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Effekte von Zulagen synthetischer Aminosäuren bei rohproteinreduzierter Fütterung von Mastputen
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Einleitung

Seit mehr als 15 Jahren sind proteinabgesenkte Rationen in der Putenmast für die mittleren Futterphasen zum Standard geworden. Die Entlastung der Tiere durch eine verringerte Proteinverdauung in der Mittelmast führte zu einer Verbesserung der Darmstabilität bei nahezu gleichbleibenden Mastleistungen, die durch das kompensatorische Wachstum erreicht wurden.

Seit 2018 hat die vielerorts nötige Reduktion von Stickstoffausscheidungen im Rahmen der betriebsindividuellen Nährstoffbilanz zu weiterem Druck auf die landwirtschaftlichen Betriebe geführt. Parallele Unwuchten im Markt für Rohkomponenten haben unter dem Einfluss von Covid19 und Ukraine-Krieg stark zugenommen und führten zu einer Verteuerung der Futter, der durch Einsparmaßnahmen entgegengewirkt werden sollte. Als Effekt der Verdünnung der Futterinhaltsstoffe ist in der Praxis eine verringerte Gewichtszunahme vor allem im Sommer unter Hitzestress zu sehen, die im Gegensatz zur positiven Prognose der Zuchtunternehmen für das Wachstumsvermögen der schweren Zerlegeputen steht (Aviagen Turkeys 2023) und bereits experimentell bestätigt wurde (Lemme et al., 2020).

Es stellte sich daher die Frage nach der Ausfütterung des genetischen Potentials der Puten bei gleichzeitiger Absenkung der Gesamtproteinraten im Futter und der N-Ausstoßes im Mist. Eine proteinreduzierte Ration mit gezielter Ergänzung der vom Tier benötigten Aminosäuren im Rahmen eines „idealen Proteins“ könnte dieses Ziel erreichen.

Eine Versuchsreihe zu Proteinabsenkungen und Ergänzungen von essentiellen Aminosäuren wurde zwischen 2018 und 2020 von den Unternehmen Moorgut Kartzfehn, Evonik Nutrition and Care GmbH, Metex Nøøvistago und Aviagen Turkeys Ltd. durchgeführt.

Vorgehensweise

Versuch 1

Vom Oktober 2018 bis März 2019 wurde über 21 Wochen ein Versuch in einem jalousiebelüfteten Offenstall im Moorgut Kartzfehn, Bösel durchgeführt. 1.640 männliche Putenküken der schweren Rasse BUT 6 wurden nach dem Zufallsprinzip 20 Abteilen mit je 82 Küken pro Abteil zugeteilt. Die Tiere wurden auf Hobelspänen aufgezogen und in der Mast mit gehäckseltem Stroh nachgestreut. Das Management entsprach den gängigen Empfehlungen für Mastputen (Moorgut Kartzfehn, 2020).

Je 4 Abteile wurden mit einem Testfutter versorgt. In Tab. 1 ist das experimentelle Design für den Test der unterschiedlichen Futtersorten über alle sechs Futterphasen zu finden.

Tabelle 1: Experimentelles Design des 6-Phasen-Futterversuches mit in Prozentpunkten abgesenkten Proteingehalten und Zulage von synthetischen Aminosäuren bei BUT 6 Mastputenhähnen

Von den gehaltenen Tieren wurden per Stichprobenwiegung die Gewichte nach den Futterphasen 3 und 4 sowie von allen Tieren nach P6 (Versuchsende) einzeln erfasst. Der Futterverbrauch wurde je Abteil gemessen. Alle weiteren Gewichte von Küken, separierten oder toten Tieren sowie der fehlsortierten Hennen wurden erfasst und in die Futterverwertung eingerechnet.

Versuch 2

Von Januar bis Juni 2019 wurde über 21 Wochen ein Versuch in einem zwangsbelüfteten Putenstall der Fa. Aviagen Turkeys Ltd, Cheshire, England, durchgeführt. 1.920 männliche Putenküken der mittelschweren Rasse Premium wurden nach dem Zufallsprinzip 24 Abteilen mit je 80 Küken zugeteilt. Die Tiere wurden auf Hobelspänen aufgezogen und gemästet und nach den gängigen Empfehlungen gehalten.

