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proteinmarkt.de - Infoportal für Fütterungsberater und Landwirte
Ställe bauen für die Zukunft: www.eip-schwein.de

Welche Ansprüche werden in der Zukunft an die Haltung von Schweinen in Deutschland gestellt? Wer ist derjenige, der die Ansprüche stellt? Wie sieht die Entlohnung für Scheine in Zukunft aus? Alles Fragen, die sich momentan jeder Schweinehalter in Deutschland stellt. Erste Hinweise auf zu erwartende Regelungen und Ansprüche werden zur Zeit durch die Handelsunternehmen und die Politik (Borchert-Kommission) aufgezeigt. Die Umsetzung in die Praxis wird aber sicher noch eine Zeit brauchen.

Wie das geschehen kann, zeigt ein EIP-Projekt (Europäische Innovations-Partnerschaft) aus Baden-Württemberg. Schon lange machen sich dort Schweinehalter und auch Vermarkter Gedanken über die Schweinehaltung der Zukunft. Als die EU die Möglichkeit solcher zum Großteil finanzierter Projekte in Aussicht stellte, haben sie 2016 zugegriffen. 47 Mitglieder aktive Landwirte, 3 Wissenschaftliche Institutionen, 1 Beratungsunternehmen, 2 Erzeugergemeinschaften, 2 Vermarkter und 5 Stallbauer/Architekten haben sich unter der Koordinierung der AgriConcept aus Stuttgart zu einer operativen Gruppe zusammen geschlossen und sind dieses Gigaprojekt, das ein Investitionsvolumen von 30 Mio. Euro besitzt, für die nächsten 7 Jahr angegangen.

Anja Heitmann von der AgriConcept schildert den Vorgang im Projekt folgendermaßen: „Die teilnehmenden Landwirte, die bauen wollten haben ihre Ideen im Lead-Team vorgestellt. Dort wurde das Bauvorhaben auf Herz und Nieren geprüft und beurteilt. Kriterien, die jedes Bauvorhaben erfüllen mussten waren innovative Fortschritte in den Punkten: Tierwohl, Schaffung betrieblicher Funktionsbereiche, Reduktion von Emissionen und der Öffentlichkeitsarbeit. Wurden diese durch die Gruppe bestätigt, erhielt der Landwirt ein entsprechendes Zertifikat. Mit diesem Zertifikat ging der Landwirt zur Genehmigungsbehörde und beantragt den Neu-/Umbau und hat zusätzlich zur normalen Förderung aus dem AFP-Programm 20% weitere Förderung bekommen.“

Viele neue innovative Ställe sind entstanden

Das war aber bei etlichen Landwirten nicht der alleinige springende Punkt bei der Entscheidung im Projekt mitzumachen. Vor allem die Bereitschaft der Edeka Südwest über das Programm „Hofglück“ für 10 Jahre einen Festpreis für die abgenommenen Schweine zu zahlen, war wichtig. Mit garantierten 2,15 € pro kg Schlachtgewicht im konventionellen und 3,75 € im Biobereich können die Landwirte rechnen. Aber auch Betriebe die weiterhin konventionell arbeiten beteiligten sich am Projekt. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich die Betriebe nach Bewirtschaftungsweise aufteilen.

Bio

Hofglück

alternativ

konventionell

10

14

7

5

In diesen 36 Betrieben werden teilweise mehrere Produktionszweige um- oder neugebaut. Welche das sind zeigt die folgende Tabelle:

Maststall

Ferkelaufzuchtstall

Abferkelstall

Deckstall/Wartestall

21

14

11

9

Dabei liegen nach Angaben von Frau Prof. Gallmann die Größenordnungen der Betriebe zwischen 200 und 1500 Schweinen

Ein zentraler Punkt des Projektes ist nach Angaben von Anja Heitmann das regelmäßige Treffen der Teilnehmer, in denen ein reger Austausch von Erfahrungen stattfindet. „Viele schlechte Erfahrungen die mit den Neu- und Umbauten einhergehen wurden zur Sprache gebracht und bei den nächsten Bauprojekten dann abgeändert. Natürlich trifft das auch auf die Dinge zu, die in den einzelnen Betrieben geändert wurden. Anpassungen von getätigten Maßnahmen sind im Projekt gewünscht oder sogar gefordert. Nur so kann das Tierwohl nach vorne gebracht werden.“, so die Projektleiterin.

Ein weiteres Highlight ist die sehr gute Zusammenarbeit von Praktikern und Wissenschaftlern. Dies war den Projektinitiatoren wichtig. Neben der Universität Hohenheim (Frau Prof. Eva Gallmann) konnte man auch die HfWU Nürtingen-Geislingen (Frau Prof. Maren Bernau und Frau Prof. Barbara Benz) für die Mitarbeit im Projekt gewinnen. „Viele Abschlussarbeiten (Bachelor- und Masterarbeiten) wurden und werden in den Betrieben durchgeführt. Dabei kommt es immer zum direkten Austausch zwischen den Tierhaltern und meinen Studierenden, die sich häufig gegenseitig gute Tipps geben können.“ erklärt Frau Prof. Gallmann.

