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Stallbautrends in den USA
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Sibylle Möcklinghoff-Wicke vom Innovationsteam Milch Hessen befasst sich im aktuellen Beitrag mit den Stallbautrends und dem Betriebsmanagement in den USA. Auch wenn die Rahmenbedingungen sowohl für die Milchproduktion als auch durch die Gesetzgebung anders sind als bei uns, können uns zumindest manche Dinge zum Nachdenken anregen, warum die Betriebsleiter dort so reagieren wie sie reagieren. Bei der Besichtigung von einigen größeren Betrieben bei einer Reise im vergangenen Jahr durch Wisconsin und im Gespräch mit einem Stallbauplaner sind einige Punkte im Stallbau und beim Betriebsmanagement aufgefallen, die sicher für jeden Milchproduzenten weltweit von Bedeutung sind. 

Die US-Milcherzeuger kennen die relevanten Zahlen des Betriebes

Jeder Betriebsleiter kennt die wichtigsten Zahlen zum Controlling:

  • die Produktionskosten für ein kg Milch,
  • die Futtereffizienz,
  • den IOCF und
  • die tatsächlichen täglichen Futteraufnahmen der Tiere in den einzelnen Gruppen.

Die Ökonomie steht klar im Vordergrund. In Wisconsin sind in den letzten Jahren ca. 500 Betriebe pro Jahr aus der Milchproduktion ausgestiegen und die durchschnittliche Bestandsgröße liegt bei 150 Kühen je Betrieb. Auch hier stellt sich die Frage, ob es zukünftig eher 5000 Betriebe mit 240 Kühen oder 1000 Betriebe mit 1200 Kühen geben wird? Fraglich ist, ob sich die zweite Variante durchsetzen wird, denn die Flächenausstattung und die Geographie sprechen dagegen, ebenso wie die immer schwierigere Arbeitskräfteverfügbarkeit. Auch das ist ein wichtiger Grund, der dazu zwingt, die Arbeitseffizienz weiter zu steigern, auch mit dem Einsatz weiterer Automatisation und Sensortechniken in den Betrieben.

Betriebliche Entscheidungen werden erst getroffen, nachdem deren ökonomische Konsequenzen bedacht und verifiziert worden sind. Um beim Management auf der richtigen Spur zu bleiben, finden alle drei Monate „große Teambesprechungen“ mit den externen Beratern, den verantwortlichen Personen aus dem Betrieb, dem Tierarzt und meist auch noch dem Banker statt, um eine Schwachstellenanalyse in allen Bereichen des Betriebes durchzuführen. 

Das Motto, gerade bei schwachen Milchauszahlungspreisen, ist: „save money – not to spend money“. Auch bereits große Betriebe machen sich intensive Gedanken über die „economy of scale“. So haben z.B. mehrere Betriebsleiter angegeben, dass ein Bestand von 4.000 Kühen Vorteile gegenüber einem Bestand von 2.000 Kühen hat, weil hier neue Technologien zur Unterstützung des Managements noch effektiver eingesetzt werden können. Außerdem gibt es eine stärkere Spezialisierung, auch im Management, was sich positiv auf die Ergebnisse auswirkt.

Erstaunlich war, dass kaum jemand ernsthaft Milchpreisabsicherung über die Börse in Anspruch nimmt. Die unterste Stufe des MMP (Milk Margin Protection Program), ein nationales Versicherungsmodell für Betriebe in Zeiten schwacher Milchpreise und/oder hoher Futtermittelpreise, wird genutzt, um die unterste Marge abzudecken, aber bei den amerikanischen Vorzeigebetrieben stehen die Produktionskosten als Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit ganz klar im Vordergrund, weil sie direkt und unmittelbar vom Betrieb durch das Management zu beeinflussen sind. Die Milchpreise sind es in den USA ebenfalls nicht. Vereinzelt versuchen Betriebe, durch die Produktion besonders inhaltsstoffreicher Milch höhere Preise von den Verarbeitern (Käse) zu erzielen.