Je 4 Abteile wurden mit einem Testfutter versorgt. In Tab. 2 ist das experimentelle Design für den Test der unterschiedlichen Futtersorten über alle sieben Futterphasen zu finden.

Tabelle 2: Experimentelles Design des 7-Phasen-Futterversuches mit in Prozentpunkten abgesenkten Proteingehalten und Zulage von synthetischen Aminosäuren bei Premium Mastputenhähnen

Versuch 3

Vom Januar bis Mai 2021 wurde über 21 Wochen ein Versuch unter denselben Bedingungen wie Versuch 1 auf dem Moorgut Kartzfehn, Bösel durchgeführt. 1.620 männliche Putenküken der schweren Rasse BUT 6 wurden nach dem Zufallsprinzip 20 Abteilen mit je 81 Küken pro Abteil zugeteilt.

Je 4 Abteile wurden mit einem Testfutter versorgt. In Tab. 3 ist das experimentelle Design für den Test der unterschiedlichen Futtersorten über alle sechs Futterphasen zu finden.

Tabelle 3: Experimentelles Design des 6-Phasen-Futterversuches mit in Prozentpunkten abgesenkten Proteingehalten und Zulage von synthetischen Aminosäuren bei BUT 6 Mastputenhähnen

Ergebnisse

Die Datenerfassung entsprach der Vorgehensweise aus Versuch 1 und 2.

Effekte der Futterrationen auf die Mastleistung

Versuch 1

Tabelle 3: Leistungsdaten der Futtergruppen im Versuch 1

Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte die nur in den mittleren Futterphasen XP-abgesenkt gefütterte Gruppe kaum verringerte Gewichte, wenn nur Lysin, Methionin+Cystein, Threonin und Valin in der Futtergestaltung berücksichtigt wurde. Die Absenkung in den hinteren Futterphasen resultierte in 300 g verringerten Endgewichten, die aber statistisch nicht absicherbar waren. Die Absenkung von XP ab der 6. Lebenswoche bis zum Ende resultierte in 400 g verringerten Endgewichten, bei denen der Unterschied bereits signifikant wurde. Wenn aber zusätzlich die weiteren essentiellen Aminosäuren Arginin und Isoleucin entsprechend der Empfehlungen durch Zulagen im Futter balanciert wurden, konnte das Gewichtsdefizit wieder aufgefangen werden.

Die Effekte der geringeren Mastendgewichte spiegelten sich auch in den verringerten Brustfleischanteilen wider. Auch wurde die Futterverwertung durch die verringerte Wachstumsleistung deutlich inneffektiver, je länger die Verringerung der XP-Reduktion andauerte. Die zusätzliche Berücksichtigung von Arginin und Isoleucin hatte hierbei einen mildernden Effekt, wobei der Brustfleischanteil auch hier hinter den Erwartungen zurückblieb. Bilanzierungen der Aminosäurenversorgung legte nahe, dass für einen optimalen Fleischansatz insbesondere die Aminosäuren Glycin (Gly) und Serin (Ser) das Muskelwachstum begrenzt hat (Lemme et al., 2020)

Versuch 2

Tabelle 5: Leistungsdaten der Futtergruppen im Versuch 2, für FVW keine Statistik vorhanden

Im Gegensatz dazu, konnte im zweiten Versuch eine reduzierte Wachstumsleistung bei 1%- und 2-prozentiger Rohproteinabsenkung durch die Berücksichtigung von Valin, Isoleucin und Arginin im Fütterungskonzept vermieden werden. Es konnte außerdem keine Verschlechterung der Futterverwertung beobachtet werden. Ganz im Gegenteil konnte bei Beachtung aller Aminosäuren der Brustfleischansatz sogar erhöht werden, was bemerkenswert ist, da das Rohprotein sogar doppelt so stark abgesenkt werden konnten im Vergleich zu Versuch 1.