Große Aufmerksamkeit wird bei diesen Arbeiten auf das Tierwohl gelegt. Allerdings ist das nicht so leicht zu messen. So müssen Indikatoren gefunden werden, die eine gute Bewertung des Tierwohls zulassen. Es wurde dazu ein Boniturkatalog, der Bestandteil eines von Expertengruppen entwickelten Tierwohl-Indikatorensystems ist, angewendet, anhand dessen die Tiere auf Verletzungen an Ohren, Körper und Schwanz sowie insbesondere auf körperliche Schäden und Verhaltensstörungen, die durch die Haltungsbedingungen verursacht werden. Außerdem werden die Bucht und der Auslauf – wenn vorhanden – auf Verschmutzung und somit Einhaltung der Funktionsbereiche hin untersucht. Staub- und Ammoniakgehalte werden mit verschiedenen Messgeräten erhoben

Das Verhalten der Tiere im Auslauf wird wissenschaftlich untersucht

„Daten sind mittlerweile in vielen Betrieben ausreichend erhoben worden. Nachdem jetzt ziemlich alle Bauprojekte fertiggestellt sind kommen wir mit der Datenerhebung kaum mehr nach“ schildert die Professorin das Dilemma in dem die Wissenschaftler mittlerweile stecken, denn es sind nicht nur Stichprobenuntersuchungen notwendig, sondern teilweise werden die Daten über mehrere Wochen und Monaten auf einem Betrieb gesammelt.

Neben den Tierwohlindikatoren beschreiben die angehenden Wissenschaftlersie Verhaltensauffälligkeiten und beziehen die Betriebsdaten zur Gewichtsentwicklung, Futter- und Strohaufwand und gegebenenfalls Medikamenteneinsatz bei ihrer Beurteilung mit ein.

 „Zu den ressourcenbezogenen Indikatoren zählen die Dimension, Ausgestaltung und Sauberkeit der Stallflächen“, erklärt Studienleiterin . Wichtig sei außerdem, ob die Tiere die Funktionsbereiche für Liegen/Ruhen, Fressen/Trinken, Aktivität/Spielen sowie Ausscheidung wie vorgesehen nutzen können.

Natürlich liegen schon erste Ergebnisse aus dem Gesamtprojekt vor. Ein Beispiel soll hier dargestellt werden.

Nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse sind sind Ziel des Projektes, sondern auch praxisnahe Entwicklungen zur Verbesserung der Haltungsumwelt sind gewünscht. Diesen hat sich vor allem Rudi Wiedmann, der als freier Berater dem Projektteam angehört, verschrieben. Der Agrarwissenschaftler hat durch die von ihm entwickelten Pigport-Ställe mittlerweile jahrelange Erfahrungen im Bau von Außenklimaställen. Bei seinen Überlegungen stehen immer die Tiere im Mittelpunkt und daraufhin werden die technischen Umsetzungen geplant.

Gemeinsam mit dem Ferkelerzeuger und Projektteilnehmer Thomas König haben sie die KW-Abferkelbucht entwickelt. Sie kann mit und ohne Auslauf betrieben werden. In den Abbildungen 1 und 2 sind die Grundrisse der Buchten dargestellt.

 

Abbildung 1: Grundriss KW-Abferkelbucht konventionell

Abbildung 2: Grundriss KW-Abferkelbucht Öko

Auf der Homepage des Projektes sind in den „Baudetails 1“ die wichtigsten Funktionsbereiche der Bucht und die an sie gestellten Anforderungen nachzulesen. Sie umfassen folgende Details:

Buchtenwände:

Höhe: 1 m
Dicke der Siebdruckplatten: 21 mm (möglich auch 3-4 cm Rauspund-Vollholz)
Auslaufbegrenzung 1m

Abliegewände:

Länge: Über die gesamte Buchtenlänge/ca. 2 m
Höhe: Min. so hoch sein wie das Muttertier/mind. 80 cm, besser 90 cm
Abstand zum Boden: 20 cm
Abstand von der Buchtenwand: 15-20 cm

Boden:

Gefälle im Stall: 2 % Richtung Kotbereich bzw. Auslauf
Gefälle im Auslauf: 5 % 

Das Gefälle im Boden beträgt ca. 2%

Ferkelnest:

Seitenlängen: 130 cm x 130 cm
Seitenlängen inkl. Veranda: 160 cm x 160 cm
Ferkelnesthöhe: 50 cm
Abstand zwischen Ferkelnest und Absperrbügel (Veranda): 20 cm
Absperrbügel: Absperrgitter vor Veranda: Innerhalb der Metallschleifen 15 cm Abstand, zwischen den Metallschleifen 20 cm Abstand, Abstand der Metallschleifen zum Boden 10 cm 

Der Abstand zwischen Absperrgittern und Ferkelnest beträgt ca. 20 cm

Fütterung:

Abstand Futterrohr zum Boden: 2 cm

In der Abferkelbucht wird über Rohre auf den Boden gefüttert

Türen:

Eingangstürbreite: 50 cm
Auslauftür: 50 cm x 120 cm

Oberer Flügel der Auslauftür: 50 cm x 80 cm
Extra-Ferkelschlupf in den Auslauf: 22 cm x 35 cm
Höhe Absperrung an Auslauftür: mit Brett mindestens 25 cm oder Gummimatte 30 cm hoch

Auslauf:

Höhe der Schiebekante (an der Stallwand entlang): 5 cm
Abstand Auslauftor zum Boden: 6 cm
Auslauftorausführung: 30 cm geschlossen und 64 cm mit waagrechten Rohren
Bei Außenrinne: Abstand der Auslaufwand zum Boden 3 cm 

Im Auslauf wird auf eine ca. 5 cm hohe Schiebekante geachtet

Die Prototypen der Öko-KW-Abferkelbucht sind in der Proteinmarkt.de Betriebsreportage des Betriebes König zu sehen.

Im Laufe der Berichterstattung zu diesem EIP-Projekt werden auf Proteinmarkt.de in den nächsten Wochen weitere drei Betriebe und ihre Umsetzung der Tierwohlställe als Betriebsreportagen vorgestellt.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Manfred Weber
Klein Schwechten
Tel.: 039388/28423
E-Mail: manfred.h.weber(at)gmx.de

Fotos: Dr. Manfred Weber