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Tiergesundheitsmanagement – ein neuer Weiterbildungsstudiengang für Tierärzt*innen
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Der „Landtierärztemangel“ ist ein in jüngerer Zeit häufig diskutiertes Thema. Statistiken der Bundestierärztekammer zeigen im Jahresvergleich 2010 bis 2018 einen deutlichen Rückgang der niedergelassenen Nutztierpraktiker*innen in Deutschland (Abb. 1.). Während es deutschlandweit im Jahre 2010 noch 1.259 niedergelassene Tierärzt*innen für Nutztiere gab, sind es im Jahre 2018 nur noch 971.

Parallel dazu, trägt der Strukturwandel in der Landwirtschaft einerseits zu einer Verschärfung der Situation, andererseits aber auch zu einem Wandel an die Anforderungen der tierärztlichen Tätigkeit in der Nutztierpraxis bei. So ist in den Jahren 2010 bis 2020 die Gesamtzahl viehhaltender Betriebe gesunken. Zwar ist in diesen Jahren ebenso ein gewisser Rückgang der gehaltenen Rinder und Schweine zu vermerken (Abb. 2), dieser verhält sich aber keineswegs proportional gegenüber den sinkenden Betriebszahlen. In der Geflügelwirtschaft stieg die Anzahl des gehaltenen Geflügels sogar, während Geflügelhaltende Betriebe zahlenmäßig abnahmen.

Die Tendenz zu Betrieben mit höheren Tierzahlen wird insbesondere am Beispiel der schweinehaltenden Betriebe deutlich. Deren Anzahl hat sich in demselben Zeitraum zwar von 60.100 auf 32.100 reduziert, allerdings nahm in diesen Jahren die Zahl der Großbetriebe mit über 5.000 Schweinen um 67 % zu (Destatis, 2020). Eine ähnliche Entwicklung ist auch in der Rinderhaltung zu beobachten. Zwischen 2010 und 2019 nahm die Zahl der Haltungen mit bis zu 199 Tieren um 26 % ab, während die Zahl der Haltungen mit über 200 Rindern um 14 % zunahm (Destatis, 2020).

Abbildung 1: Anzahl niedergelassener Nutztierpraktiker*innen in Deutschland im Jahresvergleich (2010–2018) nach BTK (2011, 2014,2017,2019)

Durch den landwirtschaftlichen Strukturwandel sind sowohl praktizierende Tierärzt*innen als auch Tierärzt*innen der Veterinärverwaltung immer stärker gefordert. Es müssen nicht nur höhere Tierzahlen pro Betrieb medizinisch versorgt oder im Falle der behördlichen Kontrolltätigkeit überprüft werden, sondern die tierärztliche Versorgung und Kontrolle setzen einen immer höheren Spezialisierungsgrad voraus. So rückt die Bestandsbetreuung immer weiter in den Vordergrund der tierärztlichen Tätigkeit. Um die Versorgungslücke an schwindenden "Landtierärzten" zu schließen und das Tierwohl und die Tiergesundheit nachhaltig zu sichern, wurde das „Zukunftskonzept Landtierärzte“ von Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber ins Leben gerufen (StMUV, 2020). Es besteht aus fünf Eckpunkten, welche die Tiergesundheit und das Tierwohl im Nutztierbereich nachhaltig sicherstellen sollen. Zu diesen Eckpunkten zählt eine seitens der Tierärztlichen Fakultät der LMU München breit angelegte Bedarfsanalyse, die Schaffung attraktiver Praxismodelle, eine bessere Vergütung tierärztlicher Leistungen, die Schaffung eines Spezialistennetzwerkes zur Unterstützung der Tierärzte*innen vor Ort. Zudem wurde in Kooperation zwischen der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Tierärztlichen Fakultät der LMU München der bundesweit erste Weiterbildungsstudiengang für Tierärzt*innen im Nutztierbereich geschaffen.

Abbildung 2: Quantitative Entwicklung Rinder-, Schweine- und Geflügel-haltender Betriebe mit der Entwicklung der Anzahl der gehaltenen Nutztiere in Deutschland im Jahresvergleich (2010–2020) nach Destatis (2021)

Lösungsansatz: Masterstudiengang „Tiergesundheitsmanagement“

Der Masterstudiengang „Tiergesundheitsmanagement“ wendet sich an die Zielgruppe der Veterinärmediziner*innen, entweder in Nutztierpraxen oder auch in der staatlichen Veterinärverwaltung (Amtstierärzte*innen in der Überwachung von Nutztierhaltungen). Die Idee eines weiterbildenden Studiengangs entstand basierend auf den gestiegenen Anforderungen an die Betreuung von Nutztierbeständen. Laut Umfragen des Messerli Forschungsinstituts der Vetmeduni Vienna scheuen viele Absolvent*innen den Einstieg in die Großtierpraxis aufgrund mangelnder Kompetenzen im Bereich Ökonomie, wie auch der Haltung und des Managements von Nutztierbeständen. Der neue Studiengang soll diese Lücke schließen. Er konnte zum Wintersemester 2021/2022 mit 26 Studierenden gestartet werden.

