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Im Kompostierungsstall steht die Kuh im Fokus – für hohe Leistungen und gute Tiergesundheit TEIL 1
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Das Konzept eines Kompostierungsstalls (KS) ist nicht mehr nur eine neue Idee. Es ist ein Haltungssystem für Milchkühe und Trockensteher, das aus einer großzügigen Liegefläche, die mit Sägespänen, Hackschnitzeln oder einer Mischung mit anderem organischen Material eingestreut ist, besteht. Sibylle Möcklinghoff-Wicke vom Innovationsteam Milch Hessen befasst sich im ersten Teil des Beitrags mit den theoretischen Hintergründen eines Kompostierungsprozesses und deren Möglichkeiten der Beeinflussung sowie den ersten drei Empfehlungen zum Platzbedarf, zur Einstreu und zum Liegeflächenmanagement. Hinsichtlich des Tierwohls, der Ökonomie und der Umweltwirkung ist das System eines Kompostierungsstalls vielversprechend.

Bisher sind die Effekte der Nachhaltigkeit aber nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht worden, darum gibt es z.B. derzeit in mehreren Staaten Europas ein Forschungsvorhaben, das unter verschiedenen Produktionsbedingungen Praxiserhebungen durchführt, um Antworten auf viele Fragen zu finden. („Freewalk Project“). Aber mit steigender Anzahl an Kompostierungsställen in der Praxis hat das „finetuning“ zum besten Design und Management längst begonnen, um das Stallhaltungsverfahren erfolgreich im Betrieb zu nutzen. Im modernen Kompostierungsstall ist der Schlüssel zum Erfolg das intensive Liegeflächenmanagement, denn nur so können die Kühe trocken und sauber gehalten werden. Insofern ist das Risiko, dass Fehler sich negativ auswirken, noch größer als im Liegeboxenlaufstall. Darum darf das Management in keinem Fall unterschätzt werden, aber der Lohn dafür ist letztlich weniger Arbeit als bspw. im Liegeboxenlaufstall und „glückliche Kühe“.

Neben dem wissenschaftlichen Ansatz gibt es immer mehr Praxiserfahrungen zum System. Das Innovationsteam Milch Hessen initiierte in der Vergangenheit mehrere Workshops für Milchviehhalter, die entweder einen Kompostierungsstall betreiben, gerade eingezogen sind oder einen solchen Stall bauen wollen.

Damit das Liegeflächenmanagement, das „Herzstück“ des Stalls, gelingen kann, sind einige bauliche Gegebenheiten im Stall von Bedeutung, aber auch das generelle Verständnis des Kompostierungsprozesses und wie er gesteuert und beeinflusst werden kann, sind entscheidend.

Kompostierungsbedingungen und Kompostierungsprozess

Während des Kompostierungsprozesses bauen Mikroorganismen organische Masse in Kohlendioxid, Distickstoffmonoxid (Lachgas) und Wasser um. Bei dem Prozess entsteht Wärme. Im Kompostierungsstall sind Kot und Harn der Kühe sowie das Einstreumaterial die wichtigen Quellen für den mikrobiellen Umbau. Außerdem braucht ein Kompostierungsprozess eine regelmäßige und kontinuierliche Sauerstoffversorgung, was bedeutet, dass die Liegefläche im Kompostierungsstall (KS) regelmäßig mit einem Grubber (oder ähnlichem Gerät) bearbeitet wird, um den Sauerstoffeintrag in die Fläche zu garantieren. Die Wärme, die beim Umsetzungsprozess entsteht, hilft, die Oberfläche zu trocknen und auch in gewissem Maße Pathogene, Fliegenlarven und Unkrautsamen zu kontrollieren.

Wenn die Liegematte gut kompostiert, ist das Material leicht und locker, wenn der Prozess nicht richtig funktioniert, sieht die Fläche feucht aus und es bilden sich Klumpen. Die Temperatur an der Oberfläche ist generell immer im Bereich der Umgebungstemperatur, aber in ca. 30 - 40 cm Tiefe sollte sie bei mind. 45 (bis max. 55°C) liegen. Anhand der Temperaturentwicklung kann die Funktionalität des Kompostierungsprozesses kontrolliert werden.

