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Bedarfsgerechte Trockensteherfütterung
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Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge von der Fachhochschule Kiel befasst sich im aktuellen Beitrag mit der bedarfsgerechten Trockensteherfütterung. Bei kaum einer anderen Tiergruppe gibt es so kontroverse Diskussionen und verschiedene Meinungen, was die Rationsgestaltung betrifft, wie bei den trockenstehenden Kühen. Grundsätzlich ist klar, dass für die Fütterung während der Trockenzeit die gleiche Regel gilt wie für die der laktierenden Kühe: stets dem tatsächlichen Bedarf der Tiere entsprechend!

Bei kaum einer anderen Tiergruppe gibt es so kontroverse Diskussionen und verschiedene Meinungen, was die Rationsgestaltung betrifft, wie bei den trockenstehenden Kühen. Grundsätzlich ist klar, dass für die Fütterung während der Trockenzeit die gleiche Regel gilt wie für die der laktierenden Kühe: stets dem tatsächlichen Bedarf der Tiere entsprechend!

Bedarfsempfehlungen

Offiziellen Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE, 2001) nach sollten Früh-Trockensteher in der ersten Trockenstehphase Energie- und Nährstoffmengen für deren Erhaltung plus 4 bis 6 kg Milch erhalten, um den Fötus zu versorgen. Das entspricht in dieser Phase bei einer z. B. 670 kg schweren Kuh einer Energiemenge von 38,6 MJ NEL für die Erhaltung plus einem zusätzlichen Bedarf von 13 MJ NEL. Das wären insgesamt fast 52 MJ NEL/Tag. Die bedarfsdeckende Eiweißversorgung beläuft sich auf 1.131 g nXP/Tag (Übersicht 1).

Befindet sich die Kuh in den letzten 2 – 3 Wochen vor der Kalbung, hat sie einen höheren Nährstoff- und Energiebedarf. Dieser wird mit z.B. 58 MJ NEL und 1.226 g nXP angegeben.

Da bei diesen sogenannten Vorbereitern hinzukommt, dass gerade in den letzten Tagen vor der Kalbung die Futteraufnahme merklich zurückgeht, wird diesem durch eine Anhebung der Nährstoff- und Energiekonzentrationen in der Ration Rechnung getragen.

Ein weiterer Aspekt neben der Erhöhung des Protein- und Energiegehaltes ist auch die gezielte Anhebung des Stärkegehaltes in der Vorbereiterration, um die Propionsäurebildung und folglich die Glukoneogenese (Glukoseneubildung) anzukurbeln. Zudem soll besonders auch das Pansenzottenwachstum angeregt und das Vormagensystem allmählich auf die Ration nach der Abkalbung vorbereitet werden. Gerade die gewünschte Pansenzottenverlängerung bewirkt eine Oberflächenvergrößerung der Pansenschleimhaut, wodurch die Absorption der in großen Mengen anfallenden Fettsäuren bei der Fütterung energiereicher Rationen nach der Kalbung verbessert wird (Azidosevorbeuge).

Diese von der GfE publizierten Bedarfswerte sind grundsätzlich Mengenangaben pro Tier und Tag. Daraus sind z.B. seitens der DLG oder der Landwirtschaftskammern Bedarfswerte für die Anwendung in der Fütterungspraxis abgeleitet worden, die in Gehalten je Kilogramm Futtertrockenmasse angegeben werden. Hierbei handelt es sich also um Konzentrationsangaben (Übersicht 1, jeweils die rechte Spalte).

Bei der Vielzahl an diesbezüglichen Publikationen wird von einer durchschnittlichen Futteraufnahme trockenstehender Kühe (670 – 700 kg schwer) im Bereich 12 bis 13 kg TM je Tier und Tag ausgegangen. Vergleicht man jedoch die Gehalts- mit den Mengenangaben in der Übersicht 1, ergibt sich vielfach daraus eine Futteraufnahme von knapp 10 kg TM bei den Frühtrockenstehern und von weniger als 9 kg TM (beim XP, nXP) bis hin zu 15 kg TM (beim XF) bei den Kühen in der Vorbereitungsphase.  

Bei einer angenommenen Futteraufnahme von z.B. 12,5 kg TM/Kuh und Tag würden sich bei einer Energiedichte in der Frühtrockensteherration von 5,6 MJ NEL eine Gesamtenergiemenge von 70 MJ NEL ergeben, die weit über der von der GfE angegebenen Bedarfsmenge liegt. Auch bei den Vorbereitern ergäbe sich bei einer angenommenen Futteraufnahme von z.B. 11 kg TM und einer Energiedichte in der Ration von 6,6 MJ NEL/kg TM eine Energieaufnahmemenge von fast 73 MJ NEL, die ebenfalls deutlich über dem angegebenen Bedarf liegt.

