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Rinder aktuell: Umfrage bei Milcherzeugern
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Stimmungsbild zur Betroffenheit und Reaktion auf gestiegene Produktionskosten

In der Vergangenheit gab es in regelmäßigen Abständen Zeiten, wie aktuell, in denen gerade die Kraftfutterpreise enorm gestiegen sind. Dieses war mitunter sogar mit der Frage verbunden, ob eine Reduzierung bzw. sogar ein Verzicht auf Kraftfutter zulasten der Milchleistung der Kühe betriebswirtschaftlich vorteilhafter ist. So war z. B. der Preis für Rapsextraktionsschrot (RES) in der 24. Kalenderwoche 2008 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 73 % erhöht und der von Sojaextraktionsschrot (SES) um 52 %, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau (24. KW 2008: RES: 26,05 €/dt; SES: 35,85 €/dt) im Vergleich zur aktuellen Situation.

Hintergrund

Seit November 2020 sind nun die Kraftfutterpreise nahezu stetig gestiegen. Der Grund hierfür liegt vor allem in einer starken Verknappung, da die Ukraine mit Abstand der wichtigste ausländische Lieferant von Rapssaat in die EU ist. So schrieb der Agrarjournalist Olaf Zinke im März 2022 auf agrarheute, dass die Spotmarktpreise für RES am Importhafen Hamburg einen neuen Höchststand von 440.-/t (100.-€ höher als Ende Januar 2022) erreicht hatten und dass der Markt angesichts des Ukrainekrieges eine sehr knappe Versorgung für die nächsten Monate erwartet.

Mittlerweile ist die Rapsernte in Deutschland beendet und es zeigten sich nach Berichten der AMI (Juli 2022) allgemein gute bis sehr gute Erträge (35 bis 45 dt/ha) und das mit hohen Ölgehalten. Für RES lag der Preis im Bundesdurchschnitt am 09.08.2022 bei 388.-/t, für 44er SES-Ware bei 560.-/t und für GVO-freies SES bei 759.-/t (AMI, August 2022). Im September war für sämtliche Ware ein Preisabfall zu verzeichnen (AMI, 20.09.2022):

  • RES: 343.-/t
  • SES 44er Ware: 540.-/t
  • GVO-freies SES: 715.-/t

Damit ist die Preisspanne zwischen RES und SES wieder deutlich weiter geworden als z. B. in der 11.KW 2022, als für RES 52,86 €/dt und für SES 56,91 €/dt (Bauernblatt S.-H., 18.03.2022) gezahlt werden mussten.

Kosten und Erlöse

Neben den gestiegenen Kraftfutterkosten bewirken auch bzw. ganz besonders die stark erhöhten Energiekosten (Strom, Diesel) deutlich steigende Milcherzeugungskosten. Beispielhaft soll dieses anhand der folgenden Daten aus der Betriebszweigauswertung 2020/21 der vom VRS Dithmarschen erfassten 160 Betriebe:

  • 8.919 kg abgelieferte Milchmenge (ECM/Kuh)
  • 28,9 dt Kraftfutter/Kuh (incl. Jungrinderaufzucht)
  • 180 l Dieselverbrauch/ha (incl. Lohnunternehmer)
  • 0,67 ha Futterfläche/Kuh (incl. Jungrinder)
  • 108 kg N-Dünger/ha im gesamten Futterbau (incl. Mais)
  • Nettomilchgrundpreis: 31,2 Ct/kg
  • 32,8 % Remontierung
  • Altkuh-Schlachtgewicht: 290 kg
  • Basispreis/kg Schlachtgewicht: 2,19 €

dargestellt werden (Tabelle 1).

Demnach ergeben sich um 6,29 Cent höhere Produktionskosten je kg ECM, wenn nur die Kostenpositionen Kraftfutter, Diesel und N-Dünger berücksichtigt werden.

Tabelle 1: Gegenwärtige Einordnung der Erlös- und Kostensituation (Gegenüberstellung ausgewählter Kostenpositionen aus der BZA 20/21 vom VRS Dithmarschen mit aktuellen Preisen)

Selbstverständlich müssen für eine vollständige Gegenüberstellung auch die weiteren Kostensteigerungen, insbesondere für Strom, Löhne und Gehälter, Dienstleistungen u.v.m. berücksichtigt werden, wobei mit den hier aufgeführten Positionen Kraftfutter, Diesel und N-Dünger die wohl größten Kostenblöcke berücksichtigt wurden.

Andererseits findet sich auch bei der Milch und beim Rindfleisch das gleiche Phänomen wie bei vielen anderen Produktionsmitteln, nämlich eine Verknappung, welches große Auswirkungen auf die Preise hat. Bei bis dato noch nie dagewesenen Netto-Milchauszahlungspreisen von mittlerweile 60 Cent/kg und bei Preisen für Altkühe von z.B. 4,16 €/kg Schlachtgewicht (Einstufung P2, P3; Bauernblatt S.-H., 13.08.2022) ergeben sich Mehrerlöse von 28,80 und 4,44 Cent/kg Milch.