Da die Risiken bei größeren Betrieben deutlich steigen, reagieren diese auch viel empfindlicher auf Managementfehler, als kleinere Betriebe. Der Sprung in die Größe ist aber nicht für jeden ratsam, denn es gibt keine Garantie dafür, dass ein Betriebsleiter, der in einem Bestand mit 80 oder 100 Kühen exzellentes Betriebs – und Herdenmanagement hat, das auch auf einen Bestand mit 250 oder 2.500 Kühen übertragen kann. Egal wie groß ein Betrieb ist: die Produktionskosten entscheiden! Auch hier hat sich wieder einmal bestätigt: Die Milchproduktion in Wisconsin ist im Preis- und Kostenniveau vergleichbar mit unserer, aber bei der Milchleistung sind sie uns voraus. 

Stallbau in Wisconsin

Besonders offensichtlich waren die Unterschiede in der Haltung – viel Platz für die Einzelkuh, wenn sie ihn wirklich braucht. Rund um die Abkalbung wird nichts dem Zufall überlassen, keine Ställe sind überbelegt und alle Trockensteherbereiche waren gezielt zu kühlen, damit Hitzestress in dieser sensiblen Phase so wenig wie möglich negative Auswirkungen entfalten kann. Die Transitbereiche sind unterbelegt (Liegeboxen und Fressplatz) und die Bewegungsflächen für die Kühe generell viel großzügiger als in unseren Ställen.

Aus Sicht der Stallbauberatung erfährt die Haltung der Transitkühe, aber auch das Management dieser Tiergruppe in vielen Betrieben, vor allem seit dem Ende des rBST-Einsatzes, besondere Aufmerksamkeit, um eine höhere Milchleistung zu erreichen. Hauptsächlich sind es hier alle Faktoren, die den Kuhkomfort betreffen: viel Platz für die Einzelkuh, aber auch prophylaktische Managementpläne, die Stoffwechselstörungen der Kühe rund um die Geburt verhindern sollen.

Nur wenn die Kühe die Abkalbung gut meistern, können sie mit voller Kraft in die neue Laktation starten. Das ist kein neues Konzept, aber in der Praxis gibt es nach wie vor viele Betriebe, die die besondere Bedeutung dieser Transitphase nicht erkannt und darum viele, oft kostspielige Erkrankungen haben. Solche Kühe können nie ihr genetisches Leistungspotential abrufen. Diejenigen Betriebe aber, die in gute Transitställe investiert haben und damit bessere Managementroutinen einführen können, erzielen bessere Ergebnisse, auch deswegen, weil die Kühe weniger Stress haben. Statt den Trockenstehern die schlechtesten Stallbereiche und Restfutter zu geben, hat sich der Fokus hier deutlich verschoben. Wenn man den Tieren in den letzten Wochen der Trächtigkeit besondere Aufmerksamkeit schenkt, sind sie nach der Abkalbung gesünder und leisten mehr.

Bei den laktierenden Gruppen wird durchaus bis zu 10 % überbelegt, aber besonders konsequent ist man wieder bei den Kälbern mit dem „Rein-Raus-Prinzip“, also bester Hygiene, der Schlauchbelüftung und im Sommer mit extra Ventilatoren, um auch hier immer frische Luft im Stall zu haben.

Die Gebäude dienen dem Managementplan

Die Gebäude sind der Schlüssel, um einen gewünschten Managementplan umzusetzen – das ist die Prämisse bei der Stallbauplanung in den USA. Genauso wichtig ist der maximale Kuhkomfort, damit das Potential der Herde voll genutzt werden kann. Natürlich sind auch hier die Investitionskosten entscheidend, aber wer am falschen Ende spart muss ggf. 20 Jahre lang die Folgekosten tragen.

Eine Stallbauplanung erfolgt in mehreren Schritten: zunächst geht es für alle Kühe der Herde jederzeit um die „fünf Freiheiten“. Jede Kuh muss jederzeit liegen, fressen, saufen und laufen können. Sie müssen vor extremen Wettereinflüssen (auch Hitze!) geschützt werden. Krankheiten, Verletzungen, aber auch jede Art von Stress soll vorgebeugt bzw. vermieden werden. Wenn im neuen Stall das genetische Potential aller Tiere genutzt werden soll, müssen optimale Bedingungen geschaffen werden. Dazu zählt auch, dass Gruppengrößen und Melkstandgröße aufeinander abgestimmt sein müssen, um später das Ziel‚ maximal eine Stunde Abwesenheit der Kuh aus dem Stall je Melkzeit, einhalten zu können. Immer dann, wenn die Kuh aus dem Melkstand kommt, liegt frisches Futter vor.