Steigt die Temperatur über 60°C, kann es dazu führen, dass die Kühe die Liegefläche meiden, weil es zu heiß ist. Sehr hohe Temperaturen sind ein Zeichen dafür, dass der Kompostierungsprozess sehr schnell und intensiv läuft, so dass dadurch auch die vorteilhaften Bakterien ins Hintertreffen geraten können. Im Gegensatz dazu ist es meist ein Anzeichen von zu wenig Sauerstoff und folglich ein Bearbeitungsfehler, wenn die Fläche nicht warm genug wird.

Sehr tiefe Außentemperaturen im Winter oder auch sehr hohe Luftfeuchtegehalte sind weitere Einflussfaktoren auf die Temperaturentwicklung in der Fläche. Generell wird ein Feuchtegehalt in der Fläche von 45 - 55 % angestrebt, um einen guten Kompostierungsprozess zu gewährleisten. Idealerweise sollte ein C: N- Verhältnis von > 30 : 1 in der Einstreu bestehen. Wenn es im Stall nach Ammoniak riecht, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass das C: N- Verhältnis unter dieses Maß gerutscht ist, da zu viel Kot und Harn im Verhältnis zur Einstreu vorhanden sind, die nicht verstoffwechselt werden können.

Schlüssel zum Erfolg

Vor dem theoretischen Hintergrund, wie der Kompostierungsprozess funktioniert und wie er beeinflusst werden kann, gibt es mehrere Managementempfehlungen für einen KS, die zum Erfolg führen:

Punkt 1: Platz

Um die Kompostierungsbedingungen aufrechtzuerhalten, ist das richtige Verhältnis zwischen Gülleanfall und Einstreumaterial einzuhalten. Insofern wird ein Platzangebot von 8-12 m²/Kuh auf der Liegefläche empfohlen. Allerdings gibt es hier rassebedingte und leistungsabhängige Unterschiede. In Österreich wird z.B. die notwendige Liegefläche pro Kuh in Abhängigkeit des Leistungsvermögens der Herde gestaffelt, d.h. je höher die Herdenleistung, desto mehr Platz pro Kuh, denn desto größer sind die Ausscheidungsmengen. Ob es im umgekehrten Fall bei zu viel Platz (> 15m²/Kuh) auch zu Problemen kommen kann, weil z.B. die N-Quelle fehlt, kann derzeit aus der Praxis nicht eindeutig beantwortet werden. Die Außenmaße eines neuen Stalls sollten immer so bemessen sein, dass das Gebäude leicht in einen Liegeboxenlaufstall umfunktioniert werden kann. Wie man die Stallfläche kalkuliert, ist der nachfolgenden Tabelle 1 zu entnehmen.

Punkt 2: Einstreu:

„Mit der Inbetriebnahme des ersten Stalls hat die unendliche Suche nach der alternativen Einstreu begonnen"

Eine gute Einstreu für einen Kompostierungsstall muss einige Eigenschaften „mitbringen“, um zu funktionieren. Dazu zählt ein weites C: N- (Kohlenstoff/Stickstoff) Verhältnis, ein Feuchtegehalt von ca. 40 %, aber auch eine gewisse Porengröße und Strukturstabilität. Bei den Betrieben ist nach wie vor eine Holzkomponente (Sägespäne, Hobelspäne, Hackschnitzel oder auch Grüngutschnitt (keine Biotonne!) das Hauptmaterial. Allerdings kann das gut mit anderen organischen Materialen gemischt/gestreckt werden. Die Partikelgröße darf nicht zu groß sein, um den Bakterien einen leichten Zugang zu verschaffen. Wenn z.B. Stroh eingesetzt wird, sollte es fein geschnitten sein. Bei Hobelspänen (Hackschnitzeln) muss darauf geachtet werden, welche Holzart verarbeitet wurde, denn ein zu hoher Anteil an Koniferenholz kann den natürlichen Zersetzungsprozess negativ beeinflussen. Jede Einstreu hat besondere Eigenschaften, die es zu beachten gilt. Generell sind zur Einstreu alle kohlenstoffhaltigen Materialien möglich. Nur im Rotteprozess (Kompostierung) können Holzteilchen umgesetzt und abgebaut werden, was im Festmist nicht funktioniert; hier findet man Holz immer wieder. Sägespäne haben einen pH- Wert von 5 und der fertige Kompost hat einen pH von > 8.

