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Hitzestress im Stall – sind wir dem ausgeliefert? (Teil 1)
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Bernd Losand, Dr. Anke Römer,  Christiane Hansen, Olaf Tober und Elke Blum von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern befassen sich im ersten Teil des Beitrages mit den Auswirkungen von Hitzestress auf Milchleistung, Futterverwertung und Körperkondition von Milchkühen. Die Landwirte haben in den vergangenen Jahren erheblich in Stallneu- und –umbau sowie Stallausrüstung investiert, um gerade im Sommer den Tieren den Hitzestress zu nehmen und für mehr „Wohlbefinden“ zu sorgen. Der Sommer 2018 brachte die Nagelprobe, nämlich ob sich dieses lohnt und der Mensch solche Situationen beherrschen kann. Welche langfristigen Folgen Hitzestress bei Milchkühen auslöst, erläutern die Wissenschaftler dann im zweiten Teil des Beitrages.

Die langanhaltende Dürreperiode des Jahres 2018 hat nicht nur die Erträge im Getreideanbau verringert und das Einkommen der Landwirte teilweise extrem geschmälert. Auch die Futterbaubetriebe haben Ertragsausfälle bzw. Ertragsminderungen erlitten. Keine Frage, die Folgen des heißen und trockenen Sommers waren auch bei unseren Nutztieren in Form von Futterqualitätsmängeln, vor allem aber wegen fehlender Erntemengen des Futters spürbar.

Wie aber wirkt die Hitze auf die Leistungsfähigkeit unserer Nutztiere? Hohe Milch-, Wachstums- und Legeleistungen sind nur mit einer erhöhten Stoffwechselleistung möglich und dies erzeugt selbst viel Wärme. Wohin damit, wenn’s ringsum warm ist und wie verhält sich ein Organismus unter Hitzestress?

Begleiten wir eine Herde und ihren Stall nachträglich durch den Sommer. Die Herde, d.h. knapp 500 Milchkühe, hatte in den letzten beiden Jahren ein Leistungsniveau von 12.000 kg Milch/Kuh und Jahr (bei dreimaligem Melken) erreicht. Das allein bedeutet schon eine erhebliche Herausforderung für die Gestaltung der Haltungsbedingungen und das Herdenmanagement. Nach Untersuchungen der LFA Mecklenburg-Vorpommern stellen Temperaturen ab ca. 10 °C aufwärts bereits eine Wärmebelastung für die Milchkühe mit derart hoher Leistung dar.

Bei dem Stall handelt es sich um einen freigelüfteten Laufstall, in dem die Längsseiten mit Windbrechnetzen versehen sind. Des Weiteren befinden sich dort Jalousien, die bei extremen Wetterlagen, wie Sturm, Frost und Schlagregen geschlossen werden können. Um den Milchkühen in Phasen von Wärmebelastungen eine Unterstützung ihrer Thermoregulation zu geben, wurden vier Deckenventilatoren mit einem Durchmesser von jeweils 7 m im Stall über dem Futtertisch installiert. Durch den Einsatz der Ventilatoren wird zumindest partiell eine Erhöhung der Luftgeschwindigkeit im Stall erreicht, die zu einer Abkühlung der Tiere führt. Die temperaturgesteuerten Ventilatoren sind in diesem untersuchten Stall so eingestellt, dass sie ihre maximale Leistung ab 10°C Stalltemperatur aufwärts erreichen.

Im Zeitraum zwischen dem 4.4.2018, dem Beginn der andauernden warmen Trockenperiode und dem 30.9.2018 lagen 25 % der Stalltemperaturen (Stundenmittelwerte Tag und Nacht) unter 16°C, 50 % befanden sich im Bereich 16 bis 22°C und weitere 25 % waren sogar oberhalb von 22°C.

Aktueller Futterverzehr und Milchleistung mit wenig Reaktion auf hohe Temperaturen

Für eine vergleichende Betrachtung der Auswirkungen anhaltender Hitzebelastung auf die Milchleistung dieser hochleistenden Herde wurde der Auswertungszeitraum weiter gefasst. Zwischen dem 1. Januar und 30. September (Abbildung 1) lassen sich anhand der Zeitanteile des Tages mit Temperaturen >16°C fünf Jahresabschnitte deutlich unterscheiden.

Zwischen dem 1. Januar und dem 3. April (0 %) gab es nur einen Tag mit Temperaturanteilen >16°C (18 min). Zwischen dem 4. April und 31. Mai waren stetig ansteigende Anteile (41 %), vom 1. Juni bis 11. Juli  hohe Anteile mit gelegentlichen Temperatureinbrüchen (81 %), vom 12. Juli bis 23. August konstant sehr hohe Anteile (96 %) sowie zwischen dem 24. August bis 30. September absteigende Anteile hoher Temperaturen (61 %) zu beobachten. Dementsprechend unterschieden sich auch die mittleren Stalltemperaturen über alle 24 Stunden jeden Tages und die mittleren Tagesmaximaltemperaturen in diesen Zeitabschnitten (Tabelle 1).

Die Futteraufnahmemenge der laktierenden Kühe wurde über das Mischwagenprotokoll und die aktuellen Tierzahlen abzüglich der täglich erfassten Restfuttermenge berechnet und entsprechend der in den Haltungsgruppen befindlichen tatsächlichen Tierzahlen für den Gesamtstall gemittelt. Der Trockenmassegehalt der verfütterten Rationen wurde wöchentlich analysiert. Die tägliche Milchmenge wurde anhand der automatischen Milchmengenerfassung als Summe dreier Gemelke je Kuh und Tag berechnet. Die Entwicklungen der Milchinhaltsstoffe sowie des Gehaltes an somatischen Zellen (ZZ) sind eine Widerspiegelung der 20 – 25 monatlichen Tankmilchproben aus der abgelieferten Milch der Gesamtherde. Die Körperkonditionsbenotung aller laktierenden Kühe erfolgte einmal monatlich im Zusammenhang mit der Milchkontrolle nach dem BCS-System von Edmonson u.a. (1989).