Ein Punkt zieht sich bei der Stall-Planung in den USA immer durch: mehr Platz für das Einzeltier!

Sowohl die Liegeboxen müssen richtig dimensioniert sein, aber auch die Übergänge und der Platz rund um Tränken und Kuhbürsten sollten großzügiger geplant werden. 

Ein allgemeiner Ablaufplan bei der Stallbauplanung sieht u.a. vor:

  1. Funktionsbereiche für die Kuh abklären (liegen, fressen, saufen, laufen, Licht)
  2. Wie sollen diese Bereiche im Stall eingebaut werden? (z. B. freie Liegefläche mit Kompost, Zwei- oder Dreireiher)

Es gibt viele Managemententscheidungen, die den Kuhkomfort beeinflussen, wie z.B. Überbelegung, Liegeboxen, Fressplatz, Gruppierungen (Färsen, Kühe), Melkfrequenz, Futtervorlagefrequenz, Futter anschieben, Boxeneinstreu…. und alle Maßnahmen gegen Hitzestress. Auch hier gibt es eine Reihenfolge, wo zuerst Maßnahmen ergriffen werden sollten:  Zuerst die Transitkühe (3 Wochen vor der Kalbung bis 3 Wochen nach der Kalbung), erst dann die melkenden Kühe.

Welche Lüftungssysteme in neuen Ställen?

In den letzten zwei Jahren wurden in den USA (Wisconsin) nicht viele neue Ställe gebaut, da die Wirtschaftlichkeit nur unterdurchschnittlich war.

Die Art der Belüftung der Ställe scheint hier eine Frage der Bestandsgröße zu sein. Betriebe bis 500 Kühe setzen eher auf die konventionelle natürliche Belüftung. Bei Ställen über 1000 Kühen ist diese Form der Ventilation kaum noch zu finden. Große Betriebe haben oftmals sogenannte „cross ventilated“ Ställe, die für ein sehr gleichmäßiges Klima im Stall sorgen. In diesen Ställen mit mechanischer Belüftung dient eine Traufseite (oder eine Giebelseite) des Stalls als Zuluftöffnung und in der gegenüber liegenden Wand sind zahlreiche Ventilatoren installiert, die die Frischluft quer durch das Gebäude ziehen. Durch Luftleitbleche, sogenannte Baffles, an der Decke wird der Luftstrom direkt auf die Kühe gelenkt. Vereinzelt gibt es auch wassergekühlte Zuluftöffnungen, wobei die Luft, bevor sie durch den Stall gezogen wird, durch herabrieselndes Wasser abgekühlt wird. Es werden hohe Luftgeschwindigkeiten erreicht und eine sehr gleichmäßige Ventilation im Gebäude erreicht. Nachteil der Belüftungsform ist, dass die Ställe eher dunkel und von außen kaum noch einsehbar sind, somit das äußere Erscheinungsbild einer Industriehalle haben.

Bereits bestehende Ställe werden z.T. mit einer Art Hybrid-Ventilation geführt. Im Winter und bei gemäßigtem Wetter setzt man auf freie Ventilation, aber bei heißen Temperaturen wird auf Tunnelventilation umgestellt. Vor allem im Winter ist gute Luftqualität oft ein Problem, weil die Luftbewegung und die Luftverteilung in mechanisch belüfteten Ställen eher gering sind. Einige Praktiker sehen aber gerade deswegen Vorteile für die Tunnellüftung im Winter, weil die Luftbewegung konstant aufrechterhalten wird. Erste Erfahrungen werden mit einem Überdrucksystem gesammelt (Schlauchlüftung), aber abschließende Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Kuhdusche im Melkstand

Die Kuhdusche bei der Rosy-Lane Farm ist eine Entwicklung von Lloyd Holterman, Jordan Matthews and Dan Pauli, dem Wasserinstallateur der Farm. Über eine Brause erreicht jeder Wassertropfen die Kuh direkt und kein Wasser tropft „ungenutzt“, auf Bereiche, wo sich gar keine Kuh aufhält, also ohne Kuhkontakt, zu Boden – es wird nicht verschwendet. Die Dusche ist beständig direkt über der Kuh, um die Gesundheit und den Komfort bei Hitze zu optimieren.