  • Dinkelspelzen z.B. eignen sich gut, um die Temperatur zu erhöhen, haben jedoch eine höhere Ausgasung als Hobelspäne. Eine Beimischung funktioniert problemlos, eine alleinige Einstreu mit Dinkelspelzen führt zu mangelhafter Trittfestigkeit der Fläche.
  • Fichtennadeln als Einstreu liefern viel N, aber wenig C. Sie könnten in Herden mit niedrigerer Leistung eingesetzt werden, weil dann weniger N über die Gülle ausgeschieden wird. Im Winter ist der Einsatz fragwürdig. Als Beimengung zu einer Holzkomponente ist der Einsatz durchaus möglich.
  • Dinkel eignet sich hervorragend zur Temperatursteuerung, kann aber nicht als alleiniges Einstreumaterial verwendet werden, da die Trittfestigkeit nicht gegeben ist. Eine Beimengung von 30 – 40 % ist möglich. Bei Mischungen mit > 60 % Dinkel treten höhere Ammoniakverluste auf.
  • Rindenmulch geht als Einstreu, hat im Vergleich zum Holz weniger C und braucht darum mehr Einstreumenge.
  • Gärsubstrat aus Biogasgülle ist kein C-Lieferant, aber das Material kann in einer Mischung (30 – 40 %) eingesetzt werden. Generell sollte aber hier auch auf die seuchenhygienische Unbedenklichkeit geachtet werden (kein Fremdmaterial, nur eigener Betrieb) [Biogasgülle hat ein C:N von 5:1, Rindergülle (separiert) hat 22:1].
  • Andere „Stroharten“ (Miscanthus, Raps, Erbsen, Mais…) können als Beimischung bis 30 % bedenkenlos eingesetzt werden.
  • Getreidestroh kann in einer Mischung ebenfalls eingesetzt werden, muss dann aber fein geschnitten sein, um den Bakterien genügend Angriffsfläche zu bieten.
  • Geschredderte Wurzelstöcke aus der Baumschule sind auf eine Länge von 20 - 25 cm zerkleinert und werden mit Feinmaterial kombiniert (Betrieb in Österreich).

Generell muss darauf geachtet werden, dass kein verpilztes Material eingebracht wird, weil das schnell zu Euterproblemen führen kann! Schimmel gehört weder in den Futtertrog noch in die Einstreu!

Wieviel Einstreu tatsächlich gebraucht wird, liegt u.a. an der Belegungsdichte (m²/Kuh), dem Einstreumaterial (Art, Mischungsverhältnis, Partikelgröße, Feuchtegehalt etc.), der Bearbeitung, der Ventilation im Stall und dem Wetter (Luftfeuchtegehalt und Temperatur). Die Angaben schwanken darum zwischen den Betrieben stark und reichen von 6 m³/Kuh und Jahr bis auf 20 m³/Kuh und Jahr. Generell sinkt der Einstreubedarf in den Sommermonaten meist deutlich ab, vor allem bei niedriger Luftfeuchte.

Immer dann, wenn die Kühe sich nicht schnell und freiwillig auf der Kompostfläche ablegen, muss nach Ursachen dafür geforscht werden, die meist im Liegeflächenmanagement zu finden sind.

Punkt 3: Liegeflächenmanagement

Ein Kompostierungsstall ist quasi ein „lebendes Wesen“ – es kann sterben, es kann gut gedeihen – aber es ist nie ein „Selbstläufer“. Man kann unter idealen Bedingungen innerhalb von 6 Wochen aus Holz Humus machen, aber hierbei gibt es nach wie vor viele Dinge, die nicht zu (er)klären sind.

