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Eutergesundheit - Spiegelbild des Umfeldes der Kuh
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Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge von der Fachhochschule Kiel befasst sich im aktuellen Beitrag mit dem Thema Eutergesundheit von Milchkühen. Diese ist ein Produkt des gesamten Umfeldes der Tiere, angefangen von der Haltung über die Fütterung bis hin zum Umgang des Menschen mit seinen Tieren. Eine stabile Stoffwechselsituation gehört zur Voraussetzung für ein abwehrstarkes und gesundes Euter.

Die Eutergesundheit der Milchkühe ist ein Produkt des gesamten Umfeldes der Tiere, angefangen von der Haltung über die Fütterung bis hin zum Umgang des Menschen mit seinen Tieren. Eine stabile Stoffwechselsituation gehört zur Voraussetzung für ein abwehrstarkes und gesundes Euter.

Euterentzündungen kosten Leistung

Mastitis ist die teuerste Einzeltiererkrankung der Milchkuh. Die Angaben über die Kosten hierfür sind in der Literatur sehr unterschiedlich, da diese maßgeblich von der Schwere der jeweiligen Mastitis, dem Zeitpunkt der Erkennung dieser und damit des Therapiebeginns sowie den Auswirkungen auf das Allgemeinbefinden des Tieres  beeinflusst sind. Davon abgesehen werden die Kosten nur zu ca. 20 bis max. 40 % durch die tierärztliche Untersuchung, die Arzneimittel, den Verlust durch die nicht verkehrsfähige Milch bzw. durch den höheren Aufwand für diese kranken Tiere verursacht. Der allgemein größte Anteil der entstehenden Kosten entfällt auf die durch eine Mastitis verursachte reduzierte Milchleistung.

Beispielgebend hierfür steht eine Publikation von RUDOLPHI (2004). Die Autorin wertete insgesamt 17.264 Laktationen von Kühen aus 8 Referenzbetrieben der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern aus. Die Kühe wiesen eine mittlere 305-Tageleistung von 9.517 kg Milch mit einer durchschnittlichen Zellzahl von 206.000 Zellen/ml Milch auf.

Steigende Zellzahlen führten zu einem deutlich geringeren Leistungsanstieg von der 1. zur 2. Laktation (Übersicht 1).

Ein Blick auf die Milchleistung in Abhängigkeit zur Zellzahl der 233.003 Schwarzbunt-Kühe des Bundeslandes Schleswig-Holstein, für die im Jahr 2017 eine Milchleistungsprüfung erfolgte, zeigt die gleiche Entwicklung (Übersicht 2).

Besonders auffällig ist dabei bereits die große Leistungsdifferenz zwischen den Zellzahlklassen „bis 50.000“ und „51.000–100.000“ Zellen/ml.

Zellzahl ist vielfach zu hoch

Die Zellzahl eignet sich gut zur allgemeinen Überwachung der Eutergesundheit der Kühe. Zellen gelangen als Ergebnis der physiologischen Erneuerung des Eutergewebes bzw. der Abwehrreaktion des Körpers auf Krankheitserreger sowie Stoffwechselstörungen in die Milch.

Eine Zellzahl von unter 100.000 Zellen/ml Milch wird allgemein als physiologisch bewertet und damit die Kuh als eutergesund eingestuft. Das betrifft deutschlandweit aber nur  56 % der Milchkühe (Übersicht 3).

Eutergesundheit und Fruchtbarkeit

Nicht nur die Milchleistung wird aufgrund einer schlechteren Eutergesundheit beeinträchtigt, sondern immer auch nachfolgend die Fruchtbarkeit der Kuh. Derartige indirekte Kosten werden häufig bei entsprechenden Kostenkalkulationen noch gar nicht mit berücksichtigt, weil sie i.d.R. schwer zu fassen sind.

Eutererkrankungen sind eine DER häufigsten Abgangsursachen bzw. oftmals eben auch der Auslöser dafür, dass die Kuh nicht wieder tragend wird.