Um dem angegebenen Energiebedarf tatsächlich zu entsprechen, dürften bei den soeben unterstellten Energiegehalten in den Rationen die frühtrockenstehenden Kühe nur 9,3 kg TM und die Vorbereiter 8,8 kg TM am Tag aufnehmen. Eine so niedrige Futteraufnahme aber wird von Fütterungsexperten als eher kontraproduktiv angesehen, da sich in vielen Untersuchungen herausgestellt hat, dass es durchaus eine direkte Beziehung zwischen der Höhe der Futteraufnahme während der Trockenstehzeit, vor allem während der letzten Woche vor der Kalbung, und der nach der Kalbung gibt. So zeigen Untersuchungen, wie z.B. die von ENGELHARD et al. (2017), dass Kühe, die während der letzten 5 Tage der Trockenstehzeit eine mit 9,5 kg TM unterdurchschnittliche Futteraufnahme hatten, in der Frühlaktation ebenfalls weniger fraßen, eine geringere Milchleistung hatten und dabei stoffwechselinstabiler waren als Kühe, die vor der Abkalbung eine mit 15,8 kg TM überdurchschnittlich hohe Futteraufnahme aufwiesen. Im Mittel nahmen die trockenstehenden Kühe während der letzten 5 Tage vor der Kalbung 13,0 kg TM/Tier und Tag auf.

Futteraufnahmeerfassung in einem Betrieb mit sehr hoher Milchleistung

Die 220 Schwarzbunten Milchkühe in einem Betrieb im Norden Schleswig-Holsteins haben eine Leistung von 11.961 kg Milch/Kuh (3,74 % Fett, 3,45 % Eiweiß; 860 kg Fett+Eiweiß). Die 305-Tage-Laktationsleistung der Erstkalbskühe beträgt 9.994 kg, die der Mehrkalbskühe 12.458 kg. Der Erstbesamungserfolg liegt bei 59 %, der Besamungsindex bei 1,67 und die Zwischenkalbezeit bei 405 Tagen (Daten aus dem Herdenvergleich 1.04.2017 – 31.03.2018).

Seit vielen Jahren wird in diesem Betrieb lückenlos neben den aufgenommenen Futtermengen der laktierenden Kühe auch die der trockenstehenden Kühe erfasst. So zeigt sich, dass die Frühtrockensteher in der Zeit von Mai 2015 bis Ende Juni 2017 durchschnittlich 14,2 kg TM/Kuh und Tag und die Vorbereiter in den letzten 14 Tagen vor der Kalbung im Mittel 13,7 kg TM aufnahmen (Übersicht 2).

Werden diese TM-Mengen mit dem Energiegehalt der vorgelegten Rationen (Trockenstehphase I: 6,0 MJ NEL/kg TM; Trockenstehphase II: 6,8 MJ NEL/kg TM) verrechnet, nahmen die Kühe während der ersten 5–6 Wochen der Trockenstehzeit durchschnittlich 85 MJ NEL/Tier und Tag und während der letzten 2–3 Wochen vor der Kalbung 93 MJ NEL/Tier und Tag.

Dieses würde dem 1,6-fachen der Bedarfsempfehlungen der GfE entsprechen. Werden aber die postulierten Bedarfswerte (GfE, 2001; DLG, 2012) als gegeben angesehen, müssten die trockenstehenden Kühe in diesem Betrieb nahezu alle deutlich energetisch überversorgt sein, und dieses v.a. bedingt durch deren hohe Futteraufnahme. Die Kühe sind aufgrund ihrer allgemein noch sehr hohen Milchleistung zum Trockenstellen zu diesem Zeitpunkt eher normal- bzw. mitunter sogar unterkonditioniert. Dennoch ist trotz der vermeintlich massiven energetischen Überversorgung während der Trockenstehzeit keine Zunahme der Körperkondition zu verzeichnen.

Wenn entsprechend der GfE bei einer Energieaufnahme von 52 bzw. 58 MJ NEL die Bedarfsdeckung der Frühtrockensteher bzw. Vorbereiter erfolgt, und, wie in diesem Betrieb eine realisierte Futteraufnahme von durchschnittlich 14,2 bzw. 13,7 kg TM unterstellt wird, müsste ein Energiegehalt bei der Frühtrockensteherration von knapp 3,7 und bei den Vorbereitern von 4,2 MJ NEL/kg TM eingestellt werden. Nur Stroh hat eine so geringe Energiekonzentration. Insofern sind derartig niedrige Energiegehalte in einer Futterration nicht realisierbar.

