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Milchrinderzüchtung für die weidebasierte Milcherzeugung: Welcher Kuhtyp wird benötigt?
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Einleitung

Grasland nimmt in vielen Regionen der Welt vorzugsweise Flächen ein, die für den Anbau von essbaren Nutzpflanzen für die Humanernährung (Getreide etc.) nicht geeignet sind. Weidebasierte Milchproduktionssysteme nutzen somit eine für den Menschen ungenießbare Futterquelle (Weidegras) und wandeln sie in proteinreiche Lebensmittel für die Humanernährung um. Gleichzeitig basieren solche Systeme vorrangig auf Vor-Ort produzierten Futtermitteln.

Auch die Biomilcherzeugung nutzt überwiegend wirtschaftseigene Futtermittel (= Weidegräser, Grassilage sowie getrocknetes Raufutter, wie z.B. Heu). Ein weiterer Schwerpunkt der Biomilcherzeugung liegt in der Reduzierung (bzw. dem Verbot) von chemischen Düngemitteln, Pestiziden und Tiermedikamenten (z.B. Antibiotika).

Die besondere Herausforderung in der weidebasierten Milchproduktion und damit auch in der Biomilcherzeugung besteht darin, solche Genotypen zu identifizieren, die am besten an ein raufutterbasiertes Produktionssystem angepasst sind.

Darüber hinaus sind in den letzten Jahren sowohl Kritiker als auch Befürworter des ökologischen Landbaus zu dem Schluss gekommen, dass die Erträge im ökologischen Landbau steigen müssen (Rodríguez-Bermúdez et al., 2019). Diese Erhöhung ist nicht nur notwendig, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, sondern auch, damit Biobetriebe wirtschaftlicher und ‚umwelteffizienter‘ werden.

Diversität der Produktionssysteme

Die Milcherzeugung in Deutschland zeichnet sich durch eine enorme Diversität aus, wie bereits an der Größe der Betriebe in den verschiedenen Bundesländern leicht zu erkennen ist.

In den großen Herden ist die ganzjährige Stallhaltung mit intensiver Kraftfutterfütterung und bevorzugter Nutzung von Holsteinkühen (im US-amerikanischen Typ) typisch. Weidegang wird hier oft noch nicht einmal für die Trockensteher praktiziert.

Die weidebasierte Milcherzeugung (bei begrenztem Kraftfuttereinsatz) ist ein Produktionssystem, das in den klassischen Grünlandregionen (bei Nutzung einer Vielzahl verschiedener Kuhtypen) zur Anwendung kommt.

Je nach Verfügbarkeit von Weidefläche, täglicher Weidedauer und Ergänzungsfütterung sind sehr unterschiedliche Weidestrategien zu finden. Jede Weidestrategie hat individuelle Stärken und Schwächen. Sie kann nur auf einzelbetrieblicher Ebene sinnvoll ausgestaltet werden. Generell gilt:

  • je mehr weidefähige Fläche zur Verfügung steht, umso höher kann der Weidegrasanteil an der Jahresration einer Milchkuh sein,
  • bei begrenzter Verfügbarkeit von Weidefläche bzw. wenn hohe Einzeltierleistungen angestrebt werden, wird vorzugsweise auf die Stunden- oder Halbtagsweide zurückgegriffen (Tab. 1).

Tab. 1: Charakterisierung verschiedener Weidestrategien in der Milcherzeugung

Das Graswachstum wird von vielen Faktoren beeinflusst: einige liegen in der Kontrolle des Landwirts, darunter Weidemanagement, Narbenerneuerung und Düngemittelmanagement, während andere Faktoren außerhalb seiner Kontrolle liegen, darunter das Wetter (z. B. Niederschlag, Temperatur, Intensität der Sonneneinstrahlung) bzw. das Bodenprofil und die Orografie.

Aufgrund dieser (und weiterer) Einflussfaktoren schwankt das Weideangebot innerhalb und zwischen den Jahren z.T. erheblich, was zu einer eingeschränkten Kontrolle der Futterverfügbarkeit/des Futterangebots für die weidenden Tiere führt.

Milchbauern, die sich für die Voll- oder Ganztagsweide entscheiden, nutzen deshalb oftmals saisonale Kalbesysteme (Tab. 1), damit der Futterbedarf und das Weideangebot einigermaßen synchronisiert sind. Hier sind deshalb zusätzliche Anforderungen an die Fruchtbarkeit der Kühe zu stellen.