Das Wasser aus dem Vorkühler trifft die Kuh beim Verlassen der Melkplattform im Nackenbereich, weit weg vom Euter und nicht direkt am Kopf (im Gesicht). Jede Kuh bekommt so einen ‚invididuellen Schauer‘, wenn sie die Melkplattform nach vorne verlässt. Jeder Schauer dauert 25 sec. und scheint einen guten Kühleffekt bei den Tieren zu erzielen, denn die Milchleistung blieb in den Sommermonaten sehr konstant. Neben des sehr effizienten Wassereinsatzes sieht Holterman auch den Vorteil, das die Kühe trocken in den Melkstand kommen und ihn erst feucht verlassen. Somit sind die Euter zum Melken trocken und im Stall (Fress- und Liegebereich)  wird durch Sprinkler die Luftfeuchtigkeit nicht zusätzlich erhöht. Derzeit untersuchen Wissenschaftler der Uni Wisconsin, Madison, mit vielfältigen Messungen an den Kühen und in der Umgebung den Kühleffekt der Kuhdusche beim Melken. Ergebnisse dieser Studie von Jennifer van Os sind ab 2019 zu erwarten. Ein weiterer netter Nebeneffekt: Das System war mit unter 2000 $ im Betrieb sehr günstig.

Grundsätzliche Fragen zum Ventilationssystem, die sich jeder Bauherr stellen sollte, sind:

Welche Tiere:

  1. Close up Kühe (3 Wochen vor der Kalbung): weil die Futteraufnahme kritisch ist, hitzegestresste Trockensteher 12 % weniger Milch in der Folgelaktation geben und deren Konzeptionsrate niedriger ist
  2. Frischmelker: weil ihnen Spitzenmilchleistungen abverlangt werden, 0,5 kg mehr Peak-Milch bedeuten 51 kg mehr Milch
  3. Mittlere Laktation
     

Wo sollte gezielt gekühlt werden:

  1. Wartebereiche
  2. Rücktriebe aus dem Melkstand
  3. Liegeflächen
     

Welche Verfahren gibt es:

  1. Sprinkleranlagen: Evaporation über die Haut bringt den größten Kühleffekt
  2. Luftgeschwindigkeit: je höher die Luftgeschwindigkeit, desto größer der Kühleffekt
  3. Nebelanlagen: vor allem in ariden Regionen, kühlt die Umgebungsluft ab

Automatisierung

Auch in den USA nutzen immer mehr Betriebe neue Technologien, um sicherzustellen, dass die Kühe den größtmöglichen Komfort bekommen und die Arbeitskraft effizient verwertet werden kann.

Dazu zählen z.B.

  1. der automatische Futteranschieber, damit sichergestellt ist, dass die Kühe konstant und immer Zugang zu frischem Futter haben
  2. Ventilatoren mit Feinsprühdüsen mit variabler, der Temperatur angepassten Geschwindigkeit, so dass sich die Laufgeschwindigkeit bei steigender Temperatur erhöht und der Luftstrom größer wird
  3. Temperaturgesteuerte Curtains, die vor allem bei der Winterlüftung dabei helfen, die Kühe gesund zu halten; Kühe lieben kühlere Temperaturen, so dass Landwirte einen Temperaturbereich von 10 bis 12 °C zu halten versuchen.

FAZIT

Gute Planung = gutes Management

Wer einen neuen Stall plant, solle auch einen Masterplan für die weitere Betriebsentwicklung haben, denn ein Betriebsstandort muss sinnvoll erschlossen und bebaut werden, damit späteres Wachstum möglich ist. Dabei sollte immer daran gedacht werden, dass es nicht nur um die Erweiterung von Kuhplätzen für melkende Kühe geht, sondern besonders auch um Abkalbebereiche, Kälber- und Jungviehplätze, um Silage-/Futterlager und um Güllelagerraum.

Ein gut geplanter Stall und eine sinnvoll erschlossene Betriebsstätte sind die Grundlagen für erfolgreiches Management. Es ist allemal besser, Fehler mit dem Bleistift auf Papier zu machen, als mangelnde Planung in Beton zu gießen.

DER DIREKTE DRAHT

S. Möcklinghoff-Wicke
Innovationsteam Milch Hessen der
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Lochmuehlenweg 3
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