Futteraufnahmeerfassung in mehreren Praxisbetrieben in S.-H.

Ausgehend von diesen Ergebnissen, Erfahrungen und zurückbleibenden Fragen interessiert, wie hoch die Futteraufnahme trockenstehender Kühe in anderen Betrieben ist. Daher wurde im Zeitraum Mai bis Oktober 2017 in einigen Milchkuhbetrieben Schleswig-Holsteins (durchschnittliche Kuhzahl: 209; Herdenmilchleistung: 9.600 kg, ZKZ: 399 Tage, Zellzahl: 155.000/ml) über mehrere Wochen hinweg die tägliche Futteraufnahme erfasst. Hierbei  zeigten sich z.T. sehr große Unterschiede zwischen den Betrieben (Übersicht 3).

Einer der insgesamt 8 Betriebe (Betrieb G) fütterte die Trockensteher einphasig, also vom Trockenstellen bis zum Kalbetermin stets mit derselben Ration. In den anderen 7 Betrieben erhielten die Früh-Trockensteher eine deutlich energie- und nährstoffärmere Ration (mittlerer Gehalt: 5,9 MJ NEL, 120 g XP und 251 g XF/kg TM) als die Vorbereiter (mittlerer Gehalt: 6,7 MJ NEL, 153 g nXP und 188 g XF/kg TM).

Die im Mittel erreichte Futteraufnahme von 11 bzw. 13 kg TM bei den Früh-Trockenstehern bzw. den Vorbereitern entspricht allgemein den Erwartungen und Beratungsempfehlungen für eine anzustrebende Futteraufnahme. Die betriebsindividuellen Unterschiede sind aber mit weniger als 9 bis 14 kg TM bei den Früh-Trockenstehern und weniger als 10 bis zu 14 kg TM bei den Vorbereitern sehr groß und zeugen von z.T. sehr unterschiedlichen Haltungs-, aber auch Fütterungsbedingungen.

Werden auch hier die in den Betrieben erfassten Futteraufnahmen mit dem jeweiligen Energiegehalt der entsprechenden Ration verrechnet, müssten die früh-trockenstehenden Kühe im Durchschnitt 65 MJ NEL täglich aufgenommen haben, mit enormen betrieblichen Schwankungen von 46 bis 86 MJ NEL/Kuh und Tag. Bei den Vorbereitern ergäbe sich eine Energieaufnahme von durchschnittlich 89 MJ NEL, mit einer Schwankungsbreite von 68 bis 104 MJ NEL/Kuh und Tag. Diese extremen Unterschiede zwischen den Betrieben waren v.a. durch die sehr auseinanderdriftende Futteraufnahme begründet.

Letztlich entsprechen die Energieaufnahmemengen der Frühtrockensteher dem 1,2-fachen und die der Vorbereiter dem 1,5-fachen der Bedarfsempfehlungen der GfE.

Fazit – Was bleibt

Zahlreichen Untersuchungen zur Folge besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Futteraufnahme von trockenstehenden Kühen vor der Kalbung und der aufgenommenen Futtermenge und Stoffwechselgesundheit in den ersten Laktationswochen. Daher ist unstrittig, dass trockenstehende Kühe möglichst viel fressen sollen.

Hierfür ist eine gute Futterhygiene sehr wichtig. Unabhängig von dem notwendigen Nährstoff- und Energiegehalt in einer Ration muss diese stets aromatisch sein. Kühe entscheiden sehr nach Geruch, wieviel sie von dem angebotenen Futter aufnehmen wollen. Das Füttern von Futterresten oder aber nur alle 2 Tage eine frische Futtervorlage stehen dieser Forderung deutlich im Wege.

Darüber hinaus haben die Haltungsbedingungen, allen voran die Platzverhältnisse und die Qualität der Liegeflächen im Trockensteherbereich einen enormen Einfluss auf die Höhe der Futteraufnahme. Gerade in diesem Bereich gibt es in zahlreichen Betrieben noch viel Potential.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel/Hochschule für Angewandte
Wissenschaften Fachbereich Agrarwirtschaft,
Osterrönfeld

E-Mail: katrin.mahlkow-nerge[at]fh-kiel.de

Fotos (Mahlkow-Nerge)
Stand: September 2018