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Hitzestress im Stall – sind wir dem ausgeliefert? (Teil 2)
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Nachdem sich Dr. Bernd Losand, Dr. Anke Römer, Christiane Hansen, Olaf Tober und Elke Blum von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern im ersten Teil des Beitrags mit den akuten Folgen von Hitzestress bei Milchkühen befasst haben, geht es im zweiten Teil des Beitrags um die langfristigen Folgen, wie unter anderem die Fruchtbarkeit von Milchkühen bei Hitzestress.

Hitzestress wirkt auch langfristig auf die Milchleistung

Nach Sorensen u.a. (2006) sind die Anzahl der sekretorisch aktiven Zellen und die Produktionskapazität pro Zelle die Hauptdeterminanten der Milchproduktion. Beim Euterwachstum während der Laktation und am Ende der Trockenstehphase wird das sekretorische Gewebe erneuert. Das Absterben (Apoptose) der sekretorischen Zellen im letzten Drittel der Laktation bestimmt die mit der Laktationsdauer abnehmende tägliche Milchleistung. Nach dem Trockenstellen und auch zu Beginn der Laktation ist die Absterberate der sekretorischen Zellen am höchsten. Die relativ hohe Absterberate zu Beginn der Laktation gegenüber dem weiteren Laktationsverlauf betrifft vor allem noch funktionstüchtige Zellen aus der Vorlaktation, aber auch schon nicht gebrauchte erneuerte Zellen. Wird also zu Beginn der Laktation die Milchbildung beeinträchtigt, ist denkbar, dass nicht das ganze sekretorische Potenzial erhalten wird, was längerfristig Auswirkungen auf den weiteren Laktationsverlauf haben kann.

Hitzestress wirkt tierindividuell und in Abhängigkeit von der aktuellen leistungsbedingten Stoffwechselbeanspruchung. Denkbar ist, dass eine verminderte Futteraufnahme und verändertes Kau- und Wiederkauverhalten auf die Nährstoffverwertung wirken und auf diesem Wege die Aktivität der sekretorischen Zellen des Eutergewebes und damit aktuell die tägliche Milchsynthese und –sekretion beeinflussen. Längerfristig könnten das Milchbildungspotenzial und der Laktationsverlauf durch eine Verringerung der Nutzung erneuerter sekretorischer Zellen bereits am Beginn der Laktation ebenfalls beeinträchtigt sein. Wegen des saisonalen Auftretens von Hitzestress müsste sich daher bei den im Jahresverlauf abkalbenden Kühen auch der Verlauf der Laktation unterschiedlich entwickeln. Dies wird nur noch variiert durch Veränderungen im aktuellen Herden- und Fütterungsmanagement.

Zur Darstellung dieser Problematik wurden in einer Milchkuhherde (in M.-V.) mit fast 500 Kühen und einem Leistungsniveau von 12.000 kg Milch/Kuh und Jahr alle im Jahr 2018 kalbenden Kühe entsprechend ihres Kalbequartals ausgewertet (Tabelle 1).

In Abbildung 1 ist die tägliche Milchleistung der Kühe in Abhängigkeit vom Kalbe-Quartal zusammengefasst und mit dem mittleren Laktationsverlauf aller Kühe des Abkalbejahrgangs 2018 verglichen worden. Die Milchleistung der quartalsweise verschieden abgekalbten Kühe entwickelte sich deutlich different mit Unterschieden von bis zu ±2 kg/Kuh u. Tag gegenüber dem Mittelwert der Herde über das Jahr. Am auffälligsten ist der um fast 4 kg/Kuh u. Tag geringere Laktationsgipfel und der langanhaltend unterdurchschnittliche Laktationsverlauf der im 3. Quartal vorbereiteten und abgekalbten Kühe gegenüber den Kühen, die im 1. und 4. Quartal 2018 kalbten. Dagegen hatten die im Januar bis März 2018 abgekalbten Kühe einen nur „mittleren“ Laktationseinstieg und –gipfel, profitierten aber möglicherweise von einem dann verbesserten Haltungs- und Fütterungsmanagement.