Als Grund für eine beeinträchtigte Fruchtbarkeit durch eine Mastitis wurde lange Zeit die Schädigung des Embryos durch die Entzündung angesehen. Die Untersuchung einer israelischen Forschergruppe (ROTH et al., 2013) ergab aber einen anderen Zusammenhang. Dafür wurden 50 Schlachtkühe aus 9 Betrieben untersucht. Als Auswahlkriterium für diese Kühe wurde das Auftreten von mindestens einer Mastitis (Kriterium: erhöhte Zellzahl) in den letzten vorausgegangenen drei Monaten festgelegt. Kurz vor der Schlachtung erfolgte eine Analyse von Viertelgemelksproben dieser Kühe, die letztlich zu der Einteilung in 3 Klassen führte:

  • Niedrig-Zellzahlklasse: 7 Kühe mit durchschnittlich 150.000 Zellen/ml Milch
  • „Mittelklasse: 16 Kühe mit durchschnittlich 311.000 Zellen/ml Milch
  • Hohe Zellzahlklasse: 27 Kühe mit durchschnittlich 1,8 Mio. Zellen/ml Milch

In den Viertelgemelksproben wurden KNS, Streptokokkus dysgalactiae, E. coli oder keine Erreger (negativ) nachgewiesen.

Von jeder Kuh wurde im Schlachthof Ovargewebe mit Eizellen (17-21 Eizellen pro Kuh) entnommen und diese im Labor befruchtet. 86 % der befruchteten Eizellen erreichten das vierzellige Embryostadium in den ersten 2 Tagen nach der Befruchtung, und zwar unabhängig von der Zellzahl. Bis zum 7./8. Tag nach der Befruchtung ergaben sich jedoch signifikante Unterschiede. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch 18 % der Embryonen in der niedrigen Zellzahlgruppe, aber nur noch 6 % in der mittleren Zellzahlgruppe und 4 % in der hohen Zellzahlgruppe.

Erhöhte Zellzahlen führten also deutlich häufiger zu frühembryonalen Aborten, unabhängig vom Mastitiserreger. Der schädigende Einfluss von Euterentzündungen scheint damit größer zu sein als bislang angenommen. Bei Kühen mit einer Zellzahlerhöhung in den letzten 3 Monaten vor der Besamung kann folglich die Fruchtbarkeit deutlich beeinträchtigt sein. Daher ist in Betrieben mit einer suboptimalen Fruchtbarkeit immer auch die Eutergesundheit als möglicher Co-Faktor mit in Betracht zu ziehen.

Letztlich stört jede Entzündung auch die Hormonproduktion. Bei Entzündungen werden Prostaglandine freigesetzt. Damit wird die Progesteronbildung beeinträchtigt, so dass folglich eine eventuell erfolgte Trächtigkeit nicht erhalten bleibt. Auch werden bei entzündlichen Prozessen Endotoxine freigesetzt, welche negative Auswirkungen auf den Eierstock (auf große und kleine, spätere Follikel) haben. Das bedeutet, dass Entzündungen auf längere Dauer die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können.

Erreger und Risikofaktoren kennen

Grundsätzlich werden in Bezug auf Mastitiserreger zwei Arten von Erregertypen unterschieden: diejenigen, die in der Umwelt des Tieres leben (umweltassoziierte Erreger) und folglich hauptsächlich durch Hygiene- und Fütterungsmanagementmaßnahmen einzudämmen sind und solche, die sehr gut auf der Zitzenhaut und im Strichkanal der Tiere (kuhassoziierte Erreger) leben. Zu letzteren gehört der Erreger Staphylococcus aureus. Ideale Plätze, um das gesunde Euter (Zitzenkuppe – Strichkanalöffnung) durch eine Übertragung zu infizieren, sind v.a. Melkerhände, Euterreinigungstücher und Eutergeschirre.

Heutzutage hat sich das mikrobielle Erregerspektrum hin zu den umweltbedingten Erregern, und zwar zu denen mit geringer Infektionsdauer, wie z.B. Steptococcus uberis, verschoben. Das geht einher mit einer sinkenden Bedeutung der Therapie, während die Bedeutung des Managements steigt.