Insofern stellt sich die gegenwärtige Erlössituation für die Milcherzeuger als äußerst komfortabel dar. Dieses zeichnete sich zu Beginn des Jahres 2022 in dem Ausmaß noch nicht ab, aber die Kraftfutterpreise schnellten damals bereits in die Höhe, so dass sich zahlreiche Milcherzeuger fragten, wie man diesen gestiegenen Kraftfutterkosten entgegenwirken kann.

Das war Anlass für eine im April und Mai 2022 durchgeführte Umfrage, um ein „Stimmungsbild“ der Milcherzeuger*innen einzuholen.

Umfrage unter Milcherzeuger*innen

Knapp 90 Landwirte haben an der Umfrage teilgenommen. Das durchschnittliche Alter dieser betrug 46 Jahre. 15 % der Milcherzeuger*innen waren jünger als 30 Jahre, jeweils 18 % zwischen 30 und 40 sowie zwischen 40 und 50 Jahre. Mit 43 % waren die meisten der Umfrageteilnehmer*innen zwischen 50 und 60 Jahre.

52 % hatten einen Meisterabschluss, 25 % eine landwirtschaftliche Berufsausbildung und 22 % einen Studienabschluss.

Bei einer durchschnittlichen Flächenausstattung von 182 ha wurden 198 Kühe gehalten (Tabelle 2).

Tabelle 2: Flächenausstattung und Herdengröße in den Betrieben der Umfrageteilnehmer*innen

65 % der Milcherzeuger*innen halten eine reine Deutsch Holstein Schwarzbunt-Herde, 20 % eine gemischte Milchkuhherde (Deutsch Holstein Schwarzbunt, Deutsch Holstein Rotbunt, Angler), 7 % eine reine Deutsch Holstein Rotbunt-Herde. 5 % der Herden waren Rotbunt DN (Doppelnutzung) und 3 % Anglerkühe.

Das Leistungsniveau war, verglichen mit dem Durchschnitt aller vom LKV ausgewerteten Betriebe, überdurchschnittlich hoch. 30 % der Teilnehmer*innen gaben eine Herdendurchschnittsleistung von < 9.000 kg an, 28 % > 9.000–10.000 kg, 25 % > 10.000–11.000 kg und 17 % > 11.000 kg an.

Die gegenwärtige Erlössituation für Milcherzeuger ist, anders als bei den Schweinehaltern, sehr komfortabel.

Beurteilung der Kostensituation

Die Frage, ob die Betriebsleiter*innen in den gestiegenen Futtermittelkosten eine unmittelbare/aktuelle Gefährdung Ihres Betriebes sehen, beantworteten 65 % mit „nicht mehr als sonst“ bzw. „überhaupt nicht“ (Tabelle 3). Zukünftig schätzen dieses aber mehr Landwirt*innen als sehr relevant für den Fortbestand des Betriebes ein, auch bzw. besonders aufgrund der Energiekosten.

Tabelle 3: Anteil der Milcherzeuger*innen, die in den gestiegenen Produktionsmittelkosten eine Gefährdung Ihres Betriebes sehen (%)

Reaktionen

27 % der Befragten hatten nach eigenen Angaben bereits Änderungen bei der Rationsgestaltung vorgenommen, in dem sie mehr eigenes Kraftfutter erzeugten und verwerteten (Getreide, Körnermais, Feuchtmais, CCM) oder Kraftfutter reduzierten, vor allem bei den altmelkenden Kühen oder den Mastbullen. Auch wurden in gewissen Regionen mehr Saftfuttermittel (Biertreber) eingesetzt. Darüber hinaus dehnten mehrere Landwirt*innen die Weidefütterung aus.

Zukünftig planen 41 % der Milcherzeuger*innen Änderungen bei der Rationsgestaltung, in dem sie eigene Lupinen, Getreide, CCM verfüttern wollen, die Weidefütterung ausdehnen oder/und das eigene Futter besser nutzen möchten (kein Silomaisverkauf an die Biogasanlage, Gras öfter/jünger mähen, weniger Futterreste einplanen, die Futterration jede Woche neu berechnen).

Mittel- bis längerfristige Veränderungen im Futterbau beabsichtigen 42 % der Umfrageteilnehmer*innen. Als Antworten wurden hier wiederholt genannt:

  • Ausdehnung des Weidegangs/der Weidefütterung
  • Klee im Grünland integrieren,
  • Kleegras-, Lupinen- und Bohnenanbau ausweiten/intensivieren (fast 40 % der Meldungen),
  • Körnermaissorten für den Anbau auswählen,
  • Mais im Hochschnitt ernten,
  • CCM bereiten,
  • Gras früher ernten, noch mehr Schnitte mit besserer Qualität,
  • Zuckerrüben anbauen und gemeinsam mit Mais silieren
  • Sojabohnenanbau (Teilnehmer aus süddeutschen Gebieten),
  • Gülle mit Schleppschlauchtechnik ausbringen,
  • Düngemitteleinsatz reduzieren.

