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Neue Gleichung zur Schätzung der Umsetzbaren Energie von Maisprodukten für Wiederkäuer
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Jedes Futtermittel liefert eine bestimmte Menge an Brutto-Energie, auch als Gesamtenergie bezeichnet. Das ist die Wärmeenergie eines Futtermittels bei vollständiger Verbrennung (in einem Bombenkalorimeter). Von dieser Bruttoenergiemenge ist für das Tier aber nur ein gewisser Anteil, nämlich nach Abzug der Energieverluste über den Kot, Harn und die Gärgase (Methan, Kohlendioxid), tatsächlich nutzbar. Das ist die umsetzbare Energie, die schlussendlich für die Stoffwechselfunktionen des Tieres zur Verfügung steht und beim Wiederkäuer ca. 1/3 der ursprünglich im Futtermittel vorhandenen Energiemenge ausmacht. Diese Umsetzbare Energie (ME) ist der Maßstab zur Energiebewertung beim Wiederkäuer. Die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie hat aktuell eine neue Schätzgleichung für die Energieberechnung für Maisprodukte abgeleitet.  

Bisherige Gleichung

Die bisherige Schätzgleichung auf der Grundlage der Gehalte an NDFom, Rohfett und dem in vitro-Parameter ELOS wurde anhand von 120 neuen Verdaulichkeitsmessungen mit Maisprodukten (aus Versuchseinrichtungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz) aus den Jahren 2007 bis 2018 validiert. Bei einer solchen Validierung soll festgestellt werden, dass bzw. ob eine bestimmte Methode für einen bestimmten Zweck geeignet und gültig ist.

Hierbei zeigte sich nun eine Differenz von bis zu 1 MJ ME/kg TM zwischen den geschätzten und den aus exakten Verdaulichkeitsmessungen (Verdauungsversuche) ermittelten Gehalten an umsetzbarer Energie. Der sich bei dieser Validierung ergebene Schätzfehler war mit 3,2 % zwar erfreulich gering, aber das Bestimmtheitsmaß betrug nur 0,58.

Das Bestimmtheitsmaß ist eine statistische Kennzahl zur Beurteilung der Anpassungsgüte einer Regression. Hiermit kann bewertet werden, wie gut die gefundenen Messwerte zu einem Modell passen. Der Wert liegt grundsätzlich zwischen 0 und 1. Beträgt er 1, liegen alle Datenpaare auf einer Geraden, was einer 100 %igen Übereinstimmung und folglich einer perfekten Anpassung entspricht. Je kleiner dieser Wert ist, umso mehr weichen die Messwerte von den z. B. geschätzten Werten ab und demnach umso unbrauchbarer ist das gewählte Modell bzw. die gewählte Schätzgleichung.

Das sich bei der nun erfolgten Validierung der bisherigen Schätzgleichung ergebene Bestimmtheitsmaß von 0,58 bedeutete also, dass nur 58 % der Varianz beider Variablen determiniert sind. Dieses Ergebnis ist sehr unbefriedigend und lässt nicht den Schluss zu, dass die bis dahin gewählte Schätzgleichung zu stets zufriedenstellend genauen Ergebnissen führt. Die nun also oft gefundene zu große Ungenauigkeit war daher der Grund für die Ableitung einer neuen Schätzgleichung.

156 Datensätze aus Verdauungsversuchen

Die Auswertung beinhaltete 156 Datensätze aus Verdaulichkeitsbestimmungen in 9 Versuchseinrichtungen, u. a. 36 Verdauungsversuche mit Hammeln in Gumpenstein (Österreich), 31 in Kleve (Nordrhein Westfahlen), 20 in Paulinenaue (Brandenburg), 17 in Grub (Bayern), 16 in Dummerstorf (Mecklenburg-Vorpommern), die in den Jahren 2000 bis 2018 durchgeführt wurden. Die hierbei geprüften Futtermittel waren frischer Silomais (n=10), Maissilagen (n=141) und siliertes Restpflanzenmaterial (n=5).

Bei den silierten Materialien erfolgte immer eine Korrektur der Trockenmasse und der Nährstoffgehalte um die beim Trocknungsprozess verflüchtigten Substanzen (TM-Korrektur nach Vorgaben von Weißbach und Kuhla, 1995).

Das Gesamtmaterial, welches in diese Auswertung einbezogen wurde, zeichnete sich durch den in der Tabelle 1 dargestellten Futterwert aus.