Um die Vereinbarkeit zwischen Beruf und weiterbildendem Studium zu gewährleisten, ist der Masterstudiengang Tiergesundheitsmanagement bewusst als berufsbegleitendes Studienangebot konzipiert. Die Semesterwochenstundenzahl beträgt pro Semester zwölf Semesterwochenstunden. Zudem wird konsequent auf den Einsatz von Blended-Learning-Formaten, d.h. Wechsel zwischen online-Lehre und Präsenzveranstaltungen, gesetzt. Die Präsenzphasen werden für den Erwerb praktischer Kompetenzen, der Vertiefung der Studieninhalte genutzt und finden in geblockter Form statt. Das Lehrangebot vermittelt neben ökonomischen Aspekten auch Managementkompetenzen im Bereich konventioneller und ökologischer landwirtschaftlicher Tierhaltungssysteme sowie Softskills hinsichtlich Kommunikations- und Beratungstätigkeiten.

Der Studiengang ist aufgeteilt in vier Semester, somit beträgt die Regelstudienzeit zwei Jahre (Abb. 3). Das Studium soll auf die individuellen Ansprüche der Studierenden angepasst werden. So gibt es zu Beginn des Studiums die Möglichkeit, sich zwischen drei Vertiefungsrichtungen zu entscheiden. Zur Auswahl stehen die Vertiefungsrichtung Rind, Schwein oder Geflügel. Die gewählte Vertiefungsrichtung kann dann im zweiten Semester belegt werden. Schwerpunkte einer jeden Vertiefungsrichtung liegen jeweils in speziellen Aspekten der Tiergesundheit, des Herdenmanagements, der Tierhaltung, Futtererzeugung und Tierernährung. Zudem gibt es im ersten Semester die Option aus sogenannten „managementbezogenen Wahlpflichtmodulen“ und „ergänzenden Wahlpflichtmodulen“ ein individuelles Lehrangebot aus den Bereichen Praxisführung, Unternehmensmanagement, Kommunikation und Beratung, Futterbau, ökologische Tierhaltung zusammenzustellen. Ihr methodisches Können belegen die Studierenden durch das Erstellen einer Masterarbeit, womit sie den akademischen Abschluss "Master of Science" erhalten. Das dritte Semester ist hierbei für die praktische Vorarbeit, das vierte Semester für die schriftliche Verfassung der Masterarbeit vorgesehen. Als weiterbildender Studiengang ist dieser kostenpflichtig und es entstehen für jeden Studierenden Kosten in Form einer Semestergebühr. Ausgewählte Module der Vertiefungsrichtungen Rind und Schwein sollen bereits ab dem Sommersemester 2021 für Kursteilnehmer der Amtstierärztlichen Ausbildung in Bayern geöffnet werden.

Abbildung 3: Studienkonzept des Weiterbildungsstudiengangs "Tiergesundheitsmanagement"

Fazit und Ausblick

Die einzigartige Verzahnung aus landwirtschaftlichem Sachverstand und tierärztlichem Fachwissen, welche sich nicht nur in der Konzeption des Studiengangs, sondern auch in der Wahl der Kooperationspartner sowie des Lehrpersonals ausdrückt, verleihen dem Studiengang eine Vorreiterrolle. Nach Überzeugung der Studiengangsverantwortlichen kann die Nutztierhaltung in Deutschland nur dann eine gesellschaftlich akzeptierte Zukunft haben, wenn die Hauptakteure - Nutztierhalter*innen, praktische Tierärzt*innen und Amtstierärzt*innen - gemeinsam an den Zielen arbeiten: Nutztiere vorbeugend gesund zu halten, das Tierwohl bzw. den Tierschutz als integrativen Bestandteil der Haltungssysteme zu begreifen und tierische Lebensmittel von höchster Qualität zu erzeugen.

DER DIREKTE DRAHT

Nähere Hinweise zu dem Studiengang gibt
Frau Dr. Petra Weindl
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
E-Mail: petra.weindl@hswt.de

Tel. +49 (0) 8161-716420.

Referenzen

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV), 2020: Glauber: "Zukunftskonzept Landtierärzte" soll Versorgung in der Fläche sicherstellen, Pressemitteilung Nr. 123/20; www.stmuv.bayern.de/aktuell/presse/detailansicht.htm, zuletzt abgerufen 18.02.2021

Bundestierärztekammer e.V. (BTK), 2019: Statistik 2019: Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland, www.bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/, zuletzt abgerufen 18.02.2021

Bundestierärztekammer e.V. (BTK) 2017: Statistik 2016: Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland, www.bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/, zuletzt abgerufen 18.02.2021

Bundestierärztekammer e.V. (BTK) 2014: Statistik 2013: Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland, www.bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/, zuletzt abgerufen 18.02.2021

Bundestierärztekammer e.V. (BTK) 2011: Statistik 2010: Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland, www.bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/, zuletzt abgerufen 18.02.2021

Dürnberger, 2020: Zufrieden, aber ohne Zukunft? Milchpraxis 54 (4), S.3-4.

Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021: Landwirtschaftszählung 2020, Betriebe mit Viehhaltung, www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Landwirtschaftszaehlung2020/Ergebnisse/Tabellen/betriebe-mit-viehaltung.html;jsessionid=74E9DEF254DFAF0F918040B480D90540.internet732, zuletzt abgerufen 18.02.2021

Statistische Bundesamt (Destatis, 2020): Pressemitteilung Nr. N001 vom 22.01.2020, www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/01/PD20_N001_413.html, zuletzt abgerufen 18.02.2021