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Beschäftigungsmaterial für Schweine TEIL 1
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Prof. Martin Ziron, Niklas Eickhoff und Simon Stocksmeier von der Fachhochschule Südwestfalen befassen sich im ersten Teil des Beitrags mit der Definition verschiedener Beschäftigungsmaterialien und stellen zudem Untersuchungen zum Wahlverhalten bei Mastschweinen vor. Die überwiegende Mehrheit unserer Hausschweine wird aus hygienischen und ökonomischen Gründen ohne Einstreu auf Spaltenböden in geschlossenen Ställen gehalten. Um Verhaltensstörungen und Aggressionen zu verhindern, bedarf es Ersatzbeschäftigungsmaterialien für die Tiere. 

Definition und Schweinemast

Zieht man das Wildschwein zum Vergleich heran, so fällt auf, dass es mit der Futtersuche und Futteraufnahme bis zu 50 % des Tages verbringt. Die Mastschweine benötigen bei den heutigen Aufstallungsvarianten in Abhängigkeit vom Fütterungssystem nur wenige Minuten für die Futteraufnahme und der Drang zum Wühlen, Nagen, Beißen, Kauen und Erkunden ist nicht ausgelastet. Um Fehlverhalten wie Aggressionen gegenüber den Buchtengenossen zu verhindern, muss den Tieren geeignetes Beschäftigungsmaterial angeboten werden. Hierbei spielt nach den heutigen Erkenntnissen aber nicht nur die Veränderbarkeit oder Verformbarkeit der Materialien eine Rolle, sondern auch ob die Materialien fressbar sind und eventuell sogar einen Futterwert darstellen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen anorganischen und organischen Materialien. Diese können auf verschiedene Arten angeboten werden. In vielen verschiedenen Praxistests wurde und wird geforscht, welche Materialien am besten für die Tiere geeignet sind.

Beschäftigungsmaterial

Es gibt viele verschiedene Materialien und Gegenstände, die in der Schweinehaltung als Beschäftigungsmaterial eingesetzt werden und somit einen Teil zur Verminderung von Aggressionsproblemen in der Mastgruppe beitragen können. Dabei sollten diese Materialien eine hohe Attraktivität für die Tiere aufweisen, gleichzeitig darf das Anbringen und Nachfüllen der Materialen jedoch nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, da ansonsten die Arbeitserledigungskosten zu sehr ansteigen. Welche Materialien grundsätzlich zur Beschäftigung eingesetzt werden können, wird im Folgenden näher erläutert.

Anorganische Materialien

Beschäftigungsmaterialien aus Kunststoff oder ähnlichen Stoffen sind in vielen verschiedenen Größen und Formen bei unterschiedlichen Herstellern erhältlich, beim Einsatz sollte darauf geachtet werden, dass die Materialien lebensmittelecht sind.

Oft werden sie in Verbindung mit Ketten in der Bucht integriert, hierbei sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass unterhalb der befestigten Gegenstände noch vier bis fünf Kettenglieder frei hängen, denn Verhaltensbeobachtungen zeigen, dass die Tiere sehr gerne an den Kettengliedern kauen oder lutschen.

Lose in der Bucht können beispielsweise Spielbälle oder Kanister angeboten werden. Als Nachteil ist jedoch die starke Verschmutzung dieser Gegenstände anzusehen. Außerdem bieten diese Dinge den Tieren oft nur einen kurzfristigen Anreiz zur Beschäftigung. Alternativ wird mittlerweile eine Kugel aus Naturgummi mit unregelmäßigen Stacheln angeboten. Der ausschließlich punktförmige Kontakt mit der Bodenfläche fördert dabei die Hygiene des Spielutensils. Angenommen wird dieser „Spieligel“ vor allem von jungen Tieren, die ihn durch die Bucht bewegen. Durch das unregelmäßige Abrollen das Spielzeugs werden andere Tiere dazu animieren, sich ebenfalls mit dem Gegenstand zu beschäftigen.

Organisches Beschäftigungsmaterial

Im Gegensatz zu den anorganischen Beschäftigungsgegenständen bietet ein großer Teil der organischen Beschäftigungsmaterialien dem Schwein die Möglichkeit, viele seiner essentiellen Bedürfnisse zu erfüllen. Diese Materialien sind dabei häufig, kaubar, untersuchbar, bewegbar und fressbar, wodurch sie das Erkundungsverhalten der Tiere stärker anregen. Die Bedeutung von organischen Materialen nimmt immer mehr zu.

