gescheitert“.

Der Boden (die Bodenplatte) kann in Österreich mit einer Folie und abdeckender Lehmschicht ausgeführt werden, es ist keine wasserundurchlässige Betonschicht erforderlich. Das ist in Deutschland so nicht durchführbar! In der Schweiz läuft derzeit ein Versuch zu der Fragestellung, allerdings sind noch keine Versuchsergebnisse bekannt.

Der Niveauunterschied vom Laufgang zum Liegebereich kann im Bereich von 30 bis 80 cm liegen, allerdings sollte dann über 40 cm ein „Podest“ für die Kühe gebaut werden (Strohballen, Kalk als Rampe…). Stufen sollten nicht geplant werden, da hier die Fläche nicht bearbeitet werden kann, was zwangsläufig zu einer starken Vernässung führt. Der Übertritt von der Liegefläche zum Fressgang sollte auf der kompletten Stalllänge frei zugänglich sein. Wenn die Tiere nur in einem kleinen Bereich vom Fressgang zum Liegebereich wechseln können, findet dort auf kleiner Fläche viel Tierverkehr statt und der Liegebereich vernässt sehr schnell, weil nicht genügend Sauerstoff eingebracht werden kann. 

Abtrennungen im Liegebereich sollten so ausgeführt werden, dass man zum Öffnen und Schließen nicht vom Schlepper absteigen muss. Die regelmäßige Bearbeitung der Fläche ist unerlässlich, aber ein ständiges Auf- und Absteigen vom Schlepper „nervt“ schnell. Also sollte so geplant werden, dass die Gatter entweder auf Knopfdruck nach oben fahren oder alle Abtrennungen (Draht) für einen Bearbeitungsgang geöffnet und nach der Durchfahrt wieder geschlossen werden.

FAZIT

Die Haltung von Milchkühen im KS ist definitiv eine wertvolle Erweiterung bei den Stallhaltungsverfahren, die den Kuhkomfort und damit die Langlebigkeit verbessert, aber das Liegeflächenmanagement erfordert viel Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl. Kleine Fehler haben große Effekte, die zum Erliegen des Kompostierungsprozesses führen, so dass sich weder die Kühe noch der Landwirt wohlfühlen. Eine trockene Liegefläche für die Kühe ist der Schlüssel zum Erfolg des Systems. Kot und Urin sind die Haupteintragsquellen und über die Besatzstärke lässt sich kalkulieren, wieviel Feuchtigkeit so in die Fläche eingebracht wird. Jeden Tag sammeln Praktiker neue Erfahrungen mit dem System, aber dennoch bleiben insgesamt noch viele Fragen offen bzw. ohne wissenschaftliche Erklärung, wie z.B.:

  • Welche alternativen Einstreumaterialien gibt es noch und wie müssen sie bewirtschaftet werden?
     
  • Wie kann der Kompostierungsprozess gezielt beeinflusst und gesteuert werden, kann man einen „Managementfahrplan“ erstellen?
     
  • Wie sind die Emissionen (kg NH3/Kuh/Jahr) zu bewerten? Was ist mit Emission von Lachgas (N2O)
     
  • Wie sind die langfristigen Folgen des Stalls bzgl. der Ökonomie, Langlebigkeit der Kühe und Nachhaltigkeit?
     
  • Wie ist die Verbraucherakzeptanz des Stallsystems?

DER DIREKTE DRAHT

Sibylle Möcklinghoff-Wicke
Innovationsteam Milch Hessen der
Landesvereinigung Milch Hessen
Lochmuehlenweg 3
61381 Friedrichsdorf

E Mail: i-team-milch(at)agrinet.de
Stand: Juni 2019