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Bei der Kolostrumversorgung keine Zeit verlieren!
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Dr. Christian Koch befasst sich im aktuellen Beitrag mit dem Einfluss einer verzögerten Versorgung mit Kolostrum auf den Immunglobulinstatus der Kälber. Eine schnelle und ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigem Kolostrum ist die Basis für gesunde Kälber und eine erfolgreiche Milchproduktion. Aus den genannten Gründen sollten die Kälber so früh wie möglich nach der Geburt mit Kolostrum versorgt werden. 

Eine schnelle und ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigem Kolostrum ist die Basis für gesunde Kälber und eine erfolgreiche Milchproduktion. Aus den genannten Gründen sollten die Kälber so früh wie möglich nach der Geburt mit Kolostrum versorgt werden. Welchen Einfluss eine verzögerte Versorgung mit Kolostrum auf den Immunglobulinstatus der Kälber hat, beschreibt nachfolgend Dr. Christian Koch vom DLR Westpfalz, Hofgut Neumühle.

Die Gesundheit unserer Kälber wird mit der ersten Kolostrumgabe nachhaltig für das gesamte Leben beeinflusst. Aus diesem Grund sollten neugeborene Kälber so schnell und so früh wie möglich nach der Geburt so viel als möglich Kolostrum von Ihren Müttern aufnehmen. Neben der Qualität und Menge spielt der Zeitpunkt der ersten Mahlzeit eine wichtige Rolle und bestimmt die Versorgung der Kälber mit Immunglobulinen. Die Aufnahme der Immunglobuline durch den Darm ist direkt nach der Geburt am höchsten und sinkt mit zunehmender Dauer kontinuierlich ab, sodass nach ca. 6 Stunden nur noch weniger als 50 % der Immunglobuline aufgenommen werden können. Diese Erkenntnis ist nicht neu und schon sehr lange bekannt und trotzdem schaffen wir es in der täglichen landwirtschaftlichen Praxis nicht, die neugeborenen Kälber zeitnah mit hochwertigen Kolostrum zu versorgen.

Im Rahmen einer Studie (Fischer et al., 2018) an der Universität von Alberta (Kanada) wurde der Einfluss einer verzögerten Kolostrumversorgung auf die passive Immunisierung von Kälbern untersucht. Im Rahmen der Studie wurden 27 Bullenkälber der Rasse Holstein in 3 vergleichbare Gruppen zu je 9 Kälbern eingeteilt. Die 3 Gruppen unterschieden sich im Zeitpunkt der ersten Kolostrumversorgung. Eine Gruppe erhielt 45 Minuten (0 h) und die beiden weiteren Gruppen 6 Stunden (6 h) bzw. 12 Stunden (12 h) nach der Geburt hitzebehandeltes Kolostrum mit einem IgG-Gehalt von 62 g IgG/Liter Kolostrum. Alle Kälber erhielten 7,5 % ihres Geburtsgewichtes, was ca. 3,2 Liter entspricht, als Kolostrummenge. Um die passive Immunisierung der Kälber zu analysieren, wurde der Gehalt an Immunglobulinen im Blutserum bestimmt. Hierzu wurden innerhalb der ersten 51 Lebensstunden alle 3 Stunden Blutproben von den Kälbern entnommen (vgl. Abbildung 1).

Wie in Abbildung 1 ersichtlich, erreicht die Gruppe, die nach 45 Minuten mit Kolostrum versorgt wurde, bereits nach 15 Stunden die höchste IgG-Konzentration im Blutserum. Die beiden Gruppen die nach 6 bzw. 12 Stunden nach der Geburt erstmalig Kolostrum erhielten, erreichen hingegen erst nach 24 bzw. 30 Stunden nach der Geburt die höchste IgG-Konzentration. Interessanterweise liegen die sehr früh mit Kolostrum versorgten Kälber auch 48 h nach der Geburt noch auf einem höheren Niveau im Vergleich zu den später versorgten Kälbern. Neben der IgG-Konzentration im Blut wurde die Absorptionseffizienz der Immunglobuline sowie der Zeitpunkt der maximalen Immunglobulinkonzentration bestimmt (Tabelle 1)