Die Kernaufgabe einer saisonalen Weidehaltung besteht somit darin, den Grünlandaufwuchs effektiv zu Milch zu „veredeln“. Bei begrenztem Einsatz von teurem Kraftfutter, wie es aus Kostengründen speziell unter Vollweidebedingungen bzw. im ökologischen Landbau typisch ist, lässt die Frage berechtigt erscheinen: Welcher Kuh-Typ ist unter verschiedenen Weidehaltungsbedingungen besonders empfehlenswert?

Der Klimawandel dürfte den Einfluss des Wetters auf das Graswachstum und den Hitzestress und somit auch die Anforderungen an die Tiergenetik (z.B. die Stressstabilität) weiter verstärken.

Nutzung der genetischen Varianz zwischen und innerhalb der Rassen

Bei der Frage nach einem geeigneten Milchkuhtyp für die Weidehaltung sind die Grundsätze der Fütterungslehre in besonderer Weise zu beachten: Der Energiebedarf von Milchkühen setzt sich aus den jeweils erforderlichen Anteilen für die Erhaltung, für die Milchbildung und den Energieansatz für das Wachstum von Fetus und weiterem Gewebe im Verlauf der Laktation (Trächtigkeit) sowie für die zusätzliche Futtersuche auf der Weide zusammen. Der Erhaltungsbedarf wird auf die metabolische Körpermasse (KM0,75) bezogen. Mit steigender Lebendmasse der Milchkuh nimmt der Erhaltungs- sowie Nährstoffbedarf zu.

Damit sind solche Genotypen mit hohen Körpermassen, wie sie aktuell für die süddeutsche-österreichische Fleckviehpopulation (FL) zu nennen sind, für die weidebasierte Milcherzeugung generell wenig geeignet (Abb. 1).

Abb. 1: Futterenergieeffizienz und Methanbildung in der Milcherzeugung mit differenzierten Genotypen unter besonderer Berücksichtigung der Körpermasse (Datenbasis: Brade, 2023)

Anm: M = Milchmenge, K = Kuh, L = Laktation, KM = mittlere Körpermasse, F. = Milchfettgehalt; E.= Milcheiweißgehalt, ZKZ = Zwischenkalbezeit

Da das Futteraufnahmevermögen der Kuh begrenzt ist, erfordern sehr hohe Milchmengenleistungen gleichzeitig auch sehr hohe Kraftfutteranteile in der Ration.

Die Ergebnisse aus der Praxis sind eindeutig: Milchmengenleistungen von ≥11.000 kg Milch/Kuh/Lakt. erfordern im Mittel einen Kraftfutteranteil von ≥ 42 % an der Gesamtration (bezogen auf die TM) (Abb. 2).

Abb. 2: Orientierungswerte für die Rationszusammensetzung laktierender Holsteinkühe in Abhängigkeit von der Leistung (eigene Berechnung)

Da der Verbraucher und damit die Gesellschaft eine Beibehaltung der Weidehaltung einfordert, liegen differenzierte Zuchtziele für die Weide- bzw. ganzjährige Stallhaltung auf der Hand (Brade, 2016).

Vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit neuer Biotechniken (z.B. Sexing von Sperma) bietet sich die Einbeziehung gezielter Kreuzungen - aufgrund der immer kostengünstigeren Verfügbarkeit von geschlechtssortiertem Sperma - in besonderer Weise an (z.B. Jerseykreuzungen zur Erzeugung hocheffektiver Milchkühe für die weidebasierte Milcherzeugung, ‚Beef on Dairy‘ zur Erzeugung von männlichen Masthybriden).

Beispielsweise kann durch eine gezielte Anpaarung von ausgewählten Angusbullen an (ältere) reinrassige Jerseykühe, die nicht mehr zur Bestandsreproduktion benötigt werden, das Fleisch solcher Masthybriden als Premiumprodukt am Markt positioniert werden, da es von ausgezeichneter Qualität ist. In den USA wird es längst als Alternative zu ‚Wagyu Beef‘ genutzt. Gleichzeitig ist es gegenüber der Fleischerzeugung mit Mutterkühen wesentlich ressourcen- und damit umweltschonender.

Aktueller Stand der Milchrinderzüchtung

In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich die genetische Selektion sowohl bei den Holstein (H)- bzw. Brown Swiss (BS)-Rindern als auch beim Süddeutschen Fleckvieh (FL) auf eine immer höhere Milchleistung. Dieser Selektionsprozess hat, insbesondere bei H-Rindern, zu einer verringerten Reproduktionseffizienz, verlängerten Kalbeintervallen, erhöhten Abgangsraten (bereits in der 1. Laktation) und einer verkürzten produktiven Lebensdauer geführt (Rodríguez-Bermúdez et al., 2019), dem nun wieder intensiv gegengesteuert werden muss. Die langjährige Selektion auf eine zunehmende Milchproduktivität hat gleichzeitig zu einer größeren Stressanfälligkeit der H-Rinder geführt (Brade, 2023).