Versuch 3

Tabelle 6: Leistungsdaten der Futtergruppen im Versuch 3

Im dritten Versuch war die Wachstumsleistung nach XP-Reduktion um zwei Prozentpunkte mit fast 1 kg signifikant verringert. Die Futterverwertung war leicht verbessert, die Brustfleischanteile waren jedoch analog zum Wachstum abgesenkt. Weder die Zulage einzelner noch die Versorgung mit allen synthetischen Aminosäuren führte zum gewünschten Ausgleich der Minderleistung bei XP-abgesenkter Fütterung. Es muss anerkannt werden, dass eine Absenkung um 2%-Punkte als ambitioniert einzuschätzen ist und eine geringe Rohprotein-Absenkung ein geringeres Risiko der Leistungseinbuße hat.

Effekte der Futterrationen auf die Nährstoffausscheidung

Versuch 1

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der prozentualen Anteile von Trockenmasse und Stickstoff im Mist aus Versuch 1.

Abbildung 1: Trockenmasse- und Stickstoffgehalte im Mist bei verschiedenen Fütterungsstrategien (Versuch 1)

Die Absenkung von XP in der Ration führte nicht wie erwartet linear zu verringerten Trockenmassegehalten des Mistes. Das hatte jedoch möglicherweise probenahmespezifische Gründe, denn entsprechende N-Bilanzierungen zeigten niedrigste N-Ausscheidungen in den Behandlungen, in denen Rohprotein durchgehend von Phase 3 – 6 reduziert wurde (Lemme et al., 2020). Durch den höheren Wassergehalt im Mist der Gruppe „XP-gesenkt P3-P4“ kam es zu höheren N-Gehalten. Bemerkenswert jedoch sind die im Vergleich ähnlichen N-Gehalte in den über längere Zeit oder in den hinteren Phasen XP-gesenkten Futtergruppen im Vergleich zur Standardgruppe. Der N-Umsatz scheint sich hier nur wenig auf die N-Retention ausgewirkt zu haben. Die Stickstoffverwertung wurde mit dem Konzept, das auch Arginin und Isoleucin berücksichtigte, mit 44.9% maximiert, wobei die N-Ausscheidungen gemäß Bilanzierung minimiert wurden (Lemme et al., 2020). Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die durchschnittliche Fußballenbonitierung deutlich verbessert werden konnte, wenn Rohprotein in den Phasen 5 und 6 abgesenkt wurde (Lemme et al., 2020)

Versuch 2

Wie in Abb. 2 ersichtlich, verhielt es sich anders im zweiten Versuch, der zeigt, dass eine verringerte N-Umsetzung sehr wohl zu verringerter N-Ausscheidung führen kann. Dies deckt sich mit anderen Versuchen, die als Vorabstudien mit verringerten XP-Gehalten arbeiteten. Die Effizienz der AS-Zulage zeigt sich hier zudem recht deutlich, da die N-Ausscheidung trotz höherer AS-Umsetzung niedrig blieb.

Abbildung 2: Trockenmasse- und Stickstoffgehalte im Mist bei verschiedenen Fütterungsstrategien (Versuch 2)

Diskussion

Die vorgestellten Versuche haben mit ihren unterschiedlich gerichteten Ergebnissen den Stand des Wissens in der Putenfütterung abgebildet: Die bereits erfolgte Absenkung der XP-Gehalte in den Futtermischungen sowie die technisch deutlich genauere Futtermischung hat in den vergangenen Jahren zu einer effizienten Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen geführt. Die heute genutzten Putenherkünfte bieten mit ihrem Wachstumspotential, aber auch ihrer Fitness gute Grundlagen für hohe Mastleistungen. Jedoch ist eine weitere Absenkung der XP-Gehalte im Futter nur dann zu empfehlen, wenn alle essentiellen Aminosäuren in der Futterrezepturgestaltung berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist eine Proteinabsenkung, die deutlich über einen Prozentpunkt hinausgeht, als ambitioniert anzusehen, weil die Deckung des Bedarfs bei dem enormen Wachstumspotential der Tiere unbedingt als vorrangig anzusehen ist.