Unterschiede bzgl. den Geburtsgewichten zwischen den Gruppen konnten nicht festgestellt werden. Da alle Kälber mit 7,5 % ihrer Lebendmasse an Kolostrum versorgt wurden, nahmen die Kälber mit Mittel 3,2 Liter auf. Die aufgenommene Gesamtimmunglobulinmenge über die erste Kolostrumaufnahme war in allen Gruppen gleich. Die Kälber, die nach 45 Minuten nach der Geburt mit Kolostrum versorgt wurden, zeigten 12, 24 sowie 36 Stunden nach der Geburt signifikant höhere Immunglobulingehalte im Blutserum, im Vergleich zu den Kälbern, die nach 6 bzw. 12 Stunden Kolostrum erhielten. Die Absoprtionseffizienz der Immunglobuline in der Gruppe die nach 6 bzw. 12 Stunden nach der Geburt versorgt wurden, war um 16,2 bzw. 16,7 % reduziert im Vergleich zur Gruppe, die direkt nach der Geburt Kolostrum erhielt.

Um eine ausreichende Versorgung der Kälber mit Immunglobulinen zu erreichen, sollte der Immunglobulingehalt im Blutserum bei mindestens 10 mg/ml liegen. Die sehr früh mit Kolostrum versorgten Kälber erreichen diesen Grenzwert bereits nach 6 Stunden. Im Gegensatz dazu überschreiten die nach 6 bzw. 12 Stunden mit Kolostrum versorgten Kälber den Grenzwert erst nach 15 bzw. 21 Stunden nach der Geburt (vgl. Abb. 1). Durch die deutlich spätere ausreichende Versorgung mit Immunglobulinen in den beiden später mit Kolostrum versorgten Gruppen, erhöht sich hierüber deutlich die Krankheitsanfälligkeit und kann dadurch die Immunität dieser Kälber über das gesamte Leben nachhaltig beeinflussen.

Fazit

Durch eine Verzögerung der Erstkolostrumversorgung nach der Geburt um 6 bzw. 12 Stunden wird die Aufnahmekapazität von Immunglobulinen signifikant reduziert, wodurch die Zeit bis zum Erreichen der maximalen IgG-Konzentration im Blutserum um 24 bzw. 30 Stunden verlängert wird. Durch eine nicht ausreichende und zeitnahe Versorgung von neugeborenen Kälbern mit Immunglobulinen steigt die Krankheitsanfälligkeit für Atemwegs- und Durchfallerkrankungen deutlich an.

Dies bedeutet für die Praxis, die Kälber so schnell wie möglich mit so viel wie möglich (> 3 Liter) Erstkolostrum der Mutter zu versorgen, um zeitnah eine ausreichende passive Immunisierung direkt nach der Geburt zu gewährleisten. Erfolgt dies 6 bzw. 12 Stunden später, sind die Kälber bis zu einem Tag ohne Immunschutz Krankheitserregern ausgesetzt, was die Krankheitsanfälligkeit deutlich erhöht. Durch eine direkte Versorgung nach der Geburt mit Kolostrum wird die Basis für gesunde Kälber und gesunde Milchkühe gelegt, denn Kolostrum ist das kostengünstigste und qualitativ hochwertigste Futtermittel für neugeborene Kälber!

Verlieren Sie keine Zeit bei der Erstkolostrumversorgung Ihrer Kälber! Es wird sich auszahlen!

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Christian Koch
Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung
Hofgut Neumühle
Neumühle 1
67728 Münchweiler an der Alsenz
Tel.: 06302/60343

www.hofgut-neumuehle.de

Stand: Juni 2018
Fotos (Katrin Mahlkow-Nerge)