Strukturierte organische Materialien

Strukturierte Materialien wie Stroh, Heu oder Luzerne fördern beim Schwein beinahe alle Verhaltensweisen, die mit der Nahrungssuche zusammenhängen. Dabei lassen einige Untersuchungen zu verschiedenen Einstreumaterialien darauf schließen, dass eine gute Struktur der Materialen ausschlaggebend dafür ist, inwieweit sie von den Tieren als Beschäftigungsmaterial angenommen werden. Zu beachten sind beim Einsatz strukturierter Materialien jedoch eine eventuell erhöhte Staubbelastung im Stall sowie ein Befall der Materialien mit Mykotoxinen, welche die Gesundheit sowie die Futteraufnahme negativ beeinflussen können.

Wenn die Materialien täglich frisch direkt auf den Boden angeboten werden, bieten sie eine vielfältige Möglichkeit der Beschäftigung und viele Tiere können dabei gleichzeitig aktiv sein. Auch das Angebot in Raufen, Körben oder Automaten gibt mehreren Tieren gleichzeitig die Möglichkeit, sich zu beschäftigen. Dieses Vorgehen sorgt im Gegensatz zur direkten Ausbringung auf den Boden für eine höhere Hygiene.

Strukturierte Materialien können auch in Form von Presslingen oder Presswürfeln angeboten werden, die häufig mittels Wandhalterungen in der Bucht befestigt werden. Sie unterstützen das Verhalten des Benagens und des Hebens durch die Tiere und lassen gleichzeitig eine Nahrungsaufnahme in sehr geringen Mengen zu. Nachteilig ist jedoch, dass das Material nur von wenigen Tieren gleichzeitig benutzt werden kann.

Holz als Beschäftigungsmaterial

Beim Einsatz von Holz stellt sich häufig die Frage nach der Veränderbarkeit. Weichhölzer eignen sich gut zur Beschäftigung der Tiere, da sie leicht veränderbar sind und gut benagt werden können. Im Gegensatz dazu sind Harthölzer zwar langlebiger, jedoch nur wenig bis gar nicht veränderbar.

Angeboten wird es häufig entweder an Ketten oder mit Hilfe von Wandhalterungen aus Kunststoff, Blechen oder Rohren, da es vor allem arbeitswirtschaftlich eine gute umsetzbare Variante zum Holzangebot ist. Die dabei meist als Material verwendeten Dachlatten aus Weichholz verlieren jedoch häufig schnell an Attraktivität. Außerdem beginnen diese Dachlatten bei intensiver Bearbeitung, trotz Weichholz, zu splittern, was unangenehm für die Tiere sein kann. Alternativ können beispielsweise Pappelrundhölzer mit Rinde einsetzen werden, welche nicht zum Splittern neigen und eine länger anhaltende Attraktivität aufweisen. Andere Varianten, in denen Holz angeboten wird, sind Pendel- und Hebebalken. Bei Pendelbalken wird ein Holzbalken mit zwei Ketten freihängend in der Bucht befestigt. Er bietet die Möglichkeit zum Beißen, Kauen und Nagen, jedoch nicht zum Wühlen. Der Wühltrieb kann eher mittels des Hebebalkens befriedigt werden, da er so konstruiert ist, dass er von den Tieren mit der Schnauze angehoben werden kann. Dies kommt dem natürlichen Wühlverhalten sehr nahe.

Andere organische Materialien

Papier bzw. Pappe ist ein Material, das eine hohe Attraktivität für Schweine aufweist, da sie es zerkauen, zerwühlen oder herumtragen können. Jedoch treten sehr schnell starke Verschmutzungen des Materials auf, wodurch sich ihr Einsatz ausschließlich bei akutem Auftreten von Verhaltensstörungen lohnt. Weiterhin muss auf eine gesundheitliche Unbedenklichkeit des Materials geachtet werden, was zur Folge hat, dass das Papier unbedruckt und unbeschichtet sein muss.

Auch Seile aus Naturfasern können als organisches Beschäftigungsmaterial verwendet werden. Wenn diese auch noch bodennah angebracht werden, fördern sie zusätzlich das Wühlverhalten der Tiere.