In Abbildung 2 wird deutlich, warum die Laktationsverläufe so unterschiedlich verliefen. Der Anstieg des mittleren Tagesgemelkes der Herde von Februar bis Juli 2018 profitierte trotz der beginnenden Hitzeperiode und dem damit einsetzenden Stress für die Kühe von einem verbesserten Management in der Fütterung und in der Transitphase. Dadurch trat für die im vorhergehenden Herbst abgekalbten Kühe eine persistente Phase ein, die von Januar bis März abgekalbten Kühe zeigten einen verlängerten Laktationsgipfel und die von April bis Juni kalbenden Kühe stiegen sehr hoch in die Laktation ein. Letztere begründeten vor allem die anhaltend hohe Herden-Milchleistung im Sommer. Ab Juni bis spätestens Juli ging die Persistenz der bis dato abgekalbten Kühe dann schneller als normal zurück. Hauptursache für die fallende Tagesleistung der Gesamtherde ab August war dann die geringe Einstiegsleistung und der geringere Laktationsgipfel der mit Beginn der Hitzeperiode im Mai/Juni vorbereiteten und im Sommer abgekalbten Kühe. Die wurde dann erst wieder kompensiert durch die ab Oktober unter weniger Hitzestress vorbereiteten und abkalbenden Kühe. Gleichzeitig verbesserte sich die Persistenz der vorher abgekalbten Kühe wieder.

Wird die Leistungsausprägung der ersten 6 Laktationsmonate der nach Kalbequartal gruppierten Kühe mit der der optimal vorbereiteten und ohne Hitzestress zwischen Oktober und Dezember in die Laktation gestarteten Kühe mit den vorher gruppierten Kühen verglichen, zeigt sich für die im heißen Sommer (Juli – September) abgekalbten Kühe ein Defizit von ca. 500 kg Milch, d.h. etwa 2,7 kg Milch/Tag und Kuh. Dieses Defizit ist wahrscheinlich zu wesentlichen Teilen auf langfristige Auswirkungen einer aufgrund des Hitzestresses nicht optimalen Nutzung des erneuerten sekretorischen Eutergewebes zu Laktationsbeginn zurückzuführen.

Und die Fruchtbarkeit?

Die Ergebnisse der Fruchtbarkeit in Abhängigkeit vom Kalbequartal geben nur bedingt ein vergleichbares Bild. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Betrachtungszeitpunkt Ende Juni fix und damit der zeitliche Rahmen (Tage Kalbung bis aktuell) insbesondere für die im Herbst abgekalbten Kühe, tragend zu werden, nicht gleich ist. Bis zum Kalbe-Quartal Juli – September sind jedoch etwa gleiche Anteile der Kühe das erste Mal besamt worden, die aber eine tendenziell ansteigende Rastzeit aufwiesen. Diese ist der momentanen aktiv vorangetriebenen Umstellung des Herdenmanagements auf eine verlängerte Laktation geschuldet. Der Anteil der erfolgreich besamten Kühe zeigt bis zur Kalbeperiode im Herbst keine Unterschiede. Vor diesem Hintergrund ist die abnehmende Verzögerungszeit und Zwischentragezeit zwar auf den sich verkleinernden zeitlichen Rahmen zurückzuführen, gibt aber auch die Berechtigung, keine Nachteile in der Fruchtbarkeit aufgrund unterschiedlichen Hitzestresses im besamungsnahen Zeitraum zu konstatieren.

FAZIT

Wenn Hitzestress in der Vorbereitungs- und Transitphase auf die Kühe wirkt, sind größere langfristige Auswirkungen auf die Laktationsleistung im Bereich von -500 kg/Kuh und mehr zu erwarten. Die Bedeutung einer optimalen Gestaltung der Transitphase wird dadurch deutlich hervorgehoben. Die tägliche Herdenleistung wird beeinflusst durch die täglich durch das Tier verzehrte Futtermenge, den mittleren Laktationsstand der Herde, Möglichkeiten der Aktivierung von Energiereserven aus dem Körperfett, durch eine langfristig wirkende Beeinträchtigung des sekretorischen Potenzials des Euters und die Gesundheit.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Bernd Losand
Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft
und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern

E-Mail: b.losand(at)lfa.mvnet.de

Stand: Februar 2020