Die aktuelle FL-Züchtung führte gleichzeitig zu besonders schweren Kühen. So ermittelten Mödel et al. (2019) eine mittlere Körpermasse von FL-Kühen (mit ca. 2,5 Laktationen) von 770 bis 780 kg in der Triesdorfer FL-Herde. Nolte (2019) berichtet über eine mittlere Körpermasse (bei Haltung unter einheitlichen Bedingungen in der Versuchsherde Oberschleißheim) von 681 kg für reinrassige Holstein (H)-Kühe und 794 kg für reinrassige FL-Kühe. Zugehörige Kreuzungstiere (mit 50 % H und 50 % FL-Genanteil) wogen im Mittel ca. 746 kg. Der extrem hohe Erhaltungsbedarf lässt das moderne FL für die weidebasierte Milcherzeugung als immer ungeeigneter erscheinen, da sich dieser Trend aktuell weiter fortsetzt (Krogmeier, 2022).

Bestätigt werden die aufgezeigten Zusammenhänge auch durch die jüngsten Versuchsergebnisse verschiedener Kuhtypen/Rassen an der Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein (Österreich). Hier wurde u.a. das klassische Holsteinrind (im US-amerikanischen Typ) den leichteren Neuseeländischen Schwarzbuntrindern unter Vollweidebedingungen gegenübergestellt (Tab. 2).

Tab. 2: Versuchsergebnisse für Holsteinrinder, Neuseeländische Schwarzbunte und Fleckviehkühe unter Vollweide- und Stallhaltungsbedingungen*

Während unter Stallhaltungsbedingungen mit intensiver Kraftfutterzulage das Holsteinrind (im US-amerikanischen Typ) den anderen Genotypen klar überlegen ist, muss unter Vollweidebedingungen deren Eignung als unzureichend charakterisiert werden (Tab. 1).

Welche Eigenschaften sollten verbessert werden?

Milchkühe in weidebasierten Systemen sind im Vergleich zu Indoor-Fütterungssystemen in der Regel mit einer weniger stabilen Futterversorgung hinsichtlich Qualität und Quantität konfrontiert. Daher besteht ein Bedarf an einem robusten weidefähigen Kuhtyp.

Geeignete Rassen/Kuhtypen für Weidesysteme sind somit an die Erzielung einer großen Raufutteraufnahme im Verhältnis zu ihrer potenziellen Milchleistung angepasst, weisen einen hohen Gesundheits- und Fruchtbarkeitsstatus auf und verfügen über vorzügliche Gliedmaßen und Klauen, um lange Strecken zurücklegen zu können. Um die Weide (speziell: Vollweide/Ganztagsweide) optimal zu nutzen, müssen die Kühe zusätzlich eine hohe Fruchtbarkeit haben (= jedes Jahr im Frühjahr kalben), um das Verhältnis zwischen Weideangebot und Futter optimal zu nutzen.

Auf ‚multifunktionalen‘ Betrieben (z.B. mit eigener Käseerzeugung) sind weitere spezielle Eigenschaften interessant. So enthält Jersey-Kuhmilch deutlich mehr Fett und Eiweiß sowie einen höheren Kappa(к)-Kasein BB-Anteil als die Milch von Holsteinkühen, was zu höheren Käseerträgen und kürzerer Gerinnungszeit der Rohmilch führt.

Wiederholt wurde auch vorgeschlagen, alte lokale Rassen, speziell im Rahmen der Biomilcherzeugung zu nutzen, und damit einen Beitrag zur Erhaltung der genetischen Vielfalt beizutragen. Im Allgemeinen sind alte lokale Rassen beispielsweise gegenüber den modernen H-Milchkühen:

  • gut an weniger intensive und suboptimale Haltungsumwelten, wie größere Höhen oder minderwertiges Futter, angepasst;
  • haben eine bessere Fruchtbarkeit und Langlebigkeit und eine geringere Inzidenz von Fortpflanzungsstörungen sowie Stoffwechsel- und Klauenerkrankungen (Brito et al., 2021)