Untersuchungen zum geeigneten Beschäftigungsmaterial

Wahlversuch: Vergleich der Attraktivität in der Schweinemast von drei unterschiedlichen Materialien Sonnenblumenkerne, Strohpellets und Luzernepellets über einen Sattfutterautomaten.

In einer Mastbucht mit 22 Tieren wurden im Abstand von 80 cm drei Sattfutterautomaten der Firma Bestfarm montiert. Die Ausdosierung funktionierte dabei über eine spielerische Betätigung der Dosiereinheit an der Unterseite des Automaten. Diese wurden durch Siebdruckplatten räumlich voneinander getrennt. Damit die Pellets und Sonnenblumenkerne auch nach dem Herausspielen aus den Automaten den Tieren als Beschäftigung zur Verfügung standen und nicht durch die Spalten fielen, wurde unterhalb der Automaten eine Kunststoffplatte auf dem Boden befestigt. Zusätzlich diente diese gleichzeitig als nachträgliche Wühlmöglichkeit für die Tiere. Die Aufzeichnung des Versuches erfolgte mittels einer Kamera und eines Laptops mit Hilfe der Software Mangold Interact. Es wurden in der Vor- und Mittelmast jeweils drei Tage ausgewertet. Unterschieden wurde dabei, wie häufig und wie lange Tiere jeweils am entsprechenden Automaten standen bzw. vor den Automaten am Boden waren.

Ergebnisse Wahlversuch

Die Auswertungen zeigen deutlich, dass die Mastschweine eindeutig die Sonnenblumenkerne im Wahlversuch bevorzugen. Im Mittel besuchte jedes Schwein über den Tagesverlauf 66 Mal den Automaten mit den Sonnenblumenkernen. Auch der Bereich vor dem Automaten mit Sonnenblumen kernen wurde sehr viel häufiger frequentiert (im Mittel 48 Mal je Tier) als die anderen.

Neben der Anzahl der Kontakte ist aber von viel größerer Aussagekraft, wie lange sich die Tiere mit dem entsprechenden Beschäftigungsmaterial auseinandersetzen. Dies wird in der folgenden Abbildung beschrieben.

Es zeigt sich hier, dass die Tiere zum Herausarbeiten des Beschäftigungsmaterials nur eine sehr kurze Zeit benötigen. Im Mittel beschäftigt sich jedes Tier knapp vier Minuten mit dem Automaten mit den Sonnenblumenkernen, die beiden anderen werden nur weniger als eine Minute bearbeitet. Sehr auffällig ist aber hier, dass die Beschäftigungsdauer vor dem Automaten sehr viel länger ist. Fast eine Stunde lang können Tiere vor dem Automaten mit den Sonnenblumenkeren beobachtet werden. Bei den anderen Varianten ist dieser Zeitraum deutlich geringer.

Verbrauchsmengen

Die Attraktivität der Sonnenblumenkerne spiegelte sich auch in den Verbrauchsmengen wieder. Die Durchschnittliche Menge an Sonnenblumenkernen betrug pro Tag und Bucht im Mittel zwischen zwei und drei kg. Bei den Luzernemehlpellets in der Vormast 0,55 kg pro Tag und in der Mittelmast 1,5 kg. Die Strohpellets lagen bei 0,42 und 0,63 kg pro Bucht und Tag.

Zusammenfassung Wahlversuch Mastschweine

Die Untersuchungen zeigen, wie attraktiv Sonnenblumenkerne für die Schweine sein können. Im Versuch wird aber auch sehr deutlich sichtbar, wie wichtig eine planbefestigte Oberfläche unter einem Automaten ist, aus dem organisches Beschäftigungsmaterial herausfällt. Zum einem landet das organische Material nicht direkt in der Gülle und verursacht Probleme und zum anderen können die Schweine ihrem Wühl- und Futtersuchverhalten sehr gut nachkommen. So sind die Schweine sehr gut beschäftigt und die Gefahr von Verhaltensstörungen und Aggressionen den Buchtengenossen gegenüber ist stark reduziert. Im Laufe der Beobachtungen in der Wahlversuchsbucht konnten keine auffälligen Verletzungen oder Aggressionen bei den Tieren beobachtet werden.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. agr. habil. Martin Ziron
Fachhochschule Südwestfalen

E-Mail: Ziron.Martin(at)FH-SWF.de
Stand: Juni 2019