Die Kühe leben inmitten der Infektionsquellen (Kot, Harn und Einstreu) für diese Umweltmastitiden. Auf unsauberen Laufgängen, in schmutziger Einstreu von Liegebuchten und in Tiefstreu können sich die Umwelterreger rasant vermehren. Das führt zu einem hohen Infektionsdruck. Je höher der Keimdruck und die Kontaktzeit an der Strichkanalöffnung sind, desto größer dürfte auch die Gefahr sein, dass die Erreger in das Euter eindringen. Ob dann daraus eine Infektion erwächst, entscheidet maßgeblich die körpereigene Abwehr des Tieres (Übersicht 4).

Mehr Umweltmastitiden durch Stoffwechselstörungen

Da aber gerade in den ersten Laktationswochen die Abwehrkraft der Kühe aufgrund der negativen Energiebilanz, in der sich die Kühe dann befinden, so gering ist, treten die meisten Mastitiden in der Frühlaktation auf. Daher müssen alle Fütterungs- und Haltungsmaßnahmen darauf ausgerichtet werden, die Tiere schnellstmöglich aus diesem „Energieloch“ herauszuholen, Stoffwechselimbalanzen zu vermeiden und die Abwehrkräfte der Tiere damit zu stärken.

Grundsätzlich heißt das: Vermeidung von Ketosen, Azidosen und Mineralstoffwechselstörungen (besonders Milchfieber). Genauso aber muss sozialer Stress weitestgehend verhindert werden, da dieser das Wohlbefinden der Tiere stark beeinträchtigen und damit zulasten der Gesundheit gehen kann.

Eutergesundheitsberichte zeigen die Problemstellen

Ein gutes Instrument, um gezielt die Ursachen für mögliche Eutergesundheitsprobleme herauszufinden, sind die von den Landeskontrollvereinen im Rahmen der monatlichen Milchkontrolle zusammengestellten Eutergesundheitsberichte. Dabei werden anhand von nur 6 Kennzahlen die Eutergesundheitssituation in einer Milchkuhherde gut beschrieben und die bedeutsamsten Schwachstellen auf einen Blick sichtbar gemacht:

  • Anteil eutergesunder Tiere (< 100.000 Zellen/ml)
    • sehr gute Betriebe erreichen Werte um 70 %
  • Anteil unheilbar euterkranker Kühe (3 x > 700.000 Zellen/ml)
    • diese als chronisch krank bezeichneten Tiere stellen eine große Gefährdung für die anderen Kühe der Herde dar; Ziel: < 1 – 3 %
  • Neuinfektionsrate in der Laktation
    • Lässt Rückschlüsse auf die Qualität der Haltung, Fütterung und der Melkroutinen zu; Ziel: < 60 %
  • Neuinfektions- und Ausheilungsrate in der Trockenstehezeit
    • für die Beurteilung des Trockenstell-, Trockensteher – und Abkalbemanagements
    • Zielwerte: Neuinfektionsrate < 15 %, Ausheilungsrate > 75 %
  • Färsenmastitisrate
    • Bei erhöhten Werten stehen hier v.a. die gesamte Jungrinderaufzucht, die Hygiene im Kalbebereich und die Eingliederung der Färsen in den Kuhbereich im Fokus der Betrachtung
    • Ziel: < 15 %

Fazit – Was bleibt

Da die Faktoren, die Einfluss auf die Eutergesundheit der Kuh nehmen, sehr zahlreich sind, ist bei kritischer Bestandsprüfung i.d.R. eine interdisziplinäre Kompetenz notwendig, d. h. ein Zusammenspiel von Wissen und Erfahrungen in den Bereichen Haltung, Fütterung, Gesundheitsmanagement/Tiermedizin und Melktechnik (Übersicht 5).

Neben der Fütterung spielt die Haltung, besonders die Liegeboxenhygiene und das Platzangebot sowie der tägliche Umgang mit den Tieren eine große Rolle für das Wohlbefinden und die Abwehrkräfte unserer Kühe und damit im Kampf gegen Euterentzündungen.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel/Hochschule für Angewandte
Wissenschaften Fachbereich Agrarwirtschaft,
Osterrönfeld

E-Mail: katrin.mahlkow-nerge@fh-kiel.de

Fotos (Mahlkow-Nerge)
Stand: September 2018