Tabelle 1: Inhaltstoffe, in vitro-Parameter, Verdaulichkeit der organischen Masse (VQOM) und berechneter Gehalt an umsetzbarer Energie des Gesamtmaterials

Mit diesen doch recht großen Spannweiten bei den einzelnen Parametern wies das Gesamtmaterial eine für die Ableitung von Regressionsgleichungen ausreichend hohe Streuung auf. Letztlich wurden hierfür nur Parameter berücksichtigt, die sich bei einem Signifikanzniveau von p < 0,15 als signifikant erwiesen.

Neue ME-Schätzgleichung

Insgesamt wurden 35 Schätzgleichungen abgeleitet, deren Bestimmtheitsmaße zwischen 0,2 und 0,78 variierten. Anders als bei der bisher benutzten Schätzgleichung erwies sich nun die Einbeziehung des Merkmals aNDFOM keinesfalls als sinnvoll. Anders zeigte sich das für die Verwendung der ADFOM.

Nach wie vor zeigte sich eine große Abhängigkeit des ME-Gehaltes vom in vitro-Parameter ELOS. Dieser Zusammenhang war erneut enger als der zwischen dem Gehalt an ME und der Gasbildung.

Letztlich ergab sich für diese Gleichung zur Schätzung der ME von Maisprodukten für Wiederkäuer:

ein Bestimmtheitsmaß von r2=0,78. 

Die Berechnung des NEL-Gehaltes kann dann, wie in der Vergangenheit, aus der ME nach dieser Gleichung erfolgen:

NEL (MJ) = 0,6 x [ 1+0,004 (q-57)] ME (MJ), wobei q = ME/GE x 100 ist und die Bruttoenergie (GE) aus den Rohnährstoffen Rohprotein, Rohfett, Rohfaser und den stickstofffreien Extraktstoffen nach folgender Formel berechnet wird:

Als Gültigkeitsbereich dieser Schätzgleichungen werden von der GfE angegeben:

ELOS: 325 – 825 g/kg TM
ADFOM: 145 – 435 g/kg TM
Rohfett: 5 – 105 g/kg TM
Rohprotein: 55 – 105 g/kg TM
Rohasche: 25 – 75 g/kg TM

Würden also die Nährstoffgehalte einer Maissilage beispielsweise außerhalb dieser dargestellten Bereiche liegen, nimmt die Genauigkeit der Schätzung des ME-Gehaltes deutlich ab.

Auswirkungen

Anhand von 3 Beispielen soll nachfolgend aufgezeigt werden, in welcher Größenordnung sich die Differenzen im Energiegehalt bei Maissilagen bewegen, wenn im Vergleich zur alten Berechnungsgrundlage nun die neue Schätzgleichung angewandt wird.

Im 1. Beispiel handelt es sich um eine Maissilage (Maissilage 1), die durch die Mittelwerte des oben dargestellten Gesamtmaterials gekennzeichnet ist und eine vergleichsweise übliche Qualität aufweist. Das 2. Beispiel verkörpert eine sehr kolbenarme und damit stärkearme und faserreiche Maissilage (Maissilage 2) und das 3. Beispiel hingegen eine extrem stärkereiche, im Hochschnitt geerntete Maissilage (Maissilage 3) (Tabelle 2).

Tabelle 2: Energiegehalte von 3 Maissilagen auf der Grundlage der neuen im Vergleich zur alten ME-Schätzgleichung

Der sich durch die Anwendung der neuen Schätzgleichung ergebene Unterschied im Gehalt an umsetzbarer Energie scheint allgemein mit 0,01 bis 0,07 MJ/kg TM sehr moderat auszufallen. Hierdurch bedingt ist der berechnete Gehalt an Nettoenergie Laktation nun um ca. 0,01 bis 0,04 MJ/kg TM geringer.

Fazit

Die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie hat aktuell eine neue Schätzgleichung für die Energieberechnung für Maisprodukte abgeleitet. Der nun berechnete Gehalt an umsetzbarer Energie dürfte in den meisten Fällen um 0,01 bis 0,07 MJ/kg TM geringer ausfallen im Vergleich zur bisherigen Energieschätzgleichung. Auch wenn damit keine gravierenden Auswirkungen auf die Rationsgestaltung und die aus der aufgenommenen Energie der Maissilage berechnete Milchleistung verbunden sind, so erhöht sich durch die Anwendung dieser neuen Schätzgleichung die Chance, dass für zahlreiche Maissilagen der berechnete Energiegehalt korrekt(er) und realitätsnah ist.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft
Tel.: 04331/845138
Email: katrin.mahlkow-nerge(at)fh-kiel.de

Stand: 7/2020

Quelle:
GfE [Gesellschaft für Ernährungsphysiologie] (2020): Gleichungen zur Schätzung der Umsetzbaren Energie und der Verdaulichkeit der Organischen Masse von Maisprodukten für Wiederkäuer. Proc. Soc. Nutr. Physiol. 29, 171-175.