Allerdings ist die Wirtschaftlichkeit dieser Rassen, aufgrund ihrer oft deutlich geringeren Milchleistung und einer seit Jahren fehlenden effektiven Zuchtarbeit, im Vergleich zu den intensiv bearbeiteten Rassen (z.B. modernen Holsteins), deutlich geringer. Vorteilhafterweise werden jedoch solche Haltungen von zahlreichen Landesregierungen in Deutschland - zwecks Erhalt dieser Genetik und/oder des kulturellen Erbes - intensiv subventioniert. Außerdem können sie als Marketinginstrument genutzt werden. So bringen einige Verbraucher alte (lokale) Rassen oft in Verbindung mit einer lokalen Spezialität und sind bereit, dafür einen Aufpreis zu zahlen. Das wäre ein Vorteil, der auf Einzelbetriebsebene gezielt genutzt werden kann.

Charakteristika ausgewählter Rassen/Genotypen

Die Identifizierung von Rassen/Genotypen, die am besten für die weidebasierte Produktion geeignet sind, wird in Deutschland selten diskutiert. Auch fehlt es an guten Informationen über die Qualität und Leistung insbesondere von Kreuzungen für die weidebasierte und damit auch ökologische Milcherzeugung. Tabelle 3 enthält eine Zusammenfassung der Vor- und Nachteile verschiedener Rassen bzw. der Jersey x Fleckvieh-Kreuzung.

Tab. 3: Merkmalsspezifische Charakteristika verschiedener Rassen/Genotypen

In Deutschland gilt die Kreuzungszucht nach wie vor als vergleichsweise wenig empfehlenswert, speziell in der konventionellen Milcherzeugung; wahrscheinlich aufgrund des geringeren Milchproduktionspotenzials der meisten Kreuzungen im Vergleich zu reinrassigen Holsteinrindern.

Die Vorzüge reinrassiger (Dänischer) Jerseys bzw. Jersey-Kreuzungen sind in ihrer hohen Futteraufnahmekapazität unter Weidebedingungen, ihrer effizienten Umwandlung von Weidegras in Milch sowie in ihrer hohen Fruchtbarkeit und langen Nutzungsdauer begründet. 

Studien zur Kreuzungszucht in den USA oder Westeuropa, die weidebasierte Systeme beinhalteten, erzielten ähnliche Ergebnisse wie in Neuseeland (= Rotationskreuzung vom Typ: Jerseys x NZ-Schwarzbunte) und beleg(t)en gleichzeitig: der Milchertrag sowie der Milchfett- und -eiweißgehalt liegen nahe an dem Leistungsmittel der reinrassigen Eltern, d.h. die zugehörigen Kreuzungseffekte (Heterosis) für die Milchleistungsmerkmale sind gegenüber den additiv-genetischen Differenzen vergleichsweise nur gering.

Auch ist die Antwort, was nach der 1. Kreuzungsgeneration (= Anpaarung der F1-Kühe) erfolgen soll, keinesfalls so schwierig, wie oft zu lesen ist. Eine Option ist die Nutzung einer Rotationskreuzung (Abb. 3). 

Abb. 3: Schema einer Rotationskreuzung Dänischer Jerseys (DJ) und Fleckvieh (FL)

Anm.: Die wechselnde Anpaarung verschiedener Vaterrassen führt jedoch leider auch zu einer variierenden genotypischen Zusammensetzung der Kreuzungstiere in verschiedenen Generationen

Eine weitere Option sieht der Autor in der kontinuierlichen Bereitstellung von F1-Bullen, z.B. durch gezielte Anpaarung bester reinrassiger Dänischer Jerseybullen an exzellente reinrassige FL-Kühe, die sich unter Weidebedingungen selbst bewährt haben.

Diese F1-Bullen werden gezielt an die vorhandenen weiblichen Kreuzungstiere (= ‚Top-Cross‘) angepaart, so dass die Kreuzungspopulation weiterhin einen konstanten Genanteil von je 50 % DJ und % FL aufweist (Abb. 4).

Gleichzeitig kann der realisierte (additiv-genetische) Zuchtfortschritt in den beiden Reinzuchtpopulationen (DJ, FL) auch in der Kreuzungspopulation kontinuierlich mitgenutzt werden. Und das interessante an dieser Top-Cross-Variante ist, dass der Einsatz von F1-Bullen auch über Deckbullen (wahlweise: behornt/genetisch hornlos oder aus der Biomilcherzeugung) gut möglich ist (Abb. 4).