Die Effekte von Zulagen synthetischer Aminosäuren sind offenbar noch nicht ausreichend erforscht. Möglicherweise sind neben wachstumslimitierenden Effekten der bekannten Aminosäuren Lys, Met, Arg, Ile und Val noch weitere Effekte unberücksichtigt geblieben, die sich aus nichtessentiellen Aminosäuren wie Gly oder Ser ergeben können (bisher ebenfalls vermutet beim Broiler, Hofmann, 2021).

Möglicherweise gibt es auch Zuchtlinienunterschiede in der Reaktion auf die Proteinzusammensetzung, dies könnte die positiven Ergebnisse des Versuchs 2 erklären. Die Ausfütterung der schweren Herkünfte mit dem idealen Protein ist möglicherweise aufwändiger zu gestalten als bei mittelschweren Zuchtlinien wie im Versuch 2.

Des Weiteren bleiben hier unberücksichtigt die möglichen wirtschaftlichen Effekte in unterschiedlichen Marktsituationen. Hohe Kosten für Proteinkomponenten können XP-Reduktionen und den Einsatz von synthetischen Aminosäuren rechtfertigen, auch wenn deren Einsatz die Wirkung von XP nicht 1:1 ersetzt.

Der Effekt von XP-reduzierter Fütterung auf die N-Retention ist ein Ziel, das in Zukunft sehr genau untersucht werden sollte. Die bereits erfolgten XP-Reduktionen, die aufgrund der Düngeverordnung umgesetzt wurden, haben das Wachstum der Mastputen in den vergangenen Jahren sichtbar begrenzt. Die Versuche haben gezeigt, dass die Verwertung von Stickstoff deutlich gesteigert und die Stickstoffausscheidungen pro Tier entsprechend deutlich verringert werden können. Um die Effizienz der Wirtschaftskette nicht zu gefährden, muss vor weiteren Reduktionen von XP der gezielte Einsatz von Aminosäuren zur Bildung eines idealen Proteins dringend weiter untersucht werden. Dabei sollten sowohl die Matrixwerte der Rohwaren als auch die Verdaulichkeit der Aminosäuren bei der Rationsgestaltung berücksichtigt werden.

FAZIT

Die Bildung des idealen Proteins aus synthetischen Aminosäuren zum Ersatz von XP-Absenkungen im Futter gelingt bei der Pute noch nicht zur Gänze. In drei verschiedenen Versuchen wurden die Gewichte der Kontrollgruppe teils durch AS-Zulage wieder erreicht, teils übertroffen, aber teils auch keine Verbesserungen der Leistung im Vergleich zu XP-abgesenkter Fütterung ohne AS-Zulage gesehen. Trotzdem sind die vorliegenden Versuchsergebnisse vielversprechend in Bezug auf Wachstum, Effizienz und Umweltverträglichkeit und sollten als Basis für die weitere Entwicklung einer optimierten Fütterungsstrategie genutzt werden. In der gesamten Wertschöpfungskette müssen dabei alle Faktoren betrachtet werden, die zu einem hohen Tierwachstum bei günstiger Kostenstruktur und geringer Umweltbelastung führen.

DER DIREKTE DRAHT

Moorgut Kartzfehn Turkey Breeder GmbH
Dr. Henrike Glawatz
Kartz-von-Kameke-Allee 7
26217 Bösel

E-Mail: info@kartzfehn.de

Aviagen Turkeys Ltd,
Dr. Marcus Kenny
Chowley Oak Business Park,
Tattenhall,
Cheshire, CH3 9GA,
England

Evonik Nutrition & Care GmbH,
Andreas Lemme
Rodenbacher Chaussee 4,
63457 Hanau-Wolfgang

Metex Nøøvistago,
Josselin le Cour Grandmaison
32, rue Guersant,
75017 Paris, France