Im Energieverbrauch hatten bereits 57 % der Umfrageteilnehmer*innen Änderungen vorgenommen, zukünftig planen es 63 %. Hier wurde bzw. wird vor allem in die Eigenstromerzeugung mittels PV-Anlagen investiert. 

Eine aktuelle und auch zukünftige Aufgabe der Milcherzeugung ist für 90 % der Landwirte nicht geplant.

Zukünftig planen mehr als 40 % der Landwirte Veränderungen bei der Rationsgestaltung und im Futterbau. Dabei sollen Leguminosen eine größere Rolle spielen.

Unterschiedliche Einschätzungen

Trotz begrenztem Datenumfang wurden die Angaben der Landwirte differenziert nach deren Alter, der Herdengröße und auch dem Leistungsniveau der Milchkuhherden ausgewertet. Hierbei erfolgte die Klassenbildung immer standardisiert:

  • Klasse 1: kleiner als der Mittelwert – ½ Standardabweichung
  • Klasse 2: Mittelwert ± ½ Standardabweichung
  • Klasse 3: größer als der Mittelwert + ½ Standardabweichung

Wissentlich, dass es sich bei dieser Erhebung um eine Stichprobe handelt, die nicht speziell/gezielt ausgewählt wurde, aber auch nicht repräsentativ sein kann, wiesen hier die größeren Betriebe (Herden) eine höhere Leistung auf, eine geringere Flächenausstattung bezogen auf den Tier-/Kuhbestand und einen geringeren Anteil an Dauergrünland an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Rationsveränderungen hatten nach eigenen Angaben mehr jüngere Milcherzeuger*innen bereits vorgenommen als ältere Landwirte. Letztere planen dieses eher in der Zukunft. Auch erklärten mehr jüngere Milcherzeuger*innen die Absicht, kurz- bzw. mittelfristige Veränderungen im Futterbau vorzunehmen (Grafik 1).

Grafik 1: Anteil der Betriebe, in denen Rationen bereits geändert wurden bzw. geplant sind und Veränderungen im Futterbau anvisiert werden

Darüber hinaus zeigte sich bei den Umfrageteilnehmer*innen, dass Rationsänderungen vor allem bei den Herden mit einer geringeren Milchleistung (< 9.000 kg Herdendurchschnittsleistung) vorgenommen wurden. Hingegen fanden diesbezüglich keine Änderungen bei denen mit einer überdurchschnittlich hohen Milchleistung statt und sind dort auch zukünftig nicht vorgesehen.

FAZIT

Trotz der vergleichsweise kleinen Stichprobe, die damit keinen Anspruch an repräsentative Ergebnisse erheben kann, wird ein gewisses Stimmungsbild aus dieser Umfrage sichtbar. Die Mehrheit der Umfrageteilnehmer*innen sah durch die gestiegenen Futtermittelkosten derzeit keine Gefährdung des Betriebes, mit Sicherheit aufgrund der bereits seit einigen Monaten anhaltenden äußerst komfortablen Erlössituation. Für die Zukunft aber befürchten dieses mehr Betriebsleiter*innen. Milcherzeuger*innen jüngeren Alters scheinen hier optimistischer zu sein. Auch sahen Betriebsleiter*innen der unterdurchschnittlichen Leistungsklasse eher eine geringere Gefährdung.

Energiekosten hatten tendenziell eine größere Bedeutung für die „Stimmungslage“ der Landwirte. Hier wurde eher bei den kleineren Betrieben eine größere Gefährdung gesehen. Davon abgesehen hatte die Mehrheit der Umfrageteilnehmer*innen bereits im Energieverbrauch reagiert.

Bei einer deutlichen Mehrheit der Umfrageteilnehmer*innen wurden aktuell keine Rationsveränderungen vorgenommen, tendenziell aber mehr bei den Betrieben mit den überdurchschnittlich großen Herden und bei den jüngeren Betriebsleiter*innen. Zukünftig planen mehr als 40 % der Landwirte Veränderungen bei der Rationsgestaltung und auch im Futterbau, hier v.a. die Jüngeren. Dabei spielen Leguminosen eine größere Rolle. Auch steigt die Bedeutung des eigenen Grobfutters und für Futterverluste nimmt die Sensibilisierung zu.

Eine Aufgabe der Milcherzeugung (auch zukünftig) ist nach Aussage der Umfrageteilnehmer*innen für 90 % keine Option.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel/Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Fachbereich Agrarwirtschaft, Osterrönfeld

Email: katrin.mahlkow-nerge[at]fh-kiel.de