Abb. 4: Schema der Top-Cross-Strategie mit kontinuierlicher Nutzung von F1-Bullen in der Kreuzungspopulation zwecks Konstanthaltung des Genanteils der Dänischen Jerseys (DJ) und des Fleckviehs (FL) in der weidebasierten Milcherzeugung bei gleichzeitiger Nutzung realisierter Zuchtfortschritte in den beiden Reinzuchtpopulationen

Bereits vor Jahren wurde vom Autor gezeigt, dass sehr gut auch mit F1-Bullen gezüchtet werden kann, da die Heterosiseffekte bezüglich der Milchleistungsmerkmale nur relativ gering sind (Brade, 1984, 1991).

In der Tabelle 3 sind schließlich einige besonders zu empfehlende Rassen/Milchkuhtypen in Abhängigkeit von der praktizierten Weidestrategie zusammengestellt.

Zweifellos kommt den kleinrahmigen, hochproduktiven Jerseys bzw. Jerseykreuzungen, vor allem unter Vollweidebedingungen, eine besondere Bedeutung zu (Abb. 5).

Abb. 5: Eine typische F1-Kuh aus der Verpaarung Jersey x Fleckvieh (Foto: Archiv W. Brade)

Tab. 4: Zu empfehlende Rassen/Genotypen in Abhängigkeit von der Weidestrategie

Moderne hochleistende Rassen, wie das Holsteinrind im US-amerikanischen Typ oder Brown Swiss-Rinder, bedürfen einer gesonderten Zuchtauswahl, damit gezielt nur kleinrahmigere und damit leichtere Genotypen mit hohen Milchinhaltsstoffen sowie guter Gesundheit als Zuchttiere in weidebasierten Systemen zum Einsatz kommen (= Nutzung der genetischen Varianz innerhalb der Rassen). Die großrahmigen und extrem milchmengenbetonten Genotypen aus den ganzjährigen Stallhaltungssystemen mit intensiver Kraftfutterfütterung, die in den aktuellen Bewertungssystemen (z.B. auf Basis des RZG bei Deutschen Holsteins) regelmäßig übervorteilt werden, sollten für die Zucht in weidebasierten Systemen systematisch ausgeschlossen werden (Tab. 3).

Landwirte, die ihre Milch zu ausgewählten Milchprodukten auf ihren Höfen weiterverarbeiten, dürften ohnehin ein besonderes Augenmerk auf hohe Milchinhaltsstoffe bzw. eine hohe Käsereitauglichkeit der Milch haben, womit wiederum Jerseys bzw. Jerseykreuzungen bzw. alten (lokalen) Rassen, wie das Angler-Rind (alter Zuchtrichtung), weitere Vorzüge zukommen.

FAZIT

  1. Weidefutter ist in den klassischen Grünlandregionen oft das preiswerteste Grundfutter.
  2. Weidehaltung wirkt sich bei optimaler Weideführung positiv auf die Tiergesundheit aus. Darüber hinaus erhalten und pflegen die Weidetiere unsere Kulturlandschaft.
  3. Weidemilch und Weidefleisch zeichnen sich durch eine hohe Qualität aus: beispielsweise sind die Gehalte an wertvollen Fettsäuren und Vitaminen in diesen Produkten (im Vergleich zur ganzjährigen Stallhaltung sowie ausschließlicher  Silagefütterung mit hoher Kraftfutterzulage) regelmäßig höher.
  4. Die weidebasierte Milchwirtschaft ist in Deutschland sehr heterogen, und keine einzelne Rasse/Genotyp dürfte für alle einzelbetrieblichen Szenarien zu empfehlen sein.
  5. Da der relative Anteil für die Erhaltung am Gesamtenergie- bzw. Nährstoffbedarf nicht nur von der Leistungshöhe, sondern auch von der (mittleren) Körpermasse der Kuh abhängig ist, sind schwere Kuhtypen (z.B. moderne Fleckviehkühe) für die weidebasierte Milchwirtschaft generell wenig empfehlenswert.
  6. Seitens der etablierten Zuchtverbände und sogar der Tierzuchtforschung werden speziell Jerseykreuzungen (z.B. Dänische Jerseys x Fleckvieh) in der weidebasierten Milcherzeugung immer noch deutlich unterschätzt und somit auch viel zu selten empfohlen.
  7. Alte lokale Rassen bieten sich auf einzelbetrieblicher Ebene nur dann an, wenn staatliche Fördermaßnahmen und gezielte Marketingkonzepte zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beitragen.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. habil. Wilfried Brade,
Professor für Tierzucht (i.R.) an der TiHo Hannover
und Norddeutsches Tierzuchtberatungsbüro

Email: wilfried.brade@t-online.de