Zu Beginn des Jahres zeigte sich ein Anstieg der Futteraufnahme vom Zeitraum Januar – März zu April – Mai um etwa 0,7 kg Trockenmasse/Tag, der auf Veränderungen im Gesamtmanagement der Herde zurückzuführen ist und sich auch in der ansteigenden Milchleistung wiederfindet. Im Mittel aller Tage während der beiden heißeren Jahresabschnitte vom 1. Juni bis Ende August gab es nur einen leichten Abfall des täglichen Futterverzehrs gegenüber April und Mai um ca. 0,5 kg TS/Kuh gleichbedeutend mit einem theoretischen Milchbildungsverlust von etwa 1 kg ECM. Diese leicht verringerte Futteraufnahme kann einem verbleibenden Hitzestress zugeschrieben werden, was sich auch recht deutlich in verminderten Milchfett- und Milcheiweißgehalten der Tankmilch zeigte.

Die täglichen Milchmengen in den beiden Hochsommerabschnitten dagegen widerspiegelten jedoch keine negative Reaktion auf die hohen Temperaturen. Auch bei Berücksichtigung der unter Hitzestress offenbar zurückgehenden Milchfett- (-0,3 % Prozentpunkte) und Milcheiweißgehalte (-0,1 % Prozentpunkte) in der energiekorrigierten Milch (ECM) zeigt die mittlere tägliche Milchleistung keine Auswirkungen einer Wärmebelastung auf die Kühe. Ebenso bringen die Zellzahlen keine Anzeichen eines erhöhten stressbedingten Abwehrverhaltens der Kühe zum Ausdruck. Lediglich die tägliche Milchfettmenge, anders als die tägliche Milcheiweißmenge, zeigte in der Mitte des Jahres einen Trend nach unten. Erstaunlich hoch ist die Futtereffizienz mit konstant deutlich über 1,4 kg ECM/kg verzehrter Trockenmasse. Nach Mahlkow-Nerge (2011) ist als Zielgröße einer Herde im Laktationsstadium um 200 Melktage eine Futtereffizienz zwischen 1,4 und 1,5 kg Milch/kg Futtertrockenmasse anzustreben. Somit befindet sich die Herde also im Bereich einer höheren Effizienz, was auch mit der überdurchschnittlichen Milchleistung der Herde im Zusammenhang stehen dürfte.

Dagegen scheint die Körperkondition (BCS) der Hitzebelastung mit im Mittel der Gesamtherde tendenziell abnehmenden Werten zu folgen. Der Rückgang der Körperkondition zwischen April/Mai und Juli/August entspricht etwa der täglichen Freisetzung von 100 g Körperfett/Kuh. Diese mobilisierte Fettmenge entspricht etwa der Bereitstellung von ca. 2 MJ für die Milchbildung (GfE 2001), gleichbedeutend mit einem energetischen Milchbildungsvermögen von 0,5 bis 0,7 kg ECM. Die Notwendigkeit der Bereitstellung von zusätzlicher Energie aus Körperreserven zeigt zum einen, dass die hohe Milchleistung trotz der reduzierten, wenn auch insgesamt hohen Energieaufnahme mit dem Futter möglich war und zum anderen das Primat der Milchleistung vor allen anderen Stoffwechselerfordernissen. Der relativ starke Rückgang vor allem des Milchfettgehaltes bei nur mäßiger Verringerung der Fettmenge kann auch als Kompensation der zurückgehenden Futteraufnahme durch den Körperfettabbau diskutiert werden. Dadurch wurde möglicherweise der reale Rückgang an Kau- und Wiederkauaktivität und Pansenproduktivität aus Sicht der Milchfettsynthese kaschiert.

Nach der anhaltenden Trockenperiode mit hohem Stresspotenzial aufgrund der Hitze erhöhte sich ab Ende August die Futteraufnahme wieder auf ein Niveau über 25 kg Trockenmasse/Tier und Tag bei gleichzeitiger Verringerung der täglichen Milchleistung um ca. 1,5 kg/Tag, ansteigenden Milchinhaltsstoffgehalten und trotzdem tendenzieller Verringerung der ECM-Leistung.

FAZIT

Der Hitzestress war eher auf der Ebene der Einzelkuh sichtbar. Insgesamt bleibt festzustellen, dass die aktuellen Kennzahlen des Futterverzehrs und der Milchinhaltsstoffe einen Hitzestress auf die Kühe trotz anhaltend hoher Herdenleistung widerspiegeln. Allerdings wurde mit den Maßnahmen der Stallklimagestaltung und der Fütterung (Einsatz Futterfette, Pansenstabilisatoren) gravierenderen Schäden erfolgreich entgegengewirkt.

Auf Herdenebene zeigte sich die Tendenz einer abnehmenden Futteraufnahme und geringerer Milchinhaltsstoffe, insbesondere beim Fett. Die Kühe reagieren mit zusätzlicher Bereitstellung von Körperfettreserven, deren teilweiser direkter Einbau in das Milchfett das Ausmaß einer verringerten Fettsynthese aufgrund nachlassender Pansenaktivität milderte.

Über die langfristigen Folgen von Hitzestress bei Milchkühen erfahren Sie dann im zweiten Teil des Beitrags mehr.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Bernd Losand
Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft
und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern

E-Mail: b.losand(at)lfa.mvnet.de

Stand: Februar 2020