Weil der Kompostierungsprozess auf die Zufuhr von Sauerstoff angewiesen ist, muss die regelmäßige Bearbeitung der Fläche unbedingt eingehalten werden. Bei einem guten Kompostierungsprozess im Stall ist das C:N-Verhältnis nach 6 - 8 Monaten auf 19 - 25:1 abgesunken (von >30:1).

Bei der Bearbeitung bieten sich Federzinkeneggen, Tiefengrubber oder gegenläufige Fräsen an. Es hat sich bewährt, die Bearbeitung der Fläche im Wechsel mit Grubber/Federzinkenegge und Fräse durchzuführen. Die Fräse arbeitet bis ca. 20 cm, der Grubber bis 30/35 cm.  Eine gegenläufige Fräse bringt die Vorteile der Fräse in Kombination mit einem tieferen Bearbeitungshorizont. Jedes Gerät hat andere Eigenschaften für die Liegefläche und muss unterschiedlich eingesetzt werden, so braucht ein Grubber z.B. mehr Geschwindigkeit beim Durchfahren, als andere Geräte. Betriebe, die 2 x melken, bearbeiten 2 x und Betriebe die 3 x melken, passen die Bearbeitung der Melkfrequenz an.

Es ist absolut zwingend, rechtzeitig einzustreuen, denn das System verzeiht zu lange Einstreuintervalle nicht! Betriebe, die hier zu „großzügig“ verfahren, bekommen meist schnell Euterprobleme oder eine zu feuchte Fläche, bei der der Kompostierungsprozess nach der Zugabe neuer Einstreu nur schwer wieder startet. Darum muss auch immer ein Vorrat an Einstreumaterial vorhanden sein, idealerweise ein Mix aus verschiedenen Materialien. Wenn die Fläche zu feucht geworden ist, muss mit mehr Einstreu und variierender Bearbeitung reagiert werden. Ggf. kann auch die obere, durchnässte Schicht abgeschoben werden und außerhalb des Stalls „getrocknet“ werden, um dann später wieder als Einstreumaterial eingebracht zu werden. Im Stall muss der Kompostierungsprozess wieder mit frischer Einstreu angefahren werden. Jeder Kompostierungsprozess braucht ausreichend C, N, Sauerstoff und Wasser! N und Wasser kommt über Kot und Harn der Kühe, Kohlenstoff über die Einstreu und Sauerstoff durch die Bearbeitung der Fläche.

So unterschiedlich die Einstreu und die Bearbeitung sind, so unterschiedlich ist auch das Einstreuintervall im laufenden Betrieb. Im Sommer streuen viele Betriebe nur alle 2 bis 5 Wochen nach, andere streuen regelmäßig einmal pro Woche kleine Mengen nach. Auch hier lässt sich keine klare Beratungsempfehlung geben, sondern das Gelingen hängt stark vom „Fingerspitzengefühl“ des Betreibers ab.

Generell sollte die Fläche einmal pro Jahr geräumt werden – aber auch hier gibt es individuelle Ausprägungen, von mehrmals pro Jahr bis zu nach 3 Jahren noch nicht gemistet. Ob beim Misten eine kleine Menge Kompostmaterial im Stall bleibt als Starter für den neuen Kompostierungsprozess oder nicht, ist bisher weder als förderlich, noch als unnötig zu beurteilen, weil auch das von den vielfältigen individuellen Bedingungen abhängig ist.


Im zweiten Teil werden weitere Managementempfehlungen, wie die Belüftung, die Ökonomie und die Tiergesundheit, in den Fokus gestellt. Darüber hinaus werden weitere Erfahrungen aus der Praxis des Stallsystems dargelegt.

DER DIREKTE DRAHT

Sibylle Möcklinghoff-Wicke
Innovationsteam Milch Hessen der
Landesvereinigung Milch Hessen
Lochmuehlenweg 3
61381 Friedrichsdorf

E Mail: i-team-milch(at)agrinet.de

Stand: Juni 2019